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Full text of "Journal für Ornithologie"

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JOURNAL 


ORNITHOLOGIE 


GEGRÜNDET VON J. CABANIS. 
Im Auftrage der 


Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
mit Beiträgen von 


H. v. Boetticher, St. Chernel von Chernelhaza, 
F. v. Falz- Fein, J. Gengler, R. Gerlach, Frh. H. 
GeyrvonSchweppenburg, H.Grote,O.Heinroth, 
E. Hesse, A. Koenig, F. Koske, Kracht, P. Krüfs, 
Fr. Lindner, F.v.Lucanus, O0.Neumann, H.Reich- 
ling, O. Reiser, H. Schalow, E. Stresemann, 
J. Thienemann, E. P. Tratz, O. Graf Zedlitz, 
R. Zimmermann 


herausgegeben 


von 


Prof. Dr. Ant. Reichenow, 


Geh. Regierungsrat, zweiter Direktor am Staatl. Zoologischen Museum in Berlin, 
Generalsekretär der Deutschen Ormnithologischen Gesellschaft. 


67. Jahrgang. 


Leipzig 1919. 
Verlag von L. A. Kittler. 


London, Paris, New-York, 
Williams & Norgate, 14 F, Vieweg, rue Richelieu 67. Lemcke & Buechner 
Henrietta Street, Coventzarden. e 80-82 West, 27th Street 


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Inhalt des 67. Jahrganges (1919). 


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Seite 
H.v.Boetticher, Ornithologische Beobachtungen in der Muss- 
Alla-Gruppe 1916—18 nr En 238 
St. Cherne] von Chernelhaza, [Über Brutvorkomimen 
von Larus melanocephalus in Ungarn] . 116 
F. v. Falz-Fein, [Über die Vogelwelt von Askania - Nova 
(Taurien)] 227 
J.“engler, Einige "kritische Bemerkungen zu ı den paläarkischen 
Corviden . 215 
R. Gerlach, Ormnithologische Beobachtungen aus "der Gegend 
östlich von Reims as 211 
H. Frhr. Geyr von Schweppenburg, "Die pleistozäne 
Vogelfauna von Pilifszanto. Ein kritisches Referat . si 21 
H.Grote, Über einige Vögel der deutschostafrikanischen Südküste 298 
— Ornithologische EHEN aus dem südlichen Uralgebiet 
(Orenburg) . . RT 
0. Heinroth, [Luftröhre eines Mischlings von Metopiana 
....peposaca und Netia rufina]) . . - ER ae ER 116 
E. Hesse, Zur Ornis des Leipziger Gebietes” Re i.,004 
A. Koenig, Die Sperrschnäbler (Fissirosires) Aegyptens . . 481 
F. Koske, Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald . 159 
Kracht, Vogelleben von Tschorny-Jar an der unteren Wolga . 8322 
.Fr. Lindner, Fulmarus glacialis und die neuerdings erfolgte 
Erweiterung seines Brutgebietes nach Süden (seine Ansiedlung 
in Irland) . 888 
F. v. Lucanus, Zug und Wanderung, der Vögel Europas nach 
den Ergebnissen des Ringversuchs . . DIE RR 
— [Kommen Zugvögel in die alte Heimat zurück?] . a 
— Ergänzung zu meiner Arbeit: „Zug und Wanderung der Vögel 
Europas nach den Ergebnissen des Ringelversuchs“ . 297 
0. Neumann, [Lalaye schisticeps n. sp.) . a 1a 
A. Reichenow, ar en feliciae unterschieden von D. 
syriacus]) . - . .. 106 
— [Beschreibung des Weibchens von Pieridophora alberti] . EB 
— [Tringa maculata auf Samoa] - = 2 2 2 2 2 2022. 888 
— [Beschreibungen neuer Arten]. -. . ... 225, 834 
H. Reichling, Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes. 
I. Beobachtungen aus dem Jahre 1917 5 73 
O0. Reiser, [Über Brutvorkommen von Larus melanocephalus 
a m RE, 


Iv 


Seite 
H. Schalow, [Über das verschollene Werk E. v. Homeyers 
„Die Vögel Norddeutschlands“] - ee 
E. Stresemann, Sollen Subtilformen benannt worden? . ö 291 
J. Thienemann, XVIIlI. Jahresbericht (1918) der Vogelwarte 
Rossittn . . 257 
E. P. Tratz, Beiträge zur Ornithiolbgie‘ fies nördlichen "Venetiens 
und des Küstenlandes . . 129 


0. GrafZedlitz, Über das Vorkommen von n Kormoran, Schmatter- 
ente und Tainose auf den Militscher Teichen . . . » . . 113 
— Über die Formen von Turdus musicus . . 485 
R. Zimmermann, Ornithologische Aufzeichnungen aus "Bedan 802 
P. Krüfs, Berichte über die Vogelberingungsversuche in den 
Jahren 1913 bis 1916 und über den Vogelzug auf Helgoland 
in den Jahren 1914 bis 1917 : 2 2 2 2.2... Sonderheft. 
€ Dash TAN a1?) 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


Bericht über die Septembersitzung 1918 . . ». 2 2 2.2. 106 
Bericht über die Jahresversammlung 1918 . . . 2 2 2... ..109 
Bericht über die Novembersitzung 1918. . © . 2 2 2... 116 
Bericht über die Dezembersitzung 1918. - 2 2 2 2 202... 223 
Bericht über die Januarsitzung 1919. . 2 2 2 2 202. 225 
Bericht über die Februarsitzung 1919 . . 2 2 2 2 202... 229 
Bericht über die Aprilsitzung 1919 . 2 2 2 2 2 2 22. 821 
Bericht über die Maisitzung 1919. = . 2 2 2 2 2.2.2... .882 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. . . . 127, 231, 886, 490 


JOURNAL 


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Siebenundsechzigster Jahrgang. 


No. 1, Januar. 1919. 


Zug und Wanderung 
der Vögel Europas nach den Ergebnissen des Ringversuchs. 


Von Friedrich von Lucanus, 
(Hierzu Tafel 1.) 


Der Ringversuch, der sich als das beste und zuverlässigste 
Mittel zur Erforschung des Vogelzuges erwiesen hat, hat unsere 
Kenntnis von den Wanderungen der Vögel in hohem Masse er- 
weitert. Der Hauptwert dieser experimentellen Forschungsweise 
liegt darin, dafs sie uns in die Zugverhältnisse des ‚Vogels bis 
in die kleinsten Einzelheiten einen Einblick gewährt, wie er früher 
niemals möglich war, und uns durchaus zuverlässige Grundlagen 
für die Beurteilung des Zugproblems an die Hand gibt. An 
Stelle der auf Vermutung und Annahme aufgebauten Theorie, 
deren Mängel und Nachteile nur allzu sehr zu Tage traten, steht 
jetzt die sichere Tatsache; denn jeder erlegte Ringvogel ist ein 
wissenschaftliches Dokument von unanfechtbarer Beweiskraft. — 

Die erste Anregung, den Vogelzug auf experimentellem Wege 
- zu erforschen gab Millet in seiner 1866 erschienenen Schrift: 
„Etudes sur les oiseaux voyageurs et migrateurs et sur les moyens 
de les proteger“, in der er den Vorschlag machte, Zugvögel mit 
bunten Fäden zu zeichnen, um ihre Wanderungen zu kontrollieren. 
Sein Hinweis blieb jedoch lange Zeit unbeachtet. Erst 24 Jahre 
später wurde Millet’s Gedanke der experimentellen Forschung 
vom Herzog von Northumberland in die Tat umgesetzt, der 1890 
eine Anzahl junger Waldschnepfen mit Fufsringen versah, die als 
Aufschrift den Buchstaben N und die Jahreszahl trugen. 

1899 leitete der dänische Gymnasiallehrer Mortensen in 
Viborg eine eifrigere Forschung nach dieser neuen Methode in 
die Wege, indem er Stare, Störche, Enten und verschiedene 
Seevögel markierte und den Versuch, welchen er nun- regelmäfsig 
fortsetzte, dadurch vervollkommnete, dafs er den Ringen einegenaue 

Journ, f. Ora, LXVII, Jahrg, Januar 1919. 1 


2 Friedrich von Lucanus: 


Aufschrift gab und sie numerierte, um die Vögel individuell zu 
kennzeichnen. 

In der richtigen Erkenntnis der grofsen Bedeutung des Ring- 
versuchs für die Vogelzugforschung machte Thienemann im Jahre 
1903 das Beringen von Vögeln zur Hauptaufgabe der Vogelwarte 
Rossitten der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. Da der 
Erfolg des Experiments in erster Linie von der Meldung der 
erlegten Ringvögel abhängt, so suchte Thienemann die Rossittener 
Vogelmarkierung durch Wort und Schrift möglichst bekannt zu 
machen, indem er vor allem in der Presse des Auslandes darauf 
hinwies, aus dem ja wertvolle Nachrichten über unsere Zugvögel 
als Wintergäste zu erwarten waren, und baute hierdurch den 
Versuch zu einem internationalen Unternehmen aus. 

Die glänzenden Erfolge, die Thienemann in verhältnismälsig 
kurzer Zeit zu verzeichnen hatte, und die ihm ermöglichten, von 
gewissen Vogelarten, wie vom weilsen Storch, der Lachmöwe und 
der Nebelkrähe vollständige Karten ihrer Zugstralsen zu ent- 
werfen, verschafften dem Experiment allgemeine Anerkennung 
und Bewunderung, gegen die der Einspruch weniger einseitiger 
Vogelschützler, die den wissenschaftlichen Wert der Vogel- 
beringung nicht einsehen wollten, bald verstummen mulfste. So 
fand der Ringversuch eine weite Verbreitung im In- und Auslande. 

1903 wurde er von der königl. ungarischen ornithologischen 
Zentrale in Budapest aufgenommen, ein Jahr später von der 
biologischen ‚Anstalt auf Helgoland, wo unter Weigold die alte 
Vogelwarte Gätkes zu neuem Leben erstand. 

1909 folgten mit der Einführnng des Ringexperiments die 
Universität Aberdeen in Schottland unter Thomson, die Zeitschrift 
British Birds in England unter Witherby und die biologische 
Station in Kielkond des naturwissenschaftlichen Vereins zu Riga 
unter Stoll, 1910 die Bayerische Ornithologische Gesellschaft auf 
Veranlassung von Stresemann und die Kroatische Ornithologische 
Zentrale in Agram unter Röfsler. 1911 rief Daut in Bern die 
Schweizerische Zentralstelle für Ringversuche ins Leben, und in 
Schweden veranlafste Jägerskiöld den biologischen Verein in 
Gothenburg zur Teilnahme an der neuen Forschungsweise, der 
sich 2 Jahre später auch das naturhistorische Reichsmuseum in 
Stockholm durch Rendal anschlofs. 1912 folgte eine grofse Reihe 
preulsischer Oberförstereien einem Aufruf des Kgl. Ministeriums 
für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zur Beteiligung an den 
Vogelberingungen. Durch Zeichnen junger Raubvögel haben sich 
die Oberförstereien um die Erforschung des Raubvogelzuges in 
besonderem Masse verdient gemacht. 1913 begründete Tratz die 
Ornithologische Station in Salzburg und 1914 Loos die Ornitho- 
logische Station des Lotos in Liboch in Böhmen, die Beide das 
Ringexperiment zu ihrer Hauptaufgabe erhoben. In derselben 
Zeit führte auch van Oort den Ringversuch auf der Universität 
Leyden in Holland ein. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 3 


Kurz vor Ausbruch des Weltkrieges begründete in Moskau 
die kaiserlich Russische Akklimatisationsgesellschaft für Pflanzen 
und Tiere ein ornithologisches Institut, dessen Hauptaufgabe in 
der Vogelmarkierung bestehen sollte, während zu gleicher Zeit in 
Frankreich Menegaux die „Ligue ‚frangaise pour Protection des 
Oiseaux‘“ dazu veranlafste, den Ringversuch in ihr Arbeitspro- 
gramm aufzunehmen. Über diese französischen und russischen 
Beringungen liegen jedoch, soweit ich in Erfahrung bringen 
konnte, keine Berichte vor. Sie sind wohl infolge des Krieges 
nicht zur Ausführung gelangt. 

Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika widmet man 
sich seit einigen Jahren mit Eifer dieser neuen Forschungsweise. 

Aufserdem beteiligen sich zahlreiche Privatpersonen des In- 
und Auslandes an dem Ringexperiment. 


In welchem Umfange die Vogelberingungen ausgeführt werden, 
geht am besten aus folgenden Zahlen hervor: 


Die Vogelwarte Rossitten zeichnete von 1903—1917 7629 
Vögel und gab aufserdem 113037 Ringe nach aufserhalb ab, über 
deren Verwendung jedoch nur unvollständige Mitteilungen vor- 
liegen. Im ganzen wurden von den mit Rossittener Ringen 
‚markierten Vögeln bis 1917 1816 Stück eingeliefert. 


Es wurden ferner beringt: 


durch die Vogelwarte Helgoland 1909—16: 14172 Vögel, davon 
eingeliefert 495 (2,8°%,); 

durch die Ungar. Ornithol. Zentrale 1908—15: 25621 Vögel, 
davon eingeliefert 492 (1,9°%/,); 

durch die Ornithologische Station in Salzburg 1913—16: 1917 
Vögel, davon zurückgeliefert 48 (2,5 %,); 

durch die Station des Lotos in Liboch 1914—16: 13958 Vögel. 


In England wurden durch die Zeitschrift British Birds von 
1909—1913 46823 Vögel, und aulserdem durch Privatpersonen 
weitere 14000 Vögel beringt, von denen ebenfalls eine grofse 
Anzahl erbeutet ist. 

So liegt bereits ein bedeutendes Material vor, das für die 
Erforschung des Vogelzuges wertvolle Angaben enthält, die in 
den Jahresberichten der Markierungsstationen und in ornitho- 
logischen Zeitschriften verzeichnet sind. Um ein klares Bild von 
den Zugverhältnissen der einzelnen Arten zu gewinnen, und 
festzustellen, welche allgemeinen Grundsätze für den Vogelzug 
sich aus dem Ringversuch ergeben, ist es notwendig all’ diese 
Angaben mit einander zu vergleichen und nach einheitlichen 
Gesichtspunkten zu ordnen und zusammenzustellen. Ein solcher 
Versuch soll die Aufgabe dieser Arbeit sein. 

Die benutzte Literatur über das Ringexperiment schlielst 
mit dem Oktober 1918 ab. Die Mitteilungen über die Vogel- 
beringungen der fremden Staaten standen mir infolge des Welt- 
krieges zum Teil nur bis zum Jahre 1914 zur Verfügung. Die 


1° 


4 Friedrich von Lucanus: 


fehlenden Angaben können daher erst in einer späteren Zeit 
berücksichtigt werden, wenn der Weltbrand gelöscht ist, und ein 
friedlicher Ausgleich der Nationen den internationalen Geist der 
Wissenschaft zu neuem Leben erweckt hat. 

Die amerikanischen Beringungen habe ich in meiner Arbeit 
nicht berücksichtigt, da es sich um einen fremden Erdteil handelt, 
wo ganz andere Verhältnisse herrschen und daher die mannig- 
fachen Erscheinungen des Vogelzuges unter anderen Gesichts- 
punkten betrachtet werden müssen. Die Bearbeitung dieses nicht 
weniger interessanten und reichhaltigen Materials mag den ameri- 
kanischen Ornithologen überlassen bleiben. 

Im ersten Teil meiner Schrift, der den Zug der einzelnen 
Arten behandelt, habe ich alle Vögel, die bisher in Europa dem 
Ringversuche mit Erfolg zugänglich gemacht wurden, aufgeführt. 
Es sind dies 127 Arten. Die meisten Vögel sind als junge, 
noch nicht flügge Tiere beringt worden; wo dies nicht zutrifft, 
habe ich besonders darauf hingewiesen. 

Die zusammenfassenden Angaben über die Zugrichtung, die 
der Besprechung der einzelnen Arten am Schlufs hinzugefügt 
sind, beziehen sich ausschliefslich auf die Ergebnisse des Ring- 
versuchs. 

Bei der Nomenklatur bin ich der „Neuen Namenliste der 
Vögel Deutschlands“ von Anton Reichenow und Erich Hesse, 
Journal für Ornithologie 1916, gefolgt. 


l. Teil. 


Der Zug der einzelnen Arten. 


Alcidae. 


1. Uria troille L. 


2 in Schottland jung beringte Ringellummen wurden im 
November desselben Jahres in Gothenburg in Schweden erlegt. 
Eine Helgoländer Lumme zog nach Stavanger in Norwegen. Die 
Lummen streichen offenbar regellos umher. 


Procellariidae, 


2. Puffinus puffinus Brünn. 


Ein im Juni 1912 auf den Scilly-Inseln gezeichneter Sturm- 
vogel wurde im Januar 1914 in Finistöre in Frankreich erbeutet. 
Der Flug über den Kanal ist keine grofse Entfernung für einen 
Sturmvogel. Das betreffende Exemplar war also in den 2 Jahren 
in seiner Heimat verblieben. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 5 


Laridae. 


3. Larus ridibundus L. 


In Deutschland wird alljährlich durch die Vogelwarte Rossitten 
auf dem dortigen Möwenbruche, ferner in den Lachmöwenkolonien 
auf Hiddensoe und Zingst in Pommern, in Schleswig-Holstein und 
Schlesien, sowie durch die Ornithologische Gesellschaft in Bayern 
auf dem Wörthsee bei München und in Schwandorf in der Pfalz 
eine grofse Anzahl junger Lachmöwen beringt. Dasselbe findet 
seitens{der Ungarischen Ornithologischen Zentrale in den Möwen- 
kolonien des Velencer Sees in Ungarn und durch die Ornitho- 
logische Station des Lotos auf dem Hirnsener See in Böhmen 
. statt. Ebenso werden in Schottland, England und Holland Lach- 
möwen gezeichnet. 

Durch diese in grofsem Mafststabe durchgeführte Beringung 
haben wir ein klares Bild von den Zugverhältnissen der Lach- 
möwe erhalten. 


Für die Möwen der Kurischen Nehrung haben sich nach 
den Angaben Thienemanns in den Jahresberichten der Vogelwarte 
Rossitten folgende Zugstrafsen ergeben: 

1. Nach Süden über Breslau — Wien — Budapest — durch das 
Donau- und Save-Tal — über Triest nach Italien, den Küsten 
des Adriatischen Meeres und Tunis. Ein bevorzugtes Winter- 
quartier bildet die Poebene. Von Wien aus besuchen die 
Möwen auch den oberen Lauf der Donau und ihre Neben- 
flüsse, wie aus der Erbeutung von Ringvögeln in Passau, 
München, Innsbruck und Zell am See hervorgeht. 

2. Von der Kurischen Nehrung längs der Ost- und Nordsee- 
küste zum Rhein, dann Rhein aufwärts über den Bodensee — 
Genfer See—- Lyon nach der Rhonemündung, den Balearen, 
der Ostküste Spaniens und Nordafrika. 

3. Westwärts an der Küste der Ost- und Nordsee entlang bis 
England und zur Nordküste Frankreichs, sowie weiter längs 
der Westküste Frankreichs bis Portugal, Spanien und Nord- 
afrika. Ein beliebtes Winterquartier liegt im Gebiet des 
Armelmeeres. 

4. Im Anschlufs an die vorgenannte Zugstrafse von der West- 
küste Frankreichs über den atlantischen Ozean nach der 
Ostküste Amerikas. 


Im November 1911 wurde auf der Insel Barbados der 
kleinen Antillen eine Rossittener Ringmöwe erlegt und im Februar 
des folgenden Jahres ein zweiter Vogel am Golf von Mexiko auf 
dem See von Catamaco in Vera Cruz. Da zwei kurz auf einander 
folgende Fälle vorliegen, so kann man kaum annehmen, dafs es 
sich nur um verschlagene Stücke handelt, sondern darf den Flug 
der Lachmöwen von Europa nach Amerika als regelrechte Zug- 
erscheinung betrachten. Für eine solche Auffassung spricht ferner 


6 Friedrich von Lucanus: 


die Erbeutung mehrerer Lachmöwen aus England auf den Azoren, 
die ihren Flug ebenfalls von der europäischen Küste aus in 
westlicher Richtung über den atlantischen Ozean gelenkt hatten 
und vielleicht im Begriff waren, ihre Reise noch weiter westwärts 
bis Amerika auszudehnen. 

Da für die zu den allerbesten Fliegern zählenden Möwen 
der Flug keine Anstrengung bedeutet, sondern leichtes Spiel ist, 
und sie sich jederzeit auf dem Wasser ausruhen können und 
hier reichliche Nahrung finden, so liegt kein Grund vor, in der 
Überquerung des Ozeans eine aufsergewöhnliche Kraftprobe zu 
erblicken. — 


Lachmöwen aus Pommern und Schleswig-Holstein wurden 
in Holland, Belgien, England an der Nord- und Westküste Frank- 
reichs, in Portugal und Spanien erlegt. Sie sind also der 3. Zug- 
strafse der Rossittener Vögel gefolgt, die von allen norddeutschen 
Lachmöwen mit Vorliebe benutzt wird. Andere Stücke wurden 
in Heilbronn, Konstanz, München und in Campo maggiore bei 
Stenico in Trentino erbeutet. Die Fundorte Heilbronn und Kon- 
stanz gehören der 2. im Rheinland entlangführenden Zugstrafse 
an, während die geographische Lage von München und Campo 
maggiore auf einen Zug quer durchs Binnenland über die Alpen 
nach Italien hinweist analog dem südlichen Zuge der Rossittener 
Möwen durch Österreich nach Italien. — 


Die Lachmöwen aus Schlesien, vom Hirnsener See in Böhmen 
und vom Velencer See in Ungarn suchen die Meeresküste sowohl 
durch einen nördlichen, wie durch einen südlichen Zug zu erreichen. 
Sie wandern zum Teil über Triest nach Italien, dem westlichen 
‚Mittelmeergebiet und Nordafrika, zum Teil dem Lauf der Elbe, 
bezüglich der Oder folgend, nach der deutschen Seeküste, wo sie 
mit den norddeutschen Artgenossen zusammentreffen, um dann 
ebenso wie diese den Zug nach Westen, nach England, den Küsten 
Frankreichs und der Pyrenäenhalbinsel, fortzusetzen. Für die 
schlesischen und böhmischen Möwen bildet die nördliche Zug- 
richtung, für die ungarischen, die mit Vorliebe in der Poebene 
überwintern, die südliche Zugrichtung die Regel. Daneben kommt 
bei den Möwen Ungarns und Böhmens noch eine dritte Zug- 
richtung vor, die Donau aufwärts nach dem Rhein und den 
Schweizer Seen führt, von wo aus wohl auch die Rhonemündung 
aufgesucht wird. 

Schlesische Möwen wurden aufser im Mittelmeergebiet und 
auf der westlichen Küstenstrafse auch bei Coblenz, Mannheim, 
Frankfurt a. M., Homburg und Lorch angetroffen. Dafs diese 
Orte durch einen Flug in direkt westlicher Richtung erreicht sind, 
glaube ich kaum, sondern halte es für wahrscheinlicher, dafs die 
betreffenden Möwen zusammen mit ihren übrigen Artgenossen 
zunächst in nördlicher Flugrichtung die deutsche Seeküste 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 7 


aufgesucht haben und dann auf ihrer weiteren Küsten-Reise nach 
Westen von der Rheinmündung aus in das Rheintal abgebogen 
sind, wie es die Rossittener Möwen so gern tun. — 


Die bayerischen Möwen vom Wörthsee und aus Schwandorf 
ziehen in der Mehrzahl über den Bodensee und Genfer See 
nach der Rhonemündung, der Ostküste Spaniens und Tunis, sowie 
nach Italien. So natürlich und selbstverständlich diese Zug- 
richtung nach der geographischen Lage des Brutgebietes auch 
erscheint, so wird sie doch keineswegs von allen Möwen des 
Wörthsees eingehalten, vielmehr sehen wir auch hier einen Teil 
der Möwen nach Norden abwandern, um den Anschlufs an die 
so beliebte westliche Küstenzugstrafse zu gewinnen. Die Fund- 
orte Heilbronn, Mannheim, Hanau, Worms, Düsseldorf, Groningen, 
Calais, sowie an den Küsten der französischen Departements 
Somme, Seine-Inferieur, Calvados, Cötes du Nord, Vend&e, Charente 
Inferieur und Lissabon charakterisieren eine Wanderung, die aus 
Bayern über die Donau nach dem Neckar und Rhein führt, dann 
Rhein abwärts zur niederländischen Küste und von hier längs 
der Nord- und Westküste Frankreichs nach Portugal. Ein über- 
aus interessantes Ergebnis des Ringversuchs — dieser seltsame 
Zug von Süddeutschland nach der Pyrenäenhalbinsel mit dem 
gewaltigen Umweg über Norden. — 


Die englischen Lachmöwen sind vorzugsweise Stand- und 
Strichvögel. Einzelne Exemplare begeben sich dagegen im Herbst 
auf die Wanderschaft und ziehen der geographischen Lage ihrer 
Heimat entsprechend auf der westlichen Lachmöwenzugstrafse an 
der Küste des atlantischen Ozeans entlang nach Portugal und 
Spanien. 

Die Erbeutung zweier englischen Möwen auf den Azoren 
deutet auf einen Zug über den Ozean nach Amerika hin, wie 
ihn 2 Rossittener Vögel ausgeführt haben. — 


Die Richtung der genannten Zugstralsen zeigt, dafs die Alpen 
und die Pyrenäen in der Regel nicht überflogen werden. Eine 
Ausnahme macht jedoch die bei Stenico erlegte Möwe aus 
Pommern, die ihren Flug offenbar über die Alpen gelenkt hat. 
Die Erbeutung Rossittener Möwen in Innsbruck und in Zell am 
See zeigt ebenfalls ein tiefes Vordringen ins Gebirge. Auf Grund 
dieser Beobachtungen läfst sich mit ziemlicher Sicherheit an- 
nehmen, dafs Larus ridibundus einen Zug über die Alpen nicht 
scheut, der jedoch nach den bisherigen Erfahrungen mehr als 
Ausnahme zu betrachten ist. — 

Der grofsen Anzahl in den genannten Zuggebieten erbeuteter 
Ringmöwen stehen nur wenig Fälle gegenüber, die nicht in den 
Rahmen dieser Zugverhältnisse hineinpassen. Sie wurden Rossit- 
tener Möwen bei Berlin, Freienwalde a. OÖ. und Dresden, andere 


8 Friedrich von Lucanus: 


deutsche Möwen im Innern Frankreichs angetroffen. Die Vögel 
sind auf ihrem Zuge wohl Flufsläufen gefolgt, die sie von der 
normalen Zugrichtung abgelenkt haben. 

Vielleicht kann man in den Fundorten Berlin, Freienwalde 
und Dresden auch eine nach Südwesten gerichtete Zugbahn er- 
blicken, die weiter in Richtung auf München, wo schon wiederholt 
Rossittener Möwen erlegt wurden, verläuft und dann über die 
Alpen nach Italien führt, wenn man die weiteren Fundorte Inns- 
bruck, Zell am See und Stenico hiermit in Verbindung bringt. 

Eine solche Annahme würde eine neue Zugstrafse für die 
Rossittener Lachmöwen ergeben, die sich freilich auf Grund des 
geringen Materials, das bisher hierüber vorliegt, zwar nur ver- 
muten, aber nicht mit Sicherheit aufstellen läfst. Erst weitere 
Resultate des Ringversuches können hierüber Aufschluls geben. 
Zur Bestätigung dieser Annahme würde vor allem die Erbeutung 
von Ringmöwen auf der Strecke Dresden — München erforderlich 
sein. — 

Die verschiedenen Zugstrafsen werden von den Lachmöwen 
gleichzeitig in derselben Zugperiode benutzt. Es ziehen also 
z. B. die Möwen vom Velencer See in demselben Herbst sowohl 
nach Norden, wie nach Süden, und ein Teil der Rossittener 
Möwen wandert westwärts an der Küste entlang, während ein 
anderer Schwarm sich südwärts wendet, um in direktem Fluge 
über das Binnenland das adriatische Meer zu erreichen. Ob 
dieselben Individuen zeitlebens den gleichen Weg einschlagen, 
oder ob auch hierin ein Wechsel stattfindet, entzieht sich vor- 
läufig unserer Kenntnis. Durch Beringung von Möwen auf dem 
Zuge und im Winterquartier würde sich Klarheit hierüber ge- 
winnen lassen. Werden solche Vögel später auf einer anderen 
Zugstrafse, oder in demselben Zuggebiet erbeutet, so wird dadurch 
die Frage entschieden. 

Auf dem Zuge halten die Möwen aus derselben Kolonie in 
geschossenen Flügen zusammen, wie aus der zweimal erfolgten 
gleichzeitigen Erbeutung zweier Möwen aus Rossitten hervorgeht, 
die bei Wien und bei Topolovac in Kroatien aus gröfseren 
Scharen herausgeschossen wurden. Die Doubletten lassen vermuten, 
dafs die betreffenden Flüge aus Rossittener Vögeln bestanden. 

Die Möwen setzen ihre Wanderung keineswegs immer bis 
zum Mittelmeergebiet, wo alle Zugstrafsen endigen, fort. Viele 
Stücke überwintern schon an den Küsten der Nord- und Ostsee 
und des Armelmeeres, sowie an anderen Stellen der Zugstralsen. 
Ein beliebtes Winterquartier der westwärts wandernden Möwen 
ist auch Grofsbritannien, wo die Wintergäste nordwärts bis nach 
Schottland vordringen. 

Die jungen Möwen pflegen sich sehr früh nach dem Selbst- 
ständigwerden auf die Wanderschaft zu begeben. Mitte Juni 1911 
auf dem Wörthsee in noch nicht flüggem Zustande gezeichnete 
Tiere befanden sich bereits Ende August in Chälon an der Saöne 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 9 


und im Departement Gard in Südfrankreich, Andere Jungvögel 
aus Bayern wurden sogar schon Mitte Juli in Frankreich angetroffen. 

Die jungen Möwen verbringen die Zeit bis zur Geschlechts- 
reife, die erst nach vollendetem 2. Lebensjahr erreicht wird, 
häufig in der Winterherberge und ersparen sich so die Rückreise, 
oder sie streifen regellos umher, während bei den alten Vögeln 
die Rückkehr in die Heimat die Regel zu sein scheint, wie die 
zahlreichen Fälle zeigen, welche die Anwesenheit mehrjähriger 
Ringmöwen als Brutvögel in der Stammkolonie erwiesen haben. 
Es scheint sich also der Bestand einer Lachmöwenkolonie haupt- 
sächlich aus den eigenen Jungen zu ergänzen. Ausnahmen 
kommen natürlich auch hier vor; so siedelten sich 2 Möwen aus 
Zingst in Malmö und auf Fünen, 3 Rossittener Stücke in Kurland 
bei Libau und Riga und ein anderer Vogel von der Kurischen 
Nehrung auf dem Züricher See an. Das letztgenannte Exemplar 
‘ war offenbar in der Winterherberge zurückgeblieben, während 
die Entfernung der übrigen Möwen von ihrem Heimatsort nicht 
so bedeutend ist, dafs man von einem Auswandern in fremdes 
Gebiet sprechen kann, sondern darin nur einen Austausch zwischen 
benachbarten Kolonien zu erblicken braucht. Diese wenigen, 
überdies belanglosen Fälle treten hinter der häufig beobachteten 
Rückkehr in die Heimat völlig zurück. 


Zugrichtung: Nach Westen, Südwesten, Süden und Norden. 


4. Larus glaucus Brünn. 


Eine in Rossitten im Februar 1910 beringte Eismöwe wurde 
im März 1911 bei Libau in Kurland erlegt. Der Vogel befand 
sich offenbar auf dem Rückzuge in seine nördliche Heimat. Die 
Möwe ist also in beiden Jahren dieselbe Strecke am Seestrande 
entlang gewandert. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


5. Larus argentatus Brünn. 


Sämtliche beringten Silbermöwen verblieben zu allen Jahres- 
zeiten in der näheren oder weiteren Umgebung ihrer Heimat. 
Einige Stücke wurden noch nach 5 und 6 Jahren hier festgestellt. 
Die Silbermöwen der ostfriesischen Inseln besuchen zeitweise die 
deutsche und holländische Küste, die Möwen Englands dehnen 
ihre Streifzüge über den Kanal bis zur Küste Frankreichs aus. 


6. Larus marinus L. 


In Rossitten und Zingst auf dem Herbstzuge gezeichnete 
Mantelmöwen wurden in Schleswig, Mecklenburg, Dänemark, 
Holland, Belgien, Nord- und Mittelfrankreich, sowie in England 
erbeutet. 


10 Friedrich von Lucanus: 


Ein im Herbst in Rossitten markierter Vogel wurde nach 
92 Tagen in Belgrad in Serbien erlegt. Die Möwe hat also einen 
Flug durch das Binnenland unternommen. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten, vereinzelt nach 
Süden. 


7. Larus fuscus L. 


Rossittener Zugvögel setzten ihre Reise teils nach Westen 
an der Küste bis Mecklenburg, Dänemark, Schweden, Helgoland 
und Portugal fort, teils durchs Binnenland nach Süden über 
Ungarn bis Agypten. 

.... 2 Exemplare von den Farör-Inseln wurden in Marokko und 
Agypten geschossen. 

In England ist Larus fuscus Stand-, Strich- und Zugvogel, 
der seine Winterreisen längs der Westküste Frankreichs bis- 
Spanien und Marokko ausdehnt. 


Ein interessantes Beispiel von der Schnelligkeit des Wander- 
fluges der Heringsmöwe gibt ein am 22. XI. 1913 in Rossitten 
beringter und am 5. XIl. desselben Jahres in Siebenbürgen erlegter 
Vogel. Siebenbürgen kommt als Winterquartier für Larus fuscus 
nicht in Frage. Man kann daher annehmen, dafs sich die Möwe 
nicht schon länger hier aufgehalten hat, sondern auf dem Durch- 
zuge geschossen ist. Die Entfernung von der Kurischen Nehrung 
bis Siebenbürgen beträgt in der Luftlinie rund 1000 km, die die 
Möwe in 13 Tagen zurückgelegt hat, was eine tägliche Durch- 
schnittsleistung von 77 km ergibt. Die Fluggeschwindigkeit der 
Heringsmöwe beträgt nach den Flugmessungen Thienemanns ca. 
13,8 m in der Stunde, also 50 km in der Stunde Die Möwe 
brauchte daher täglich nur 11/, Stunde zu fliegen, um in 13 Tagen 
von Rossitten nach Siebenbürgen zu gelangen. Der Vogel ist also 
auf seinem Zuge überaus langsam gewandert. 


Zugrichrichtung: Nach Westen, Südwesten und Süden. 


8. Larus canus L. 


Östpreufsische und Pommersche Durchzugsvögel wurden in 
Schleswig, Jütland, England, Belgien und Nordfrankreich als 
Wintergäste angetroffen. Eine im Herbst in Rossitten beringte 
Sturmmöwe wurde nach 6 Jahren als Brutvogel in Finnland 
geschossen. 


Aufser dieser westlichen Küstenwanderung wurde bei einem 
Exemplar auch ein Zug ins Binnenland, von Rossitten nach Treppin 
in der Mark Brandenburg festgestellt. 

Im Ostseegebiet ist Larus canus vielfach auch Standvogel, 
in England Stand- und Strichvogel. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 11 


9, Sterna cantiaca Gm. 
10. Sterna hirundo L. 
11. Sterna macrura Naum. 
12. Sterna minuta L. 


Eine Seeschwalbe von der Insel Ösel wurde auf der unteren 
Elbe, Stücke aus dem Gebiet der Nord- und Ostsee, aus England 
und Holland an den Küsten Frankreichs, in Portugal und Spanien 
und eine englische Sterna cantiaca in Assinie an der Zahnküste 
Afrikas erlegt. 

Die Seeschwalben folgen also der westlichen Lachmöwen- 
zugstralse, die an den Küsten der Ost- und Nordsee und des 
atlantischen Ozeans entlang nach Spanien und Afrika führt, wo 
der Zug an der Westküste des schwarzen Erdteils fast bis zum 
Aquator ausgedehnt wird, während die Lachmöwe nicht über das 
Mittelmeergebiet hinausgeht. 

Die Seeschwalben aus dem östlichen Nordeuropa überwintern 
häufig schon im Gebiet der Nordsee und des Ärmelmeeres, also 
im Brutrevier ihrer westlichen Artgenossen. 

2 Sterna macrura wurden nach 4 und 5 Jahren, 2 Sterna 
hirundo nach 4 Jahren im Sommer wieder in ihrer Heimat an- 
getroffen. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten, 


13. Hydrochelidon nigra L. 


In einem Fall wurde die Rückkehr einer Trauerseeschwalbe 
in ihre Heimat nachgewiesen. 

Eine böhmische Trauerseeschwalbe überwinterte am Golf 
du Lion. 


Zugrichtung: Nach Südwesten, 


Phalaorocoraoidae, 


14. Phalacrocorax carbo Brehm. 


Der Kormoran ist in Grofsbritannien und Irland Stand-, 
Strich- und Zugvogel. Die Winterquartiere der Zugvögel liegen 
an den Küsten Frankreichs, Portugals und Spaniens. 


Zugrichtung: Nach Südwesten und Süden. 


15. Phalacrocorax pymaeus Pall. 


2 ungarische Zwergscharben zogen nach dem Skutari- See 
und nach Rumänien. 


Zugrichtung: Nach Süden und Südosten. 


+12 Friedrich von Lucanus: 


Sulidae. 


16. Sula bassana L. 
In Schottland beringte Balstölpel erwiesen sich als Standvögel. 


Anatidae,. 


17. Mergus serrator L. 


Ein mittler Säger zog vom Greifswalder Bodden nach Steier- 
mark. Er wird auf seinem südlichen Zuge durchs Binnenland 
wahrscheinlich dem Lauf der Elbe und Moldau gefolgt sein. 

Ein englischer Säger erwies sich als Standvogel. 


Zugrichtung: Nach Süden. 


18. Nyroca fuligula L. 
19. Nyroca ferina L. 


In England beringte Reiher- und Tafelenten verblieben im 
Winter am Markierungsort. Eine Mecklenburger Tafelente zog 
nach England. 


Zugrichtung: Nach Westen. 


20. Spatula clypeata L. 


i Eine in Südschweden gezeichnete Löffelente wurde im Winter 
in Peronne in Frankreich geschossen. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


21. Anas boschas L. 
22. Anas penelope L. 
23. Anas crecca L. 


Beringte Stock-, Pfeif- und Krickenten ergaben sich als 
Stand-, Strich- und Zugvögel. Die Wanderungen erfolgen vor- 
zugsweise an der Küste nach Westen, sowie nach Südwesten 
durchs Binnenland. Während Anas boschas und penelope sich in 
der Regel höchstens einige Hundert Kilometer von ihrer Heimat 
entfernen, unternimmt Anas crecca auch weitere Reisen. So zog 
eine in Schwedisch-Lappland beringte Krickente nach Aubiers im 
Departement Deux-Sevres in Frankreich und ein Petersburger 
Stück nach Trinitapoli an der Ostküste Italiens. Beide Strecken 
betragen ca. 2200 km. 

Eine andere Krickente aus Petersburg wurde aus Südungarn 
zurückgemeldet. Man kann infolgedessen aunehmen, dafs auch 
die in Italien erlegte Ente ihr Reiseziel in direkt südwestlichem 
Fluge über Ungarn erreicht hat, wobei weite Festlandsstrecken 
überflogen sind. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 13 


Schwedische und dänische Krickenten besuchen im Winter 
häufig England. 

Die Anatiden aus England überwintern mit Vorliebe an der 
niederländischen, belgischen und französischen Küste. 

Aulser dem eigentlichen Züge macht sich bei den Enten 
noch ein regelloses Umherstreichen bemerkbar. Auch eine An- 
siedlung auf fremdem Gebiet scheint öfters vorzukommen. So 
wurden Stockenten aus Holland und England in späteren Jahren 
als Brutvögel in Westpreufsen, Frankreich und Schweden auf- 
gefunden; englische Krickenten siedelten sich in Schleswig und bei 
Hamburg an. Im Gegensatz hierzu stehen zahlreiche Fälle, in 
denen jung beringte Stockenten im folgenden Sommer, sowie 
nach 2 und 3 Jahren in ihrer Heimat erlegt wurden. Sie waren 
also entweder als Standvögel dort verblieben, oder von ihrer 
Winterreise zur Fortpflanzung regelmäfsig wieder nach ihrer 
Geburtsstätte zurückgekehrt. 

Auf Grund aller dieser Erfahrungen mufs man Stock-, Pfeif- 
und Krickente als recht unbeständige Vögel ansehen, deren 
Lebensgewohnheiten individuell sehr verschiedenartig sind. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten, für englische 
Vögel nach Süden. 


24. Anas acuta L. 


Einen sehr interessanten Bericht über Beringung von Spiels- 
enten gibt Mortensen in der Dänischen Ornithologischen Zeitschrift 
1914. Hiernach wurden im Herbst der Jahre 1908 und 1910 in 
den Entenkojen auf der Insel Fanö an der Westküste Jütlands 
zahlreiche Spiefsenten beringt. Von den bis 1913 zurückgemeldeten 
66 Enten waren Folgende im Frübjahr und Sommer an ihren 
Brutplätzen erbeutet: 11 Stück im europäischen Nordrufsland und 
Finnland, 2 in Südschweden, 1 im Ural 200 km östlich Perm und 
1 bei Kiew. Andere Exemplare wurden in späteren Zugperioden 
an der Westküste Schleswig-Holsteins, auf Amrum und Föhr, in 
England, an den Küsten Frankreichs und Spaniens, im Golf von 
Lion und an den Küsten der Adria erlegt. Einzelne Stücke wurden 
auch auf der Seine und Maas angetroffen. Die Spiefsente scheint 
also eine ausgesprochener Zugvogel zu sein. Ihre Winterquartiere 
liegen wie bei Larus ridibundus im Westen und Süden Europas. 

Nicht nur die westliche, sondern auch die südliche Winter- 
herberge wird durch einen Zug an der Küste entlang erreicht, 
wie aus folgenden Daten hervorgeht: 

Vier in der zweiten Hälfte des Oktober auf Fanö beringte 
Spiefsenten, die nach den Erfahrungen des Ringversuchs als nord- 
russische oder skandinavische Brutvögel anzusehen sind, wurden 
im anschliefsenden Winter in Torino, Ravenna, Valencia und 
Venedig erbeutet. Diese Vögel haben also Italien nicht auf 
direktem Wege durch einen Überlandflug erreicht, sondern sind, 
wie aus ihrem Zug über Fanö hervorgeht, zunächst westwärts 


14 Friedrich von Lucanus: 


an der Küste der Ost- und Nordsee entlang bis zum atlantischen 
Ozean gewandert, dann den Küsten Frankreichs und der Pyrenäen- 
halbinsel, wo ja schon wiederholt Spiefsenten erlegt sind, gefolgt 
und durch den Golf von Lion nach Italien gelangt. Auf diese 
Zugrichtung deuten auch die beiden Brutvögel vom Ural und aus 
Kiew hin, die auf ihrem Herbstzuge Fanö berührten und hier 
beringt wurden. Diese beiden Enten haben ihren Zug in nörd- 
licher Richtung begonnen, um zunächst die Ostseeküste zu er- 
reichen und ihn dann nach Westen an der Meeresküste entlang 
fortzusetzen. 

Die Strecke vom mittleren Ural bis Fanö beträgt 3000 km 
in der Luftlinie und ist die gröfste Entfernung, die bisher durch 
den Ringversuch für Wanderungen der Enten festgestellt wurde. 
Andere in Fanö beringte Spiefsenten wurden als Brutvögel in 
Archangelsk an der Tschefskaja Bai und an der Petschora- 
Mündung erlegt. Die Entfernung von Fanö beträgt 2400 km. 
Wenn man annimmt, dafs diese Enten ihren Herbstzug über 
Jütland längst der Meeresküste nach Südspanien fortsetzen, was 
nach den von Mortensen erzielten Resultaten sicher der Fall ist, 
so bedeutet dies eine Wanderung von ca. 5800 km, die sich bei 
einer weiteren Ausdehnung der Reise bis zur Adria noch um 
fast 2000 km vergröfsert, sodafs alsdann der insgesamt zurück- 
gelegte Küstenweg nahezu 8000 km beträgt. — 

Trotz der weiten Strecken, die die Spiefsenten auf ihren 
Wanderungen durchmessen, erfolgt die Reise anscheinend nur 
langsam, denn eine am 18. X. 1909 auf Fanö gezeichnete Ente 
wurde am 28. desselben Monats auf Amrum gefangen. Sie hat 
also in 10 Tagen nicht mehr als 80 km zurückgelegt. 

Den Rückzug im Frühjahr treten die Spiefsenten ziemlich 
spät an, da einzelne Ringvögel noch Ende März in Mittel- und 
Oberitalien weilten. 

Zwei Spielsenten wurden im folgenden, drei weitere nach 
3 und 4 Jahren wieder auf dem Herbstzuge in den Entenkojen 
auf Fanö eingefangen, was ein Beweis dafür ist, dafs Anas acuta 
stets dieselbe Zugstrafse wählt. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten. 


Anseridae. 


25. Tadorna tadorna L. 


Eine am 9. VII. 1910 als Dunenjunges auf Sylt beringte 
Brandgans wurde am 5. VIII. 1911 auf der Insel Trieschen 
(97 km entfernt) erlegt. 


26. Anser fabalis Lath. 


Von 2 in Mecklenburg als Juugtiere gezeichneten Saat- 
gänsen wurde die eine nach 3 Monaten, die andere nach 2 Jahren 
in derselben Gegend erlegt. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 15 
Oharadriidae, 


27. Haematopus ostralegus L. 


Ein in Hiddensoe beringter Austernfischer überwinterte in 
Holland. Junge auf Sylt gezeichnete Vögel verbrachten den 
Winter dortselbst, oder auf den benachbarten ostfriesischen Inseln 
während nach Weigolds Beobachtungen nördliche Brutvögel 
Helgoland und das Wattenmeer in südlicher Richtung überfliegen, 
um an der friesischen und belgischen Küste zu überwintern. 
Wir sehen hier also die eigenartige Erscheinung, wie Weigold 
in seinem ornithologischen Bericht über Helgoland, Journal für 
Ornithologie 1913, hervorhebt, dafs die nördlichen Individuen 
derselben Vogelart weiter südlich überwintern als südliche Brut- 
vögel. Bei Ersteren hat sich also der Zugtrieb in dem kalten 
Klima der nördlichen Heimat erhalten, während er bei Letzteren 
infolge des milderen Klimas verloren gegangen ist. 

In England ist der Austernfischer ebenso wie im Nordsee- 
gebiet Standvogel. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


28. Charadrius hiaticola L. 
29. Charadrius alexandrinus L. 


Beringte Regenpfeifer erwiesen sich in England als Stand- 
vögel. Ein alter am Nest gezeichneter Seeregenpfeifer brütete 
m folgenden Jahre wieder an derselben Stelle. 


30, Vanellus vanellus L. 


Für den Kiebitz haben sich folgende Zugstrafsen ergeben: 

1. Aus Esthland, Norddeutschland, Holland und England nach 
der Nord- und Westküste Frankreichs, Portugal, Spanien 
und Marokko. Russische und norddeutsche Vögel über- 
wintern auch vielfach in England. 

In England ist der Kiebitz auch Stand- und Strichvogel, 
viele Stücke verbringen den Winter in Irland. 

2. Aus Schlesien nach Oberitalien. Die Erbeutung eines 
schlesischen Vogels in Mailand deutet auf ein Überfliegen 
der Alpen hin; der Vogel kann aber auch unter Umgehung 
der Alpen über Ungarn und Istrien nach .Norditalien ge- 
langt sein. 

3. Aus Ungarn über Triest nach Oberitalien und längs der 
Küste nach Spanien. 

Der Kiebitz benutzt also dieselben Zugstrafsen und Winter- 
quartiere wie die Lachmöwe, jedoch scheinen nach den bisher 
vorliegenden Beobachtungen bestimmten Brutgebieten bestimmte 
Zugzonen zu entsprechen, was bei Larus ridibundus nicht der 


16 Friedrich von Lucanus: 


Fall ist, der aus ein und demselben Brutgebiet nach verschiedenen 
Richtungen fortzieht. 

In Deutschland wurden 5 Kiebitze nach 2 Jahren, einer 
nach 4 Jahren in der näheren Umgebung des Ortes, an dem sie 
als junge Tiere beringt wurden, als Brutvögel festgestellt. Auch 
in Ungarn und Holland wurde die Rückkehr der Kiebitze zum 
alten Nistplatz nachgewiesen. 

Zugrichtung: Nach Südwesten und Westen. 


Soolopacidae. 


31. Tringa canutus L. 
32. Tringa alpına L. 
33. Pavoncella pugnax L. 
34. Totanus totanus L. 
35. Totanus nebularius Gunn. 


In Rossitten auf dem Herbstzuge beringte Strandläufer 
setzten ihre Wanderung längs der Küste der Ost- und Nordsee 
nach Südengland und den Küsten Frankreichs fort. Der südlichste 
Fundort liegt an der Rhonemündung, die wohl gleichfalls auf 
dem Küstenweg erreicht ist. Der betreffende Vogel, ein junger 
Totanus totanus aus Pommern, befand sich hier schon am 
28. August, was für einen frühen Fortzug des Rotschenkels spricht. 

Aus Ungarn geht der Zug von Totanus totanus durch Italien 
nach Tunis. 

Ein ungarischer Kampfläufer, der einzige bisher erlegte 
Ringvogel dieser Art, überwinterte in Ferrara in Italien. 

Eu an Totaniden Englands verbringen den Winter vielfach in 
rland. 

Jung und alt beringte Gambettwasserläufer suchten in 
späteren Jahren zur Fortpflanzungszeit ihre Heimat wieder auf, 
einige Exemplare brüteten sogar in unmittelbarer Nähe des 
alten Nistplatzes. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten. 


36. Limosa limosa L. 


3 schwarzschwänzige Uferschnepfen fanden sich im Frühjahr 
dort wieder ein, wo sie als Jungvögel markiert waren. 2 am 
Nistplatz beringte alte Uferschnepfen brüteten im folgenden Jahre 
an derselben Stelle. 


37. Numenius arquatus L. 


. Ein junger Brachvogel kehrte im nächsten Sommer zum 
Beringungsort zurück. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 17 


In Grofsbritannien ist der Brachvogel Stand- und Strichvogel, 
sein bevorzugter Winteraufenthalt ist Irland. 


38. Gallinago gallinago L. 


In Böhmen wurde eine alte Bekassine zusammen mit ihren 
Jungen beringt. Im folgenden Winter wurde der alte Vogel in 
Süditalien und Eins der Jungen in Bologna in Oberitalien 
geschossen. Die alte Bekassine war also viel weiter südlich 
gewandert als die junge, was auf einen getrennten Zug der 
alten und jungen Vögel schliefsen läfst. 


39. Scolopax rusticola L. 


Die Beringung von Waldschnepfen hat aufserordentlich 
günstige Resultate geliefert, da infolge der starken Verfolgung, 
der die Waldschnepfe als jagdbares Federwild ausgesetzt ist, der 
Prozentsatz der erlegten Ringvögel ein sehr hoher ist. 

Zunächst 13 Ringschnepfen, die ein interessantes Bild vom 
Zuge geben: 

1. Beringt auf Helgoland am 12. XI. 1909, erlegt in Emsteck 
in Oldenburg am 12. X. 1910. 
. Ber. Helgoland 6. XI. 1911, erl. Jönköping, Südschweden 
36. Vill. ‘1912. 
. Ber. Helgoland im September, erl. Forserum, Smaland, Süd- 
schweden im August des folgenden Jahres. 
. Ber. Helgoland 27. X. 1911, erl. Departement Haute-Saone 
20. III. 1913. 
. Ber. Milleschau, Böhmen 11. VI. 1913, erl. Korsika 4. I. 1914. 
. Ber. Gatschina b. Petersburg 3. VI. 1911, erl. Departement 
Gers, Südfrankreich 12. XII. 1911. 
. Ber. Gatschina 21. VII. 1912, erl. Visignano, Istrien, Dezember 
1912. 
. Ber. Gatschina 27. VII. 1912, erl. Landau, Pfalz 24. III. 1913. 
. Ber. Gatschina 9. VII. 1913, erl. Ostende 4. I. 1914. 
. Ber. Gatschina 16. VII. 1913, erl. Kent, England 15. XI. 1913. 
. Ber. Yorkshire, England 27. IV. 1913, erl. St. Eulalie, Departe- 
ment Landres, Südfankreich 16. XI. 1913. 
. Ber. Kent, England Juni 1910, erl.Oporto, Portugal 28. XII. 1910. 
. Ber. in England, erl. als Wintervogel in Spanien. 
Aus diesen Resultaten des Ringversuchs ergeben sich folgende 
Zugverhältnisse: 
1. Aus Skandinavien südwestlich über die Nordsee durch Deutsch- 
land nach Frankreich. 
2. Aus Nordrufsland südwestlich durch Deutschland nach Süd- 
frankreich. 

Auf diesem Wege befand sich auch die in Landau in der Pfalz 

erleste Petersburger Schnepfe. 

Jouza, f, Ora. LXVIIL, Jahrg. Januar 1919, 2 


u 
= O%008 u} an an Do = 1) 


u 
om 


18 Friedrich von Lucanus: 


3. Aus Nordrufsland südsüdwestlich durch Österreich - Ungarn 
nach dem Gebiet des Mittelmeeres. 

4. Aus Nordrufsland westlich nach Belgien und England. 

5. Aus Böhmen nach Korsika. Diese Schnepfe gehört zu dem 
von Nordrufsland nach dem Mittelmeergebiet verlaufenden 
Zuggebiet. 

6. Aus England nach Südfrankreich und der Pyrenäenhalbinsel. 


Aufserdem liegen noch 27 Ringvögel aus Grofsbritannien 
vor, die im Winter das Inselreich nicht verlassen hatten. Von 
diesen überwinterten 8 Schnepfen, die aus dem nördlichen Eng- 
land und Schottland herstammten, an der West- und Südküste 
Irlands, 2 aus demselben Brutgebiet in Südengland und eine in 
Yorkshire erbrütete Schnepfe in Südschottland, während die 
übrigen 16 in der näheren oder weiteren Umgebung ihrer Heimat 
verblieben waren. Die Waldschnepfe ist also in dem milden Klima 
Englands vorzugsweise Stand- und Strichvogel. Die winterlichen 
Streifzüge finden hauptsächlich nach Südwesten und Süden statt, 
worin sich bereits die Richtung, welche die Zugvögel einschlagen, 
ausprägt. — 

Auch die Rückkehr der Schnepfe in ihre Heimat hat der 
Ringversuch ergeben, da ein als Jungvogel in Böhmen am 29.V. 
1914 gezeichnetes Stück am 18. IV. 1916 ungefähr 2—300 Schritt 
von der Markierungsstelle entfernt geschossen wurde. 

Thienemann und Weigold haben dem Zug der Waldschnepfe, 
die häufig ein grofser Zahl auf der Kurischen Nehrung und Helgo- 
land erscheint, ihr besonderes Augenmerk zugewandt und durch 
Umfragen bei den Oberförstereien und Studium der Jagdzeitungen 
den weiteren Verbleib dieser Schnepfen festzustellen versucht. 
Das Ergebnis .dieser Forschungen finden wir aus der Feder 
Thienemanns im 8. und 10. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten 
(Journal für Ornithologie 1909 und 1912) und von Weigold im 
1. und 2. Jahresbericht der Vogelwarte Helgoland (Journal für 
Ornithologie 1910 und 1911) zusammengestellt. 

Hiernach zog am 17. Oktober 1908 eine aufsergewöhnlich 
starke Schnepfenwelle über Ostpreufsen hinweg, die sich haupt- 
sächlich über den nördlichen Teil der Provinz längs des frischen 
und kurischen Haffs und auf die Nehrung erstreckte, während 
der südliche Teil fast frei blieb. 

Als Heimat dieser Schnepfen, wie überhaupt der über die 
kurische Nehrung wandernden Vögel, sind die baltischen Länder 
und das nördliche Rufsland zu betrachten. 


Aufserdem wurde ungefähr zu derselben Zeit ein zablreiches 
Auftreten der Schnepfe in folgenden Gebieten beobachtet: Am 
18. X. in Oberschlesien, 19. X. bei Plauen in Sachsen und in 
Mittelbayern, 16. und 17. X. in Ostmähren, und am 17. und 18, X. 
in Kärnten. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 19 


Da der Schnepfenzug in Schlesien, Sachsen und Bayern 
1—2 Tage später stattfand als in Ostpreufsen, so kann man nach 
Thienemanns Auffassung diese Wanderungen mit einander in 
Verbindung bringen und eine Fortsetzung des Zuges von Ost- 
preufsen quer durchs Binnenland nach Südwesten annelımen. 
Die Richtigkeit dieser Ansicht wird dadurch bestätigt, dals in 
jener Zeit aus Westpreufsen, Pommern und den Küstengebieten 
der Nordsee nichts von einem Schnepfenzuge verlautete, sodals 
für eine Wanderung der Schnepfen von Ostpreufsen längs der 
Küste nach Westen keine Anhaltspunkte vorhanden sind. 

Anders verhält es sich dagegen mit den Schnepfen, welche 
am 16. und 17. X. in Ostmähren, sowie am 17. und 18. X. in 
Kärnten auftraten. Da diese Daten dem Schnepfeneinfall in 
Ostpreufsen vorangehen, bezw. mit ihm zusammenfallen, so mufs 
es sich meiner Ansicht nach um eine andere Schnepfenwelle 
handeln, die mit der Wanderung durch Ostpreufsen in keinem 
unmittelbaren Zusammenhang steht. 

So lassen sich also in der grofsen Schnepfenwanderung des 
Herbstes 1908 2 parallele von Nordosten nach Südwesten ver- 
laufende Züge unterscheiden, deren Einer von Nordrufsland über 
Östpreufsen durch Schlesien nach Bayern und deren zweiter aus 
der Richtung Polen durch Mähren nach Kärnten geht. Auf der 
erstgenannten Zugstralse sind offenbar die in Landau und Gers 
erlegten Petersburger Schnepfen gezogen; denn die betreffenden 
Fundstellen liegen in der Fortsetzung der von Ostpreufsen durch 
‚ Bayern nach Südwesten verlaufenden Zugrichtung, die zugleich 
die kürzeste Verbindung zwischen Gers, Landau und Petersburg 
darstellt. So bestätigen also diese Ringschnepfen nicht allein 
die Annahme Thienemanns von der Fortsetzung des ostpreufsischen 
Schnepfenzuges südwestlich nach Bayern, sondern ergänzen sie 
sogar in vortrefflicher Weise, indem sie uns den weiteren Verlauf 
des Zuges nach Südfrankreich zeigen. 

Genau dasselbe erfolgt für die zweite, aus Polen durch 
Mähren nach Kärnten vermutete Zuglinie durch die in Istrien 
und auf Korsika erbeuteten Schnepfen aus Petersburg und 
Böhmen, welche ihr Reiseziel jedenfalls auf diesem Wege erreicht 
haben und uns den Fortgang des Zuges von Kärnten nach dem 
Mittelmeergebiet vor Augen führen. 

Im Jahre 1909 fanden in Rossitten Anfang Oktober, in 
Helgoland und Ostfriefsland Mitte November Massenzüge von 
Schnepfen statt. Dasselbe war 1910 Anfang Oktober in Rossitten, 
in den beiden letzten Oktobertagen sowie im November auf 
Helgoland, den nord- und ostfriesischen Inseln und in Ostfriesland 
der Fall. 

In beiden Jahren liegen die Schnepfenwanderungen im 
Osten und im Westen Deutschlands zeitlich soweit auseinander, dafs 
man sie nicht miteinander in Verbindung bringen kann, sondern 
vielmehr zwei unabhängige Zugerscheinungen annehmen muls, 

2* 


20 Friedrich von Lucanus: 


Die ostpreufsischen Schnepfen, die als nordrussische Ein- 
wanderer anzusehen sind, sind wohl wieder wie 1908 durch 
Bayern nach Südwesten weitergezogen, worüber jedoch diesmal 
leider keine Angaben vorliegen, während die helgoländer und 
ostfriesischen Schnepfen als skandinavische Vögel zu betrachten 
sind, welche über die Nordsee der deutschen Küste zuwanderten. 


Aufser auf Helgoland und in Ostfriesland fand damals in 
der ersten Hälfte des November noch im Rheinland, in Oldenburg, 
Westfalen, in den Gebirgen zu beiden Seiten des Rheins bis zum 
Schwarzwald, sowie im Main-Kinzigtal aufsergewöhnlich starker 
Schnepfenzug statt, der offenbar die Fortsetzung des Zuges aus 
dem Nordseegebiet bildete. Vom Schwarzwald haben die Schnepfen 
vermutlich ihre Wanderung über die Vogesen nach Südfrankreich 
fortgesetzt und von hier auch Spanien und Nordafrika aufgesucht, 
wo bekanntlich die Schnepfe im Winter zahlreich auftritt. 


Nach den vorliegenden Nachrichten erstreckte sich damals 
das Einfallstor der Schnepfen an der Nordseeküste von der Elb- 
mündung bis zur Ems, von wo dann der Zug über die Linie 
Aachen—Hanau über den Rhein nach Südsüdwesten vorrückte. 


Wir sehen hieraus, dafs wir uns eine Vogelzugstrafse nicht 
als eine schmale Linie im Sinne einer Landstrafse vorstellen 
dürfen, sondern dafs sie in breiter Front verläuft. — 


Ein anderes Durchzugsgebiet ist die Insel Rügen und die 
pommersche Küste, wo sich die Schnepfen häufig in Massen an- 
sammeln. Man kann wohl annehmen, dafs diese offenbar aus 
Südschweden kommenden Vögel ebenfalls durchs Binnenland nach 
Südwesten weiterziehen. 

Im Mittelmeergebiet bilden auch die Balkanhalbinsel und 
das westliche Kleinasien bevorzugte Winterherbergen der Wald- 
schnepfe, die als eine besondere Zugzone betrachtet werden 
müssen und anscheinend das mittlere Rufsland als Hinterland 
haben. 

Auf Grund des Ringversuchs und der über den Schnepfenzug 
vorliegenden Beobachtungen lassen sich folgende Zuggebiete für 
Scolopax rusticola aufstellen: 

1. Mittelrufsland— Balkanbalbinsel— Kleinasien. 

2. Nordrufsland — Mähren— Kärnten — Istrien — Italien (Korsika 
und Sardinien) —Sizilien— Tunis. 

3. Nordrufsland— Ostpreufsen—Schlesien—Bayern—Pfalz—Süd- 
frankreich— Spanien— Marokko. 

4. Nordrufsland — Küste der Ost- und Nordsee — Gebiet des 

Armelmeeres. 

5. Schweden — Rügen — Mitteldeutschland — Südfrankreich — 

Spanien—Marokko. 

6. Skandinavien — Jütland — Nordseegebiet — Rheinebene — 

Rhone—Südfrankreich—Spanien— Marokko. 

7. England— Frankreich— Pyrenäenhalbinsel— Nordafrika. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 21 


Mit Ausnahme der nach Westen gehenden Küstenstrafse 
führen sämtliche Wegein südwestlicher Richtung durchs Binnenland. 

Da die Zugstralsen in breiter Front verlaufen, und die Vögel 
sich aufserdem auf ihrer Wanderung immer mehr verteilen, so 
erfolgt hierdurch auch eine Besiedlung der zwischen den Zug- 
gebieten liegenden Landstrecken. 

Der Fortzug der bei Petersburg beringten Schnepfen nach 
3 von einander abweichenden Richtungen zeigt,. dals die Vögel 
aus ein- und derselben Brutzone verschiedene Zugstrafsen und 
verschiedene Winterquartiere wählen. 

Die Daten für den Schnepfenzug in Ostpreulsen, Schlesien 
und Bayern im Jahre 1908 geben einen interessanten Überblick 


22 Friedrich von Lucanus: 


über die Schnelligkeit der Wanderung. Auf den Einfall an 
der ostpreußsischen Küste am 17. X. folgte am 18. X. das Er- 
scheinen der Schnepfe in Oberschlesien und am 19. X. in Mittel- 
bayern. Da die dazwischen befindlichen Gebiete von Schnepfen 
unberührt blieben, so sind sie offenbar in einer Nacht überflogen 
worden, woraus sich eine Durchschnittstagesleistung von ca. 400— 
500 km ergibt. 

Zugrichtung: Vorwiegend nach Südwesten, daneben nach 
Westen. 


Rallidae. 


40. Fulica atra L. 


Zwei Wasserhühner von der Insel Fehmarn in Schleswig 
zogen nach Holland und der Nordküste Frankreichs. 2 böhmische 
Lietzen überwinterten in Oberitalien. Ein am 31. X. 1917 in 
Plumenau in Mähren beringtes Wasserhuhn wurde nach 2 Tagen 
525 km südöstlich in Ungarn geschossen. Von 2 Exemplaren 
wurde auch die Rückkehr in die Heimat festgestellt. 


Zugrichtung: Nach Westen, Südwesten und Südosten. 


Ibididae. 


41. Plegadis falcinellus L. 


Von 700 in Ungarn beringten Sichlern wurde bisher kein 
einziges Exemplar aus der Winterherberge gemeldet, die vermutlich 
in Gebieten liegt, wo den Tieren wenig oder gar nicht nachgestellt 
wird. Eine Anzahl junger Vögel wurde in demselben Sommer, 
in dem sie gezeichnet waren, innerhalb Ungarns in geringer oder 
weiterer Entfernung von ihrem Geburtsort erlegt, woraus hervor- 
geht, dafs die jungen Sichler sich bald nach dem ‚Flüggewerden 
zerstreuen. Die Fundorte dieser Vögel weisen darauf hin, dafs die 
Jungen bei ihren Streifzügen eine’ südliche Richtung bevorzugen. 

Ein einjähriger Sichler aus Ungarn brütete in Serbien in 
einer Entfernung von 75 km von seiner Heimat. 


42. Platalea leucorodia L. 


Die Winterquartiere ungarischer Löffler liegen in Süditalien, 
Sizilien und Algerien. Von 2 holländischen Löfflern zog der 
Eine nach der Seine-Mündung, der Andere nach dem Departement 
Gers in Südfrankreich. 


Zugrichtung: Nach Südwesten und Westen. 


Oiconiidae. 


43. Ciconia ciconia L. 


. Der weifse Storch bildet neben der Lachmöwe das dankbarste 
Objekt für den Ringversuch, da infolge seiner domestizierenden 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 23 


Lebensweise das Zeichnen junger Vögel ohne Schwierigkeit in 
beliebiger Anzahl erfolgen kann. 

Als Erster führte Thienemann das. Beringen von Störchen 
in grofsem Mafsstabe aus, indem er selbst in Ostpreufsen jährlich 
eine grofse Anzahl junger Störche in den Nestern markierte und 
zugleich dafür Sorge trug, dafs dies auch in anderen Gegenden 
Deutschlands erfolgte. Seine Bemühungen wurden von herrlichem 
Erfolge gekrönt, der schon nach kurzer Zeit ein klares Bild von 
den Zugverhältnissen des weifsen Storches entrollte, das später 
durch die ungarische ornithologische Zentrale, die sich ebenfalls 
mit besonderem Eifer der Storchberingung widmete, sowie durch 
Ringversuche in Holland, Schweden, Dänemark und Rufsland 
noch vervollständigt wurde. 

Die Winterherberge der Störche aller dieser Länder liegt 
nach den Ergebnissen des Ringversuchs im südlichen Afrika, im 
Gebiet der ostafrikanischen Seenkette, in Rhodesien, der Kalahari, 
Transvaal, Oranje und im Kapland. 

Ciconia ciconia überfliegt also zweimal jährlich fast den 
halben Erdkreis auf seinen Reisen zwischen Brutgebiet und 
Winterquartier. 

Man sollte vermuten, dafs die Wanderer diese grolse Ent- 
fernung, die für norddeutsche Vögel fast 9000 km in der Luft- 
linie beträgt, auf dem kürzesten Wege, also im Herbst in direkt 
südlicher Richtung zurücklegen. Dies ist aber nicht der Fall, 
sondern durch einen Umweg, der entweder über Osten oder tiber 
Westen führt, wird die Reise noch wesentlich vergröfsert, wie 
aus folgenden durch das Ringexperiment festgelegten Zugstrafsen 
hervorgeht: 

1. Die südöstliche Zugstralse. 

Dieselbe führt aus Nord- und Mitteleuropa durch Ungarn 
nach dem Balkan und von dort über die Dardanellen nach Klein- 
asien. Hier wenden sich die Wanderer südwärts, erreichen über 
Syrien und Palästina Agypten, folgen dem Lauf des Nils nach 
Süden und gelangen über die ostafrikanische Seenkette nach 
Südafrika. Vom Nil aus erfolgt mitunter ein Abstecher nach 
dem Innern Afrikas, dem Gebiet des Kongos und des Tsade-Sees. 


2. Die südwestliche Zugstralse. 

Neben der südöstlichen Reiseroute besteht noch ein zweiter 
Weg, der im Gegensatz zu ersterer eine südwestliche Richtung ein- 
schlägt, wie aus der Erbeutung folgender Ringstörche. hervorgeht: 

1. gez. bei Freiburg i. Br. 14. Vl. 1912, erl. bei Gap in Frankreich 
1. IX. 1912. 
2. gez. bei Freiburg 26. V1. 1911, erl. im Departement Basses- 

Pyrendes in Südfrankreich 9. VIII. 1911. 

3. gez. bei Freiburg 15. VI. 1912, tot aufgefunden im Departement 

Saöne et Loire 1912. 


24 Friedrich von Lucanus: 


4. gez. bei Freiburg 13. VI. 1913, erl. bei Montpellier an der 
Rhonemündung 8. VIll. 1913. 

5. gez. bei Freiburg 7. VI. 1913, erl. im Departement Gard in 
Frankreich nordwestlich der Rhonemündung 16. VIII. 1913. 

6. gez. Offerdingen i. Br. 27. V. 1913, erl. im Departement 
Aveyron, Südfrankreich Mitte August 1913. 

7. gez. bei Marburg 9. VI. 1912, erl. in Barcelona in Spanien 
9. VIII 1912. 

8. gez. bei Kassel 15. VI. 1910, erl. Ende August 1910 Bar- 
celona, Spanien. 

9, gez. bei Berka a. Werra, erl. in Fornells in Spanien. 

10. gez. Bühne bei Osterwieck i. Harz 26. VII. 1913, tot auf- 
gefunden Ende Oktober 1913 bei Frankfurt a. M. 


Bei den Ringstörchen aus Süddeutschland fällt der sehr 
frühe Termin ihres Fortzuges auf. Die meisten Vögel befinden 
sich bereits Anfang, oder Mitte August in Südfrankreich und 
Spanien, also zu einer Zeit, wo die norddeutschen Störche noch 
in der Heimat sind. 

Weiter als bis Spanien reichen die bis jetzt vorliegenden 
Nachrichten über die nach Südwesten fortziehenden Störche leider 
nicht. Man kann aber wobl annehmen, dafs der Zug von Spanien 
aus über Gibraltar nach Marokko geht, und dann entweder längs 
der Nordküste Afrikas nach Agypten fortgesetzt wird, wo der 
Anschlufs an die südöstliche Zugstralse erreicht wird, oder aber 
durch die Sahara, dem Tassili- und Ahaggar-Gebirge und dem 
Hochland von Tibesti folgend, nach dem weilsen Nil oder nach 
dem Tsade-See und Kongo, dessen Flufsbett dann die Wanderer 
nach Südafrika geleitet. 


Die genannten Gebirge, die die Sahara von Nordwesten 
nach Südosten durchqueren, enthalten Flufsläufe und Wasser- 
stellen mit üppiger Vegetation und Weideland, wo die wandernden 
Störche geeignete Rastplätze und gute Lebensbedingungen finden, 
sodafs eine Durchquerung der Sahara keineswegs ungünstiger 
erscheint als der Zug längs der nordafrikanischen Küste, wo die 
wasser- und vegetationsarme Wüstenregion bis an das Mittelmeer 
heranreicht. 


Für eine Fortsetzung des Zuges von Gibraltar durch die 
ae in das Innere Afrikas lassen sich folgende Beweise an- 
ühren: 

Freiherr Geyr von Schweppenburg traf auf seiner Forschungs- 
reise in der Sahara Ende März 1914 im Hochland von Ahaggar 
den weilsen Storch als Zugvogel an und Generaloberarzt 
Dr. Stochow beobachtete im April 1890 auf dem Wege von 
Tanger nach Fez zahlreiche Storchscharen, die auf der Rückkehr 
nach Europa begriffen waren. Die Zugrichtung Fez — Tanger, 
die von Süden nach Norden verläuft, spricht dafür, dafs diese 
Störche aus der Sahara, aber nicht von der Küste her kamen. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 25 


Nach Hartert rasteten im August 1912 im Innern der Sahara 
bei In Salah grofse Mengen von Störchen. 

Der Zug durch die Sahara läfst sich also mit Sicherheit 
nachweisen, was freilich nicht ausschliefst, dafs aufserdem noch 
eine zweite Zugrichtung längs der Nordküste Afrikas nach Ägypten 
besteht. Eine solche Teilung auf dem Zuge durch die afrikanische 
Wüste würde einer allzu starken Anhäufung der Wanderer auf 
demselben Gebiet vorbeugen und daher den Kampf ums Dasein 
wesentlich erleichtern, sodafs also die gleichzeitige Benutzung 
beider Wege eine sehr vorteilhafte und zweckmälsige Anpassung 
bedeuten würde. — 

Fragen wir nach dem Grunde, der die Störche zu den 
weiten Umwegen auf ihrer Wanderung nach Südafrika veranlafst, 
so lassen sich, wie das bei biologischen Problemen so häufig der 
Fall ist, wohl Vermutungen theoretischer Natur aufstellen, jedoch 
keine sicheren Beweise erbringen. 

Die südöstliche Zugstrafse über Kleinasien und Palästina 
weist nach Asien hin, wo die nächsten Verwandten von Ciconia 
ciconia wohnen, und das daher als ursprüngliche Heimat unseres 
weilsen Storches zu betrachten ist. Da man annimmt, dafs der 
Zug der Vögel im allgemeinen auf jenen Wegen erfolgt, auf denen 
ihre Vorfahren ehemals eingewandert sind, so kann dieser eigen- 
artige Umweg über Kleinasien vielleicht hiermit in Zusammenhang 
gebracht werden, indem man ibn als eine rudimentäre Erscheinung 
im phänologischen Sinne betrachtet. Der südöstliche Weg, der 
nach den Erfahrungen des Ringversuchs der frequentierteste ist, 
darf daher als die ursprüngliche Zugrichtung des europäischen 
Storches angesehen werden, während die südwestliche Zugrichtung 
sich wohl erst später mit dem weiteren Vordringen des Storches 
nach Westen allmählich entwickelt hat. 

Auffallend bleibt jedoch, dafs diese neue Zugstrafse nicht 
auf dem kürzesten Wege über Italien nach Afrika führt, sondern 
wiederum einen Umweg macht, der diesmal westwärts über Spanien 
verläuft. Vielleicht hängt diese Erscheinung mit der allgemein 
westlichen Tendenz, die sich nach den Ergebnissen des Ring- 
versuchs im Zuge der europäischen Vögel bemerkbar macht, 
zusaulmen, und welche sich hier auch im Seelenleben des Storches 
ausprägt. 

Jakob Schenk!) führt die Umwege, die der Storch auf 
seinem Zuge macht, auf die besseren Lebensbedingungen, die er 
hier vorfindet, sowie auf eine leichtere und bequemere Ausführung 
derReise zurück, die besonders darin besteht, dafs der anstrengende 
und mit Nahrungsmangel verknüpfte Flug über die Alpen ver- 
mieden wird. Für den östlichen Umweg erscheinen die Aus- 
fübrungen Schenks zutreffend; denn hier finden die wandernden 


1) Schenk, Der Frühjahrszug des weifsen Storches in Ungarn, 
Journal für Ornithologie 1909. 


26 Friedrich von Lucanus : 


Störche in der Donauniederung, den kleinasiatischen Ebenen, im 
Quellgebiet des Euphrat und Tigris und im Jordantal sehr 
geeignete Aufenthaltsorte mit den besten Nahrungsquellen. Für 
die südwestliche Zugstrafse, die durch die grolse afrikanische 
Wüste führt, palst sie jedoch weniger. Wenn auch vereinzelte 
fruchtbare Gebiete in den Hochländern der Sahara den Störchen 
die Durchquerung der Wüste erleichtern, so bleiben doch 
andererseits dazwischen liegende Strecken zu überwinden, auf 
denen die Wanderer mindestens ebenso grofsen Entbehrungen 
ausgesetzt sind, wie bei einem Zuge über die Alpen. — 

Sowohl die südöstliche, wie die südwestliche Zugstrafse fallen 
dadurch auf, dafs sie ausgesprochene Landwege sind, die über 
keine gröfseren Wasserflächen führen. So liegt der Grund zu 
diesen Umwegen vielleicht auch in der Abneigung der Störche, 
das Mittelmeer zu überfliegen. ! 

Hiermit würde zugleich eine zutreffende Erklärung dafür 
gegeben werden, ‘dals die zweite, erst später entstandene Zug- 
stralse nicht in direkt südlicher Richtung über Italien und das . 
Mittelmeer, sondern über Spanien geht. — 

Die auf dem südwestlichen Wege angetroffenen Störche 
stammen aus Hessen-Nassau, Baden, dem westlichen Thüringen 
und ein Exemplar aus dem Herz, also mit Ausnahme des Letzteren 
aus dem südwestlichen Deutschland. Die Ringstörche aus West- 
und Ostpreufsen (mit Ausnahme eines in Italien aufgefundenen 
Exemplares), aus Pommern, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, 
Brandenburg, Hannover, Braunschweig und der Provinz Sachsen 
(ausgenommen der schon erwähnte Vogel aus Osterwieck), sowie 
die Störche aus Dänemark, Nordrufsland, Schweden und Öster- 
reich-Ungarn sind sämtlich auf der südöstlichen Zugstrafse erlegt. 
Es scheint also die Zugrichtung von der geographischen Lage 
des Brutraumes abhängig zu sein: Die Störche aus dem östlichen 
und mittleren Europa wandern über Kleinasien und Palästina 
nach Südafrika, die westlichen Brutvögel dagegen über Spanien 
und Gibraltar. Die Grenze dieser beiden Gebiete bildet ungefähr 
die Weser. 

Die Störche aus dem Grenzgebiet scheinen beide Zugrich- 
tungen einzuschlagen, denn von 2 bei Osterwieck im Harz beringten 
Störchen, wurde auf dem Herbstzuge einer bei Frankfurt a. M., 
also auf der südwestlichen Zugstrafse, der andere in Chemnitz 
in Sachsen, also auf dem südöstlichen Wege angetroffen. Die 
beiden Vögel, die in verschiedenen Jahren nestjung beringt waren, 
stammten sogar von demselben Gehöft. Die Heimat dieser Störche 
liegt unweit der Weser, also auf der Grenze der beiden Brut- 
und Zugzonen, wo Mischehen zwischen Vögeln aus den beider- 
seitigen Gebieten häufig vorkommen mögen. Infolgedessen wird 
der Zuginstinkt in verschiedener Weise auf die Nachkommen ver- 
erbt, die dann je nach ihrer Veranlagung entweder die südöstliche, 
oder die südwestliche Reiseroute wählen. So kann es also nur 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 27 


natürlich erscheinen, dafs unter den Störchen aus dem Grenz- 
gebiet beide Zugrichtungen vorkommen, — 

Zu der engen Beziehung zwischen Heimat und Zugrichtung, 
wie sie sich aus diesen Ergebnissen des Ringversuchs darstellt, 
stehen freilich ein ostpreufsischer Storch, der in Italien über- 
winterte, sowie ein holländischer Storch, der auf dem Herbstzuge 
in Schlesien geschossen wurde, in Widerspruch. Letzterer hat 
also nicht, wie man nach der geographischen Lage des Brutgebiets 
eigentlich annehmen sollte, die südwestliche Zugrichtung ein- 
geschlagen, sondern den für ihn viel weiteren südöstlichen Weg 
genommen. 

Für das eigenartige Verhalten dieses Storches lassen sich 
verschiedene Erklärungen, die freilich nur theoretischer Natur 
sind, anführen. 

Es kann sich einmal um ein verirrtes Exemplar handeln, 
das durch irgend einen Zufall von der normalen Zugrichtung 
abgelenkt worden ist. Diese Annahme ist jedoch wenig wahr- 
scheinlich, da die Lage von Schlesien auf einen regelrechten süd- 
östlichen Zug in Richtung nach Ungarn und dem Balkan hinweist. 

Zweitens kann auch hier, wie bei der verschiedenen Zug- 
richtung der Osterwiecker Störche, eine vererbte Veranlagung 
die Ursache sein. Es ist möglich, dafs von den Eltern des Storches 
der eine Ehegatte ein holländischer, der andere dagegen ein öst- 
licher Vogel war, die sich in der gemeinsamen Winterherberge 
gepaart hatten und im Frühjahr zusammen nach Holland gezogen 
waren. Von diesem Elternpaar ist der Instinkt für die Zug- 
richtung in verschiedener Weise auf die Nachkommen vererbt 
worden, die dann auf dem Herbstzuge teils den für holländische 
Störche normalen südwestlichen Weg, teils die abweichende süd- 
östliche Zugrichtung einschlugen, wie es das in Frage stehende 
Stück getan hatte. 

Vielleicht zog aber der aus dem Osten stammende Ehegatte 
des Elternpaares im Herbst nicht mit seinem holländischen Gemahl 
nach Südwesten ab, sondern seiner Herkunft entsprechend nach 
Südosten und wurde von seinem Jungen, das dann in Schlesien 
erlegt wurde, begleitet. Der Fortzug des alten Storches nach 
Südosten würde freilich ebenfalls für die Erblichkeit der Zug- 
richtung sprechen; denn ohne diesen mechanisch wirkenden Trieb 
hätte der Storch sich zweifellos zusammen mit seinem Ehegemahl 
dem südwestlichen Fluge seiner holländischen Artgenossen an- 
geschlossen. Wenn er dies aber nicht tat, so geht daraus hervor, 
dafs der Zuginstinkt in diesem Falle stärker war als der Gesellig- 
keitstrieb. Anders liegt die Sache freilich im vorangegangenen 
Frühjahr, wo der betreffende Storch von seiner normalen Zug- 
bahn abwich, um seinem Gemahl nach Holland zu folgen. Da 
jedoch im Frühjahr der Geschlechtstrieb unter allen Instinkten 
am stärksten ausgeprägt ist, so kann ein solches Verhalten nur 
natürlich erscheinen. 


28 f Friedrich von Lucamus: 


Schliefslich kann auch eine atavistische Erscheinung im 
phänologischen Sinne vorliegen. Wir haben gesehen, dafs man 
den südöstlichen Weg als die ursprüngliche Zugrichtung ansehen 
kann, und dafs die südwestliche Zugrichtung sich offenbar erst 
später mit dem weiteren Vordringen des Storches nach Westen 
herausgebildet hat. Dieser neu entstandene Zuginstinkt der west- 
lichen Vögel braucht jedoch den alten Trieb, nach Südosten zu 
wandern, noch nicht völlig versteinert zu haben, sodafs letzterer 
noch zeitweise bei manchen Individuen in Erscheinung tritt. 
Diese Annahme würde an Wahrscheinlichkeit gewinnen, sobald 
noch weitere Exemplare aus dem Westen auf der südöstlichen 
Zugstrafse nachgewiesen würden. Eine möglichst ümfangreiche 
Beringung von Störchen im westlichen Europa ist daher von 
grofser Wichtigkeit. 

Ein Seitenstück zu der abnormen Zugrichtung dieses hol- 
ländischen Storches bildet der in Italien geschossene Storch aus 
Ostpreufsen, der im Gegensaz zu allen übrigen ostpreufsischen 
Störchen anstatt nach Südosten nach Südwesten abgezogen war. 
Da Italien für den Zug des weifsen Storches nicht in Betracht 
kommt, so liegt in diesem Falle die Annahme, dafs es sich um 
ein verirrtes Stück handelt, sehr nahe. Diese Vermutung wird 
noch dadurch bestärkt, dafs der betreffende Storch im November 
erlegt wurde, also zu einer Zeit, wo er bei normalem Zuge längst 
in Afrika sein mulste. 

Von einem zweiten in Italien erlegten Storch wird in der 
Zeitschrift. Aquila, Jahrgang 1911 berichtet. Dieser Vogel war in 
Ungarn in Gefangenschaft aufgezogen worden, ging noch im Sommer 
seines ersten Lebensjahres in den Besitz eines Tierfreundes in 
Marburg über und entflog hier Mitte September. Ende September 
wurde dann der Storch in Roccella-Jonica in Süditalien erlegt. 
Ein Blick auf den Atlas zeigt, dafs der Storch nach Süden ge- 
wandert war und zweifellos die Alpen überflogen hatte. Er hatte 
also weder den südöstlichen Weg über den Balkan eingeschlagen, 
wie es seiner ungarischen Herkunft entsprochen bätte, noch den 
südwestlichen über Spanien, auf dem die in Hessen beheimateten 
Störche zu reisen pflegen, sondern war in einer Richtung abgezogen, 
‚die von den normalen Zugbahnen völlig abweicht. Dieser Irrweg 
ist zweifellos eine Folge der veränderten Verhältnisse in der 
Gefangenschaft, die den Vogel aus Ungarn, seiner eigentlichen 
Heimat, nach Hessen verschlagen hatten, von wo er den Fort- 
zug aus fremdem Gebiet und zu einer späteren Jahreszeit, also 
En ganz anderen Bedingungen und Voraussetzungen antreten 
mulfste. 

Vielleicht dürfen wir hierin auch einen Hinweis dafür er- 
blicken, dafs die jungen Störche auf ihrer ersten Wanderung der 
Führung der Alten bedürfen und nicht imstande sind, allein den 
richtigen Weg zu finden. Hierdurch würde freilich die vorher 
geäulserte Vermutung von der Erblichkeit der Zugrichtung eine 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 29 


Einschränkung erfahren. Da es sich jedoch um einen Gefangen- 
schaftsvogel handelt, der vielleicht nicht über eine normale 
Körperbeschaffenheit und volle Flugkraft verfügte, so kann dieser 
Fall für die Erforschung des Zugproblems nicht ohne weiteres 
herangezogen werden. 

Der Rückzug der Störche im Frühjahr erfolgt in derselben 
Weise wie im Herbst. Für die östliche über Kleinasien führende 
Zugstralse wurde dies durch Ringstörche, die hier im Frühjahr 
erlegt wurden, nachgewiesen. Aufserdem finden nach Schenk 
und Hermann sowohl im Frühjahr wie im Herbst in Ungarn, 
besonders im südostlichen Teil, gewaltige Ansammlungen von 
Störchen statt, die hier in Scharen von mehreren Tausend auf- 
treten. Es bildet also das südöstliche Ungarn, um mit Hermann 
und Schenk zu sprechen, eine „porta ciconiarum“ für die Frühjahrs- 
und Herbstwanderung dieser Vögel — ein Beweis, dafs der Storch 
in beiden Zugperioden denselben Weg innehält. 


Die Benutzung der südwestlichen Zugstralse über Gibraltar 
auf dem Rückzuge in die Heimat geht aus den Angaben des 
Freiherrn Geyr von Schweppenburg hervor, der im März im 
Hochland von Ahaggar den weilsen Storch als Zugvogel antraf, 
wie aus der Mitteilung des Stabarztes Dr. Stochow über die im 
April zwischen Tanger und Fez von ihm beobachteten Storchzüge. 


Über die Schnelligkeit, mit der die Störche ihre Wanderungen 
ausführen, geben folgende Ringvögel interessante Anhaltspunkte 


1. Ein in Berka a. Werra gezeichneter Storch zog am 20. August 
ab und wurde am 24. desselben Monats in Fornelles im nord- 
östlichen Spanien erlegt. Die in 5 Tagen zurückgelegte 
Strecke beträgt 1200 km, die tägliche Durchschnittsleistung 
also 240 km. 


2. Aus Weseram in Brandenburg zog ein Ringstorch am 
19. August fort und wurde am 24. August in Keresztenysziget 
in Ungarn erbeutet. 1200 km in 6 Tagen, tägliche Durch- 
schnittsleistung 200 km. 

3. Ein Ringstorch verlies am 24. August Geschendorf in 
Schleswig-Holstein und traf am 26. August in Michelwitz 
in Schlesien ein. 600 km in 3 Tagen, tägliche Durchschnitts- 
leistung 200 km. 

4. Von Viborg auf Fünen zog ein Storch am 26. August fort 
und wurde nach 2 Tagen 500 km südwestlich erlegt. 
Durchschnittsleistung 167 km pro Tag. 

5. Ein bei Lippehne in Brandenburg beringter Storch befand 
sich am 7. Tage nach seinem Fortzug in Kassa-Böla in Nord- 
ungarn. Entfernung 640 km. Tägliche Durchschnittsleistung 
91 km. 

Die Flugleistung des letztgenannten Storches ist im Vergleich 
zu den anderen auffallend gering und daher wohl nicht als normal 


30 Friedrich von Lucanus: 


zu betrachten. Dagegen berechtigen die Tagesstrecken der vier 
erstgenannten Vögel, die eine ziemliche Übereinstimmung zeigen, 
zu der Annahme, dafs der Storch auf dem Herbstzuge im Durch- 
schnitt täglich ca. 200 km zurücklegt. 

Nach den Mitteilungen des ornithologischen Comites in Süd- 
afrika treffen die Störche nicht vor Mitte November hier ein. 
Da sie Norddeutschland in der zweiten Hälfte des August ver- 
lassen, so brauchen sie für den ca. 10000 km langen Reiseweg 
über Kleinasien nach Südafrika 21/, bis 3 Monate. Legt man 
eine Reisedauer von 80 Tagen zu Grunde, so ergibt sich eine 
durchschnittliche Tagesleistung von 120 km, also noch weniger 
als bei den oben aufgeführten Ringstörchen. Der Unterschied, 
der sich in beiden Berechnungen zeigt, läfst sich vielleicht dadurch 
erklären, dafs der Storch anfangs etwas schneller reist, während 
er sich später in den ihm so zusagenden Donauniederungen und 
im Niltal infolge der günstigen Lebensbedingungen länger auf- 
hält. Beide Berechnungen stimmen aber insofern überein, als 
sie auf ein sehr langsames Wandern der Störche hinweisen. — 

In 74 Fällen wurde die Rückkehr nestjung beringter Störche 
nach ihrer Heimat, bezw. in die nähere oder weitere Umgebung 
derselben festgestellt. Unter diesen Vögeln befanden sich sowohl 
junge, einjährige, wie alte 2—8jährige Vögel. Aufserdem wurden 
häufig beringte Störche als Brutvögel in Gegenden beobachtet, 
wo vorher junge Störche gezeichnet waren. 

Diesen zahlreichen Beispielen von einer Heimkehr der Störche 
stehen nur wenig Fälle gegenüber, in denen Ringstörche im Sommer 
in fremden Gegenden weilten. Sie wurde ein in der Lüneburger 
Heide markierter Storch nach 2 Jahren in Sorquitten in Ost- 
preufsen, ein Storch aus Viborg nach 3 Jahren im Juni bei Riga 
und ein 2 jähriger ostpreußsischer Vogel im Sommer bei Damaskus 
erlegt. Der Fundort Damaskus liegt auf der östlichen Reiseroute 
der Störche. Der betreffende Vogel ist also offenbar auf dem 
Rückzuge durch irgend eine Veranlassung, vielleicht durch Krank- 
heit, hier zurückgehalten worden. Die beiden anderen Störche 
hatten sich vielleicht im Winterquartier mit Artgenossen aus 
anderen Gegenden gepaart und waren dann von diesen in die 
neue Heimat mitgenommen worden. Vielleicht aber waren es auch 
ungepaart sich umhertreibende Stücke. 

Nach diesen Erfahrungen kann man mit ziemlicher Sicherheit 
annehmen, dafs die Rückkehr der Störche aus der Winterherberge 
in ihre Heimat die Regel bildet, und dafs sich also der Storch- 
bestand einer Gegend in erster Linie aus den hier erbrüteten 
Jungen ergänzt. — 

Der Ringversuch ergab ferner, dafs die einjährigen, noch 
nicht fortpflanzungsfähigen Stücke mitunter nicht im Frühjahr 
die Heimat wieder aufsuchen, sondern das zweite Lebensjahr in 
der Fremde verbringen. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 31 


Über die sogenannten Raubstörche, die man früher für un- 
beweibte Männchen hielt, haben die wertvollen Untersuchungen 
Thienemanns!) folgende Aufschlüsse ergeben: Von 11 ungepaarten 
Vögeln, die im Sommer in Ostpreufsen geschossen wurden, waren 
5 Männchen und 6 Weibchen, unter Ersteren befand sich ein 
dreijähriges Exemplar. Bei allen Tieren, auch bei dem alten 
Vogel, waren die Fortpflanzungsorgane nur sehr gering entwickelt. 
Hieraus geht hervor, dafs die während der Brutzeit sich umher- 
treibenden, nicht nistenden Störche keineswegs, wie man früher 
annahm, nur überzählige Männchen sind, sondern dafs der alte 
Vogel beiderseits Geschlechts nicht in jedem Jahr horstet, viel- 
mehr ab und zu Pausen im Brutgeschäft eintreten läfst. 

Der Ringversuch hat ferner ergeben, dafs auch diese nicht 
nistenden Störche mit Vorliebe den Sommer in ihrer Heimat 
verbringen, wo sie sich entweder einzeln umhertreiben, oder zu 
kleinen Trupps zusammenscharen. 

Das Zahlenverhältnis der Geschlechter der oben erwähnten 
11 Störche beweist ferner, dafs die alte Annahme von einer 
Mehrzahl des männlichen Geschlechts in der Vogelwelt keines- 
wegs immer zutrifft, worüber ich schon früher an anderer Stelle ®) 
berichtet habe. — 


Zugrichtung: Nach Süden mit einem Umweg über Osten 
oder Westen. 


Ardeidae. 


44. Nycticorax nycticoraz L. 


Der Zug ungarischer Nachtreiher geht längs der Ostküste 
der Adria, über die Strafse von Otranto nach Italien, wo zum 
Teil überwintert wird, zum Teil aber die Wanderung noch weiter 
südwärts über Sizilien — Malta — Tunis bis nach Nigerien aus- 
gedehnt wird. Die Fundorte Arungu und Skoto im nördlichsten 
Teil Nigeriens deuten darauf hin, dafs das Reiseziel nicht durch 
einen Weg längs der Küste, sondern durch das Innere Afrikas 
erreicht wird. 

Die Erbeutung eines ungarischen Ringvogels in Athen zeigt, 
‚dafs unter Umständen auch der Zug an der Ostküste des adriatischen 
und ionischen Meeres bis zur Balkanhalbinsel fortgesetzt wird. 

Mehrere Nachtreiher kehrten aus der Winterherberge in die 
Heimat zurück. 

Zugrichtung: Nach Südwesten, daneben auch nach Süden. 


1) J. Thienemann, Storchjunggesellen, 12. Jahresbericht der Vogel- 
warte Rossitten, Journal für Ornithologie 1913. 

2) v. Lucanus, Das numerische Verhältnis der Geschlechter in der 
Vogelwelt, Journal für Ornithologie 1917, Band II. 


32 Friedrich von Lucanus: 


45. Botaurus stellaris L. 


Eine als Nestling in Westpreufsen beringte Rohrdommel _ 
wurde im Winter aus Dünkirchen eingeliefert. 


Zugrichtung: Nach Westen. 


46. Ardeola ralloides Scop. 


Die Winterquartiere der Schopfreiher Ungarns liegen in 
Süditalien, Sizilien, Malta, Nordafrika und Nordnigerien. Der 
Zug geht anscheinend nicht wie bei Nycticorax an der Ostküste 
der Adria entlang, sondern durch Italien, da in Pisa, Bologna 
und Neapel Zugvögel erlegt wurden. 

Ein 5 jähriger ungarischer Schopfreiher brütete in Bulgarien, 
2 Exemplare kehrten zur Fortpflanzung nach Ungarn zurück. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


47. Ardea purpurea L. 


Im Gegensatz zu Schopf- und Nachtreiher scheint der 
Purpurreiher Ungarns seine Reise südwärts nur bis Sizilien aus- 
zudehnen. Aus Afrika wurde bisher noch kein Ringvogel zurück- 
gemeldet. 

Die Rückkehr in die Heimat wurde mehrfach festgestellt 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


48. Ardea einerea L. 


Eine grofse Anzahl junger Fischreiher wurde im Juni 1910 
durch Mortensen bei Frederickswärk auf Seeland beringt, von 
denen bis Februar 1911 bereits 13 erlegt waren. 


Die Fundorte und Daten für diese 13 Ringvögel sind 
folgende: 
. VI. 1910 Nordhastedt, Schleswig. 
2. VIL 1910 Grevesmühlen, Mecklenburg. 
5. VII. 1910 Südschweden. 
23. VII. 1910 Freiburg a. Elbe. 
28. VII. 1910 Oxböl, Jütland. 
5. VIII. 1910 Cordoba, Andalusien. 
6. IX. 1910 Harburg. 
10. IX. 1910 Harburg. 
5. X. 1910 Büsum, Sehleswig. 
17. X. 1910 Südengland. 
4. 1.1911 Calais. 
— I. 1911 Brest, Nordwestfrankreich. 
9. 1. 1911 Forleo, Seeland. 


In Ungarn im Juni 1909 gezeichnete Jungvögel wurden 
schon im Juli 1909 in Schlesien und Steiermark angetrofien. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 83 


Aus diesen Ergebnissen geht hervor, dafs die jungen Fisch- 
reiher sobald sie selbständig geworden sind, ihre Heimat verlassen 
und umberstreifen. Auf dieser unstäten Wanderschaft, die an- 
scheinend vorwiegend in westlicher und südwestlicher Richtung 
erfolgt, entwickelt sich im Herbst ein regelrechter Zug, der die 
Vögel aus Dänemark längs der Seeküste nach England, Frank- 
reich und Südspanien führt. 

Für einzelne Exemplare wurde auch die Rückkehr in die 
Heimat nachgewiesen. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten. 


49. Herodias garzelta L. 

Ungarische Seidenreiher wurden als Wintergäste in Mittel- 
und Nordnigerien erlegt. Die Zugverhältnisse scheinen also 
dieselben zu sein, wie bei Nacht-, Schopf- und Purpurreiher. 

Zugrichtung: Nach Südwesten. 

Die bei Ardea cinerea erwähnte Eigenschaft der jungen 
Vögel, sich gleich nach Erlangung der Selbständigkeit auf die 
Wanderschaft zu begeben, trifft auch für Nycticorax nycticoraz, 
Ardeola ralloides und Ardea purpurea zu, und scheint eine 
besondere Eigentümlichkeit der meisten Reiherarten zu sein. 


Phasianidae. 


50. Phasianus colchieus L. 
Von 15 ausgesetzten Fasanen wurden 13 nach einigen 
Monaten, 2 nach 2/, Jahren in der Gegend, wo sie frei gelassen 


waren, geschossen. 
51. Perdix perdix L. 


Von 2 jung beringten Rebhühnern wurde das eine nach 
6 Monaten, das andere nach 2 Jahren in der Nähe des Beringungs- 
ortes erlegt. Ein ausgesetztes Rebhuhn befand sich nach °/, Jahren 
noch in demselben Jagdrevier. 


 Tetraonidae. 


52. Tetrao urogallus L. 
53. Tetrao tetrix L. 
Ein jungs Auerhuhn und ein junges Birkhuhn wurden nach 
!/, Jahr an ihren Geburtsorten erlegt. 


Oolumbidae, 


54. Columba palumbus L. 
Eine Ringeltaube aus Dresden wurde im Winter in Liancourt 
a. Oise geschossen. 
Joura, f. Orm. LXVIL, Jahrg. Januar 1919, 3 


34 Friedrich von Lucanus: 


2 jung beringte Tauben suchten im Frühjahr ihre Heimat 
wieder auf. 
Zugrichtung: Nach Westen. T 


55. Columba oenas L. 

Eine Hohltaube aus Dresden zog nach den Pyrenäen. Das 
Datum der Erlegung, die in die erste Hälfte des Oktober fiel, zeigt 
einen frühen Fortzug und spricht für eine schnelle Wanderung.- 

Zugrichtung: Nach Südwesten. 


56. Zurtur turtur L. 
Von 3 Turteltauben aus Schlesien wurden zwei von der 
Westküste Griechenlands, die dritte von Sizilien zurückgeliefert. 
Zugrichtung: Nach Süden. 


Faloconidae, 


57. Circus aeruginosus 1. 
Eine junge, bei Heringsdorf beringte Rohrweihe wurde im 
Winter desselben Jahres auf Seeland erlegt. 
Ein in Ungarn als Nestling gezeichnetes Stück horstete 
nach 3 Jahren 40 km vom Beringungsort entfernt. 
Zugrichtung: Nach Westen. 


58. Circus pygargus L. 


Eine in Treul in Westpreulsen nestjung markierte Wiesen- 
weihe wurde bald nach dem Flüggewerden bei Bromberg, 110 km 
südsüdwestlich geschossen. 


Zugrichtung: Nach Südsüdwesten. 


59. Astur palumbarius L. 


Der Hühnerhabicht ist ein ausgesprochener Standvogel. ° 
17 bisher zurückgemeldete Ringvögel waren in der näheren oder 
weiteren Umgebung ihrer Heimat verblieben. 


60. Accipiter nisus L. 


Sehr interessante Ergebnisse lieferte die Beringung von 
Sperbern. Am 4. VII. 1913 wurden in der Oberförsterei Stepe- 
nitz in Pommern 4 junge Sperber im Horst beringt. Von diesen 
Geschwistern wurden ein Vogel am 26. VIII. 1913 bei Fürstenberg 
in Westfalen, zwei andere im November desselben Jahres in 
Südfrankreich im Departement Rhöne und in der Provence er- 
legt. Alle drei Vögel sind offenbar denselben Weg gezogen, der 
aus Pommern zunächst in westlicher Richtung nach dem Rhein 


- Zug und Wanderung der Vögel Europas. 35 


und dann Rhein aufwärts nach der Rhone führt, also auf der von 
Larus ridibundus so gern benutzten Zugstralse. 

Ein alter Sperber wurde am 11. V. 1912 bei Magdeburg 
gezeichnet und am 22. VII. 1914 in Südfinnland erlegt. Dieser 
Sperber befand sich, als er bei Magdeburg gefangen und markiert 
wurde, wohl auf dem Rückzuge in seine Brutzone nach Finnland. 
Er war also wie die 3 pommerschen Vögel im Winter südwestlich 
gewandert. 

Andere Ringvögel wurden nach Verlauf von 3 und 4 Jahren 
teils im Winter, teils als Brutvögel im Sommer in der Nähe des 
Ortes, an dem sie nestjung beringt waren, wieder angetroffen, 
woraus eine grolse Anhänglichkeit des Sperbers an seine Heimat 
hervorgeht, die er entweder als Standvogel nicht verlälst, oder 
als Zugvogel zur Fortpflanzungszeit wieder aufsucht. 

Die regelmäfsigen, grofsen Sperberzüge, die auf der Kurischen 
Nehrung und auf der: Halbinsel Hela im Frühjahr und Herbst 
stattfinden, zeigen, dafs der Wandertrieb bei Accipiter nisus sich 
noch stark erhalten hat. Ich selbst zählte am 17. X. 1912 in 
Rossitten nicht weniger als 160 Sperber, die innerhalb 4 Stunden 
die Nehrung überflogen. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


61. Buteo buieo L. 


Von 2 in der Oberförsterei Zehdenick in der Mark beringten 
Mäusebussarden wurde der eine auf dem Herbstzuge in West- 
falen, der andere in Spanien erlegt. Ein aus Westfalen stammender 
Vogel wurde in der Eifel erbeutet. Diese Bussarde sind offenbar 
auf derselben Zugstrafse gewandert, wie die in Westfalen und 
Südfrankreich geschossenen pommerschen Sperber. 

Ferner wurden noch folgende Zugrichtungen festgelegt: Aus 
Kurland und Ostpreufsen nach dem Harz, Schlesien und Öster- 
reich, sowie von Jütland nach Schleswig, dem Rheinland und 
Holland. Die Wanderungen werden also im allgemeinen nicht 
weit ausgedehnt. 

Zahlreiche Ringvögel wurden im Winter unweit des Beringungs- 
ortes erlegt und erwiesen sich daher als Standvögel. 

Einige nestjung beringte Bussarde wurden später als Brut- 
vögel in ihrer Heimat festgestellt. Sie waren also entweder als 
Standvögel hier verblieben, oder aus der Winterherberge dorthin 
zurückgekehrt. Ebenso wie Accipiter nisus scheint auch Buteo 
buteo sich durch eine grofse Anhänglichkeit an seine Heimat aus- 
zuszeichnen. 

Von besonderem Interesse für die Vogelzugforschung ist 
noch folgender Fall: Ein am 15. II. 1915 in Steinort in Ost- 
preufsen gezeichneter alter Bussard wurde am 2. II. 1916 aber- 
mals am Beringungsort eingefangen. Da der zweite Fang genau 
nach einem Jahr und wiederum im Winter, sogar in demselben 


3* 


36 Friedrich von Lucanus: 


Monat erfolgte, so kann man annehmen, dafs es sich um einen 
nordischen Zugvogel handelt, der in beiden Jahren dasselbe 
Winterquartier aufgesucht hat. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


62. Archibuteo lagopus Brünn. 


Der biologische Verein zu Gothenburg liefs in den Jahren 
1911 und 1912 in der Gegend von Kiruna in Schwedisch-Lappland 
154 junge Rauhfufsbussarde beringen, von denen bisher 20 zurück- 
gemeldet wurden. Die grofse Anzahl der erbeuteten Vögel 
(12,9 /,) zeigt, einer wie starken Verfolgung der Rauhfufsbussard 
auf seiner Wanderung im Winter ausgesetzt ist. Von den er- 
beuteten 20 Rauhfufsbussarden hatten 16 eine südliche Zug- 
richtung längs der schwedischen Küste durch Pommern, Ost- und 
Westpreufsen, Brandenburg, Schlesien, nach Mähren und Ungarn 
eingeschlegen. Der südlichste Fundort ist Bizovac in Slavonien. 
Zwei Vögel wurden auf dem Herbstzuge in Nordfinnland, einer 
im Winter bei Moskau geschossen, sie hatten also eine südöstliche 
Flugrichtung genommen. 


Im Gegensatz hierzu sehen wir eine südwestliche Wanderung 
bei den Rauhfufsbussarden, die im Herbst die Kurische Nehrung 
passieren. Durch Thienemann in Rossitten beringte Exemplare 
dieser Zugvögel, deren Heimat in den baltischen Ländern und 
im nördlichen Rufsland zu suchen ist, setzten ihre Reise nach 
Schlesien, Posen und der Provinz Sachsen fort. 


Zugrichtung: Nach Süden, Südwesten und Südosten. 


63. Pernis apivorus L. 


Ein nestjung markierter Wespenbussard wurde im Sommer 
nach 4 Jahren in der Nähe des Beringungsortes erlegt. 


64. Aquila pomarina Brehm. 


Ein Kurländischer Schreiadler wurde in Südbulgarien erlegt. 
Zugrichtung: Nach Süden. 


65. Milvus milvus L. 


Ein roter Milan aus Dänemark überwinterte in Andalusien. 
Brutvögel aus der Mark Brandenburg erwiesen sich als Standvögel. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


66. Haliaetus albicilla L. 


Zwei in Ungarn gezeichnete junge Seeadler wurden im 
Spätsommer desselben Jahres 135 und 150 km südöstlich ihres 
Geburtsortes erlegt. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 87 


Russische Seeadler wandern regelmäfsig im Herbst und 
Frühjahr über die Kurische Nehrung. Uber den Verbleib der 
durch Thienemann in Rossitten beringten Exemplare liegen leider 
„noch keine Nachrichten vor. 


67. Falco peregrinus Tunst. 


Ein im Jahre 1913 in der Oberförsterei Liebeumühl in 
Ostpreufsen jung gezeichnetes Wanderfalkenweibchen wurde im 
Sommer 1914 85 km vom Markierungsort entfernt brütend auf 
dem Horst erlegt, ein sehr interessanter Fall, der zeigt, dafs 
Falco peregrinus schon im zweiten Jahre, also noch vor dem 
Anlegen des Alterskleides fortpflanzungsfähig wird. 


68. Cerchneis vespertina L. 


Ein nestjung markierter Abendfalke kehrte im folgenden 
Frühjahr, ein anderer nach 2 Jahren zum Beringungsort zurück. 


69. Cerchneis tinnunculus L. 


Nach den bisherigen Erfahrungen des Ringversuchs scheint 
der Turmfalk vorwiegend Stand- und Strichvogel zu sein, der 
sich auch auf seinen winterlichen Streifzügen nicht allzuweit von 
der Heimat entfernt; denn sämtliche bisher eingelieferten 13 Ring- 
vögel wurden teils im Sommer; teils im Herbst und Winter in 
der näheren oder weiteren Umgebung ihrer Heimat erlegt, dar- 
unter einer nach 3 Jahren. Hierbei beträgt die gröfste Entfernung 
vom Markierungsort nicht mehr als 400 km, die zwei junge Vögel 
im Fluge von Askania Nova in Taurien nach Taganrog am Asow- 
schen Meer zurücklegten. Diese kurze Wanderung auf demselben 
Breitergrade kann man nicht als Zug ansehen. 


Ein äufserst interessantes Beispiel von der Anhänglichkeit 
des Turmfalken an seine Heimat gibt folgende Mitteilung in dem 
2. Jahresbericht der Ornithologischen Station in Salzburg: Graf 
Mensdorff setzte im Frühjahr 1913 einen jung aufgezogenen, 
einjährigen Turmfalken in Freibeit. Der Vogel siedelte sich in 
unmittelbarer Nähe des Wohnhauses seines früheren Pflegeherrn 
an, paarte sich mit einem anderen Turmfalken und horstete auf 
einer nur 1 km vom Wohnhause entfernten Kiefer. Nach der 
jüngsten Mitteilung des Beobachters befand sich der Falke im 
Februar 1917 noch immer an demselben Ort. Er hat diesen in 
den 4 Jahren niemals verlassen und ist hier im Sommer regel- 
mälsig zur Fortpflanzung geschritten. Eine Verwechslung mit 
einem anderen Turmfalken ist ausgeschlossen, da der Vogel durch 
einen Ring gezeichnet war und er aufserdem die in der Gefangen- 
schaft erlangte Zahmheit auch in der Freiheit sich bewahrt hatte; 
denn er suchte seinen früheren Herrn regelmäfsig auf, um Futter 
aus seiner Hand in Empfang zu nehmen, 


88 Friedrich von Lucanus: 


Strigidae. 


70. Asio otus L. 
71. Syrnium aluco L. 
72. Athene noctua Scop. 
73. Strix alba guttata Brehm. 


Waldohreule, Waldkauz, Steinkauz und Schleiereule haben 
sich in allen beringten Exemplaren als Standvögel erwiesen. 


74. Asio flammeus Pont. 


Im Gegensatz zu der Sefshaftigkeit der vorgenannten Eulen 
steht die grofse Wanderlust einer Sumpfohreule, die im Mai 1914 
als Jungvogel in Askania Nova in Taurien beringt und im Januar 
1915 bei Budapest, 1150 km westlich, erlegt wurde. 


Zugrichtung: Nach Westen. 


Picidae. 


75. Jyns torquilla L. 


Drei als Nestlinge gezeichnete Wendehälse befanden sich 
im folgenden Frühjahr wieder in ihrer Heimat. 


76. Dryocopus märtius L. 


Von 2 bei Liboch in Böhmen beringten jungen Schwarz- 
spechten wurde der eine im folgenden Winter in Westfalen 
geschossen, der andere bei Bunzlau in Schlesien tot aufgefunden. 

Rendle weist in seiner Monographie des Schwarzspechts 
(Gefiederte Welt 1915) darauf hin, dafs Dryocopus martius nicht 
ausschliefslich Standvogel, sondern auch Strichvogel ist, da er 
ihn im Winter häufig in solchen Waldungen angetroffen hat, wo 
er als Brutvogel nicht vorkommt. In Anbetracht der weiten 
Strecke, die die beiden Ringvögel zurückgelegt haben, handelt es 
sich hier wohl nicht um einen vorübergehenden Streifzug, sondern 
um ein Auswandern, um eine neue Heimat aufzusuchen. Die 
über 400 km weite Entfernung von Böhmen nach Westfalen zeigt, 
aus wie entlegenen Gegenden unter Umständen die Besiedlung 
eines Gebietes erfolgen kann — ein überaus wertvolles und 
interessantes Ergebnis des Ringversuchs! 


77. Picus viridis L. 
Im Sommer 1917 beringte Heinroth in der Spandauer 
Stadtforst bei Berlin eine Brut des Grünspechts. Von den Jungen 
wurden 2 im Dezember 1917 in den angrenzenden Waldungen 


nur einige Kilometer vom Standort der Nisthöhle entfernt auf- 
gefunden. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 39 


Die jungen Grünspechte waren also im Gegensatz zu den 
oben erwähnten jungen Schwarzspechten in ihrer Heimat verblieben. 


Oypsidae, 


78. Cypselus apus L. 


In mehreren Fällen wurde die Rückkehr beringter Segler 
nicht nur in die Heimat, sondern sogar zu derselben Niststätte 
festgestellt. In Neustrelitz i. Mecklenburg bezog ein Paar 3 Jahre 
hintereinander denselben Nistkasten. Ebenso beobachtete Ritter 
Tschusi zu Schmidhoffen in Salzburg die Rückkehr eines ge- 
schlossenen Paares zum altgewohnten Brutplatz. 

Oypselus apus lebt also anscheinend in der Regel in Dauer- 
ehe Hu kehrt regelmälfsig zur Fortplanzungszeit in die Heimat 
zurück. 


Hirundinidae, 


79. Hirundo rustica L. 


80. Delichon urbica L. 


In Ungarn führt Bela v. Sceöts seit einer Reihe von Jahren 
umfangreiche Beringungen an Haus- und Mehlschwalben aus. 
Er zeichnete bisher gegen 2000 teils junge, teils alte auf den 
Nestern eingefangene Vögel. Die interessanten Versuche ergaben, 
dafs die Schwalben mit grofser Treue an ihrer Heimat festhalten, 
in die sie regelmäfsig aus der Winterherberge zurückkehren. 
Sie suchen zum Brüten mit Vorliebe nicht nur immer wieder 
dasselbe Gebäude, sondern häufig sogar das alte Nest auf. So 
benutzte eine Schwalbe 6 Jahre hintereinander dasselbe Nest, 
was zugleich ein sehr interessanter Nachweis für die Lebensdauer 
der Schwalben ist. Der betreffende Vogel befand sich also nach 
so langen Jahren noch völlig auf der Höhe seiner Lebenskraft; 
ein Beweis, dafs das rastlose Fliegen diesen Vögeln keine An- 
strengung ist, und dafs hierdurch ihre Lebensenergie keineswegs 
schneller verbraucht wird, als bei Tieren mir ruhigerem Tem- 
perament. 

Bela v. Sceöts stellte ferner genaue Untersuchungen darüber 
an, wie weit sich der Heimatsbezirk der Schwalben ausdehnt und 
kontrollierte alle Nester in der näheren und weiteren Umgebung 
der Markierungsstation. Weiter als 2 km vom Beringungsort 
entfernt vermochte er keine gezeichnete Schwalbe mehr aufzu- 
finden, sodafs also die Heimat der Schwalben nur ein sehr eng 
begrenztes Gebiet umfalst. 

Aufser in Ungarn wurde auch in Deutschland, Holland und 
England die Rückkehr der Schwalben in die Heimat erwiesen. 

Bela v. Sc&öts beobachtete ferner, dafs die Schwalben teils 
in Dauerehe leben, die auf Lebenszeit oder doch für mehrere 


40 Friedrich von Lucanus: 


Jahre geschlossen wird, teils die Ehe nach Ablauf der Fort- 
pflanzungszeit auflösen, oder auch schon die zweite Brut mit 
einem neuen Gemahl verrichten. So hielt z.B. ein Hausschwalben- 
paar 3 Jahre lang treu zusammen, ein zweites Paar brütete 


gemeinsam 2 Jahre lang in demselben Nest, während ein anderes: 


Hausschwalben- und ein Mehlschwalbenpaar in späteren Jahren 
ihre Ehe gelöst und sich anderen Gatten angepaart hatten. 
Ferner nisteten viele Gatten beringter Paare im folgenden Sommer, 
oder auch schon in der zweiten Brut desselben Jahres mit un- 
beringten Vögeln. Es ist kaum anzunehmen, dafs es sich in 
allen diesen Fällen um verwittwete Vögel handelt, sondern man 
darf wohl vermuten, dafs auch hier die Ehe freiwillig aufgelöst wurde. 


Trotz der eifrigen Schwalbenmarkierung gelang es Bela v. 
Sceöts bisher noch nicht, von einer Schwalbe auf der Wanderung 
oder aus der Winterherberge Kunde zu erhalten, sodafs über 
die Zugverhältnisse der ungarischen Schwalben der Ringversuch 
leider noch kein Ergebnis erbracht hat. Vermutlich geht der 
Zug über Istrien, Italien und Sizilien nach Afrika. 


Besseren Erfolg hatte in dieser Beziehung die Schwalben- 
markierung der Zeitschrift British Birds in England. 3 Ringvögel 
(2 rustica und 1 urbica) wurden auf dem Zuge in den französischen 
Departements Indres et Loire, Cher und Charente-Inferieur, und 
2 weitere Hausschwalben als Wintergäste in Orange und Natal 
in Britisch-Südafrika aufgefunden. Die Schwalben ziehen also 
wie der weilse Storch bis nach dem südlichsten Afrika. Eine 
wertvolle Ergänzung zu diesem Zuge von England nach Südafrika 
bildet eine im Mai 1886 in Wexford auf Irland tot aufgefundene 
Schwalbe, die einen Papierring trug mit der Inschrift: „Mary 
Eslam Suakin, Aegypthen 10. III. 1885.“1) 


Dieser Vogel hat also seinen Rückweg von Südafrika nach 

England über Agypten genommen und zeigt, dafs die Schwalben 
auf ihrem Zuge durch Afrika dem Lauf des Nils folgen. In welcher 
Weise die Reise zwischen Frankreich und Ägypten erfolgt, d. h. 
ob die Wanderer über Spanien und Gibraltar Marokko erreichen 
und dann längs der Nordküste Afrikas zur Mündung des Nils 
fliegen, oder ob sie von Frankreich über Italien und das Miittel- 
meer ziehen, geht aus den vorliegenden Nachrichten nicht hervor. 
Einen gewissen Anhaltspunkt gibt der in Charente Inferieur an 
der Westküste Frankreichs aufgefundene Ringvogel, der sich wohl 
auf dem Zuge nach Spanien befand. 
Eine in Holstein beringte A. rustica wurde als Zugvogel 
in Bregenz aufgefunden. Sie hatte also eine südliche Zugrichtung 
eingeschlagen und man kann annehmen, dafs sie ihre Wanderung 
über die Alpen fortgesetzt haben würde. 


Zugrichtung: Nach Süden. 


!) Mitteilung von R. Barrington in „British Birds“ 1918, Nr. 10. 


Bnkie 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 41 


Bombyoillidae. 


81. Bombyeilla garrula L. 

Ein am 17. XII. 1913 in Flattach in Kärnten beringter 
Seidenschwanz wurde nach 2 Tagen in Corredo in Südtirol er- 
legt. Ein interessantes Beispiel für die Schnelligkeit des Wanderns. 
Der Vogel, der offenbar gleich nach seiner Beringung weiterzog 
und unmittelbar nach seinem Eintreffen in Corredo erbeutet 
wurde, hat in 48 Stunden 200 km zurückgelegt. Im Gegensatz 
hierzu steht ein Seidenschwanz, welcher am 27. X. 1913 in 
Rossitten beringt und am 18. XII. 1913 bei Zsolna in Ungarn 
gefangen wurde. Dieser hat in 52 Tagen 650 km zurückgelegt, 
was nur eine tägliche Durchschnittsleistung von 121/, km ergibt. 
Die Schnelligkeit des Wanderns hängt, wie Thienemann hierzu 
bemerkt, offenbar mit den jeweiligen Nahrungsverhältnissen zu- 
sammen. 


Musoicapidae. 


82. Muscicapa grisola L. 


Ein grauer Fliegenfänger zog von Berlin nach Lissabon. 
Von einem jungen Vogel wurde die Rückkehr in die Heimat fest- 
gestellt. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


83. Muscicapa atricapilla L. 


Drei Trauerfliegenfänger fanden sich von der Wipnterreise 
wieder in ihrer Heimat ein. 


Laniidae, 


83. Lanius collurio L. 


Bela v. Sceöts beringte im Park seines Besitztums in 
Ungarn im Jahre 1909 28 junge Neuntöter, von denen sich kein 
einziger im folgenden Frühjahr wieder einstellte. 

Ein im Juli 1913 bei Halle beringter Würger wurde im 
Juni 1916 ‚bei Halle erlegt. Leider ist in dem Bericht nicht 
angegeben, ob es sich bei der Beringung um einen jungen oder 
alten Vogel gehandelt hat. 


Oorvidae. 


85. Corvus corax L. 
Ein als Nestvogel in Ostpreufsen gezeichneter Kolkrabe 
wurde im nächsten Sommer unweit des Beringungsortes verendet 
aufgefunden. Es handelt sich wohl um einen Standvogel. 


42 | Friedrich von Lucanus: 


Nach Graf Zedlitz, der den Kolkraben während des russischen 
Feldzuges eingehend beobachtet hat, ist derselbe in Polen aus- 
gesprochener Standvogel, der zu allen Jahreszeiten seiner Heimat 
treu bleibt. 

Thienemann beobachtete wiederholt Kolkraben unter den 
über die Kurische Nehrung ziehenden Nebelkrähen, woraus her- 
vorgeht, dafs Corvus corax im nördlichen Rufsland auch Zug- 
vogel ist. 


86. Corvus corone L. 


In Nord- und Mitteldeutschland beringte Rabenkrähen er- 
wiesen sich als sefshafte Standvögel. 


87. Corvus cornix L. 


Ein starker Krähenzug findet alljährlich im Herbst und 
Frühjahr auf der Kurischen Nehrung statt. Die Vögel, die in 
gewaltigen Mengen, zu vielen Tausenden erscheinen, bilden ein 
beliebtes Nahrungsmittel der dortigen Bevölkerung und werden 
von besonderen Krähenfängern mit Hilfe von Lockvögeln in 
Netzen gefangen. Diesen Krähenfang hat sich Thienemann für 
den Ringversuch der Vogelwarte Rossitten zu Nutzen gemacht, 
die alljährlich eine grofse Anzahl der gefangenen Vögel erwirbt, 
um sie „beringt‘‘ der Freiheit zurückzugeben. 


Die Heimat der über die Kurische Nehrung wandernden 
Krähen liegt den baltischen Ländern, dem nördlichen Rufsland 
und Finnland, wo zahlreiche Rossittener Ringvögel im Sommer 
erlegt wurden. Ihre Wanderungen im Herbst und Winter er- 
strecken diese Krähen über Ost- und Westpreufsen, Posen, 
Pommern, Mecklenburg, Brandenburg, Nordschlesien, Rheinland 
bis nach Nordfrankreich, wo Solesnes den bisher festgestellten 
westlichsten und zugleich auch südlichsten Fundort bildet. 
Solesnes liegt unter 50° 12’ nördlicher Breite und Savonlinna in 
Finnland, der bis jetzt erwiesene nördlichste Brutort, unter 61° 40°. 
Das Zuggebiet der nordrussischen Nebelkrähen umfalst also eine 
Ausdehnung von 111/, Breitengraden. 


Unter den in der Winterherberge erlegten Krähen befinden 
sich zahlreiche Stücke, die den Ring mehrere Jahre getragen 
haben. Die einzelnen Vögel schlagen also auf ihrem Zuge immer 
wieder dieselbe Richtung ein. Dafs auch der Rückzug im Früh- 
jahr in derselben Weise erfolgt, wie der Fortzug im Herbst zeigt 
eine Nebelkrähe, die im Frühjahr 1913 bei Rossitten beringt und 
im Herbst desselben Jahres dort wieder erbeutet wurde. Da die 
Krähe beide Male von einem Krähenfänger aus einem Schwarm 
ziehender Krähen herausgefangen wurde, so handelt es sich nicht 
um einen Standvogel, sondern zweifellos um einen russischen 
Zugvogel, der in beiden Zugperioden über die Kurische Nehrung 
gewandert ist. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 43 


Der Ringversuch ergab ferner, dafs auch die deutschen 
Nebelkrähen im Herbst sich auf die Wanderschaft begeben. So 
wurde ein in Pillau nestjung markierter Vogel im Oktober des- 
selben Jahres in Nauen geschossen. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten. 


88. Corvus frugilegus L. 


Eine auf dem Frühjahrszuge in Rossitten beringte Saat- 
krähe wurde nach 4 Jahren im Winter in Holstein erlegt, offenbar 
ein russischer Brutvogel, der den Zug nach Westen längs der 
Küste wohl regelmäfsig ausgeführt hat. 

Eine Saatkrähe aus Salzburg zog nach Winterthur in der 
Schweiz. 

In Deutschland jung beringte Saatkrähen befanden sich im 
folgenden Sommer in der elterlichen Brutkolonie. 


Zugrichtung: Nach Westen. 


89. Lycos monedula spermologus Vieill. 


In mehreren Fällen wurde die Rückkehr nestjung beringter 
Dohlen erwiesen. 


90. Pica pica L. 


Zwei jung gezeichnete Elstern verblieben als Standvögel 
am Beringungsort. 
91. Garrulus glandurius L. 


Beringte Eichelheher erwiesen sich vorzugsweise als Stand- 
vögel. Ein bei Pinsk in Polen nestjung beringter Vogel wurde 
im darauf folgenden Winter in Böhmen 800 km westsüdwestlich 
erlegt. 


92. Nucifraga caryocalactes macrorhynchos Brehm. 


Ein am 11. X. 1911 in Schlesien markierter Tannenhäher 
wurde nach 13 Tagen 7 km vom Beringungsort entfernt geschossen. 
Ein am 7. IX. 1913 in Rossitten gezeichneter Vogel befand sich 
nach einer Woche noch in der Nähe Rossittens. 

Die Tannenhäherinvasion im Herbst 1917 benutzte Thiene- 
mann zu einer ausgiebigen Beringung. 

Von den in Rossitten gezeichneten Vögeln sind bisher 
folgende vier erlegt: 

1. gez. 5. X., erlegt 10. X. bei Fischhausen in Ostpreulsen. 
2. gez. 8. X., erlegt 9. X. in der Försterei Dammwalde im 

Samlande. 

3. gez. 7. X., erlegt 21. X. in der Forst Selchow, Neumark. 
4. gez. 7. X., erlegt 27. X. bei Posen. 

Thienemann bemerkt hierzu in den ornithologischen Monats- 

berichten 1918, Heft 2: „Der Reiseweg führt von der Nehrung 


44 Friedrich von Lucanus: 


aus nach Südwesten ins Innere Deutschlands oder Österreichs, 
und zwar sind alle 4 Versuchsvögel und damit wohl die über die 
Kurische Nehrung wandernden Tannenhäher überhaupt fast ein 
und dieselbe Stralse gezogen. Was sie Schnelligkeit des Zuges 
anbelangt, so lassen die vorliegenden 4 Ergebnisse kein bestimmtes 
Mals festlegen. Der eine Vogel ist erwiesenermalsen von einem 
Tage zum anderen 5l km gewandert. Bei den drei anderen 
Fällen betragen die täglichen Wegstrecken, wenn man den Er- 
legungstag als Ankunftstag nimmt, 14, 20, 35 km. Nahrungsquellen 
und individuelle Anlagen werden bei Beschleunigung oder Ver- 
langsamen des Zuges entscheidend sein.“ 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


Oriolidae,. 


93. Oriolus oriolus L. 


Ein ungarischer Pirol überwinterte in Tunis. 
Zugrichtung: Nach Südwesten. 


Sturnidae. 


94. Sturnus vulgaris L. 


Die Stare aus Finnland, Livland, Norwegen, Dänemark und 
Norddeutschland wandern, soweit sie nicht Standvögel sind, längs 
der Küste nach ‚Holland, Nordfrankreich und England, während 
die Vögel aus Österreich- Ungarn in Italien, Portugal, Spanien, 
Südfrankreich, Tunis und Algier überwintern. Ein bei Magdeburg 
beringter Jungstar zog nach Sevilla in Spanien. — 

In Dänemark stellte Mortensen in vielen Fällen den Star 
auch als Standvogel fest; in Holland und England ist derselbe 
fast ausschliefslich Stand- und Strichvogel. In Deutschland über- 
wintern seit etwa 2 Jahrzehnten regelmälsig sehr viel Stare. Ob 
es sich um Standvögel, oder Zugvögel aus nördlichen Gegenden, 
die hier überwintern, handelt, läfst sich lediglich durch den 
Ringversuch feststellen, dessen hier noch eine dankbare Aufgabe 
harrt. Zu einer recht ausgiebigen Beringung von Staren, be- 
sonders von Wintervögeln, sei daher angeregt. — 

In vielen Fällen suchten nestjung beringte Stare im Frühjahr 
ihre Heimat wieder auf, einige Vögel sogar noch nach 4 und 
5 Jahren. Ein als alter Brutvogel gezeichneter Star brütete 
nach 3 Jahren wieder in demselben Nistkasten. Nach Baron 
Loudon kehrt in Kurland alljährlich eine grofse Menge beringter 
Stare zum alten Nistplatz zurück. Der Star besitzt also eine 
grofse Anhängliclıkeit an seine Heimat. 

Durch den Ringversuch wurde ferner festgestellt, dafs die 
meisten jungen Stare sehr bald, nachdem sie flügge geworden 


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Zug und Wanderung der Vögel Europas. 45 


sind, die Heimat verlassen. So befanden sich junge Stare aus Kur- 
land und Livland bereits im Juli in Norddeutschland und Holland. 


Dasselbe geht auch ausfolgenden Ergebnissen des Ringversuchs 

hervor, in denen es sich um nestjung gezeichnete Vögel handelt: 

1. gez. 24. Juli Podollen in Ostpr., erl. 26. August Neustettin, 
Pommern. 
gez. 31. Mai Ribnitz, Mecklenburg, erl. 12. Juli Tellingstedt, 
Holstein. 
. gez. 21. Mai Hannover, erl. 26. Juli Holland. 
. gez. 18. Mai Lübeck, erl. 8. Juli Zeeland, Holland. 
. gez. 2. Juni Aurich, erl. 5. Juli Goes, Holland. 

So wird also die Anschauung Gätkes, dafs die jungen Stare 
den Zug vor den Alten eröffnen, durch das Ringexperiment 
bestätigt. 

Zwei Stare, die Baron Loudon in Lisden in Livland am 1. 
und 2. Juni 1913 als Nestvögel beringte, bieten, wie Thienemann 
im 14. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten hervorhebt, will- 
kommene Gelegenheit, Berechnungen über die Schnelligkeit der 
Starzüge anzustellen. Der eine dieser beiden Vögel wurde am 
26. Juni bei Pr. Holland in Ostpreufsen tot aufgefunden, der 
andere am 16. Juli in Rödemis- Husum in Schleswig - Holstein 
geschossen. „Beide Stare“, schreibt Thienemann, ‚sind als gleich- 
altrige junge Vögel gleichzeitig in Livland markiert worden, haben 
dann ohne Zweifel gleichzeitig das Nest verlassen und sind sehr 
bald darauf gleichzeitig nach Südwesten abgezogen. Dann waren 
nach den beiden vorliegenden Resultaten die Starschwärme, denen 
diese beiden Versuchsvögel angehörten, am 26. Juni nach 24 Tagen 
520 km entfernt bei Pr. Holland und am 116. Juli, also wiederum 
nach 20 Tagen bei Husum in Schleswig-Holstein eingetroffen. Die 
beiden Orte liegen 680 km von einander entfernt. So haben 
also die Stare 20 Tage gebraucht, um diese 680 km zurückzulegen. 
Da kommen auf den Tag 34 km. Der Star fliegt nach den bei 
Ulmenhorst angestellten Versuchen beim Zuge rund 20 m in der 
Sekunde, also rund 74 km in der Stunde. So hätten die Stare 
die angegebene Strecke in 9,3 Stunden durchfliegen können, also 
an einem Tage. Man sieht wie gemächlich die betreffenden 
Starschwärme, die Küste als Richtschnur baltend, nach Westen 
gewandert sind.“ 


Zugrichtüng: Nach Westen und Südwesten. 


ma BD. 


Fringillidae. 


95. Passer domesticus L. 
96. Passer montanus L. 


Ein beringter Haussperling wurde drei Jahre hindurch an 
derselben Stelle beobachtet. Ebenso verblieben beringte Feld- 
sperlinge zu allen Jahreszeiten am Markierungsort. 


46 Friedrich von Lucanus: 


Als Strich- oder Zugvogel lernte ich den Sperling im Feld- 
zuge in Frankreich kennen. Im Gebiet zwischen Schelde und 
Marne fiel mir im August und der ersten Hälfte des September 
1914 das völlige Fehlen des Sperlings in vielen Gegenden auf, in 
denen er dann im Spätherbst plötzlich in grofsen Scharen auf- 
trat, die in den Feldern umherstreiften und sich durch grofse 
Scheuheit auszeichneten. Soweit ich feststellen konnte, handelte 
es sich fast ausschließsliicb um Passer montanus. 


97. Coccothraustes coccothraustes L. 


Ein in Rossitten im Januar gezeichneter Kirschkernbeilser 
wurde im August des folgenden Jahres bei Insterburg in Ost- 
preufsen aufgefunden; offenbar ein ostpreulsischer Brutvogel der 
im Winter in der weiteren Umgebung seines Wohnortes umher- 
schweifte. 


98. Fringilla coelebs L. 


Ein im Juli 1912 in Finnland jung beringter Buchfink 
brütete im folgenden Sommer in derselben Gegend. Da der 
Buchfink in Finnland Zugvogel ist, so handelt es sich um eine 
Rückkehr in die Heimat. Auch deutsche Buchfinken wurden als 
Brutvögel am Beringungsort nachgewiesen. 

Das Ringexperiment in England ergab den dortigen Buch- 
finken als Standvogel. 


99. Chloris chloris L. 


2 Grünlinge aus England überwinterten im Departement 
Aisne in Frankreich. Ein am 18. Il. 1914 in Salzburg gezeichneter 
Vogel befand sich am 10. IV. 1914 in Tannwald in Böhmen und 
ein am 14. I. 1914 ebenfalls in Salzburg markierter Grünfink 
wurde am 28. XI. 1914 in Frankenberg in Ob.-Österreich auf- 
gefunden; offenbar zwei Zugvögel, deren Winterherberge in Salz- 
burg lag, und von denen Ersterer im April 1914 auf dem Rückzuge 
zum Brutrevier, Letzterer im November 1914 auf der Winter- 
wanderung begriffen war. Der in Frankenberg erbeutete Vogel 
wollte anscheinend wieder nach Salzburg ziehen, wo er schon 
den Winter 1913/14 verbracht hatte. 

Andere Grünlinge in Österreich und England erwiesen sich 
als Standvögel. In Deutschland scheint Chloris chloris vorzugsweise 
Standvogel zu sein, da die zahlreichen bisher beringten Grünfinken 
sämtlich zu allen Jahreszeiten in der Nähe des Beringungsortes 
verblieben und auch nestjung markierte Vögel unweit ihres 
Geburtsortes brüteten. 


Zugrichtung: Nach Süden und Südwesten. 


100. Acanthis cannabına L. 


In Grofsbritannien und Irland hauptsächlich Stand- und 
Strichvogel, daneben jedoch auch Zugvogel, wie aus einem in 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 47 


Gironde im südwestlichen Frankreich als Wintergast angetroffenen 
Exemplar hervorgeht. 

Ein in Deutschland nestjung beringter Bluthänfling befand 
sich nach 2 Jahren im Sommer am Beringungsort. 


Zugrichtung: Für englische Vögel nach Süden. 


101. Carduelis carduelis L. 
In Österreich gezeichnete Stieglitze verblieben in ihrer 
Heimat. 
102. Pyrrhula pyrrhula L. 


Ein in Marburg beringter Gimpel wurde ein Jahr hindurch 
am Beringungsort beobachtet. 


103. Emberiza citrinella L. 


In Deutschland und England beringte Goldammern erwiesen 
sich ausnahmslos als Standvögel. 


Motacillidae. 


104. Anthus pratensis L. 


Der Zug der englischen Wiesenpieper geht durch das west- 
liche Frankreich nach Portugal. 2 

3 Wiesenpieper wurden in England nach einem Jahr, einer 
nach 2 Jahren als Brutvögel unweit des Beringungsortes festgestellt, 
sodafs also auch für Anthus pratensis die-Rückkehr in die Heimat 
erwiesen ist. 


Zugrichtung: Nach Südsüdwesten. 


105. Motacilla lugubris Tem. 


Die Trauerstelze ist in England Stand-, Strich- und Zugvogel. 
Sie wandert wie der Wiesenpieper durch Westfrankreich nach 
Portugal. 


Zugrichtung: Nach Südsüdwesten. 


Alaudidae. 


105. Alauda arvensis L. 


Eine ungarische Feldlerche zog nach Padua. 

In England beringte Feldlerchen verblieben auch im Winter 
auf dem Inselreich. In Holland wurde eine als Jungvogel ge- 
zeichnete Feldlerche nach 2 Jahren als Brutvogel am Beringungsort 
festgestellt. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


48 Friedrich von Lucanus: 
Sittidae, 


107. Sitta caesia L. 


Zahlreiche im Winter am Futterplatz beringte Kleiber ver- 
blieben auch im Sommer in dessen Nähe, brüteten hier und 
erschienen im folgenden Winter wieder an derselben Futterstelle. 
Heinroth beobachtete 4 Jahre hindurch einen gezeichneten Kleiber 
im Berliner zoologischen Garten, der denselben niemals verliefs 
und dort regelmäßig zur Fortpflanzung schritt. Sitta caesia 
hält also mit grofser Treue an ihrem Standort fest. 

Ein im Februar gezeichnetes Kleiberpaar nistete zusammen 
im Frühjahr in derselben Gegenden und lebte also anscheinend 
in Dauerehe. 

Die jungen Kleiber verbleiben nach den Erfahrungen des 
Ringversuchs teils in der Heimat als Standvögel, teilweise ver- 
lassen sie diese, um sich wo anders anzusiedeln. Ersteres scheint 


die Regel, letzteres mehr eine Ausnahme zu sein. So besuchten ' 


z. B. die im Sommer 1913 im Stadtwalde von Frankfurt a. M. 
beringten jungen Kleiber im Winter täglich den dortigen Futter- 
platz, während an einer anderen Stelle von einer gezeichneten 
Kleiberfamilie im Winter nur die Alten, aber nicht die Jungen 
an der Fütterung gesehen wurden. 


Paridae. 


108. Parus major L. 
109. Parus caeruleus L. 
110. Parus palustris L. 

11ll. FParus aier L. 
112. Parus cristatus L. 

Bela von Sceöts, Pawlas und Toblas in Ungarn, Noll-Toblern 
in der Schweiz und Grote in Finnland beringen mit grolsem Eifer 
Meisen. Ihre Versuche haben ergeben, dafs alle alten Meisen an 
ihrem einmal gewählten Standort mit grofser Treue festhalten 


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und denselben auch im Winter nicht verlassen. Dieselbe Beob- _ 


achtung wurde auch in Deutschland an verschiedenen Orten 
gemacht. 

Ein im Winter beringtes Kohlmeisen- und ein Blaumeisenpaar 
brüteten im Frühjahr am Markierungsort. Letzteres besuchte im 
darauf folgenden Winter wieder gemeinsam denselben Futterplatz. 
Ebenso wie Kleiber scheinen also auch Meisen in lebenslänglicher 
Ehe zu leben. 

Im Garten meiner elterlichen Wohnung in Potsdam erschien 
3 Jahre hintereinander im Winter dieselbe Sumpfmeise an der 
Futterstelle. Der Vogel war nicht durch einen Ring gekennzeichnet, 


rer > 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 49 


bekundete aber eine so aulsergewöhnliche Zahmheit, dafs er hier- 
durch ohne weiteres mit Sicherheit von seinen Genossen zu 
unterscheiden war. Meine Schwester hatte die betreffende Meise 
während der Winterfütterung soweit gezähmt, dafs sie ohne 
Scheu auf die Hand kam, um Hanf und Sonnenblumenkerne in 
Empfang zu nehmen. Im Frühjahr blieb der Vogel aus, stellte 
sich aber im folgenden Winter wieder ein und flog meiner 
Schwester sofort wieder zutraulich auf die Hand. Auch einen 
dritten Winter verbrachte der selten zahme Vogel im Garten 
meiner Eltern. Eine sehr beachtenswerte und interessante Er- 
scheinung ist es, dafs diese Meise im Sommer, wo sie sich 
selbständig ernährte, ihre Zahmheit nicht einbüfste, sondern bei 
ihrer Ankunft im Herbst sofort wieder die alte Zutraulichkeit 
gegen ihre Wohltäterin bekundete. Der Vorgang zeugt von 
einem vorzüglichen Gedächtnis und gut entwickeltem Assoziations- 
vermögen der Sumpfmeise. — 

Im Gegensatz zu der Sefshaftigkeit der alten Meisen, stehen 
die Erfahrungen, welche die oben genannten Forscher an jungen 
Meisen machten. Von 100 im Sommer 1913 in Ungarn nestjung 
beringten Kohlmeisen zeigte sich keine einzige im Winter am 
Futterplatz, und von 170 jungen Tannenmeisen erschien im 
folgenden Winter nur ein Exemplar an der Futterstelle, während 
die alten Brutvögel die Fütterungen regelmäfsig besuchten. Es 
scheinen also die jungen Meisen im ersten Winter die Heimat 
zu verlassen und sich auf die Wanderschaft zu begeben. Man 
mufs daher annehmen, dafs die im Herbst und Winter auf- 
tretenden Meisenzüge lediglich aus jungen Individuen bestehen. 
Die Wanderschaft der jungen Meisen im Gegensatz zu der Sels- 
haftigkeit der alten ist jedenfalls eine sehr interessante Erscheinung 
im Leben der Vögel. Hoffentlich erhalten wir durch weitere 
Fortsetzung der Meisenberingung auch Kenntnis über die Rich- 
tung und Ausdehnung dieser Meisenzüge. Da man annehmen 
darf, dafs die jungen Vögel auf ihrer Wanderung auch die Futter- 
plätze besuchen werden, so ist eine genaue Kontrolle der sich 
hier einfindenden Meisen in Bezug auf ihre Ringnummer besonders 
wünschenswert. 

Einzelne junge Kohlmeisen fanden sich im folgenden Früh- 
jahr wieder an ihrem Geburtsort ein. Die jungen Vögel kehren 
also entweder zur Fortpflanzungszeit in die Heimat zurück, oder 
sie siedeln sich auf fremden Gebiet an, um dann dort als Stand- 
vögel zu verbleiben. 

Sylviidae,. 


113. Accentor modularis L. 


114. Accentor collaris Scop. 


In der Schweiz gezeichnete Hecken- und Alpenbraunellen 
zogen nach Südfrankreich. Englische Ringvögel verbrachten den 
Winter stets in ihrer Heimat. 

Joura, #, Om. LXVI, Jahrg. Januar 1919. 4 


50 Friedrich von Lucanus: 


Eine junge deutsche Heckenbraunelle befand sich im folgenden 
Frühjahr wieder in der Nähe ihres Geburtsortes. Eine bei 
Lübeck im Winter gezeichnete Heckenbraunelle wurde im nächsten 
Winter wieder an derselben Stelle eingefangen. Da nach Angabe 
des Beobachters die Heckenbraunellen in Lübeck vielfach über- 
wintern, so handelt es sich wahrscheinlich um einen Standvogel. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


115. Sylvia atricapilla L. 


Eine am 2. VI. 1912 in Schaffhausen markierte Mönchsgras- 
mücke war am 15. III. 1914 in Algier. Der Vogel kann über 
Spanien oder über Italien gewandert sein. In Anbetracht der 
im Vogelzuge stark ausgeprägten westlichen Tendenz möchte ich 
das Erstere annehmen. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


116. Phylloscopus sibilator Bchst. 
117. Phylloscopus trochilus L. 


Mehrere Wald-undFitislaubsängerkehrten zur Fortpflanzungs- 
zeit in ihre Heimat zurück. 


118. Troglodytes troglodytes L. 


Ein jung beringter Zaunkönig verblieb in seiner Heimat als 
Standvogel. 
119. Zurdus musicus L. 


Für die Sinpgdrossel haben sich folgende Zugverhältnisse 
ergeben: z 
Rheinland — Südfrankreich 
Leipzig --- Palma auf Mallorca 
Frankfurt a. M. — Sevilla 
Böhmen — Almeria 
Ungarn — Umbrien 
Nordtirol — Balearen 
Holland — Spanien 
England — Westfrankreich und Portugal. 

Die Pyrenäenhalbinsel, Italien und die dazwischen liegenden 
Inseln scheinen also bevorzugte Winterquartiere von Turdus 
musicus zu Sein. 

In dem milden Klima Englands ist die Singdrossel auch 
Standvogel. 

Einzelne Singdrosseln wurden nach 1, 2 und 3 Jahren als 
Brutvögel in ihrer Heimat festgestellt. 

Kurt Loos beobachtete, dafs eine alte Singdrossel ihre 
Jungen im Nest von den umgelegten Ringen befreite, indem sie 
dieselben mit dem Schnabel gewaltsam abrils. Ein interessanter 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. Bl 


und einzig dastehender Fall, da die Vögel im allgemeinen die 
Ringe nicht beachten. 


Zugrichtung: Nach Südwesten. 


120. Turdus viscivorus L. 


Zwei Misteldrosseln zogen von England nach Manche in 
Frankreich. 


Zugrichtung: Nach Süden. 


121. Turdus pilaris L. 


Eine in Esthland beringte Wacholderdrossel wurde auf dem 
Herbstzuge in Frederikstadt in Südnorwegen und eine andere 
sibirische Drossel, deren Art nicht näher angegeben ist, in 
Christiania erbeutet. 

Eine ungarische Wacholderdrossel zog nach Neapel. 

Ein nestjung beringtes Exemplar wurde nach 2 Jahren als 
Brutvogel am Markierungsort festgestellt. 


Zugrichtung: Nach Westen und Südwesten. 


122. Turdus merula L. 


Im Gegensatz zu den alten Amseln, die sich im Ringversuch 
durchgängig als Standvögel erwiesen haben, verlassen die meisten 
jungen, sobald sie selbständig geworden sind, ihre Heimat, um 
sich in anderen Gegenden anzusiedeln. So wurde von 111 im Stadt- 
walde bei Frankfurt a. M. beringten jungen Amseln nur 1 Exem- 
plar nach 2 Jahren dort wieder aufgefunden, und von 120 bei 
Homburg v. d. Höhe gezeichneten jungen Schwarzdrosseln wurde 
dort keine einzige wiedergesehen. Von 100 im Berliner Zoolo- 
gischen Garten nestjung markierten Amseln brüteten hier nur 2, 
während alle übrigen für immer verschwunden blieben. Loos 
erwähnt in seinem ersten Bericht der Ornithologischen Station 
des Lotos, dafs von den vielen bei Liboch beringten jungen Amseln 
nur selten einmal im Herbst oder Winter ein Stück bemerkt wird. 

In anderen Gegenden, so in Thüringen, bei Dresden, Nürn- 
berg und in Holland verblieben nestjung beringte Amseln in 
ihrer Heimat; doch handelt es sich nur um wenige, vereinzelte 
Fälle, die gegenüber den zahlreichen Beispielen einer Auswan- 
derung sehr in den Hintergrund treten. Ebenso wie bei den 
Meisen haben wir also auch bei Turdus merula die eigenartige 
Erscheinung, dafs der Wandertrieb nur im ersten Lebensjahre in 
Erscheinung tritt und später völlig aufhört. 


123. Saxicola oenanthe L. 
Ein Steinschmätzer zog von England nach Gironde in 
Frankreich. 
Zugrichtung: Nach Süden. 
4* 


52 Friedrich von Lucanus: 


124. Pratincola rubetra L. 


Ein englischer Wiesenschmätzer überwinterte in Gironde in 
Frankreich. 


Zugrichtung: Nach Süden. 


125. Erithacus titys L. 
126. Erithacus phoenicurus L. 


Mehrere Haus- und Gartenrotschwänzchen kehrten im Früh- 
jahr in ihre Heimat, zum Teil sogar zur alten Niststätte zurück. 
Von phoenicurus wurde auch die gemeinsame Rückkehr eines 
geschlossenen Paares beobachtet. 


127. Erithacus rubeculus L. 


Ein englisches Rotkehlchen überwinterte im Departement 
Gers in Frankreich. 

Ein in Holland im Winter beringter Vogel wurde im folgen- 
den Winter an derselben Stelle wieder eingefangen. Es handelt 
sich wohl um einen zweimaligen Zug in dasselbe Winterquartier. 

In Deutschland und England brüteten wiederholt Rotkehlchen 
in der näheren Umgebung ihres Geburtsortes. Ein bei Frankfurt 
a. M. beringtes Rotkehlchen verbrachte hier den Winter und 
erwies sich als Standvogel. 


Zugrichtung: Nach Süden. 


ll. Teil. 


Schluflsfolgerungen. 


In den Wanderungen der Vögel Europas, wie sie sich durch 
den Ringversuch darstellen, fällt vor allem die vorherrschend 
westliche Tendenz auf, die sich in der Richtung des Herbstzuges 
ausprägt. 3 

‘Die Winterherberge der meisten im vorstehenden Teil auf- 
geführten Vogelarten liegt westlich und südwestlich ihrer Brut- 
zonen. England, Frankreich und das westliche Mittelmeergebiet 
bilden das Reiseziel vieler nord- und mitteleuropäischen Zugvögel. 
Die Lachmöwe setzt sogar ihren westlichen Zug über den Ozean - 
bis nach Amerika fort. 

Nach Westen bezw. Südwesten ziehen: Möwen, Seeschwalben, 
Enten, Austernfischer, Kiebitz, schnepfenartige Vögel, Bläfshubn, 
Löffler, Reiher, Hohl- und Ringeltaube, Wiesenweihe, Sperber, 
Mäusebussard, Rauhfufsbussard, roter Milan, Sumpfrohreule, Seiden- 
schwanz, grauer Fliegenfänger, Nebelkrähe, Saatkrähe, Tannen- 
häher, Pirol, Star, Grünling, Wiesenpieper, Feldlerche, Alpen- 
und Heckenbraunelle, Mönch, Singdrossel, Wacholderdrossel. 


Tug und Wanderung der Vögel Europas. . 58 


Bei einigen dieser Vögel treten freilich neben der Wanderung 
nach Westen und Südwesten noch andere Zugrichtungen in Er- 
scheinung. So schlagen die Heringsmöwe, Mantelmöwe und Lach- 
möwe, der Nachtreiher, Rauhfufsbussard und Seidenschwanz auch 
eine südliche Richtung im Herbst ein, die jedoch im Vergleich zu der 
westlichen, bezw. südwestlichen Wanderung nur eine untergeordnete 
Rolle spielt, da es sich meist nur um vereinzelte Fälle handelt. 
Nur. bei der Larus ridibundus und Archibuteo lagopus findet 
neben anderen Zugrichtungen auch ein regelrechter Zug von 
Norden nach Süden statt. Wie wir gesehen haben, wandern die 
meisten Rauhfufsbussarde Schwedens südwärts durch Deutschland 
nach Ungarn und ein Teil der Rossittener Lachmöwen durch 
Schlesien, Osterreich-Ungarn nach Italien und Tunis. Die Mehr- 
zahl der norddeutschen Lachmöwen bevorzugt jedoch den Zug 
längs der Küste nach Westen, sodafs also auch hier die westliche 
Zugrichtung in den Vordergrund tritt, die südliche dagegen nur 
eine Nebenerscheinung bildet. 


Die Schwalben scheinen nach den bisherigen Erfahrungen 
des Ringversuchs eine südliche Zugrichtung einzuschlagen. 


Ein südlicher Zug wurde ferner bei einem mittleren Säger, 
einem Schreiadler, einer Zwergscharbe und 3 Turteltauben fest- 
gestellt. Da es sich jedoch nur um einzelne Vögel handelt, so 
läfst sich vorläufig über die allgemeine Zugrichtung dieser Arten 
nichts bestimmtes sagen. Es ist nicht nur möglich, sondern sogar 
höchst wahrscheinlich, dafs auch für diese Vögel durch spätere 
Ergebnisse des Ringversuchs eine westliche Zugrichtung noch 
‚nachgewiesen wird. — 


Für die Zugvögel Englands hat das Ringexperiment eine 
südliche Wanderung ergeben, die ihnen freilich durch die geo- 
grapbische Lage ihrer Heimat vorgeschrieben ist; denn ein Zug 
nach Westen würde sie in das offene Meer hinausführen. Trotz- 
dem macht sich auch bei den englischen Vögeln die westliche 
Tendenz der Zugrichtung insofern bemerkbar, als sie nach Über- 
fliegen des Kanals vorzugsweise ihre Reise an der Westküste 
Frankreichs nach Portugal fortsetzen, wie wir es beim Bluthänfling,, 
dem Wiesenpieper, der Trauerstelze, der Singdrossel, sowie dem 
Stein- und Wiesenschmätzer gesehen haben. Sie wählen also 
auf ihrem Zuge die äulserste Westgrenze des Kontinents. Andere 
englische Brutvögel, wie Brachvogel, Kiebitz und Waldschnepfe 
überwintern mit Vorliebe auf Irland, also in der westlichen Zone 
ihrer Heimat. — 

Im Gegensatz zu der in der Zugrichtung so stark hervor- 
tretenden westlichen Tendenz steht der südöstliche Zug des 
weilsen Storches, der auf seiner Wanderung von Europa nach 
- Afrika einen Umweg über Kleinasien und Palästina macht. Wie 
ich im ersten Teil meiner Arbeit ausgeführt habe, läfst sich dies 
eigentümliche Verhalten vielleicht auf die ursprüngliche Herkunft 


54 Friedrich von Lucanus: 


des Storches aus Asien, sowie auf die Abneigung gegen einen 
Flug über das Mittelmeer zurückführen. 

Die in Westdeutschland beheimateten Störche haben jedoch 
die südöstliche Zugrichtung aufgegeben und erreichen Afrika über 
Spanien und Gibraltar. Mit dem Vordringen des Storches nach 
Westen ist also auch die Neigung für eine südwestliche Zug- 
richtung in Erscheinung getreten. Die Weifsmann’sche Hypothese, 
dafs die heutigen Zugstrafsen der Vögel die ehemaligen Wege 
der Einwanderung ihrer Vorfahren sind, trifft also nicht in allen 
Fällen zu. Wie das Beispiel vom weifsen Storch uns zeigt, kann 
der Zug im Laufe der Zeit infolge äuferer Einflüsse, wie klimatische 
Verhältnisse und Verschiebung des Brutraumes, auch eine andere 
Richtung annehmen. 

Eine südöstliche Zugrichtung wurde ferner bei einigen Exem- 
plaren des schwedischen Rauhfufsbussards, die im südöstlichen 
Rufsland überwinterten, einem Wasserhuhn, das aus Böhmen 
nach Ungarn zog, sowie bei einer Zwergscharbe, die von Ungarn 
nach Rumänien wanderte, festgestellt. Das Erscheinen der Rauh- 
fulsbussarde aus Schweden im Innern Rufslands hängt vielleicht 
mit der Nahrungsfrage zusammen und wird möglicher Weise 
durch ein starkes Auftreten der Mäuse veranlafst. — 

Bei einem Vogel, nämlich bei der Lachmöwe, begegnen 
wir sogar eine nördliche Zugrichtung. Die Möwen aus Süd- 
deutschland, Böhmen und Ungarn wandern nicht nur nach Italien, 
sondern auch nach Norden, um den Anschlufßs an die westliche 
Küstenzugstrafse der norddeutschen Lachmöwen zu gewinnen. 
Ihr Zug geht dann also nicht dem wärmeren südlichen, sondern 
dem kälteren nördlichen Klima entgegen — eine überraschende 
und wundersame Erscheinung des Vogelzuges, über die uns erst das 
Ringexperiment aufgeklärt hat, und die man wohl niemals gahnt 
oder vermutet hätte! Sobald die Wanderer die Nordsee erreicht 
haben, ziehen sie westlich an der Küste entlang weiter. Ihre 
Winterquartiere liegen im Gebiet des Ärmelmeeres, an den 
Küsten Frankreichs und der Pyrenäenhalbinsel. In den beiden 
letzten Fällen also unter derselben geographischen Breite oder 
südlicher als das Brutrevier, im ersteren Falle dagegen nörd- 
licher, aber dennoch infolge des durch den Golfstrom beeinflufsten 
Seeklimas in einer milderen Zone als die südlicher gelegene Heimat 
mit ihrem kälteren und rauheren Kontinentalklima. Dieser eigen- 
artige Zug der Lachmöwe von Süden nach Norden deutet darauf 
hin, dafs die Lachmöwen in Süddeutschland, Böhmen und Ungarn 
ursprünglich aus nördlichen Gebieten hier eingewandert sind. — 

Der Ringversuch hat uns also gezeigt, dafs die alte An- 
schauung, dafs unsere Zugvögel im Herbst nach Süden ziehen, 
nicht ohne weiteres zutrifft, wenigstens nicht für die hier in 
Frage kommenden Vogelarten. Im Vordergrund stehen vielmehr 
eine westliche und südwestliche Zugrichtung, neben der auch 
Wanderungen nach Süden, Südosten und sogar nach Norden 


Liraz 


Zug und Wanderung der Vögel Euro»pas. 55 


vorkommen, die aber im Vergleich zu der stark ausgeprägten west- 
lichen Tendenz sehr zurücktreten. 


Die Vorliebe der Zugvögel für eine westliche Zugrichtung 
zeigt sich ferner in den öfters vorkommenden Wanderungen asia- 
tischer Vögel nach Europa, wofür die sich zeitweise wieder- 
holenden Invasionen des sibirischen Tannenhähers und des 
Steppenhuhnes, sowie das Auftreten asiatischer Drosseln und 
Laubsänger in Europa beredte Beispiele bilden. 


Die weitesten Wanderungen in westlicher Richtung treten 
uns in dem Fluge amerikanischer Vögel nach Europa entgegen, 
wie z. B. der Wanderdrossel (Turdus migratorius L.) und ver- 
schiedener Zwergdrosseln, die zeitweise als Irrgäste bei uns 
erschienen. Zu der Vermutung, dafs diese Vögel, die alte Welt 
in östlichem Fluge über den atlantischen Ozean erreichen, liegt 
kein Grund vor, sondern man mufs vielmehr annehmen, dafs 
sie über Alaska und die Beringstrafse das nördliche Asien auf- 
suchen und von hier ihren Zug nach Westen bis Europa fort- 
setzen. Das in Amerika weit nach Norden bis zur arktischen 
Zone reichende Verbreitungsgebiet dieser Vögel macht die An- 
nahme von einer solchen Zugrichtung sehr wahrscheinlich, die 
durch die Tatsache, dafs amerikanische Zwergdrosseln im nörd- 
lichsten Asien auf der Tschuktschen Halbinsel erbeutet worden 
sind, mit Sicherheit nachgewiesen ist. — 

Die Auffassung von einem südlichen Zuge der Vögel stammt 
von Linne, der sie auf Grund seiner in Schweden gemachten 
Erfahrungen aussprach und verallgemeinerte.e Wenn man auch 
bis in späterer Zeit die südliche Zugrichtung als die typische 
betrachtete, so finden wir doch schon bei älteren Ornithologen 
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts einen Hinweis auf einen 
westlichen, bezw. südwestlichen Herbstzug. So vertritt Naumann 
in seinem klassischen Werke „Naturgeschichte der Vögel Deutsch- 
lands‘ die Ansicht, dafs die Vögel Mitteldeutschlands im Herbst 
im allgemeinen zunächst von Osten nach Westen wandern und 
erst später eine südliche Richtung annehmen. Nach ihm wies 
Hieronymus im Jahre 1856 im Journal für Ornithologie in seiner 
Arbeit „Uber das periodische Verschwinden vieler deutscher 
Vögel zur Herbstzeit‘ auf eine westliche Zugrichtung hin. Ebenso 
sprechen seine Zeitgenossen Middendorf, Kefsler, Waldegren, 
Malmgren und Borggrewe von einem westlichen und südwestlichen 
Zuge nordischer und russischer Vögel. Ähnlich äufsert sich auch 
Alfred Brehm in seinen Schriften und Gätke betont in seiner „Vogel- 
warte Helgoland“ die westliche Zugrichtung vieler über Helgoland 
ziehender Vögel mit besonderem Nachdruck. Auch Palmen nimmt 
in seinem Werke „Über die Zugstrafsen der Vögel“, der besten 
Schrift über den Vogelzug älterer Zeit, eine vorherrschend west- 
liche und südwestliche Zugrichtung vieler Vögel der europäisch- 
sibirischen Fauna an. So wird also die Richtigkeit dieser Auffassung 


56 Friedrich von Lucanus: 


älterer Forscher durch die Ergebnisse des Ringversuchs vollauf 
bestätigt. — 

Für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der 
Richtung des Zuges und den klimatischen Verhältnissen mufs vor 
allem folgendes berücksichtigt werden. Infolge des temperatur- 
erhöhenden Einflusses des atlantischen Ozeans nimmt die Wärme 
in Europa nicht nur von Norden nach Süden, sondern auch von 
Osten nach Westen zu. Infolgedessen laufen die Jahresisothermen 
nicht den Breitengraden parallel, sondern von Nordwest nach 
Südost. Ein westlicher Flug führt daher die Zugvögel ebenso 
dem wärmeren Klima entgegen, wie ein südlicher. Die vor- 
herrschend westliche Zugrichtung ist also eine nach dem milden 
ozeanischen Klima gerichtete Wanderung. 


Ein Blick auf die Karte der Jahresisothermen zeigt ferner, 
dafs für den südöstlichen Zug des weilsen Storches und einiger 
anderer Vogelarten in Bezug auf das Klima dieselben Verhältnisse 
gelten, wie bei einer westlichen, bezw. südlichen Zugrichtung; 
denn auch hier geht der Flug der zunehmenden Wärme entgegen. 
Zwischen dem südwestlichen und dem südöstlichen Reiseweg von 
Ciconia ciconia besteht also trotz der ganz verschiedenen Richtung 
in dieser Beziehung kein Unterschied. . 


Das Gesetz von dem Zuge in eine wärmere Zone wird jedoch 
von der Lachmöwe durchbrochen, die aufser einer westlichen und 
südlichen Zugrichtung auch eine nördliche einschlägt. 


Wir sehen hieraus, dafs die zunehmende Wärme nicht ohne 
weiteres auch den Wegweiser für den ziehenden Vogel bildet, 
Dies geht auch daraus hervor, dafs die zunehmende Wärme den 
Vogel ebenso gut nach Westen wie nach Süden oder Südosten 
führt, ihm also gar keine bestimmte Richtung vorschreibt. Ferner 
ist in Betracht zu ziehen, dafs der Flug in diese Richtungen nur 
vom allgemeinen Gesichtspunkt aus einer wärmeren Temperatur 
entgegengeht, dafs diese Erscheinung aber nicht immer in jedem 
einzelnen Fall zutrifft. Die Witterungsverhältnisse unterliegen 
bekanntlich grofsen Schwankungen. Es kann daher vorkommen, 
dals es in einer südlichen Gegend zeitweise kühler ist als in 
einer nördlichen, sodafs der Vogel dann nicht einem wärmeren, 
sondern einem kälteren Klima entgegenfliegt, wie es auch bei 
dem nördlichen Zuge süddeutscher Lachmöwen der Fall ist, der 
offenbar mit deren ehemaligen Einwanderung aus dem Norden 
zusammenhängt und daher als Erbstück zu betrachten ist. 
Ebenso lassen sich auch die verschiedenen Zugrichtungen der 
beiden Störche aus Österwieck, von denen- der eine den süd- 
westlichen, der andere den südöstlichen Reiseweg wählte, sowie 
der südöstliche Fortzug eines holländer Storches, der nach der 
geographischen Lage seiner Heimat eigentlich über Gibraltar 
wandern mulste, auf eine erbliche Veranlagung zurückführen. 
Wie ich bei der Besprechung des Zuges von Ckconia erläutert 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 57 


habe, handelt es sich hier offenbar um Nachkommen aus 
Mischehen zwischen Störchen aus der westlichen und östlichen 
Brutzone. 

Diese Beispiele deuten darauf hin, dafs bei dem Zuge der 
Vögel die erbliche Veranlagung eine grofse Rolle spielt und dafs 
ein rein reflektorisch wirkender Instinkt dem Vogel die Richtung 
seiner Wanderung vorschreibt. Wie sollten anders all’ die Vögel, 
.die allein ziehen, wie z. B. Wiedehopf, Kuckuck, viele Sing- und 
Raubvögel, auf ihrem ersten Herbstzuge den richtigen Weg in 
das weit entlegene Winterquartier finden? — 

Ein anderes Beispiel, das für die Psychologie des Vogelzuges 
sehr wertvoll ist, gibt Thienemann im 17. Jahresbericht der 
Vogelwarte Rossitten. Im Januar und Februar 1917 wurden 
ihm von der Elbe- und Wesermündung 8 erbeutete Lachmöwen, 
die in Rossitten beringt waren, gemeldet. Die meisten dieser 
Vögel waren im völlig erschöpften Zustande eingefangen, und 
aus den Berichten, die den eingesandten Ringen beigefügt waren, 
ging hervor, dafs damals noch zahlreiche andere Lachmöwen 
in derselben elenden Verfassung aufgefunden waren. Der Winter 
1917 war überaus streng, und die See war bis weit hinaus zu- 
gefroren, sodals die Möwen grofse Nahrungsnot litten. Trotzdem 
aber verblieben sie in der unwirtlichen Gegend und gingen hier 
elend zu Grunde, anstatt fortzuziehen und etwa das Mittelmeer- 
gebiet aufzusuchen, das ja ein bevorzugtes Winterquartier der 
Lachmöwe bildet. Wie Thienemann hierzu mit Recht bemerkt, 
läfst sich diese Erscheinung nur dadurch erklären, dals den Tieren 
zu dieser Jahreszeit offenbar der Zuginstinkt fehlte, der eben 
nur in der eigentlichen Zugperiode ausgelöst wird. Man sieht 
also, dafs der ganze Zug nur reflexmäßsig vor sich geht, und 
jegliche Überlegung dabei fehlt. Der Vogel selbst weils offenbar 
gar nicht, warum er zieht. Er wandert, sobald dieser Trieb rege 
ist, beharrt dagegen stumpfsinnig unter den schlechtesten Ver- 
5 ser am selben Ort, wenn der Zuginstinkt nicht zur Geltung 
ommt. — 

Die Winterherberge wird keineswegs immer auf dem kürzesten 
Wege erreicht, sondern manchmal mit beträchtlichen Umwegen. 
Ein typisches Beispiel hierfür ist der weilse Storch, der nach 
Afrika nicht in direkt südlicher Flugrichtung über Italien und 
das Mittelmeer wandert, sondern einen Umweg entweder über 
Kleinasien und Palästina, oder über Spanien macht. Der Zug 
der Spiefsente von Nordrufsland nach dem Mittelmeergebiet 
erfolgt nicht durch einen südwestlichen Flug quer durchs Binnen- 
land, sondern in langwieriger’ Reise längs der Küsten Europas. 
Die seltsamste Erscheinung in dieser Hinsicht bietet Larus ridi- 
bundus aus Süddeutschland, der das Mittelmeergebiet keineswegs 
immer auf dem kürzesten und nächstliegenden Wege über das 
Rhein- und Rhonetal aufsucht, sondern häufig zunächst Rhein 
abwärts wandert zur Nordsee und dann längs der Nord- und 


58 Friedrich von Lucanus: 


Westküste Frankreichs nach der Pyrenäenhalbinsel. Wie wir bei 
der Besprechung des Zuges der einzelnen Arten gesehen haben, 
liegen die Gründe zu diesen Umwegen teils in einer erblichen 
Veranlagung des Zuginstinktes, teils in den geographischen Ver- 
hältnissen, teils in den Existenzbedingungen, die die betreffenden 
Zuggebiete den Wanderern gewähren. — 


In dem Zuge der Vögel Europas treten nach den Ergeb- 
nissen des Ringexperiments folgende drei Zugstrafsen besonders 
hervor (vergl. die Karte): 


1. Die westliche Küstenstralfse. 


Sie führt von Ost nach West längs der Küste der Ost- und 
Nordsee nach England und der Nordküste Frankreichs, sowie 
weiter an der Westküste Frankreichs entlaug nach der Pyrenäen- 
halbinsel und Nordafrika. 


2. Dieadriatisch-tunesische Stralse. 


Sie führt längs der Küsten der Adria über Italien und 
Sizilien nach Tunis. 


3. Dieitalienisch-spanische Stralfse. 


Sie geht aus Österreich-Ungarn über Norditalien durch die 
Poebene nach Korsika, Sardinien, den Balearen, Südfrankreich 
und Spanien, also nach dem westlichen Mittelmeergebiet. 


Die erste Strafse wird mit Vorliebe von Bewohnern des 
nördlichen und westlichen Europa, die zweite und dritte Stralse 
hauptsächlich von in Osteuropa, besouders südlich der Karpathen, 
beheimateten Vögeln benutzt. So begegenen wir auf der west- 
lichen Küstenstrafse folgende Vögel aus den Niederlanden, Nord- 
deutschland, den baltischen Ländern, Nordrufsland, Finnland, 
Skandinavien und England: Möwen, Seeschwalben, Strandläufer, 
Waldschnepfe, Austernfischer, Wasserhuhn, Spiefsente, Kiebitz, 
Rohrdommel, Fischreiher, Löffler, Nebelkrähe, Star, Bluthänfling, 
Wiesenpieper, Trauerstelze, Stein- und Wiesenschmätzer, Wach- 
holderdrossel. Auf der adriatisch-tunesischen Strafse wandern: 
Lachmöwe, Rotschenkel, Kampfläufer, Bekassine, Waldschnepfe, 
Wasserhuhn, Löffler, Seidenreiher, Schopfreiher, Nachtreiher, 
Purpurreiher, Seidenschwanz, Star, Pirol, Feldlerche, Mönchs- 
grasmücke, Wacholderdrossel und Singdrossel aus ÖOsterreich- 
Ungarn. Auch 2 Turteltauben aus Schlesien wurden auf diesem 
Wege angetroffen. Lachmöwe, Kiebitz, Waldschnepfe, Star und 
Singdrossel aus Österreich-Ungarn ziehen auch auf der dritten 
Stralse über Norditalien nach dem westlichen Mittelmeergebiet. 
Ein gesetzmäfsiger Zusammenhang zwischen diesen 3 Strafsen und 
der geographischen Lage des Brutgebiets besteht jedoch insofern 
nicht, als auch nördliche Vögel nach der Adria und Tunis ziehen, 


U EP 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 59 


wie z. B. Larus ridibundus aus Rossitten und Scolopax rusticöola 
aus Nordrufsland und umgekehrt südliche Vögel nordwärts nach 
dem Gebiet der westlichen Küstenstrafse, wie wir es bei den 
süddeutschen und böhmischen Lachmöwen gesehen haben. 


Andere Zugstrafsen, die besonders gern von der Lachmöwe 
benutzt werden, sind die grofsen Flufsläufe, wie der Rhein, die 
Elbe, Donau, Oder und Rhone. 


Die genannten Zugstrafsen sind also in erster Linie Wasser- 
wege, d.h. sie folgen den Meeresküsten und Flufsläufen. Hierzu 
gehört auch die bekannte Zugstrafse, die über die kurische Nehrung 
geht und, wie wir aus den Berichten der Vogelwarte Rossitten 
wissen, regelmälsig von grofsen Vogelscharen benutzt wird, die 
aus dem nördlichen Rufsland und Finnland nach Westen ziehen. 
Sie liegt im Bereich der westlichen Küstenstrafse. 


Aufser diesen Wasserwegen gibt es natürlich auch aus- 
gesprochene Landwege quer durchs Binnenland. So wandern die 
Waldschnepfen aus dem nördlichen Rufsland nicht nur auf der 
westlichen Küstenstrafse, sondern mit Vorliebe auch südwestlich 
durch Deutschland nach Südfrankreich, oder durch Österreich- 
Ungarn nach Italien. 


Ebenso treffen wir die Raubvögel und die grofse Schar der 
Singvögel auf ihrer Wanderung überall im Binnenlande an. Aber 
auch die Bewohner des Wassers scheuen nicht einen Flug über 
gröfsere, geschlossene Landstrecken, wie der Zug eines Larus 
marinus von Rossitten nach Belgrad, einer Anas crecca von 
Petersburg nach Ungarn und eines Mergus serrator von Greifs- 
wald nach Steiermark beweist. Der höchst eigenartige Zug 
ungarischer Seiden-, Schopf- und Nachtreiher quer durch die 
Sahara nach Nordnigerien bildet gleichfalls in sehr charakteristi- 
sches Beispiel hierfür. Andererseits benutzen auch ausgesprochene 
Landvögel, wie Waldschnepfe, Nebelkrähe und Star den Küsten- 
weg, dem auch die jährlich in grofser Menge über die kurische 
Nehrung ziehenden Raubvögel, Lerchen, Pieper, Drosseln, Rot- 
kehlchen und viele andere Landvögel folgen. Allgemeine Regeln 
lassen sich also in dieser Beziehung nicht aufstellen. 


Ob der Zug im Binnenlande auch auf bestimmten Strafsen 
erfolgt, oder ob die Wanderer hier in breiter Ausdehnung nur 
eine allgemeine Richtung innehalten, darüber liegen erst wenig 
Erfahrungen durch den Ringversuch vor. Der Zug des weilsen 
Storches ist jedenfalls an bestimmte Strafsen gebunden, die gesetz- 
mälsig innegehalten werden. Auch für die Waldschnepfe lassen 
sich gewisse Zuggebiete abgreuzen. Die Erbeutuug pommerscher 
Sperber in Westfalen und Südfrankreich, märkischer Bussarde 
in Westfalen, der Eifel und in Spanien, eines roten Milans aus 
Dänemark in Andalusien, nordrussischer Waldschnepfen in der 
Pfalz und Südfrankreich, eines grauen Fliegenfängers aus Berlin 
in Lissabon und eines Stares aus Magdeburg in Sevilla deutet 


60 Friedrich von Lucanus: 


auf eine Binnenlandstrafse hin, die aus Nord- und Mitteleuropa 
in südwestlicher Richtung über den Rhein nach Südfrankreich 
und der Pyrenäenhalbinsel führt (vergl. die Karte). 


Wenn man von einer Zugstrafse spricht, so mufs man sich 
zunächst einmal vergegenwärtigen, was man hierunter zu ver- 
stehen hat. An der Küste drängt sich das Vogelleben natur- 
gemäfs mehr zusammen, sodafs hier die Zugstrafse als solche 
deutlich zu Tage tritt, im Binnenlande dagegen breiten sich die 
wandernden Vogelscharen mehr aus und infolgedessen geht der 
Eindruck der eigentlichen Zugstrafse mehr oder weniger verloren. 
Zwei gute Beispiele hierfür gibt uns der Zug der Waldschnepfe 
und der Nebelkrähe. Nach zuverlässigen Beobachtungen erstreckte 
sich die grofse Wanderung der Waldschnepfen, die im Herbst 
1910 von Skandinavien über die Nordsee durch Westdeutschland 
nach Südfrankreich erfolgte, über einen Raum von ca. 150—200 km 
Breite. Der westliche Herbstzug nordrussischer Nebelkrähen 
erfolgt, wie Thienemanns ausgiebige Krähenberingung erwiesen 
hat, zwischen der deutschen Küste und einer Linie, die von 
Nordschlesien nach dem Rheinland geht, also in einer Ausdehnung 
von rund 300 km. Eine Vogelzugstrafse ist also keineswegs eine 
schmale Linie im Sinne unserer Verkehrswege, sondern sie um- 
falst einen weiten Raum. 


Manhatdaherunter derBezeichnung „Zug- 
strafse“ ein „breites, aber doch abgegrenztes 
Zuggebiet“ zu verstehen. 


Auf Grund aller dieser Erfahrungen, besonders nach den 
grofsartigen Erfolgen des Ringexperiments läfst sich die Theorie 
von den „Zugstrafsen‘“, wenn man sie als „Zuggebiete“ auffalst, 
die besonders von den älteren Ornithologen vertreten wurde, von 
jüngeren dagegen vielfach angefochten wird, keineswegs von der 
Hand weisen. Sie trifft vielmehr für viele Vögel unbedingt zu. 
Andererseits soll defswegen nicht in Abrede gestellt werden, dafs 
auch viele Vögel, besonders solche, die überall im Binnenlande 
geeignete Nahrungsquellen vorfinden, ihre Wanderungen ausführen 
mögen, ohne dabei gesetzmälsig bestimmten und abgegrenzten 
Gebieten zu folgen. Sie zerstreuen sich weit über das Land und 
halten nur die allgemeine Richtung inne, die der Zuginstinkt 
ihnen vorschreibt. Die orographischen und geographischen Ver- 
hältnisse, besonders die Beziehung zwischen der Lage des Brut- 
raumes und der des Winterquartiers, sowie die Möglichkeiten 
der Ernährung werden hierbei jedenfalls von entscheidender 
Bedeutung sein. 

Ein allgemeingültiges Gesetz, das die eine Anschauung an- 
erkennt, die andere dagegen verwirft, lälst sich bei dem Zug- 
stralsenproblem ebenso wenig aufstellen, wie in vielen anderen 
Fragen des Vogelzuges, da ja die Zugverhältnisse nicht nur bei 
den einzelnen Arten, sondern auch individuell aufserordentlich 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 61 


verschieden sind. Wenn von 3 Petersburger Waldschnepfen im 
Herbst die eine nach England, die zweite nach Südfrankreich 
und die dritte nach dem Gebiet der Adria wandert, so liegt 
hierin der beste Beweis, wie verschieden sich die Vögel auf dem 
Zuge verhalten, und dafs sich Gesetze von allgemeiner Gültigkeit 
nicht ohne weiteres aufstellen lassen. — 

Ein Vergleich zwischen den Zugrichtungen, die sich aus dem 
Ringversuch ergeben haben mit der Zugkarte des Palm&n’schen 
Werkes aus dem Jahre 1876 zeigt eine bedeutende Überein- 
stimmung zwischen beiden. Analog der westlichen Küstenstrafse 
sehen wir bei Palmen einen Weg, der längs der Nord- und West- 
küste Europas über Spanien nach Nordafrika führt. Eine andere 
Zugstralse Palmens verläuft von der niederländischen Küste durch 
das Rheintal nach der Rhonemündung und dem Mittelmeergebiet 
und von hier weiter über Italien nach Tunis, also in derselben 
Richtung, wie sie das Ringexperiment für die Lachmöwe und 
einen grofsen Teil ungarischer Vögel festgelegt hat. — 

Die Vermutung Palm&ens und anderer älterer Ornithologen, 
dafs die Alpen im allgemeinen nicht überflogen werden, scheint 
sich ebenfalls zu bestätigen. 

Unter den vielen Tausend Ringvögeln befinden sich nur 
sehr wenig, von denen man einen Flug über die Alpen vermuten 
kann. Es sind dies ein in Marburg aus der Gefangenschaft ent- 
flogener Storch, der in Süditalien überwinterte und sich offenbar . 
hierher verirrt hatte, da ja Italien gar nicht im Zuggebiet des 
weilsen Storches liegt, ein schlesischer Kiebitz, der nach Mailand 
wanderte, eine norddeutsche Rauchschwalbe, die auf ihrem Herbst- 
zuge in Bregenz aufgefunden wurde und eine Lachmöwe aus 
Pommern, die in Stenico in Tirol erlegt wurde. Die Erbeutung 
anderer norddeutscher Lachmöwen in München, Innsbruck und 
Zell am See zeigt ebenfalls in ziemlich weites Vordringen in die 
Alpen, sodafs man ‘annehmen kann, dafs Larus rıdıbundus den 
Zug über die Alpen nicht scheut, wenn er auch nach den Er- 
fahrungen des Ringversuchs mehr als Ausnahme, aber nicht als 
Regel zu betrachten ist. Ebenso war die in Bregenz aufgefundene 
Rauchschwalbe jedenfalls im Begriff, die Alpen zu überfliegen, 
wie es bei den Schwalben schon wiederholt beobachtet worden 
ist. Zweifelhaft ist jedoch der Fall mit dem Kiebitz. Dieser 
braucht die Alpen nicht unbedingt überflogen zu haben, sondern 
kann auch über Ungarn und Istrien nach Norditalien gelangt 
sein. Der Ringversuch hat ergeben, dafs die norddeutschen 
Kiebitze auf der westlichen Küstenstrafse ziehen, die Brutvögel 
aus Österreich-Ungarn über Triest durch die Poebene bis Spanien. 
Sie vermeiden also den Flug über die Alpen. Es liegt daher 
die Vermutung nahe, dafs der schlesische Vogel der letzgenannten 
Zugstralse gefolgt ist, und die Frage, ob der Kiebitz die Alpen 
überfliegt, kann erst durch weitere Resultat des Ringversuchs 
geklärt werden. 


62 Friedrich von Lucanus: 


Im Gegensatz zu diesen wenigen Fällen, die auf ein Über- 
fliegen der Alpen hindeuten, stehen alle übrigen Erfahrungen 
des Ringexperiments. Die oben genannten Zugstralsen, sowie 
die beiden Reisewege, des weilsen Storches umgehen sämtlich die 
Alpen. Die Abneigung der Vögel, die Alpen zu überfliegen, ist 
vielleicht auch die Ursache, oder eine der Ursachen zu der 
westlichen, bezw. südwestlichen Richtung, die so viele Vögel 
‚Europas auf ihrem Herbstzuge einschlagen. 

Der Ringversuch hat uns ferner gezeigt, dafs die Vögel aus 
ein und demselben eng begrenzten Brutgebiet auf dem Zuge 
keineswegs stets dieselbe Richtung nehmen. Während Turtur 
Zurtur aus Sybillenort in Schlesien nach Epirus wandert, sucht 
Larus ridibundus aus derselben Gegend im Winter das Ärmel- 
meer oder das westliche Mittelmeergebiet auf. Die Lachmöwen 
der kurischen Nehrung ziehen sowohl westwärts nach den Küsten 
Englands und Frankreichs, als auch südwärts nach Italien und 
Tunis. Die Waldschnepfen aus der Umgebung Petersburgs be- 
nutzen sowohl die westliche Küstenstrafse, wie die adriatisch- 
tunesische Strafse, oder wandern südwestlich durch Deutschland 
nach Südfrankreich und Spanien. Archibuteo aus Schwedisch- 
Lappland zieht im Winter sowohl südlich nach Ungarn, wie süd- 
östlich ins Innere Rufslands. Wir sehen also, dafs nicht nur die 
verschiedenen Arten verschiedene Wege wählen, sondern dafs 
sogar innerhalb ein und derselben Art ein individueller Unter- 
schied bezüglich der Zugrichtuug auftreten kann. 

Im Gegensatz hierzu scheint jedoch bei anderen Vögeln 
ein korrelatives Verhältnis zwischen Brutzone und Zugzone zu 
bestehen. So ziehen die Störche, welche östlich der Weser wohnen, 
über Kleinasien und Palästina nach Afrika, während die westlichen 


-. Vögel ihren Weg über Gibraltar nehmen. Das Endziel der 


Reise ist jedoch in beiden Fällen dasselbe und liegt im südlichsten 
Teil des schwarzen Erdteils, wo die Störche aus ganz Europa 
sich im Winter zusammenfinden. 

Auch beim Star und Kiebitz scheinen nach den bisherigen 
Erfahrungen des Ringversuchs die Individuen derselben Heimat 


stets dieselbe Zugrichtung einzuschlagen; denn die in Nordeuropa . 


beringten Vögel wurden bisher nur auf der westlichen Küsten- 
strafse, die Vögel aus Österreich- Ungarn dagegen immer im 
Mittelmeergebiet angetroffen. Freilich benutzen die Letzteren 
sowohl die adriatisch-tunesische, wie die italienisch-spanische 
Zugstralse, was überhaupt bei allen Vögeln, die im Mittelmeer- 
gebiet überwintern, der Fall ist. Es macht sich also auch hier 
eine Teilung in der Zugrichtung bemerkbar. 

Wir sehen also, dals bei manchen Vogelarten den Brutzonen 
gewisse Zugzonen entsprechen, bei vielen dagegen nicht. Eine 
allgemein gültige Regel gibt es also in dieser Hinsicht nicht. 

Ebenso wie Vögel derselben Art, verschiedene Zugrichtungen 
wählen, so kann auch das Endziel ihrer Reise sehr verschieden 


wih>:r. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 63 


sein. Die Vögel, welche auf der westlichen Küstenstralse wandern, 
überwintern teils schon in England, oder an der holländischen, 
belgischen und nordfranzösischen Küste, teils dehnen sie ihre 
Reise längs der Westküste Frankreichs bis zur Pyrenäenhalbinsel 
und Nordafrika aus. Von den ungarischen Nacht- und Schopf- 
reihern überwintern viele bereits in Süditalien und Sizilien, andere 
dagegen wandern bis Nordafrika oder sogar noch weiter durch 
. die Wüste bis Nigerien. Die Vögel, welche das westliche Mittel- 
meergebiet aufsuchen, überwintern in Italien, Südfrankreich, 
Spanien, Nordafrika oder auf den dazwischen liegenden Inseln, 
wie wir es bei der Lachmöwe, dem Star und der Singdrossel 
gesehen haben. Die Winterherberge ist also meistens kein eng 
begrenztes Gebiet, sondern erstreckt sich über einen weiten Raum. 
Hierin liegt eine sehr zweckmäfsige Mafsnahme der Natur; denn 
sie verhütet eine Übervölkerung der Winterquartiere und gewährt 
dadurch bessere Existenzbedingungen. 


Mitunter überwintern östliche, bezw. nördliche Vögel in einem 
weiter westlich bezw. weiter südlich gelegenen Brutgebiet ihrer 
Artgenossen. So ziehen ostpreufsische Lachmöwen häufig nur 
bis zur pommerschen oder niederländischen Küste, während die 
Lachmöwen Pommerns und aus den Niederlanden die franzö- 
sischen Küsten oder das Mittelmeergebiet aufsuchen. Russische 
Schnepfen weilen gern als Wintergäste in England, während die 
dortigen Brutvögel teilweise über den Kanal nach Süden ziehen. 
Die nordrussischen Nebelkrähen verbringen den Winter in Nord- 
und Mitteldeutschland, während wahrscheinlich unsere Nebelkrähen 
zu gleicher Zeit ihren Aufenthalt weiter nach Westen oder Süd- 
westen verlegen. Nordische Austernfischer wandern im Herbst 
über die Nordsee nach der deutschen und holländischen Küste, 
die Austernfischer des Nordseegebiets verbleiben dagegen hier als 
Standvögel. So findet also bei manchen Vogelarten im Winter 
eine schichtweise Verschiebung ihrer Verbreitungszonen statt. 
Es kann also das Gebiet, welches für eine Vogelart Brutzone ist, 
zugleich auch Zugzone sein für Individuen derselben Art aus 
einer anderen Gegend. Dies ist vermutlich bei vielen Vögeln 
der Fall, und wird hauptsächlich für solche Arten zutreffen, die 
ihren Zug nicht weit ausdehnen und das subtropische Klima nicht 
überschreiten. 


Wie verschieden der Zugtrieb innerhalb derselben Art ent- 
wickelt sein kann, geht auch daraus hervor, dafs mitunter Bewohner 
desselben Verbreitungsgebietes teils Standvögel, teils Zugvögel 
sind. Dies zeigt sich besonders in dem milden Klima Englands, 
wo Lachmöwe, Schnepfe, Hänfling, Star, Trauerstelze, Hecken- 
braunelle, Singdrossel und andere sowohl überwintern, als auch 
im Herbst fortziehen. Dasselbe hat der Ringversuch auch in 
Mitteleuropa für den Grünfinken nachgewiesen, und wird vermutlich 
bei noch vielen Vogelarten der Fall sein. — 


64 Friedrich von Lucanus: 


In mehreren Fällen konnte durch den Ringversuch fest- 
gestellt werden, dafs dieselben Individuen auf ihren Herbstzügen 
stets denselben Weg einschlagen. So wurde ein Mäusebussard 
zweimal in demselben Winterquartier angetroffen, ferner wurden 
mehrere auf dem Herbstzuge in Rossitten markierte Krähen in 
späteren Zugperioden hier wieder erbeutet und ebenso sind in 
den Vogelkojen auf Fanö wiederholt dieselben Spielsenten ein- 
gefangen. Auch eine im Herbst auf Helgoland beringte und im 
darauf folgenden Herbst in Oldenburg geschossene Waldschnepfe 
hat in beiden Zugperioden denselben Weg eingeschlagen, der von 
Schweden über die Nordsee nach der deutschen Küste führt. 
Zwei weitere Beispiele enthält der 17. Jahresbericht der Vogel- 
warte Rossitten, wonach eine am 25. 1I. 1913 in Rossitten als 
Wintergast gezeichnete Mantelmöwe am 19. Il. 1917 an der 
Weichselmündung erlegt wurde, und eine am 11. X. 1913 eben- 
falls in Rossitten als Zugvogel beringte Heringsmöwe im Oktober 
1917 am Seestrand unweit Rossitten tot aufgefunden wurde. 
Die beiden Möwen haben also regelmälsig im Winter denselben 
Weg an der Küste entlang eingeschlagen. Der Zug längs der 
Meeresküste ist aber für die Möwen keineswegs selbstverständlich; 
denn der Ringversuch hat uns gezeigt, dafs die Möwen auch 
häufig quer über das Binnenland, z. B. von Nordeuropa nach 
dem Mittelmeergebiet, wandern. 

Den Bericht über diese beiden Ringmöwen ergänzt Thienemann 
noch durch folgende, sehr interessante Mitteilung: „Bei dieser 
Gelegenheit möchte ich auf eine hierher gehörige Beobachtung 
bei Ulmenhorst hinweisen, die mir öfter aufgefallen ist. Da steht 
nun schon seit fast 10 Jahren in jeder Zugperiode mein Hütten- 
uhu an derselben Stelle hinter einem kleinen Gehölze in den 
Dünen. Wenn er nun mal zufällig nicht dasteht, dann haben 
die darüber hinziehenden Krähen diese Stelle schon öfter durch 
Geschrei markiert. Dafs es immer dieselben Krähen sind, die 
die Nehrung entlang wandern, das hat der Beringungsversuch 
genugsam gezeigt. Ob die Vögel diese verhängnisvolle Stelle, 
wo sie vielleicht schon manche trübe Erfahrung gemacht haben, 
kenuen ?“ 

Alle diese Beobachtungen lassen vermuten, dafs der Vogel 
in den einzelnen Zugperioden wohl meist denselben Weg einschlägt. 

Auch die Rückkehr im Frühjahr scheint im allgemeinen 
auf demselben Wege stattzufinden wie der Fortzug im Herbst, 
wenigstens wurde dies in mehreren Fällen bei der Lachmöwe, 
dem Storch, dem Star, der Nebelkrähe und der Spiefsente fest- 
gestellt. — 

Der Ringversuch ergab ferner, dafs bei Larus ridibundus, 
Totanus totanus, Plegadis falcinellus, Ardea cinerea und pur- 
purea, Nycticorax nyceticorax, Ardeola ralloides, sowie Sturnus 
vulgaris die jungen Vögel sich bedeutend früher auf die Wander- 
schaft begeben, als die Alten. Viele dieser Vögel verlassen bereits 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 65 


sehr bald nach dem Flüggewerden ihre Heimat. Nach den Beob- 
achtungen Thienemanns erscheinen im Herbst auf der Kurischen 
Nehrung anfangs nur junge Krähen; während die Alten erst 
später nachfolgen. Die von Gätke ausgesprochene Ansicht, dafs 
die jungen Vögel den Herbstzug eröffnen, scheint jedenfalls für 
viele Vogelarten zutreffend zu sein. Andererseits gibt es auch 
Vogelarten, wie z. B.- der weilse Storch, bei denen ein gemein- 
samer Fortzug der Alten mit den Jungen erfolgt. 

Eine eigentümliche Stellung nehmen die Meisen und die 
Amsel ein, deren Junge sich im Herbst ihres ersten Lebensjahres 
auf die Wanderschaft begeben, während die Alten in derselben 
Gegend Standvögel sind. Die Amsel war bekanntlich bis vor 
einem halben Jahrhundert bei uns Zugvogel und ist dies in 
manchen Gegenden, wie z. B. nach den Beobachtungen des Grafen 
Zedlitz in Polen, auch heute noch. Man kann daher in dem 
Wandertrieb der jungen Amseln ein vorübergehendes Aufleben 
des ehemaligen Zuginstinkts erblicken, der hier nach Häckels 
biogenetischem Grundgesetz im Seelenleben des jungen Vogels 
hervortritt. Auch für den Wandertrieb der jungen Meisen dürfte 
dieselbe Erklärung zutreffend sein. 

Eine Anzahl erbeuteter Ringvögel geben interessante An- 
haltspunkte über die Schnelligkeit ihres Wanderns. Die durch- 
schnittliche Tagesleistung des weilsen Storches beträgt nach den 
Erfahrungen, die man an vier Ringvögeln gemacht hat, ca. 200 km. 
Eine Heringsmöwe legte auf dem Zuge durchs Binnenland inner- 
halb 13 Tagen nur 1000 km zurück, also täglich nur 77 km und 
ein Bläfshuhn in 2 Tagen 525 km. Für einen Star ergab sich 
auf einen Zeitraum von 3 Wochen nur eine tägliche Durch- 
schnittsleistung von 34 km. Eine gröfsere-Flugleistung finden 
wir bei der Waldschnepfe, die unter Umständen 400—500 km in 
einer Nacht zurücklegt. 

Wir sehen aus diesen Beispielen, dafs die Schnelligkeit, mit 
der die Vögel wandern recht verschieden ist. Insofern aber stimmen 
alle diese Fälle überein, als sie auf eine recht langsame Reise 
hindeuten und zu der von Gätke aufgebrachten Theorie von den 
gewaltigen Flugleistungen unserer Zugvögel im Widerspruch 
stehen. Gätkes bekanntes und oft zitiertes Beispiel vom nor- 
dischen Blaukehlchen, das nach seiner Ansicht die über 3000 km 
weite Entfernung zwischen Agypten und Helgoland mit einer 
Geschwindigkeit von ca. 300 km in der Stunde in einer Nacht 
durchfliegen soll, wurde ja bereits durch die eingehenden Unter- 
suchungen Helms!) widerlegt, der nachwies, dafs Erithacus 
suecicus L. in der Zugzeit in Süd- und Mitteleuropa regelmälsig 
vorkommt, und daher von einem Überfliegen des eurcpäischen 


ı) Helm, Weitere Betrachtungen über die Beweise Gätkes für die 
Höhe und Schnelligkeit des Wanderfluges der Vögel; Journal für Orni- 
thologie 1901. 


Journ, f. Orn. LXVII. Jahrg, Januar 1919, 5 


66 Friedrich von Lucanus; 


Kontinents ohne Rast nicht die Rede sein kann. Aber auch abge- 
sehen hiervon, mufs die Annahme Gätkes von vornherein unhaltbar 
erscheinen, wenn man die grofse Geschwindigkeit, welche die 4fache 
eines Schnellzuges ist, in Betracht zieht. Thienemann hat auf der 
Vogelwarte Rossitten die Schnelligkeit ziehender Vögel gemessen 
und die grölste Eigengeschwindigkeit für den Star mit 20,6 m 
in der Sekunde (74 km pro Stunde) festgestellt. Das Blaukehlchen 
ist aber ein sehr viel schlechterer Flieger als der Star und dürfte 
höchstens die Fluggeschwindigkeit des Zeisigs erreichen, die nach 
Thienemann’scher Messung 15,5 m pro Sekunde (55,8 km pro 
Stunde) beträgt. Hiernach würde also das Blaukehlchen 2 Tage 
und 6 Stunden gebrauchen, um im Dauerfluge von der afrikanischen 
Küste nach dem Nordseegebiet zu gelangen; d.h. bei windstillem 
Wetter. Bei einem Fluge mit dem Winde, wobei dem Vogel die 
Geschwindigkeit des Windes zu Gute kommt, würde die Zeit sich 
verringern, bei Gegenwind dagegen noch vergröfsern. Da nach 
den Erfahrungen, die auf der Vogelwarte Rossitten gewonnen 
sind, bei sehr starkem Wind die Vögel ihren Zug einstellen, so 
ist der Unterschied zwischen der Eigengeschwindigkeit des Vogels 
und der Flugdauer kein allzu grofser, wie auch aus der von 
Thienemann im Journal für Ornithologie 1910, p. 670—672 
gegebenen Tabelle über die Geschwindigkeit ziehender Vögel 
hervorgeht. 

Ein Flug von 2 Tagen ohne Rast mufs für ein Blaukehlchen, 
das ein schlechter Flieger ist und ungern über freie Strecken 
fliegt, völlig ausgeschlossen erscheinen. Dafs dieser Dauerflug 
auch tatsächlich nicht stattfindet, hat Helm ja nachgewiesen. 
Die Geschichte vom Blaukehlchen kann also nicht mehr als 
Beweis für die grofsen Flugleistungen der Zugvögel herangezogen 
werden, wie es leider in der neueren Literatur, z. B. im neuen 
Naumann, noch geschieht, sondern gehört in das Reich der Fabel. — 

Nach den Mitteilungen amerikanischer Forscher soll ein reger 
Vogelzug über den stillen Ozean zwischen den Aleuten und den 
polynesischen Inseln stattfinden. Da es sich in erster Linie um 
Enten, also um Schwimmvögel handelt, die sich jederzeit auf dem 
Wasser ausruhen können, so braucht man nicht anzunehmen, dafs 
diese gewaltige Entfernung über 40 Breitengrade in ununter- 
brochenem Fluge durchmessen wird. Aufser den Anatiden soll 
aber auf dieser Zugstrafse auch der in Sibirien und Alaska 
heimische Goldregenpfeifer Charadrius fulvus Gm. wandern, 
der als Zugvogel die Hawaiinseln besucht. Die Lage dieser Insel- 
gruppe mitten im Weltmeer, überall wenigstens 4000 km vom 
amerikanischen Kontinent und dem nordöstlichen Asien entfernt, 
macht es freilich unmöglich, dafs sie auf andere Weise als durch 
einen Flug quer über den Ocean erreicht wird. 

Wenn ein Ausruhen auf dem Wasser für einen Regenpfeifer 
zwar nicht Änmöglich ist, so machen doch seine Lebensweise und 
seine Nahrungssuche auf dem Lande dies wenig wahrscheinlich. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 67 


Die Vermutung, dafs die gewaltige Seestrecke von 4000 km ohne 
Ruhepause überflogen wird, liegt daher sehr nahe. Der Regen- 
pfeifer ist ein überaus gewandter und schneller Flieger der den 
Star hierin noch übertrifft, und man darf vieleicht annehmen, dafs 
er auf dem Zuge 90—100 km in der Stunde zurücklegt. Er 
würde danach 2 Tage gebrauchen, um den 4000 km langen Weg 
von den Aleuten nach den Hawaiinseln zu durchfliegen. Das wäre 
freilich eine ganz andere Leistung als die kurzen Strecken, welche 
die oben genannten Ringvögel auf ihrem Zuge durch Europa 
ausgeführt haben. Ein zweitägiger Dauerflug mit dieser gewaltigen 
Geschwindigkeit klingt freilich höchst legendenhaft; denn eine 
derartige Kraftleistung erscheint für einen kleinen Vogel kaum 
möglich. Ich stehe daher der Geschichte vom Zuge des Chara- 
drius fulvus über den stillen Ozean vorläufig noch sehr skeptisch 
gegenüber und halte es nicht für ausgeschlossen, dafs bier viel- 
leicht doch ein Irrtum vorliegt. Es wäre ja möglich, dafs die 
Regenpfeifer, die auf den Hawaiinseln beobachtet werden, gar 
nicht mit den Vögeln aus Alaska und Sibirien identisch sind, 
sondern vielleicht Bewohner der polynesischen Inseln sind. 

Eine umfangreiche Beringung von Regenpfeifern sowohl auf 
den Aleuten wie auf den Hawaiinseln kann einzig und allein eine 
endgültige Klärung dieser Frage herbeiführen — eine dankbare 
Aufgabe für die amerikanischen Ornithologen! -— 

Auf Grund aller dieser Erfahrungen läfst sich nach dem 
heutigen Stande der Wissenschaft betreffs der Schnelligkeit, mit _ 
der die Zugvögel reisen, die Vermutung aussprechen, dafs die 
Zugvögel es im allgemeinen vermeiden, aus freien Stücken grolfse, 
anstrengende Flüge zu unternehmen und sich, solange sie geeignete 
Rastplätze finden, damit begnügen, in kürzeren Etappen von 
höchstens einigen Hundert Kilometern vorzurücken, wie es die 
erlegten Ringvögel getan haben, während Gewaltleistungen von 
1000 oder gar mehreren Tausend Kilometern nur ganz ausnahms- 
weise und auch nur von. den besten Fliegern ausgeführt‘ werden 
dürften, wenn eine zwingende Notwendigkeit, wie z. B. das 
Überfliegen des Weltmeeres, hierzu vorliegt. Die letztgenannte 
Annahme, die sich auf das Urteil amerikanischer Forscher stützt, 
bedarf freilich noch der Bestätigung durch das Ringexperiment. 

Sehr wertvolle Aufschlüsse haben wir durch die Vogel- 
beringung für die Frage nach der Heimkehr der Zugvögel erhalten. 
Schon früher neigte man allgemein zu der Auffassung, dafs die 
meisten Zugvögel wohl regelmäfsig in ihre engere Heimat zurück- 
kehren. Mehrere Beispiele hierfür gibt Alfred Brehm in seinem 
Werke „Das Leben der Vögel“. Er erzählt von einer an ihrem 
stümperhaften Gesang erkennbaren Bastardnachtigall, die 9 Jahre 
hintereinander in seinem Garten eintraf, ferner von einer ge- 
zähmten Schwalbe, die 3 Jahre lang im Frühjahr ihre Heimat 
wieder aufsuchte und von einem in Gefangenschaft aufgezogenen 
und der Freiheit zurückgegebenen Buchfinkenweibchen, das in 

5* 


68 | Friedrich von Lucanus; 


4 Jahren regelmäfsig im Herbst fortzog und im Frühjahr wieder- 
kam. Dieselben Erfahrungen lehrt uns der Ringversuch in um- 
fangreichster Weise. Die vortrefflichen Versuche des ungarischen 
Forschers Bela v. Sceöts haben gezeigt, dafs der Heimatssinn 
bei den Schwalben besonders stark ausgeprägt ist, die jung wie 
alt immer wieder aus der Winterherberge nach ihrem Geburtsort 
zurückkehren. Nächst den Schwalben tritt diese Erscheinung 
beim Mauersegler, dem weifsen Storch, der Lachmöwe und dem 
Star besonders hervor, von denen die meisten Vögel regelmälsig 
im Frühjahr zur Fortpflanzung die alte Heimat aufsuchen. 


Aber auch bei vielen anderen Vogelarten wurde teils in 
einzelnen Fällen, teils häufiger eine Rückkehr in den engeren 
Heimatsbezirk festgestellt. Hierzu gehören: Küstenseeschwalbe, 
Flufsseeschwalbe, Trauerseeschwalbe, Seeregenpfeifer, Kiebitz, 
Gambettawasserläufer, schwarzschwänzige Uferschnepfe, Brach- 
vogel, Waldschnepfe, Wasserhuhn, Nachtreiher, Schopfreiher, 
Purpurreiher, Fischreiber, Ringeltaube, Rohrweihe, Sperber, Mäuse- 
bussard, Wanderfalk, Abendfalk, Wendehals, grauer Fliegenfänger, 
Trauerfliegenfänger, Saatkrähe, Dohle, Buchfink, Bluthänfling, 
Wiesenpieper, Feldlerche, Heckenbraunelle, Wald- und Fitislaub- 
sänger, Singdrossel, Wacholderdrossel, Garten- und Hausrot- 
schwanz, Rotkehlchen — eine stattliche Reihe von Vögeln der 
verschiedensten Gattungen und Ordnungen, die sich zweifellos in 
späterer Zeit durch den Ringversuch noch wesentlich vergröfsern 
wird. Auf Grund dieser Erfahrungen kann man die Rückkehr 
der Zugvögel in ihre Heimat als ein Naturgesetz ansehen, das 
für die meisten Arten Gültigkeit hat. Freilich kommen auch 
Abweichungen vor. So wurde z. B. beim rotrückigen Würger, 
Lanius collurio, trotz zahlreicher Markierungen noch niemals die 
Heimkehr eines jungen Vogels beobachtet. Ebenso siedeln sich 
die jungen Amseln bei ihren winterlichen Streifereien mit Vor- 
liebe auf fremdem Gebiet an. Aber auch unter den Vogelarten, bei 
welchen die Rückkehr in die Heimat die Regel bildet, kommen 
Ausnahmen vor, wie ein in Holland erbrüteter Star, der später 
als Brutvogel in Finnland erlegt wurde, beweist. 


Auch unter den Standvögeln macht sich bei jungen Indivi- 
duen manchmal ein gewisser Wandertrieb rege. So verliefs eine 
Brut des Kleibers, der ausgesprochener Standvogel ist und sich 
durch grofse Sefshaftigkeit auszeichnet, nach ihrem Selbständig- 
werden dauernd die Gegend des elterlichen Nistplatzes, und von 
2 jungen Schwarzspechten aus Böhmen wanderte der eine nach 
‚Schlesien, der andere nach Westfalen aus. 


Diese zeitweise vorkommenden Ansiedlungen junger Vögel 
auf fremdem Gebiet, die sowohl bei Stand- wie Zugvögeln beob- 
achtet werden, mögen ein zweckmäfßsiges Mittel der Natur sein, 
nm die Ausbreitung der Arten zu fördern und den schädlichen 
Einfluls der Inzucht zu verhindern. 


Zug und Wanderung der Vögel Europas. 69 


Für vier Vogelarten, nämlich die Rauchschwalbe, die Mehl- 
schwalbe, den Kleiber und den Gartenrotschwanz konnte durch 
den Ringversuch ein treues Zusammenhalten einzelner Paare 
innerhalb mehrerer Jahre festgestellt werden. Dauerehen scheinen 
also in der Vogelwelt häufiger vorzukommen, und zwar nicht nur, 
wie man früher annahm, unter gröfseren Vögeln, wie Raubvögeln 
und Papageien, sondern auch unter den Kleinvögeln. Das Zu- 
sammenhalten der Ehegatten auf Lebenszeit ist jedoch nicht eine 
Eigentümlichkeit besonderer Arten, sondern eine individuelle 
Charaktereigenschaft; denn gerade bei den Schwalben, bei 
denen bisher die meisten Dauerehen beobachtet wurden, wurde 
andererseits auch festgestellt, dafs sich die Gatten schon nach 
der ersten Brut trennten und die zweite Brut mit einem anderen 
Gemahl verrichteten. — 

Die Erfahrungen, die uns der Ringversuch über die Wan- 
derungen der Vögel gelehrt hat, beziehen sich fast ausschliefslich 
auf solche Vögel, die in Westeuropa und im Mittelmeergebiet 
überwintern, also die paläarktische Region nicht verlassen, 
während der Zug derjenigen Vogelarten, die das äthiopische 
Gebiet aufsuchen, mit wenigen Ausnahmen von der experimen- 
tellen Forschung noch unberührt geblieben ist. Hierzu gehören 
vor allem viele unserer Singvögel, wie Stelzen, Fliegenfänger, 
Würger, Laubsänger, Schmätzer, Sprachmeister, Gartengrasmücke, 
Nachtigall und Sprosser, sowie Kuckuck, Bienenfresser, Blauracke 
und Wiedehopf. 

Nach Reichenow !) überwintern von den 90 deutschen Vogel- 
arten, welche nach Afrika ziehen, 50 in Ostafrika, 34 in West- 
und Ostafrika und nur 6 ausschliefslich in Westafrika. Da Ost- 
afrika südlich von Deutschland liegt, so befindet sich die Winter- 
herberge der meisten dieser Vögel südlich ihrer Brutzone, Daraus 
geht freilich noch nicht ohne weiteres hervor, dafs alle diese 
Vögel auf ihrem Herbstzuge eine direkt südliche Richtung ein- 
schlagen; denn wie wir gesehen haben, wird das Winterquartier 
keineswegs immer auf dem kürzesten Wege erreicht, sondern 
häufig mit einem Umweg. Die im Zuge der europäischen Vögel 
hervortretende westliche Tendenz macht es nicht unwabrscheinlich, 
dafs auch diese Vogelarten zum Teil zunächst ihren Herbstzug 
in südwestlicher Richtung antreten und nach Südfrankreich und 
der Pyrenäenhalbinsel wandern, um über Gibraltar Afrika zu er- 
reichen. Diese Flugrichtung wurde z. B. bei einer Muscicapa 
grisola festgestellt, die von Berlin nach Lissabon zog und viel- 
leicht als typisches Beispiel für den Zug der meisten deutschen 
Singvögel betrachtet werden kann. 

Die Abneigung der Vögel, die Alpen zu überfliegen, legt 
die Vermutung nahe, dafs: der Reiseweg der in Nord- und 


1) Reichenow, Afrika und unsere Zugvögel, Journal für Ornitho- 
logie 1917. 


70 Friedrich von Lucanus: 


Mitteleuropa beheimateten Zugvögel, die im äquatorialen Afrika 
überwintern, vorzugsweise über Spanien führt, während die Vögel 
welche in Osteuropa, besonders südlich der Sudeten und Karpaten 
wohnen, wahrscheinlich die Alpen östlich umgehen und über Italien 
wandern, also der adriatisch -tunesischen Zugstrafse folgen, wie 
es bei den Vögeln, die nur bis zum Mittelmeer ziehen, meist der 
Fall ist. 

Dies sind freilich vorläufig nur rein theoretische Erwägungen. 
Die Entscheidung dieser Frage kann einzig und allein durch das 
Ringexperiment herbeigeführt werden, denn wir haben gesehen, 
dafs sich allgemeingültige Regeln und Gesetze für den Zug der 
Vögel nicht ohne weiteres aufstellen lassen, da nicht allein inner- 
halb der einzelnen Arten, sondern auch individuell bedeutende 
Abweichungen vorkommen. 

So bleibt trotz der reichen Ergebnisse, dle der Ringversuch 
geliefert hat, noch manches in dem vielseitigen und interessanten 
Problem des Vogelzuges zu erforschen, und des Ringexperiments 
harrt noch manch’ dankbare Aufgabe, deren Lösung einer späteren 
Zeit vorbehalten bleibt, wenn nach Beendigung des Weltkrieges 
wieder Nachrichten über erlegte Ringvögel aus dem Auslande zu 
erwarten sind. 


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Zug und Wanderung der Vögel Europas. 71 


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72 Friedrich von Lucanus: 


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Zug und Wanderung der Vögel Europas. 73 


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British Birds 1913. 

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1917, Band II. 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes 11. 
Beobachtungen aus dem Jahre 1917. 
Von Dr. Hermann Reichling (Münster in Westf.). 


Der weiteren Erforschung unserer westfälischen Vogeltauna 
habe ich mit regstem Interesse auch im Kriegsjabre 1917 meine 
gesamte freie Zeit geopfert, die mir noch neben meiner mili- 
tärischen Betätigung zu Gebote stand. Ich habe auf meinen 
diesjährigen Exkursionen einen dreifachen Zweck verfolgt, zunächst 
meine Kenntnisse über diejenigen Arten zu erweitern, von denen 
während der letzten Jahre nur vereinzelte, z. T. unbestimmte 
Angaben bekannt geworden waren. Als zweites Ziel hatte ich 
mir. gesetzt, meine schon vor Jahren begonnene photographische 
Nester- und Flugbildersammlung, die bereits die Mehrzabl der 
westfälischen Brutvögel umfafst, möglichst zu vervollständigen. 
‚Drittens beabsichtigte ich, eine Reihe schwieriger biologischer Auf- 
nahmen auszuführen, die mir noch für eine demnächst erscheinende 
gröfsere ornithologische Abhandlung fehlten. Somit hatten die 
heurigen ornithologischen Studienfahrten für mich ein mehrfaches 
Interesse. 

Ich habe in diesem Frübjahre und Sommer so ziemlich sämt- 
liche Gebiete des Münsterlandes durchquert, auch abgelegenere 
Gegenden, wie z. B. die weitausgedehnten Heiden und Moore an 
der holländischen Grenze. Zu ganz besonderer Freude gereicht 
. es mir, hier mitteilen zu dürfen, dafs all den aufgewandten Mühen 
und Strapazen, die naturgemäls derartige ornithologisch-photo- 
graphische Exkursionen in sich bergen, der erwünschte Erfolg 
nicht versagt blieb. Gerade einige seltenere Arten an ihren 
Nist- und Aufenthaltsplätzen eingehender beobachtet und eine 
ganze Anzahl hochinteressanter Aufnahmen zustande gebracht zu 
haben, rechne ich zu den schönsten Ergebnissen meiner dies- 
jährigen ornithologischen Ausflüge. Bevor ich mit der Besprechung 
nachstehend aufgeführter Arten beginne, sei es mir gestattet, den 
Leser auf einzelne ornithologische Vorkommnisse dieses Jahres 
aufmerksam zu machen, die meiner Ansicht nach wohl besondere 
Berücksichtigung, verdienen. Zugleich erlaube ich mir, die er- 
gebene Bitte um Überlassung ähnlicher Beobachtungen aus anderen 
Bezirken unserer Heimatprovinz auszusprechen, die mir für spätere 
faunistische Arbeiten sehr zu statten kämen. 


74 Hermann Reichling: 


Zunächst erwähne ich die auffallende Abnahme 
verschiedener bei uns überwinternder Arten. 
Der überaus heftigen Winterkälte in den beiden ersten Jahres- 
monaten sind insbesondere dieSchwarzdrosseln, Zaun- 
könig’e, Meisen, Eisvögel, Eulen und Wasser- 
hühner zum Opfer gefallen ; letztere dürften wohl am meisten 
gelitten haben. Raben und Nebelkrähen sind ebenfalls allerorts 
erfroren aufgefunden; in den Kiefernbeständen der Gelmerheide 
lagen die Vögel zu Dutzenden erfroren unter ihren Schlafbäumen. 
Eine weitere Begleiterscheinung des scharfanhaltenden Frostes, — 
das Thermometer fiel häufiger unter minus 15° — war das Auf- 
treten zahlreicher nordischer Entenarten, die sogar noch sehr 
spät in der Jahreszeit, Ende März und Anfang April, im ganzen 
Gebiete anzutreffen waren. Schneeammern wurden nicht beob- 
achtet; Seidenschwänze nur einmal in wenigen Exemplaren. 

Es liegt auf der Hand, dafs die Nistzeit der meisten Früh- 
brüter infolge der diesjährigen sehr ungünstigen Witterung, die 
den ganzen März über anhielt, um Wochen verschoben wurde. 
Die Rückkehr der zuerst eintreffienden Zugvögel erfolgte auch 
später als in normalen Jahren. 

Als weitere Eigentümlichkeit nenne ich dasdiesjährige 
Ausbleibendes Wespenbussards, Pernis apivorus (L.). 
Vergebens habe ich mich bemüht, stichhaltige Gründe für das 
heurige Fernbleiben der Art, die geradezu als Charaktervogel 
unserer Laubwaldungen angesprochen werden konnte, ausfindig 
zu machen. Nebenbei erwähnt dürfte der Wespenbussard inner- 
halb der letzten 25 Jahre von allen Gegenden Nordwestdeutschlands 
im Münsterlande wohl am häufigsten vorgekommen sein. 

Sodann möchte ich das in diesem Jahre beobachtete 
Wiederauftreten der Wachtel, Coturnix coturnix (L.) 
an sehr vielen Stellen unseres Gebietes hervorheben; die Art ist 
bekanntlich während der letzten zwanzig Jahre hierzulande un- 
gemein im Bestande zurückgegangen, ja vielfach sogar an den- 
jenigen Stellen, wo sie sonst häufig vorkam, vollständig ver- . 
schwunden. Ob diese plötzliche Wiederansiedlung aber eine 
dauernde sein wird, oder ob wir es bier nur mit einer vorüber- 
gehenden Erscheinung zu tun haben, deren tiefere Gründe uns 
vorläufig noch verschleiert bleiben, müssen die Beobachtungen 
kommender Jahre ergeben. Soweit mir bekannt, ist auch in 
vielen anderen Gegenden unseres Vaterlandes eine auffallende 
Zunahme der Wachtel im Frühjahre und Sommer 1917 beobachtet 
worden. Im Münsterlande konnte die Art während der dies- 
jährigen Brutperiode an einzelnen Stellen sogar häufig beobachtet 
werden, was mir neben eigenen Beobachtungen zahlreiche Zu- 
schriften zuverlässiger Gewährsmänner bewiesen. 

Zu denjenigen Vögeln, deren Individuenanzahl wohl einzig 
und allein infolge kultureller Einflüsse immer mehr und mehr 
zurückgeht, gehören in jüngster Zeit in unserem Gebiete auch 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II, 75 


derLerchenfalk, Falco subbuteo (L.),dieSchleiereule, 
Strix flammea (L.), der Waldkauz, Syrnium aluco (L.), der 
Eisvogel, Alcedo ispida (L.), der Wiedehopf, Upupa 
epops (L.), der Rotrückige Würger, Lanius collurio (L.), 
die Mehlschwalbe, Hirundo urbica (L.), die Hauben- 
meise, Parus mitralu (Brehm), der Braunkehlige 
Wiesenschmätzer, Pratincola rubetra (L.), der Stein- 
schmätzer, Sazicola oenanthe (L.) und die Nachtigall, 
Erithacus luscinia (L.).. Mir fiel ferner innerhalb der letzten 
Jahre das Fehlen desOrtolans, Emberiza hortulana (L.), 
auf, der bisher immer nur ein sporadisch vorkommender Brut- 
vogel unserer Gegend gewesen ist. DieGrauammer, Eimberiea 
miliaria (L.), scheint ebenfalls wieder zuverschwinden, da 
ich in diesem Jahre fast gar kein Brutpaar bestätigen konnte. 


Erfreulicherweise nehmen die wenigen vor zwölf bis fünf- 
zehn Jahren neu hinzugewanderten Arten stetig, wenn auch 
langsam im Bestande zu. Die Gebirgsbachstelze, Motacilla boarula 
(L.), ist bereits überall im Münsterlande verbreitet und selbst 
in Heidegegenden anzutreffen. Jeder gröfsere Waldbestand be- 
herbergt augenblicklich wohl ein Schwarzspechtpaar. Vom Girlitz, 
Serinus hortulanus Koch, wurden Ende Mai dieses Jahres in 
unserer Provinzialhauptstadt zwei Nester gefunden. 


Was die charakteristischen Heidvögel des Münsterlandes 
betrifft, die ehedem die Einsamkeit der weiten Moore und Brüche 
so angenehm belebten, so müssen wir leider zugestehen, dafs uns 
nur noch ein geringer Rest verblieben ist. Immerhin aber haben 
sich, was hier mitzuteilen mir besonders angenehm ist, einzelne 
typische Arten in kleineren Beständen zu halten vermocht. So 
kann ich aus persönlicher Wahrnehmung bestätigen, dafs in den 
weiten einsamen Moorheiden bei Wessum augenblicklich noch, 
z. T. gar nicht selten, die Krickente, Anas crecca (L.), 
dieBekassine,Gallinago gallinago (L.), derRotschenkel, 
Totanus totanus (L.), der Brachvogel, Numenius arguatus (L.), 
die Schwarzschwänzige Uferschnepfe, Limosa 
limosa (L.), der Kampfläufer, Paroncella pugnaz (L.), das 
Braunkehlchen, Pratincola rubicola (L.)und derWiesenpieper, 
Anthus pratensis (L.) brütend anzutreffen sind. 


Das Vorkommen des Kampfläufers, Paroncella pugnax (L.) 
und der Schwarzschwänzigen Uferschnepfe, Limosa limosa (L.) 
dürfte wohl besonderes Interesse beanspruchen, da beide Arten 
aus den meisten Moorgegenden der norddeutschen Tiefebene bereits 
verschwunden sind. Ja, die Schwarzschwänzige Uferschnepfe, 
deren Einwanderung in unsere an der holländischen Grenze ge- 
legenen nordwestlichen Moorheiden vor etwa zwölf Jahren erfolgt 
ist, hat sich beispielsweise im Graeser- oder Amtsvenn schon so 
vermehrt, dafs sie die weiten Moorgründe dort vollständig 
beherrscht. 


76 Hermann Reichling:: 


Unter die Brutvögel des Münsterlandes ist nunmehr auch 
die Pfeifente, Anas penelope (L.) zu rechnen, da es Graf 
Westerholt in diesem Jahre gelang, — meines Wissens nach zum 
ersten Male — das Brüten der Art in den Sythener Revieren 
mit Sicherheit nachzuweisen. | 

Bei der Zusammenstellung vorliegender Beiträge wurde ich 
wiederum von den verschiedensten Seiten bereitwilligst unter- 
stützt. So möchte ich denn die Gelegenheit nicht vorübergehen 
lassen, allen meinen ornithologischen Freunden und Bekannten 
für ihre Mühewaltungen sowie “für die überlassenen diesjährigen 
Mitteilungen und Einzelbeobachtungen ausdrücklich auch au 
dieser Stelle zu danken. Ganz besonders bin ich auch Herrn 
Karl Freiherrn von Beverförde - Werries auf Schlofs Loburg bei 
Ostbevern zu Dank verpflichtet, der mir in liebenswürdigster 
Weise seine im Forstdistrikt „Kattmannskamp“ gelegene Jagd- 
hütte zur freien Benutzung überliefs. Wie manches Mal habe 
ich in diesem in seiner Art einzig dastehendem, uralten Heide- 
hochwalde übernachtet, um dann in aller Frühe des folgenden 
Morgens in stiller Waldeseinsankeit wieder meinen OTREND BEA 
Studien nachgehen zu können. 


Oscines — Singvögel. 


Erithacus luscinia (L.), Nachtigall. 

Die von verschiedenen Zeitungen gebrachte Angabe, dafs 
die Nachtigall infolge der wegen der Kriegswirren in Italien und 
Südfrankreich unterbliebenen Fänge wieder im Bestande zuge- 
nommen habe, ist für unser Gebiet, soweit meine Beobachtungen 
und Erkundigungen ergaben, nicht zutreffend. 


Erithacus cyaneculus (Wolf), Weilssterniges Blaukehlchen. 
Im Emsgebiete an der Schiffahrt und bei Westbevern beob- 
achtete ich mehrere Paare im Mai und Juni. Das Weidengestrüpp 
in der Nähe der früheren Kantine II der städtischen Rieselfelder 
hatte in diesem Jahre kein Brutpaar aufzuweisen, A. Pedersen 
(Münster) bemerkte am 25. Juli an den Werseufern bei Stapels- 
kotten ein Pärchen, welches allem Anscheine nach Junge hatte. 


Pratincola rubicola (L.), Schwarzkehliger Wiesenschmätzer. 
Auf meinen sämtlichen Exkursionen habe ich diesen Wiesen- 


schmätzer weit weniger häufig als in den vergangenen Jahren 
beobachtet. 


Pratincola rubeira (L.), Braunkehliger Wiesenschmätzer. 
Nach Rektor Gausebeck soll die Art bei Borghorst ebenso 
häufig vorkommen, wie das Schwarzkehlchen, Für die meisten 
übrigen Bezirke unseres Münsterlandes trifft dies jedoch nicht 


Beitiäge zur Avifauna des Münsterlandes II. 77 


zu. Ich habe die Art überhaupt nur vereinzelt und auch weniger 
wie in früheren Jahren angetroffen. Ein Pärchen beobachtete 
ich in diesem Jahre auch im Graeser Venn. 


Turdus torquatus (L.), Ringdrossel. 


Anfang Oktober vorigen Jahres wurden verschiedene Exemplare 
auf den Vogelherden erbeutet. In diesem Jahre zeigte sich die 
Art bedeutend häufiger. Ich selbst bemerkte den ganzen Oktober 
hindurch und auch noch Anfang November fast in jeder durch- 
gesehenen Krammetsvogelsendnng der hiesigen Wildhändler ein- 
zelne Exemplare. 


Turdus merula (L.), Amsel. 


Überall, wo die Art als Waldvogel auftritt, habe ich in 
diesem Frühjahre eine auffallende Verminderung des Bestandes 
feststellen müssen, eine Folge des kalten Winters 1916/17. 


Turdus musicus (L.), Singdrossel. 


Während die Einwanderung der Singdrossel in die Stadt- 
gebiete vieler anderer norddeutscher Städte schon vor 12—15 
Jahren erfolgte, gilt dies für unser Stadtgebiet erst seit drei 
Jahren. Im Schlofsgarten mag allerdings schon seit längerer 
Zeit das eine oder andere Paar gebrütet haben. Ich persönlich 
habe die ersten Männchen im April 1914 auf der Kreuzschanze, 
am Kanonengraben und im Schlofsgarten vernommen. Der Ober- 
sekundaner Rudolf Kuhk (Münster) fand in diesem, wie im vorigen 
Jahre, ein Nest im Garten des niederländischen Konsuls Drerup. 
Ein weiteres Nest mit 4 Eiern entdeckte derselbe am 10. Juli 
dieses Jahres in einer Ulme an der Goldenen Brücke, Das Nist- 
material holte sich das Weibchen vom Kanonengraben, wobei es 
jedesmal vom Männchen begleitet wurde. 

Dafs die Singdrossel sich im Laufe der Zeit ebenso wie die 
Schwarzdrossel, Turdus merula (L.) in den Städten einbürgern 
wird, dagegen sprechen die bisherigen Beobachtungen; denn 
selbst in denjenigen Stadtbezirken, wo die Art schon seit mehr 
als fünfzehn Jahren heimisch ist, hat eine bemerkenswerte Zu- 
nahme bisher nicht stattgefunden. 

Im Interesse der Erhaltung unserer schönsten Waldsänger 
würde es von allen wahren Naturfreunden auf das freudigste be- 
grüfst werden, wenn das kommende Jahr das Verbot des leider 
durch Bundesratsverordnung vom 11. September 1916 wieder- 
freigegebenen Dohnenstieges bringen würde. Es wäre auch an 
der Zeit, endlich einmal den immer noch in den münsterländischen 
und oldenburgischen Heiden betriebenen - ‚Krammetsvogelherden“ 
das langersehnte Ende zu bereiten. Abgesehen davon, dafs durch 
den Dohnenstieg alljährlich eine Unmenge kleinerer Singvogelarten 
vernichtet werden, müssen beide Fangmethoden schon aus dem 


78 PR Hermann Reichling : 


Grunde unter allen Umständen verboten werden, weil die weitaus 
gröfste Mehrzahl der zuerst gefangenen „Krammetsvögel“ haupt- 
sächlich unsere herrlichen Singdrosseln ausmachen ; — eine leider 
nur allzuwenig bekannte Tatsache. — Ja, in manchen Jahren, so 
auch heuer, habe ich in der ersten Oktoberhälfte bei den Wild- 
händlern unserer Stadt ausschliefslich nur Singdrosseln, oft ganze 
Läden voll, vorfinden müssen. 

In diesem Herbste war in unserem Gebiete der Durchzug 
der „Krammetsvögel“ anfänglich ziemlich stark. Die Hanptmasse 
bildeten Singdrosseln Zurdus musicus (L.) und Weindrosseln 
Turdus iliacus L. Wacholderdrosseln Turdus pilarıs L. habe ich 
bis zum 1. Dezember d. Js. weder unter den Krammetsvogel- 
sendungen noch im Freien bemerkt, — eine auffallende Er- 
scheinung. 

Turdus viscivorus (L.), Misteldrossel. 


In fast allen von mir durchgesehenen „Krammetsvogel- 
sendungen‘“ hiesiger Wildhandlungen bemerkte ich im vorigen 
Herbste einzelne Individuen. Ein Pärchen, welches sich in meiner 
Sammlung befindet, wurde am 10. November 1916 auf einem 
Krammetsvogelherde in den Heiden der Bauerschaft Westbevern- 
Broek gefangen. Während des diesjährigen Herbstzuges habe 
ich bisher nur kleinere Gesellschaften von 2—6 Individuen beob- 
achtet. Auf den mir bekannten Vogelherden in der Bauerschaft 
Westbevern-Broek und bei Kattenvenne wurde kein einziges 
Exemplar erbeutet. 

Über das Brüten der Art im vergangenem Frühjahre ver- 
mag ich nichts anzugeben. 

Sowohl in diesem, wie im Herbste des vorhergehenden Jahres 
hatte ich mehrfach Gelegenheit, die Fangmethoden des Krammets- 
vogelherdes, wie dieselben hier im Münsterlande üblich sind, 
kennen zu lernen und eine ganze Reihe photographischer Auf- 
nahmen anzufertigen. 


Troglodytes troglodytes (1.), Zaunkönig. 

Die letzte Kälteperiode hat den Bestand der Art ungemein 
dezimiert, was mir auch die geringe Zahl der aufgefnndenen 
Nester bestätigte. 

Wohl nicht allzuhäufig dürfte es vorkommen, dafs Zaun- 
könige ein Schwalbennest in Besitz nehmen, um dieses als Funda- 
ment benutzend, ihr eigenes Nest auf demselben aufzubauen. 
Im folgenden möchte ich zwei solcher Fälle aus diesem Jahre 
kurz erwähnen. Auf das eine Nest wurde ich durch Fräulein 
cand. phil. Kramer (Ostbevern) aufmerksam gemacht, die mir 
mitteilte, auf der Tenne ihrer elterlichen Wohnung in Ostbevern 
habe sich ein Zaunkönigpaar in einem Rauchschwalbenneste 
häuslich niedergelassen. Von der Richtigkeit der Aussage konnte 
ich mich am 31. Mai persönlich überzeugen. Das mit 8 Eiern 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 79 


belegte Nest war mit Stroh, dürren Grashalmen und Moos sehr 
fest bis zur Decke aufgeführt und bis auf das kleine Flugloch 
vollständig geschlossen. Für mich war die merkwürdige Nist- 
stätte doppelt interessant, einmal seines ungewöhnlichen Stand- 
ortes wegen, sodann aber auch, weil das betreffende Zaunkönig- 
paar die rechtmäßsigen Besitzer sogar vertrieben hatte, Nach 
Aussage des Herrn Gastwirts Kramer hatte nämlich das Rauch- 
schwalben-Weibchen bereits die Ausbesserung des im vorigen 
Jahre erbauten Nestes vorgenommen und war auch schon im 
Begriffe, das erste Ei abzulegen, als plötzlich die Vogelzwerge 
erschienen, und nach Verlauf weniger Stunden das Rauchschwalben- 
Weibchen tatsächlich vertrieben, um ihrerseits sofort das Nest 
in Besitz zu nehmen und mit dem Herbeitragen frischen Nist- 
materials zu beginnen. 


Schon kurze Zeit darauf war es mir vergönnt, ein in der- 
selben Weise auf ein Rauchschwalbennest aufgebautes Zaunkönig- 
nest ausfindig zu machen. Auf dem Rückwege von einer ornitho- 
logischen Exkursion in das Emsgebiet bei Haus Langen am Abend 
des 21. Juni wollte ich noch beim Gemeinde-Vorsteher Riemann 
gent. Plinge des Kirchdorfs Westbevern vorsprechen. Gerade 
springe ich vom Rade, als aus dem sich an das Wohnhaus an- 
schliefsenden offenstehenden Wagenschuppen ein Zaunkönig heraus- 
flog. Da ich sein Nest hier vermutete, suchte ich den Schuppen 
genau ab und fand dasselbe, genau wie in Ostbevern, wiederum 
auf ein Rauchschwalbennest aufgebaut; es enthielt 6 bereits voll- 
ständig befiederte Jungvögel. Der Aufbau dieses Nestes war 
weniger sorgfältig ausgeführt und bestand gröfstenteils aus Stroh- 
halmen. Recht gut konnte man den neuerrichteten Aufbau von 
dem erdigen Unterbau unterscheiden, wie denn überhaupt die 
langherabhängenden Strohhalme dem Kundigen sofort verrieten, 
dals es sich hier um ein Zaunkönignest handelte. Die beiden 
abweichenden Niststätten habe ich im Bilde festgehalten. Über 
das Nisten des Zaunkönigs in Rauchschwalbennestern finden sich 
in der Literatur nur vereinzelte Angaben. (Vergl. Ornith. Monats- 
schr. Jahrg. 1891, p. 338, Jahıg. 1892, p. 290, Jahrg. 1912, p. 282, 
Jahrg. 1914, p. 567; Jahresber. d. Zool. Sektion d. Westf. Prov. 
Ver. f. Wissenschaft und Kunst 1911, p. 10.) 


Acrocephalus streperus (Vieill.), Teichrohrsänger. 


Ein vollständig verblafstes Gelege fand ich am 20. Mai in 
der Gelmer-Heide im Schilf des Fischteiches des Fischerei-Vereins 
Münster e. V.; es stand nur 0,40 m über dem Wasserspiegel. 
Die Färbung der vier Eier ist fast reinweils, nur unterbrochen 
von wenigen ganz schwachen blafsblauen Flecken. Das Merk- 
würdige an der Sache ist nun, dafs ich auch im vorigen Jahre 
an dieser Stelle ein ebenso gefärbtes Gelege auffand. Ich nehme 
daher an, dafs beide Gelege von demselben Paare herrühren. 


80 Hermann Reichling: 


Im Zoologischen Garten batte in diesen Sommer ein Teichrohr- 
sängerpaar sein Nest 5 m über dem Erdboden in einem Rotdorn- 
baum errichtet. Veranlassung für diesen ungewöhnlich hohen 
Standort wird wohl der Mangel an Schilfrohr, vielleicht auch die 
Furcht vor den zahlreich im Garten vorhandenen Ratten gewesen 
sein. 
Hippolais hippolais (L.), Gartensänger. 
Weit häufiger als im vergangenen Jahre beobachtet. 


Phylloscopus sibilator (Bchst.), Waldlaubsänger. 

Nach Wigger zeigte sich dieser Laubsänger bei Wessum 
heuer weit weniger als in früheren Jahren. Dagegen habe ich 
die Art überall im Gebiete beobachtet, teilweise sogar recht häufig, 
z. B. im „Kattmannskamp“. 


Syliu curruca (L.), Zaungrasmücke. 

Nach meinen Beobachtungen zeigt sich diese Art im Münster- 
lande weit weniger häufig als die übrigen bei uns vorkommenden 
Grasmücken. 

Sylvia simplex (Lath.), Gartengrasmücke. 


Habe ich in diesem Jahre sehr häufig angetroffen, ist im 
Münsterlande überhaupt gemein. 


Aegithalus caudatus (L.), Schwanzmeise. 

In derselben Tannenschonung des „Kattmannskamp“, wo ich 
im vergangenen Jahre ein Nest zu Bilde brachte, fand ich am 
2. Mai d. J. wiederum ein sehr zierlich gebautes Nest mit 9 Eiern. 
Im Garten des Vikars zu. Wessum hatte ein Paar sein Nest in 
einem Wacholderstrauch erbaut; leider wurde es zerstört. Nach 
Wiggers Ansicht kommt als Täter nur ein räuberisch veranlagtes 
Schwarzdrosselindividuum in Frage, das sehr wahrscheinlich auch 
noch verschiedene andere Singvogelnester in seinem eigenen 
Garten vernichtet hat. 


‚ Parus major (L.), Kohlmeise. 
Frühjahr 1911 fand der Schüler Adolf Wiekenberg (Hiltrup) 
in einem Erlenstumpf bei Mecklenbeck ein Kohlmeisen- und 
Sumpfmeisenpärchen zusammennistend. 


Anthus pratensis (L.), Wiesenpieper. 

Die mir im vergangenen Jahre vom Pfarrer Wigger über- 
mittelte Angabe über das Brüten der Art in den Mooren bei 
Wessum fand ich am 5. und 6. Juni d. Js. voll und ganz be- 
stätigt. Ich habe an diesen beiden Tagen im Graeser Venn wohl 
an fünfzehn verschiedenen Stellen Brutpaare beobachtet. Während 
des Balzfluges unterscheiden sich die Männchen vom Baumpieper, 


im 
Ad 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 81 


Anthus trivialis (L.) dadurch, dafs sie meistens höher aufsteigen 
und nicht wie diese im sanften Gleitfluge herabschweben, sondern 
in eigenartigen ruckweisen, schrägen oder senkrechten Bogen. 
Auch ist die Stimme weit weniger melodisch und nicht so weit- 
hin vernehmbar wie die des Baumpiepers. Mir fiel ferner das 
recht dunkle Kolorit der einzelnen vor mir hochgehenden Vögel 
auf. Diese von dem gewöhnlichen Wiesenpieper abweichende 
Färbung darf aber, wie auch E. Detmers in seinen „Studien zur 
Avifauna der Emslande“ mit Recht hervorhebt, nur als eine 
sekundäre Anpassung der „Moorpieper‘“, bedingt durch das Leben 
auf dem düsteren Moorgrunde, anzusehen sein. 


Motacilla boarula (L.), Graue Bachstelze. 


Diese Art breitet sich immer mehr im Münsterlande aus, 
‚selbst in Gegenden mit ausgesprochenem Heidecharakter, wie in 
der Umgebung von Borghorst, Riesenbeck und Ahaus. Bei Borg- 
horst fand Rektor Gausebeck bereits am 25. April ds. Js. in 
einer Wallhecke, nahe an einem Bache, ein Nest mit 5 kleinen 
Jungen. 

Nach Freiherr von Heeremann sind die Gebirgsbachstelzen 
auf Haus Surenburg seit 2 Jahren heimisch. Während der dies- 
jährigen Brutperiode haben dort zwei Paare genistet, das eine 
sogar zweimal im Efeu der Schlofsvorderseite. Eigenartig ist 
das Verschwinden der Weifsen Bachstelze, Motacilla alba (L.) 
auf Surenburg, die seit dem Erscheinen dieser Art dort nicht 
mehr als Brutvogel beobachtet wird. Faunistisch sehr interessant 
wäre die Feststellung, ob die weitere Ausbreitung der Gebirgs- 
bachstelze tatsächlich die weilse Bachstelze allmählich verdrängt. 


Carduelis carduelis (L.), Stieglitz. 


Als Brutvogel gröfserer Obstanlagen, Gärten und Chaussee- 
bäume bei weitem nicht mehr so häufig wie in früheren Jahren. 
Im Herbste beobachte ich alljährlich kleinere Gesellschaften, 
besonders dort, wo seine Lieblingspflanze wächst. 


Serinus horiulanus (Koch), Girlitz. 


Die weitere Ausbreitung dieser vor ca. zehn Jahren neu 
binzugewanderten Art macht erfreuliche Fortschritte. Ich selbst 
habe Brutpaare bei Ostbevern, Dörenthe, Rheine und Emsdetten 
beobachtet. Dem Obersekundaner R. Kuhk gelang es sogar, in 
unserem Stadtgebiete und zwar im Zoologischen Garten zwei 
Girlitznester ausfindig zu machen. Das eine Nest stand in der 
Tannenreihe hinter dem Milankäfig (früherer Leuchtturm). Das 
betreffende Girlitzpaar wurde hier wahrscheinlich gestört, da das 
fertiggebaute Nest nicht belegt wurde. Das zweite Nest, welches 
sich in meiner Sammlung befindet, war in die alleroberste Spitze 
einer Tanne am Flamingsteich eingebaut. Am 25. Mai lagen 

Journ, f. Orn. LKVII, Jahrg. Januar 1919. 6 


— 


82 Hermann Reichling: 


drei Eier in demselben. Was Aufbau und Gröfsenverhältnisse 
anbetrifft, so mufs das Girlitznest als das kleinste der bei uns 
brütenden Finkenarten angesehen werden; es verrät nicht sonder- 
lich viel Kunstsinn und ähnelt in der ganzen Zusammensetzung 
auffallend einem Kanarienvogelnest. Als Nistmaterial verwendet 
der Vogel hauptsächlich dürre Grashälmchen, feine Würzelchen, 
eine Menge Pferdehaare und einige kleinere Federchen. In die 
Nestwandungen fand ich auch verschiedene Zwirnsfädenknäuel 
hineingeflochten. Als Malse gebe ich an: Gesamtdurchmesser 
9 cm, Höhe 5 cm, Tiefe der Nestmulde 4,5—5 cm. Die Eier 
zeigen eine blalsgrünliche Färbung, die etwas ins Bläuliche spielt; 
die kleinen dunkelbraunen Striche und Fleckchen häufen sich 
etwas am stumpfen Pole. 


Pyrrhula europaea (Vieill.), Dompfaft. 


Im ganzen Gebiete verbreitet, jedoch nirgends häufig. Heide- 
gegenden, die mit gröfseren Wacholderbüschen bestanden sind, 
scheint er während der Brutperiode allen anderen Waldrevieren 
vorzuziehen. In den jungen Edeltannenschonungen des „Katt- 
mannskamp“ habe ich in diesem Jahre acht bis neun Brutpaare 
beobachtet. In diesem Jahre photographierte ich dortselbst am 
17. Mai ein wunderschön gebautes Nest mit zwei Eiern. Von 
allen Finkennestern ähnelt das Dompfaffennest am meisten dem 
des Kirschkernbeilsers. 


Emberiza calandra (L.), Grauammer. 

Während der diesjährigen Brutperiode ist mir die Grau- 
ammer nur ganz vereinzelt zu Gesicht gekommen. Verschiedene 
mir bekannte Brutreviere waren sämtlich unbewohnt. Das äufserst 
spärliche Vorkommen der Art im Münsterlande fiel auch all- 
gemein in diesem Frühjahre und Sommer auf. Ob die lang- 
anhaltende letzte Kälteperiode allein für das auffallende Zurück- 
gehen dieser Ammer verantwortlich zu machen ist, möchte ich 
dahingestellt sein lassen. 


Emberiea hortulana (L.), Ortolan. 
Auch in diesem Jahre nirgends im Gebiete angetroffen. 


Coccothraustes coccothraustes (L.), Kirschkernbeilser. 

Die Art zeigte sich in diesem Jahre häufiger bei Borghorst. 
Rektor Gausebeck fand am 16. Mai zum ersten Male in einer 
Hainbuche auf dem Gute des Schulzen Düding ein Nest mit 
4 Eiern. 

Fringilla montifringilla (L.), Bergfink. 

Im März beobachtete ich kleinere Flüge im Wolbecker Tier- 

garten und in der Umgebung der Wienburg. 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 83 


Pica pica (L.), Elster. 


An der Schifffahrt hatte wiederum ein Elsternpaar in einer 
Weifsdornhecke an genau derselben Stelle — wahrscheinlich 
handelt es sich um dasselbe Paar — sein Nest erbaut, wie in 
den beiden vorhergehenden Jahren. Auch dieses Nest stand so 
niedrig über der Erde, dafs ich mit der Hand hineinlangen 
konnte; es enthielt am 2. Mai 6 Eier und war vom vorjährigen 
gut einen halben Meter entfernt, während das vorvorjährige bereits 
zu Boden gefallen, aber noch gut erhalten war. Ich habe die 
interessante Niststätte — drei Elsternnester an dem- 
selben Standorte und in drei aufeinander- 
folgenden Jahren erbaut und bezogen — im Bilde 
festgehalten. Obgleich die folgende Angabe strenggenommen 
nicht mehr unser Gebiet betrifft, möchte ich doch das sehr häufige 
Vorkommen der Art im Emsgebiete zwischen Emsbüren und 
Listrup erwähnen. Ich beobachtete hier am 8. April auf einer 
Strecke von ca. 3 km nicht mehr und nicht weniger als 26 frisch- 
erbaute Nester. Jedes Bauerngehöft war besetzt, manches sogar 
von zwei Brutpaaren. 


Corvus frugilegus (L.), Saatkrähe. 


Die grolse Saatkrähenkolonie bei Mersch fand ich in diesem 
Jahre vollständfg verlassen. Gelegentlich eines Besuches am 
15. April traf ich auch nicht ein einziges Brutpaar mehr an. 
Die argen Nestplündereien seitens der umwohnenden Zechen- 
bevölkerung von Radbod, die während der Kriegsjahre besonders 
stark betrieben wurden, hatten den Saatkrähen nicht allein die 
Rückkehr zur Massenbrutstätte, sondern sogar die ganze Gegend 
verleidet. Auch die übrigen kleineren Ansiedlungen in der Um- 
gebung der Kolonie waren vollständig unbewohnt. So mulste 
ich denn unverrichteter Sache meinen Rückweg antreten. Ich 
sollte aber doch nicht vergebens hinausgefahren sein, da ich auf 
dem Rückwege, kurz vor Drensteinfurt, einen gröfseren Trupp 
Saatkrähen nahrungsuchend auf den Äckern beobachtete und 
auf meine Anfrage den Bescheid erhielt, dafs in nächster Nähe 
zwei „Krähenbüsche“ bezogen seien. Weil die Dunkelheit schon 
zu weit vorangeschritten war, konnte ich an diesem Abend nichts 
mehr ausrichten. So machte ich mich denn am 18. April wiederum 
auf den Weg. Die gröfsere dieser beiden Kolonien liegt in der 
Bauerschaft Eickendorf, an der linken Seite der Kunststralse 
Drensteinfurt—Ermelinghof, etwa 3 kın hinter Drensteinfurt. Die 
Saatkrähen hatten sich hier in einem jüngeren, anderthalb Morgen 
grolsen Eichenbestande angesiedelt. Nach Aussage von um- 
wohnenden Landleuten sind sie dort seit vier Jahren ansässig. 
Als sicher anzunehmen ist, dafs die Vögel von der etwa 15 km 
entfernten Kolonie bei Mersch herübergekommen sind, da sie 
dort zu stark beunruhigt wurden. Ich zählte 182 Nester, darunter 


6* 


84 Hermann Reichling: 


bis zu acht Stück auf einzelnen Bäumen. Einige hatten durch 
mehrjäbriges Auftragen einen beträchtlichen Umfang erreicht; 
die einzelnen Jahresschichten liefsen sich deutlich erkennen. 
Zwecks Vornahme photographischer Horstaufnahmen erstieg ich 
mehrere Bäume; die Gelege erwiesen sich bereits stark bebrütet. 
Also hatte bei den Saatkrähen das Fortpflanzungsgeschäft trotz 
der vorhergegangenen ungünstigen Witterung keine Verzögerung 
erlitten. — Die zweite kleinere Kolonie besichtigte ich am 
21. April; sie befindet sich zwanzig Minuten von der Stadt hinter 
der alten zum Schlofs Drensteinfurt gehörigen Kapelle. Auch 
hier hatten die Saatkrähen ein kleines Eichenwäldchen bezogen. 
Ich stellte 38 Horste fest. 

Die grofse Saatkrähensiedlung in der Bauerschaft Westrup 
bei Haltern ist auch durch Fällen des Waldbestandes leider nun 
vernichtet. Ein Teil der Brutvögel hat nach Graf Westerholt 
eine neue kleine Siedlung auf dem sog. „Kiwittplatz‘“ bei Haltern 
gebildet. Die Vögel haben hier ihre sparrigen Horste in die 
Kronen ganz niedriger Ulmen erbaut. Trotzdem in unmittelbarer 
Nähe militärische Übungen abgehalten werden, — tagtäglich 
wurde hier mit Handgranaten und Minenwerfern geübt — haben 
die Saatkrähen diese Kolonie beibehalten und sich nicht von 
ihren Brutgeschäften abhalten lassen. 


Lanius collurio (L.), Rotrückiger Würger. 


Dieser Würger, noch vor 7—8 Jahren ein häufiger Brutvogel 
unserer Schwarz- und Weifsdornhecken, hat leider so stark im 
Bestande abgenommen, dafs er schon zu den seltenen Arten des 
Münsterlandes gerechnet werden muls. In den beiden letzten 
Jahren ist es mir nicht gelungen, auch nur ein einziges Nest 
ausfindig zu machen. Dafs die Art von einzelnen Stellen ver- 
schwunden ist, liegt vielleicht darin begründet, dafs gerade während 
der letzten Jahre zahlreiche Dornhecken beseitigt wurden. Für 
den allgemeinen Rückgang dürften aber sicherlich noch andere 
Momente verantwortlich zu machen sein. 


Bombyecilla garrula (L.), Europäischer Seidenschwanz. 

In Heft 7, Jahrg. 1917, p. 248 der Ornith. Monatsschrift 
berichtet der Schriftsteller B. Quantz (Göttingen), dafs nach Mit- 
teilung seines Bruders im Januar 1917 bei Gronau sechs Seiden- 
schwänze beobachtet wurden. Ich gebe diese Notiz wieder mit 
dem Bemerken, dafs mir nicht ein einziger weiterer Fall über 
das Auftreten der Art in unserem Gebiete während des Winters 
1916/17 bekannt geworden ist. 


Muscicapa atricapilla (L.), Trauerfliegenschnäpper. 
Während des Frühjahrsdurchzuges zeigte ‘sich die Art an 
einzelnen Stellen ziemlich häufig. Soweit meine Beobachtungen 
reichen, hat die Art aber nur spärlich gebrütet. 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 85 


Muscicapa grisola (L.), Grauer Fliegenschnäpper. 


Auf dem Zentralfriedhofe hatte ein Fliegenschnäpperpaur 
sein Nest frei in die Astgabeln eines Lebensbaumes gebaut; die 
Höhe vom Erdboden betrug etwa anderthalb Meter. Direkt 
unter diesem Neste bemerkte ich noch ein altes, welches wahr- 
scheinlich im Jahre zuvor von demselben Fliegenschnäpperpaar 
errichtet war. 


Hirundo urbica (L.), Mehlschwalbe. 


Schon seit einer Reihe von Jahren fällt mir auf, dafs die 
Meblschwalben ihre halbkugelförmigen Schlammnester immer 
häufiger an den Balken der Tennen und Ställe, also innerhalb 
der Gebäude anlegen. Zum ersten Male wurden hierzulande so 
erbaute Mehlschwalbennester im Jahre 1884 vom Pfarrer Wigger 
festgestellt. Aus dieser Zeit findet sich auch eine Angabe in 
„Westfalens Tierleben‘ (Bd. II, p. 61). In Ottmarsbocholt liefsen 
sich nach Pfarrer Wigger im Jahre 1907 auf der Tenne des 
Zellers Stünke ca. 20 Paare nieder. Wigger selbst fand auch an 
anderen Stellen unseres Münsterlandes im Innern von Gebäuden 
errichtete Mehlschwalbennester, einzelne sogar noch am achten 
Balken. Seit einigen Jahren nisten nach A. Wiekenberg auf der 
Tenne eines Bauernhauses bei Mecklenbeck ebenfalls ca. 20 Paare. 
Ich selbst habe während der letztverflossenen Jahre die Mehl- 
schwalbe auf verschiedenen Bauerngehöften der Bauerschaften 
Coerde, Gelmer, bei Gimbte und Wolbeck im Innern der 
zasuse brütend angetroffen; es waren aber stets nur einzelne 

aare. 

Ich möchte hier nun auf eine eigenartige Erscheinung hin- 
weisen, die sicherlich Interesse beanspruchen kann. Das Ein- 
dringen der Mehlschwalben in die Gebäude und das Nisten 
derselben an denjenigen Stellen, wo sonst nur rustica ihr Nest 
erbaute, hat nämlich zur Folge, dafs dort, wo die Einwanderung 
in gröfserem Umfange stattfindet, die Rauchschwalbe fortzieht. 
Nirgends habe ich diese auch schon von anderer Seite ausgesprochene 
Vermutung besser bestätigt gefunden, als in den Okonomie- 
gebäuden des Schlosses Darfeld. 

Am 13. Juli d. J. teilte mir Rudolf Koch mit, dafs im 
hinteren Torbogen des Schlosses Darfeld eine Rauchschwalbe ihr 
Nest auf dem Schirme einer elektrischen Lampe erbaut hätte. 
Am folgenden Tage begab ich mich an Ort und Stelle, um diesen 
abnormen Neststand im Bilde festzuhalten, was mir auch nach 
Überwindung von allerhand Schwierigkeiten und mit gütiger 
Unterstützung des Herrn Rentmeisters gelang. Beim Betrachten 
dieses merkwürdigen Neststandes kam mir immer wieder der 
Gedanke, was wohl die Veranlassung gewesen sein mochte, dafs 
das betreffende Rauchschwalbenpaar, trotz überreicher Nist- 
gelegenheit in den umliegenden Stallgebäuden, sich gerade diesen 
absonderlichen Platz zur Anlage seines Nestes ausgesucht hatte. 


86 Hermann Reichling: 


Des Rätsels Lösung sollte nicht lange auf sich warten lassen, 
als ich die Okonomiegebäude besichtigte. Schon in dem etwa 
8 Meter tiefen Torbogen derselben gewahrte ich an den Deck- 
balken über 20 Mehlschwalbennester, darunter 7, die unmittelbar 
aneinander gebaut waren. Wie staunte ich aber, als ich die Kuh- 
und Pferdeställe betrat. Überall an den Deckbalken, wo sonst 
die Rauchschwalben ihre Nester hatten, besonders nach den Aus- 
gängen zu, gewahrte ich Mehlschwalbennester; im ganzen mochten 
es wohl 80 Stück sein. Rauchschwalbennester waren nur in sehr 
geringer Anzahl vorhanden; kein einziges aber fand ich zwischen 
den Nestern der Mehlschwalben. Das Vordringen letzterer scheint 
somit den Rauchschwalben nicht behagt zu haben, aus welchem 
Grunde sie ihre altgewohnten Nistplätze aufgaben. So erklärt 
sich denn auch der abnorme Standort des erwähnten Rauch- 
schwalbennestes. Das betreffende Rauchschwalbenpaar hatte tat- 
sächlich Wohnungsnot, da ihm die unmittelbare Nachbarschaft der 
in der Mehrzahl vorhandenen Mehlschwalben nicht zusagte. Es 
konnte eben keine zum Nisten geeignetere Stelle ausfindig machen, 
als den Schirm der elektrischen Lampe im hinteren Torbogen 
des Schlosses. 

Gröfsere Mehlschwalbensiedlungen werden in unserem Ge- 
biete leider immer seltener. In Holtwick bemerkte ich am 7. Juni 
d. J. an dem Giebel eines alten Warenhauses noch eine aus 
28 Nestern bestehende Kolonie. 


Hirundo rustica (L.), Rauchschwalbe. 


In Ostbevern wurde, wie schon erwähnt, Ende Mai d. J. 
einem auf der Tenne des Gastwirtes Kramers brütenden Rauch- 
schwalbenpaare von einem Zaunkönigpaar die Niststätte geraubt. 
Die vertriebenen Rauchschwalben bauten sich dann an einem 
anderen Balken derselben Tenne ein neues Nest und brachten 
hier glücklich ihre Jungen hoch. Dafs die Rauchschwalbe zuweilen 
auch ganz gegen ihre Gewohnheit an den Aufsenwänden von 
Gebäuden nistet, beweist ein von A. Wiekenberg im Jahre 1912 
beobachteter Fall, wo ein Paar sein Nest unterhalb der Renne 
an einem kleinen vorspringenden Brettchen erbaut hatte; das 
Nest befand sich über dem Türeingang an der Vorderseite der 
Wirtschaft „Dicke Weib“ bei Hiltrup. 


Hirundo riparia (L.), Uferschwalbe. _ 

Die Mehrzahl der mir aus früheren Jahren her bekannten 
Kolonien war wiederum unbewohnt. Eine neue Ansiedlung, die 
aus 18 Nestern besteht, befindet sich augenblicklich an einer 
Mergelgrube, gegenüber der Waltermann’schen Ziegelei, unweit 
des Dortmund-Emskanal. Eine andere Kolonie, in der ich 38 


besetzte Bruthöhlen zählte, stellte ich in einer zwei Meter hohen 


Sandwand der Bauerschaft Bockolt fest; sie liegt direkt an der 


Schiffahrter Chaussee, dort wo der Sandweg zur Schule abgeht. 


Box 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes Il. 87 


Strisores — Sohwirrvögel. 


Apus apus (L.), Mauersegler. 

Wie schonungslos die Segler mitunter bei der Besitzergreifung 
besetzter Nisthöhlen vorgehen, beweist ein mir vom Rektor 
Gausebeck mitgeteilter Fall. So hatten sich zwei Sperlingspärchen 
zwei an seinem Hause angebrachte Starenkästen zum Nisten aus- 
erwählt; da kamen Anfang Mai die Turmschwalben zurück und 
warfen kurzerhand die brütenden Spatzenweibchen trotz allen 
Zetermordios aus den Nistkästen, um sich dann selbst dort ihr 
Heim aufzuschlagen. 


Insessores — Sitzfüfsler. 


Upupa epops (L.), Wiedehopf. 
Nach Mitteilung des Oberförsters Kneer, (Ehringerfeld), 
brütete ein Paar im Vornsten Busch bei Amelsbüren. 


Alcedo ispida (L.), Eisvogel. 

Ungemein im Bestande zurückgegangen. Weder an den 
Werseufern bei Stapelskotten noch an den Emsufern bei Gimbte, 
a Schiffahrt und Westbevern habe ich ein Brutpaar feststellen 

Önnen. 


Soansores — Klettervögel. 


Picidae, Spechte. 
Eine Abnahme der einzelnen Arten ist mir in diesem Jahre 
nicht aufgefallen. 


Dryocopus martius (L.), Schwarzspecht. 

Immer mehr im Bestande zunehmend. Im „Kattmannskamp“ 
wurde die schon in den vorjährigen Beiträgen erwähnte Buche 
nicht bezogen. Ich fand aber eine neue Niststätte in der Nähe 
der Jagdhütte. 

Picus canus (L.), Grauspecht. 

Ein Paar scheint in diesem Jahre im „Kattmannskamp“ 
genistet zu haben, da ich häufig während der Paarungszeit die 
helle Stimme der Art vernahm. 


Picus viridis (L.), Grünspecht. 
Eine ungewöhnlich niedrige Nisthöhle zeigte mir Adolf 
Wiekenberg; dieselbe befindet sich in einer sog. „Fehmeiche“ bei 
Davensberg. Die Eingangsöffnung mifst nur 0,75 m vom Erdboden. 


Cuculus canorus (L.), Kuckuck. 


Wie im vergangenen Jahre liefsen sich auch heuer im Mai 
wieder einzelne Kuckucke im Stadtgebiete hören. Ich halte es 


88 Hermann Reichling: 


für angebracht, nachstehenden Fall besonders zu berücksichtigen. 
Anfang Juli d. J. vernahm der Obersekundaner Rudolf Kuhkim 
Zoologischen Garten aus einem Rotdornbaume am Eulenturm 
eigenartige wispernde Töne. Beim genaueren Hinsehen gewahrte 
er dann in einer Astgabel ein Teichrohrsängernest, in dem sich 
ein junger Kuckuck befand. Nach wenigen Minuten erschienen 
auch die alten Rohrsänger, unermüdlich ihrem Adoptivkinde 
Futter zutragend, wobei dann jedesmal der junge Kuckuck sich 
etwas im Neste aufrichtete und das bekannte Zifs, silsilsis ver- 
nehmen liefs. Am 13. Juli habe ich selbst das Nest in Augen- 
schein genommen. Was mir auffiel, war die ungewöhnliche Höhe 
desselben; es stand mindestens fünf Meter über dem Erdboden. 
Für mich war der Fund besonders interessant, einmal deswegen, 
weil das Kuckuckweibchen sein Ei an einem ziemlich belebten 
Teile des Gartens (zwischen Westf. Prov. Museum und Eulenturm) 
untergebracht hatte, zweitens, dafs das Nest seines ungewöhnlich 
hohen Standortes wegen überhaupt angenommen wurde. Ich 
habe mehrere prächtige Aufnahmen von dem jungen Gauch im 
erwähnten Teichrohrsängerneste angefertigt, die ich dem Westf. 
Prov. Museum für Naturkunde zur Verfügung stellen werde. 
Leider wurde der beinahe flügge Kuckuck am Morgen des 22. Juli 
von einem Wärter am Fufsende des Nistbaumes tot aufgefunden; 
er muls tagszuvor beim Füttern abgestürzt sein. Im vergangenen 
Jahre bemerkte Kuhk ebenfalls einen jungen Kuckuck in einem 
Rotdornbusche am Kanonengraben. Es handelte sich wiederum um 
ein Teichrohrsängerpaar, das unermüdlich dem ewigen Nimmer- 
satt die nötige Nahrung herbeischafftee Kuhk beobachtete, dafs 
dieser Kuckuck in einer halben Stunde nicht mehr und nicht 
weniger als siebenundzwanzigmal gefüttert wurde. 


Raptatores — Raubvögel. 


Strigidae Eulen. 


Auch unter den vier in unserem Gebiete vorkommenden 
Eulenarten hat die diesjährige Kälteperiode sehr stark auf- 
geräumt. Auffallend abgenommen haben insbesondere der Stein- 
kauz, Athene noctua (Scop.) und die Schleiereule, Strix flammea 
(L.). Der Waldkauz, Syrnium aluco (L.) wird wegen Mangel an 
passenden Nistgelegenheiten von Jahr zu Jahr seltener. Der 
Waldohreule, Asto ofus (L.) scheint die scharfe Frostperiode 
ebenfalls zugesetzt zu haben, da ich verschiedene mir bekannte 
Brutreviere in diesem Jahre unbesetzt fand. 


Strix flammea (L.), Schleiereule. 
Die am spärlichsten vorkommende Art. Mir sind in den 
letzten Jahren nur vereinzelte Brutstätten bekannt geworden. 
In den Jahren 1913 und 1914 nistete ein Paar in einem unter 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 89 


die Dachsparren einer Scheune umgekehrt aufgehängtem Bienen- 
korbe beim Kolon Rehbaum in der Davert. 


Syrnium aluco (L.), Waldkauz. 


Für die beklagenswerte Abnahme dieser nützlichen Eule 
ist wohl in der Hauptsache die heutige rationelle Forstwirtschaft, 
die jeden alten hohlen Waldbaum als unbedingten Forstschädling 
aus dem Wege räumt, verantwortlich zu machen. 

Im Wolbecker Tiergarten, dessen prächtige Waldriesen vor 
Jahren Dutzenden dieser Nachtvögel Unterschlupf und Nistgelegen- 
heit boten, ist der Bestand wohl um sieben Achtel zurückgegangen, 
da hier fast sämtliche Nistbäume der Axt zum Opfer gefallen 
sind. Dasselbe gilt für die meisten übrigen Gegenden unseres 
Münsterlandes, wo sich noch alter Waldbestand vorfindet. 

Im „Kattmannskamp“ brütete in diesem Jahre kein einziges 
Paar, obwohl noch hohle Eichen vorhanden sind. — Die frühere 
stets bewohnte Niststätte in der trockenen Eiche hart am Werse- 
ufer bei Stapelskotten ist schon seit fünf Jahren nicht mehr 
bezogen worden. Der Mangel an passenden Nistgelegenheiten 
zwingt diesen Kauz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit sogar, 
im Freien zu nisten. So fand mein verstorbener Freund, Wilhelm 
Kruse, Anfang April 1914 bei Mecklenbeck in einem alten Krähen- 
horste ein Gelege von drei Eiern. Als Freibrüter habe ich den 
Waldkauz im Jahre 1913 in einer niedrigen Kiefernschonung 
beim Kirchdörfchen Kinderhaus angetroffen; die Niststätte war 
in diesem Falle ein verlassenes Eichhornnest. 


Athene noctua (Scop.), Steinkauz. 


Die häufigste Art. Nistet besonders zahlreich au den mit 
uralten, verkrümmten Wallhecken bestandenen Emskämpen an 
der Schiffahrt. Im vergangenen Jahre zeigte mir der Gymnasiast 
Fr. Terfloth (Münster) die in einer Steinkauzhöhle (Schiffahrt) 
vorgefundene Beute; dieselbe bestand aus zwei frischgeschlagenen 
Maulwürfen, einem halbaufgefressenem Wiesel, einem noch ganz 
- erhaltenem Hermelin(!) und einem Fasanenküken. 


Asio accipitrinus (Pall.), Sumpfohreule. 


Trotzdem bisher wohl nur ein verbürgter Fall (Emsdettener 
Venn) über das Brüten der Sumpfohreule im Münsterlande be- 
kannt geworden ist, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dafs 
dies auch augenblicklich noch in den Moorheiden an der hollän- 
dischen Grenze der Fall sein könnte. Liegen doch einwandfreie 
Beweise über das Brüten der Art aus den benachbarten hanno- 
verschen Emslanden vor. So berichtet E. Detmers im ,„Zool. 
Beobachter“ 1907, Bd. XII, dafs am 2. Juni 1907 in einem zwei 
Stunden von Lingen entfernten Moore in einem Heidebusch ein 
Nest mit fünf Eiern aufgefunden wurde und dafs Juli 1907 vom 


90 Hermann Reichling : 


Grafen M. v. Galen ein alter Vogel in der dortigen Gegend erlegt 
wurde. In seinen „Studien zur Avifauna der Emslande“ (Januar- 
heft d. Journ. f. Ornith. 1912, p. 14) erwähnt derselbe Autor, er 
habe selbst Asio accipitrinus als Brutvogel im Moor bei Großs- 
Hesepe festgestellt. 

In den Mooren bei Wessum haben Pfarrer Wigger und 
Gutsbesitzer Grolse-Böwing die Art bisher nur auf dem Herbst- 
durchzuge beobachtet. 

Über den oben angedeuteten Fall gab mir Herr Geheimrat 
König (Bonn) in liebenswürdiger Weise Auskunft. Das betreffende 
Nest stand in einer Bodenvertiefung und wurde im Mai 1878 von 
einem Jugendfreunde in seinem Beisein auf dem Emsdettener 
Venn gefunden; die beiden Eier befinden sich in der Sammlung 
Königs. \ : 
Falco peregrinus (Tunst.), Wanderfalk. 

Ein zweijähriges Männchen wurde am 7. Oktober d. J. vom 
Händler Kauling bei Wettringen erlegt; das Belegstück befindet 
sich in meiner Sammlung. 


Milvus milvus (L.), Gabelweihe. 


‚Auf dem Durchzuge zeigt sich die Art im Münsterlande 
nur selten, obwohl mir auch in diesem Jahre aus dem Regierungs- 
bezirk Minden noch verschiedene Brutpaare gemeldet wurden. 
Am 20. Oktober 1916 schofs ein Jäger in der Gelmerheide ein 
Exemplar flügellahm; wenige Tage darauf wurde es in einem 
Garten tot aufgefunden. 


Pernis apivorus (L.), Wespenbussard. 


Es wäre mir höchst interessant zu erfahren, ob das dies- 
jährige Ausbleiben des Wespenbussards, der während der letzten 
20—25 Jahre fast in allen Laubwaldungen des Münsterlandes 
Brutvogel und keineswegs selten war, auch in anderen Gegenden 
beobachtet worden ist. Ich habe mir von Anfang Juni an die 
erdenklichste Mühe gegeben, zumal ich für eine bestimmte Arbeit 
unbedingt einen frisch besetzten Horst zu Bilde bringen wollte, 
eine Brutstätte ausfindig zu machen, jedoch ohne jeden Erfolg. 
Selbst in denjenigen Waldrevieren und gröfseren Feldgehölzen, 
die in den letzten Jahren stets besetzte Horste aufzuweisen 
hatten, wie in der Hohen Ward, in den Forsten des Gutsbesitzers 
Hötte bei Rinkerode, in der Davert, im Wolbecker Tiergarten, in 
den Waldungen der Umgebung von Mecklenbeck und Albachten, 
im Forstbezirk ‚„Königsbrook“ bei Tilbeck usw. habe ich nicht 
ein einziges Brutpaar bestätigen können. Auch meine eingehenden 
Erkundigungen bei Berufsförstern verliefen ergebnislos. 

Nur von einer einzigen Stelle — für meine Zwecke leider 
zu spät — ist mir das Brüten eines Paares mit Sicherheit be- 
stätigt. Am 31. Juli teilte mir Rektor Gausebeck mit, er habe 


Beiträge zur Avifauna des Miünsterlandes II. 91 


im Walde des Schulzen Marquarding bei Borghorst Mitte Mai 
einen Wespenbussardhorst mit zwei Eiern angetroffen. 

Ich selbst habe in diesem Jahre nur zweimal Gelegenheit 
gehabt, je ein Exemplar zu beobachten und zwar am 17. Mai im 
„Kattmannskamp“ und am 5. Juli in den Sythener Revieren am 
Steinberg. 

Pandion haliaötus (L.), Fischadler. 

Am 9. April beobachtete einer meiner Bekannten im Wol- 
becker Tiergarten ein Exemplar auf dem Durchzuge. Der Adler 
wurde eine ganze Zeitlang überaus heftig von einem grölseren 
Schwarm Dohlen verfolgt. In den Sythener Revieren hielt sich 
wiederum den ganzen Sommer über ein einzelner Fischadler auf. 


Buteo buteo (L.), Mäusebussard. 


‘ Neben dem Turmfalken der gemeinste Raubvogel, Fast 
jeder gröfsere Waldbestand beherbergt ein Brutpaar. Im „Katt- 
mannskamp“ nistete ein Paar auf einem alten Hühnerbabicht- 
horste. Am 28. April d. J. photographierte ich diesen Horst, 
der kaum ausgebessert und nur mit einer dünnen Schicht frischer 
Kiefernadeln und Eichenbast belegt war. Das Gelege bestand 
aus zwei ganz schwachgefleckten Eiern. 


Eu 


Circus aeruginosus (L.), Rohrweihe,. 


Die Art ist wahrscheinlich noch vereinzelter Brutvogel der 
Heiden an der holländischen Grenze. 


Circus pygargus (L.), Wiesenweihe. 

Am Morgen des 4. Juli beobachtete ich längere Zeit im 
Graeser Venn ein altes Männchen, welches die Moortümpel ab- 
streifte. Brutangaben sind mir nicht bekannt geworden. 


Astur nisus (L.), Sperber. 


Mir schien es, als ob diese Art nicht mehr so häufig wie in 
früheren Jahren im Münsterlande brütet, Ich wenigstens habe 
in diesem Frühjahre keinen besetzten Horst ausfindig machen 
können, obwohl ich besonders darauf achtete und manche Kiefern- 
und Fichtenschonung nach Sperberhorsten abstreifte. 


Astur palumbarius (L.), Hühnerhabicht. 


Bereits am 18. März kreiste im „Kattmannskamp“ ein Paar 
über einem der alten Horstbäume. So sehr ich mir aber Mühe 
gab, die Brutstätte ausfindig zu machen, wollte es mir anfänglich 
nicht gelingen, da keiner der schon seit langen Jahren bestehenden 
alten Horste bezogen wurde. Erst am 6. Mai fand ich in einer 
mäfsig hohen Kiefernschonung den frischerbauten Horst; er ent- 
bielt vier hochbebrütete Eier. Am 11. Mai fielen die Jungen aus; 


92 Hermann Reichling: 


am 20. Mai waren sie ausgeraubt, was mir besonders leid tat, 
denn dieser Horst war leicht zu ersteigen und hätte mir sehr 
gute Serienaufnahmen geliefert. — Ein zweites Habichtpaar nistete 
in der Hohen Ward, unweit des städtischen Pumpwerkes. Der 
Horst stand in einer starken Lärche. Leider wurde das aus drei 
Eiern bestehende Gelege in den letzten Apriltagen ausgenommen. 
Im vergangenen Jahre war dieser Horst ebenfalls von einem 
Habichtpaar bezogen. — Im Wolbecker Tiergarten zeigte sich in 
diesem Jahre kein Brutpaar. 


Gyrantes — Girrvögel. 


Columba oenas (1..), Hohltaube. 


Eine neue Niststätte dieses seltenen Brutvogels meldete mir 
Rektor Gausebeck, dem selbst das Nest am 17. Juli d. .). von 
einem seiner Schüler gezeigt wurde; dasselbe befand sich in 
einer morschen Eiche auf dem Gute des Kolons Stegemann in der 
Bauerschaft Wilmsberg bei Borghorst. Drei Meter tiefer hatte ein 
grofser Buntspecht in derselben Eiche sein Heim aufgeschlagen. 


Rasores — Hühnervögel. 


Coturnix coturniz (L.), Wachtel. 


Zu den für unser Münsterland bemerkenswertesten ornitho- 
logischen Vorkommunissen gehört das diesjährige plötzliche Wieder- 
auftreten der Wachtel. Einzelne Stellen ausgenommen, zeigte sich 
die Art fast überall im ganzen Gebiete. Am häufigsten scheint 
die liebliche Daktylensängerin im Gebiete der Gemeinde Vreden 
vorgekommen zu sein. Kaufmann B. Terrahe teilte mir mit, er 
habe im Mai d. J. auf einer Fläche von ca. 2000 Morgen mehr 
als zwanzig Paare festgestellt, ja, dafs seiner Überzeugung nach 
wohl noch mehr Wachteln, als er tatsächlich beobachtet hätte, 
vorhanden gewesen seien. Das häufige Vorkommen der Art für 
die Gegend bei Nienborg bestätigte mir Gutsbesitzer Grofse- 
Böwing, für die Wessumer Gemeinde Pfarrer Wigger, für den 
Kreis Recklinghausen Graf Westerholt. In Sythen haben übrigens 
innerhalb der letzten Jahre stets noch einzelne Paare gebrütet. 

An weiteren Brutrevieren, die nach längerer Zeit wieder 
von einzelnen Paaren bewohnt waren, sind mir noch eine Reihe 
zuverlässiger Angaben übermittelt. So wurden mir vom Frei- 
herrn von Heeremann auf Haus Surenburg die Umgebung von 
Riesenbeck genannt, vom Freiherrn von Beverförde die Gegend 
um Schlofs Loburg, vom Förster Padberg (Kattenvenne) die 
Bauerschaft Westbevern-Brock, vom Obersekundaner Rudolf Kuhk 
die Nachbarschaft der Loddenheide. Auf der kurzen Strecke 
zwischen Billerbeck und Darfeld vernahm ich persönlich am 
Morgen des 14. Juli an vier verschiedenen Stellen rufende 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 98 


Wachtelmännchen. Einige Brutpaare wurden mir auch aus dem 
Kreise Warendorf gemeldet. Auch in den städtischen Riesel- 
feldern hörten im Mai d. J. verschiedene meiner Bekannten den 
Wachtelschlag. In der direkten Umgebung Münsters ist die Art 
aber merkmürdigerweise nicht häufiger als sonst, d. h. nur ganz 
vereinzelt, als Brutvogel beobachtet worden. Dasselbe gilt für 
die Gemeinde Borghorst. Einer Zeitungsnotiz zufolge sollte 
nämlich die Wachtel in diesem Jahre sehr häufig in den Korn- 
feldern bei Nordwalde zu hören sein. Rektor Gausebeck, den 
ich um nähere Auskunft bat, konnte mir nur eine negative Antwort 
erteilen; er schrieb mir u. a.: „Ich glaube nicht daran, sonst 
hätte ich in unserem Gebiete, das doch an Nordwalde grenzt, 
wohl einmal eine einzige hören müssen, was nicht der Fall 
gewesen ist. In den siebenundzwanzig Jahren meines Hierseins 
habe ich nur zweimal einen Wachtelschlag vernommen.“ Von 
letzterwähnten Fällen abgesehen, kann somit nicht bezweifelt 
werden, dafs die Wachtel tatsächlich fast überall im Münsterlande 
wieder aufgetreten ist und die seit Jahren unbesetzten Brutreviere 
wieder besiedelt hat. Die Beantwortung der Frage, welche Gründe 
für das diesjährige plötzliche Wiederauftreten der Wachtel in 
unserem Gebiete mafsgebend sind, dürfte nicht minder schwierig 
sein, als diejenige zu beantworten, warum die Art schon vor 
Jahren überhaupt so ungemein im Bestande zurückgegangen, ja, 
streckenweise sogar vollständig verschwunden ist. Ob die Vogel- 
fänger, wie Herr Grofse - Böwing sich scherzhaft äufserte, wohl 
alle zur Befreiung von Triest und Trient ausgezogen sind, und 
Herr Cadorna ihnen den Vogelsang hat verregnen lassen? 
Möglich ist, dafs ein Grund der Wiederzunahme mit den Kriegs- 
wirren zusammenhängt, da die Massenfänge, die bekanntlich in 
Ober- und Süditalien in so grolser Blüte standen, nunmehr seit 
vier Jahren unterblieben sind. Sicherlich sind aber noch andere 
günstige Momente, die uns vorläufig noch unbekannt bleiben, 
hinzugekommen. 


Gressor68 — Sohreitvögel. 


Arda cinerea (L.), Fischreiher. 


Bemerkenswert ist der diesjährige frühe Bruttermin der in 
der Listruper Kolonie horstenden Paare. Die Vögel hatten sich 
hier absolut nicht durch die ungewöhnlich rauhe Februar- und 
Märzwitterung im Brutgeschäfte beeinflussen lassen und ganz wie 
in normalen Jahren ihre Horste bezogen. Einzelne Paare hatten 
bereits Ende März volle Gelege. Man muls sich tatsächlich 
wundern, wie die Reiher, die doch im allgemeinen nicht zu den 
wetterharten Vögeln zählen, trotz Schneeschauer und Märzstürme, 
der Witterung vollständig preisgegeben, ihr Brutgeschäft ver- 
richten konnten. — Die Listruper Kolonie bei Emsbüren habe 
ich am 8, April d. J. aufgesucht. eigens zu dem Zwecke, um 


94 Hermann Reichling: 


Horstaufnahmen anzufertigen. Adolf Wiekenberg erstieg dieselbe 
Buche am oberen Rande der „Hohen Eite“, die auch mein auf 
dem Felde der Ehre gefallener Freund Wilhelm Kruse in den 
vorhergehenden Jahren mehrfach erklommen hatte. Der Baum 
wies in diesem Jnhre drei Horste auf, von denen einer frisch er- 
baut war. Sämtliche Horste waren besetzt, und zwar enthielt 
der unterste vier normale Eier, der schon seit Jahren bestehende 
zweite Horst fünf Eier, der neuangelegte oberste Horst drei 
normale Eier und ein ganz kleines von der Gröfse eines Turtel- 
taubeneies. Jungvögel schienen noch nicht vorhanden zu sein. 
Ich zählte im ganzen 26 Horste, d. h. vier mehr als im Jahre 
1916; besetzt war aber nur die Hälfte der Horste. Leider mulste 
ich wieder die Beobachtung machen, dafs einzelne Rabenkrähen 
die Abwesenheit der Brutvögel sich zunutze machten und aus 
verschiedenen Horsten Eier stahlen. An dem Eierraube beteiligten 
sich auch etliche Dohlen, die in den hohlen Bäumen der Kolonie 
nisten. Erwähnen möchte ich noch, dafs der Reiherwald auch 
ein Schwarzspechtpaar beherbergt. Das ängstliche Rufen der 
beiden Alten, die andauernd ihren Nistbaum umflogen, zeigte mir 
an, dafs das Weibchen bereits Eier hatte. Die Nisthöhle des 
Waldkauzes fand ich leider unhewohnt. Über der Kolonie kreiste 
andauernd ein Turmfalkenpärchen; mehrfach liefs es sich auf 
einem der unbesetzten Reiherhorste nieder. 

Die Sythener Kolonie, wo die Reiher nicht ge- 
schlossen horsten, schien mir gelegentlich einer am 5. Juli unter- 
nommenen Exkursion schwächer als im vergangenen Jahre besetzt 
zu Sein. Wie mir Graf Westerholt berichtete, war auch die 
Kolonie zu Anfang der Brutzeit nur von wenigen Paaren bezogen. 
Später aber kamen noch verschiedene Paare hinzu, so dafs der 
Bestand wohl derselbe geblieben sein dürfte. 

DieSchwarzenrabenerKolonie bei Lippstadt hat 
sich erfreulicherweise-dank der anerkennenswerten Schutzmals- 
regeln des Oberförsters Kneer (Ehringerfeld) um sieben Brutpaare 
vermehrt, so dafs sich der Bestand in diesem Jahre auf 38 Brut- 
paare erstreckte. Die Reiher waren auch hier bereits sehr früh- 
zeitig zurückgekehrt. Im Schreiben vom 27. Februar teilte mir 
genannter Gewährsmann mit, dafs die Vögel bereits mit dem 
Herrichten ihrer Horste beschäftigt wären. — Als Ausnahmefall 
möchte ich noch ein einzeln brütendes Reiherpaar erwähnen, 
welches in diesem Jahre im Sentruper Busch bei Mecklenbeck 
gebrütet hat. Der Horst befand sich in einer recht starken alten 
Eiche, aber nicht, wie gewöhnlich in den obersten Wipfelzweigen, 
sondern auf einem langen Seitenast im oberen Drittel, etwa fünf 
Meter vom Hauptstamm entfernt; er war so leicht gebaut, dafs 
ich die Eier mit dem Glase durch das Reisig hindurchschimmern 
sah. Am 23. Mai habe ich den Horst erstiegen; er enthielt 
fünf mäfsig bebrütete Eier. Der Aufstieg war äufserst schwierig 
zu bewerkstelligen, da ich den Stamm nicht einmal zur Hälfte 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 95 


umspannen konnte. Vermittels Steigeisen und Leibgurt gelang 
es mir unter grofser Mühe zum Horste zu gelangen und die 
beabsichtigte photographische Aufnahme, die ich nur von einem 
über dem Horste befindlichen Seitenaste in sehr unbequemer 
Stellung ausführen konnte, zustande zu bringen. Während ich 
mit der Aufnahme beschäftigt war, umkreisten beide Altvögel 
andauernd ihre Brutstätte. Einmal, als ich mich ganz still ver- 
hielt, liefs sich sogar das Weibchen auf dem Horstbaum nieder, 
flog aber, meiner ansichtig geworden, erschreckt mit einem heiseren 
Rauik ab. Die beiden Reiher wurden schon mehrere Wochen, 
bevor sie zur Brut schritten, in dem umliegenden Gelände beob- 
achtet. Die Jungen sind gut ausgekommen und wurden noch 
eine zeitlang von den Alten weitergefüttert, als sie bereits in den 
benachbarten Baumkronen ihre ersten Flugversuche anstellten. 
Einzeln brütende Reiherpaare sind bisher nur in ganz 
wenigen Fällen im Münsterlande beobachtet. So entnehme ich den 
mir von Karl Freiherrn von Beverförde gütigst zur Verfügung 
gestellten ornithologischen Bemerkungen seines Vaters, dafs im 
Juni 1864 (ebenfalls ein sehr später Termin!) in der Nähe von 
‘Telgte ein Horst mit drei Eiern ausgehoben wurde. Ferner soll 
im Sommer (!) 1867 im Kappelbusch bei Haus Langen unweit 
Westbeveren ein einzelnes Fischreiherpaar gehorstet haben. 


Botunus stellaris (L.), Rohrdommel. 


Ein weibliches Exemplar, welches auf einer Pappel auf- 
gebaumt war, wurde am 15. Januar in der Gemeinde Beeleu 
(Kreis Warendorf) vom Beamtenstellvertreter Grund (Münster) 
erlegt. — Ob die Rohrdommel noch unter die Brutvögel gerechnet 
werden darf, ist fraglich. In den überhaupt in Betracht kommenden 
Heidegebieten an der holländischen Grenze ist sie im Verlaufe 
der letzten Jahre nur auf dem Durchzuge beobachtet, obgleich 
die mit dichtem Schilfrohr bewachsenen Tümpel und Brüche für 
das Fortkommen der Art ausgezeichnete Lebensbedingungen dar- 
böten. — Auf dem Durchzuge werden in manchen Heiderevieren 
alljährlich im Oktoberund November einzelne Exemplaregeschossen. 


Ciconia alba (L.), Weilser Storch. 


Einzelne Individuen hielten sich im April und Mai mehrere 
Wochen in Gegenden mit ausgedehnten Wiesen auf, in Sythen sogar 
den ganzen Sommer. Zum Nisten sind sie aber nirgends ge- 
kommen. Trotz eingehender Erkundigungen ist mir keine einzige 
bezogene Niststätte bekannt geworden. Gleichwohl vermute ich, 
dafs noch das eine oder andere Paar im nördlichsten Teile des 
Münsterlandes, in der Gegend um Schale, Halverde und Recke 
brütet, da im unmittelbar benachbarten Gebiete Hannovers, im 
Kreise Wittlage schon seit längeren Jahren verschiedene Storch- 
nester bezogen sind. 


96 Hermann Reichliug: 


Am 6. August d.J. habe ich selbst in Wehrendorf ein mit 
vier erwachsenen Jungen besetztes Storchnest in Augenschein 
genommen. In der nächsten Umgebung haben nach zuverlässiger 
Quelle noch weitere Paare in diesem Jahre gehorstet, so beim 
Kolon Schwitte in der Nähe von Bohmte, beim Kolon Meyer 
(Bauerschaft Stirpe) und auf dem Gute Hünnefeld. 


Oursores — Laufvögel. 


Charakteristisch sowohl für die diesjährige wie die vorjährige 
Herbstzugzeit war die auffallend geringe Anzahl derjenigen Strand- 
vögel, die sich sonst alljährlich an bestimmten Stellen kürzere 
oder längere Zeit im Gebiete niederliefsen. Einzelne Arten, die 
stets im Oktober auf den unter Wasser gesetzten Ackern und 
Wiesen der Rieselfelder sowie im Emsgebiete in kleineren Gesell- 
schaften für mehrere Tage Rast zu machen pflegten, z. B. der 
Alpenstrandläufer, Zringa alpina (L.), der Zwergstrandläufer 
Tringa minuta (Leisl.), der Kampfläufer, Pavoncella pugnax (L.), 
der Teichwasserläufer, Zofanus stagnatilis (Bechst.), der Sand- 
regenpfeifer, Charadrius alexandrinus (L.) schienen mir vollständig 
ausgeblieben zu sein, da ich nirgends eine Spur von ihnen be- 
merkt habe. — In diesem Jahre vernahm ich die ersten Rufe 
durchziehender Strandvögel — Brachvögel und Regenpfeifer — 
am Spätabend des 19. August. Grölsere Schwärme Austernfischer 
Haematopus ostralegus (L.) zogen in der Nacht vom 5. zum 
6. September über unser Stadtgebiet hinweg, ihre markannten 
weithin vernehmbaren Pfiffe ununterbrochen ausstofsend. 


Gallinula chloropus (L.), Grünfüfsiges Teichhuhn. 


Diese sowie auch die folgende Art haben durch die grimme 
Winterkälte ganz ungemein gelitten. Ich habe in der Tat noch 
in keinem Jahre zuvor eine so auffallende Verminderung des 
Artbestandes feststellen müssen. Fast alle schilfreichen Heide- 
weiher und Tümpel waren in diesem Frühjahre unbewohnt. Auch 
am „Huronensee“ in der Gelmerheide, an der Ems bei Gimbte, 
an der Werse bei Stapelskotten, an den Fischteichen der 
städtischen Rieselfelder habe ich kein Brutpaar anzutreffen ver- 
mocht. — Am 4. Juli zeigte mir der Obersekundaner Rudolf 
Kuhk ein mit sechs Eiern belegtes Nest an der Aa, beim 
Zoologischen Garten; das Nest stand einen halben Meter über 
dem Wasser auf einem querliegenden trockenen Weidenzweige. 


Fulica atra (L.), Blälshuhn. 


Zu Anfang des Winters zeigte sich die Art häufig in den 
Sythener Revieren. Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier um 
zugewanderte Individuen aus den östlichen Provinzen, durch die 
schneidende Winterkälte zum Wandern in westlicher Richtung 
veranlalst. 


Beiträge zur Avifauna .des Münsterlandos II. 97 


Nach Mitteilung des Grafen Westerholt froren die Vögel 
vielfach auf dem Eise fest. Über diesjähriges Brüten der Art 
in unserem Gebiete habe ich nichts in Erfahrung bringen können. 


Rallus aquaticus (L.), Wasserralle. 


Anfang Mai stellte ich wiederum in dem oberhalb des 
Vogelschutzparkes gelegenen Sumpfgebiet der Gelmer Heide ein 
Brutpaar fest. Totzdem ich mehrfach den einen der beiden Alt- 
vögel aufscheuchte, glückte es mir nicht, das Nest aufzufinden 


Orex crex (1..), Wachtelkönig. 


Im Sythener Gebiet soll nach Graf Westerholt die „Wiesen- 
schnarre“ in diesem Jahre häufiger vorgekommen sein. Aus 
anderen Gegenden vermag ich über die Zunahme der Art nichts 
anzugeben. In der Umgebung Münsters ist sie augenblicklich 
recht selten. 

Scolopax rusticola (L.), Waldschnepfe. 


Die diesjährige Frühjahrszugzeit begann gegen Mitte März. 
Da die Balzspiele infolge der nafskalten Witterung fast gänzlich 
unterblieben, wurden überhaupt nur sehr wenige Schnepfen beob- 
achtet. Um sich Gewilsheit zu verschaffen, ob überhaupt während 
der Frübjahrszugzeit Waldschnepfen die Sythener Reviere 
passierten, — es wurden an den vorhergehenden Tagen überhaupt 
keine lautziehenden Schnepfen gehört — liefs Graf Westerholt 
an einem Nachmittage (Ende März) auf Schnepfen treiben. 
Allein in zwei kleinen Beständen kamen fünf Stück hoch. Man 
ersieht hieraus, dafs man während der Strichzeit zuweilen kein 
Exemplar zu Gesicht bekommt, gleichwohl aber ein reger Durch- 
zug stattfindet. 


Gallinago gallinula (L.), Kleine Bekassine. 


Auf dem Frühjahrsdurchzuge verweilt das „Mäuschen‘“ oder 
die „stumme‘“ Bekassine in unseren Gegenden oft bis in den Mai 
hinein. Dieser späte Termin mag wohl vielfach Veranlassung 
gewesen sein, die Art für einen Brutvogel zu halten. Für unser 
Münsterland aber darf mit Bestimmtheit angenommen werden, 
dals die kleine Bekassine nicht brütend vorkommt, da hierfür 
noch kein sicherer Beweis vorliegt. Altum erwähnt zwar in seiner 
Forstzoologie II. Band p. 494, er habe von seinem Freunde 
Bolsmann zwei Eier aus der hiesigen Gegend erhalten. Doch 
scheint mir die Richtigkeit der Angabe zweifelhaft, da Bolsmann 
die Eier nicht selbst gefunden, sondern von einem Hirtenknaben 
erhalten hat. — Am 12. April d. J. beobachtete ich die ersten 
Exemplare in der Gelmer-Heide. An warmen Apriltagen, besonders 
während der Mittagsstunden, liegen die Vögel oft so fest, dals 
sie erst unmittelbar vor den Füfsen aufstehen, 


Journ, f, Osram, LXVII, Jahrg. Januar 1919, 7 


98 Hermann Reichling : 


Gallinago gallinago (L.), Bekassine. 


Im vergangenen Herbste zeigte sich die Art recht häufig. 
Der heurige Frühjahrszug verspätete sich aber um fast drei 
Wochen. In der Gelmer-Heide waren die Balzspiele in der 
letzten Aprilhälfte am lebhaftesten. Recht häufig brütet die Art 
noch in den Heiden an der holländischen Grenze. 


Numenius arquatus (L.), Grofser Brachvogel. 


Die Art nimmt leider immer mehr im Bestande ab, nistet 
aber noch in allen gröfseren Heiderevieren. Auf dem etwa 160 
Morgen grofsen „Petersvenn“, einem kahlen versumpften Heide- 
terrain in der Bauerschaft Westbevern-Brock, beobachtete ich in 
diesem Frühjahre nur zwei Paare. Ein Nest mit 4 mälsig be- 
brüteten Eiern fand ich am 28. Mai (später Termin(!)) und zwar 
wiederum an der äufsersten nordwestlichen Seite; es stand, was 
ich ebenfalls hervorheben möchte, an einem verwitterten Fahr- 
geleise eines alten Heideweges, nur zwanzig Meter oberhalb der 
Stelle, wo ich im vorigen Jahre am 8. April ein besetztes Nest 
auffand. Ob es demselben Paare angehörte? — In den Heiden 
an der holländischen Grenze haben die Brachvögel ebenfalls stark 
abgenommen. Im „Graeser Venn“ zeigten sich in den letzten vier 
Jahren weit weniger Brutpaare wie sonst, was nicht Wunder 
nimmt, wenn man vernehmen muls, dals gerade in jüngster Zeit 
in den Eper-Revieren eine grolse Anzahl Brutvögel abgeschossen 
wurde. Die rücksichtslose Schiefswut solcher Leute, die zu Un- 
recht auf den Namen eines Weidmannes Anspruch erheben und nicht 
einmal die schönsten Heidvögel in ihren Revieren unbehelligt 
lassen, kann wahrlich nicht genug verurteilt werden. 


Limosa limosa (L.), Schwarzschwänzige Uferschnepfe. 

Von ganz besonderem Interesse für die Avifauna unseres 
Gebietes ist das Vorkommen dieser Uferschnepfe. Die von mir 
in den vorjährigen Beiträgen gemachte Angabe: „Nach Pfarrer 
Wigger brütet die Art augenblicklich noch in den Heiden bei 
Wessum“, — ich vermutete höchstens 5—6 Brutpaare —, fand ich 
in diesem Jahre nicht allein bestätigt, meine Erwartungen wurden 


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sogar weit übertroffen. — Am 3. und 4. Juni folgte ich einer f 
freundlichen Einladung des Pfarrers Wigger (Wessum bei Ahaus), 
um selbst einmal die augenblicklich noch im „Graeser Venn“ vor- 


kommenden selteneren Heidvogelarten genauer zu beobachten und 
festzustellen. Nie werde ich diese beiden herrlichen Tage ver- 
gessen in jenen von allem Verkehr weitabliegenden Moorgeländen 
mit ihren flimmerndweilsen, stundenlangen Wollgrasflächen und 
den darüberschwebenden prächtigen Vogelgestalten, unter denen 
gerade die „Geilskopfschnepfe“, wie die Art auch genannt wird, 


ob ihres verhältnismäfsig häufigen Vorkommens besondere Er- 


wähnung verdient. Den Eindruck, den die herrlichen Flugbilder 


Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 99 


der zahlreich vor mir hochgehenden lautrufenden Vögel in mir 
erweckten, vermag ich nicht zu beschreiben. Im Fluge nimmt 
sich die charakteristische scharfgeschnittene Gestalt dieser Limosen 
mit den blendend weilsen Flügel- und Bürzelbinden, dem etwas 
gesenkt getragenen langen Schnabel und den gerade ausgestreckten 
Ständern gar prächtig aus und fällt auch dem Unkundigen sofort 
auf. Je mehr wir uns den eigentlichen Brutplätzen näherten, um 
so lebendiger wurde es über uns. Auf einer Fläche von etwa 
2000 Morgen habe ich wohl fünfzig Individuen, teils einzeln, teils 
paarweise gezählt. Die merkwürdig klingenden, weithin vernehm- 
baren Rufe haben dem Vogel hier bei den umwohnenden Heide- 
bewohnern den Namen „Gritto“ eingebracht; die Stimme ist 
nämlich ein klagendes, sich oft wiederholendes Gritto, gritto, 
gritto, das die Vögel meistens oder nur im Schwebfluge, indem 
sie mit weitausgestreckten stillgehaltenen Flügeln eine ganze 
Strecke fortstreichen, vernehmen lassen. Einzelne Paare, die offen- 
bar Junge hatten, umschwärmten uns unter anhaltenden klagenden 
Rufen so nahe, dafs man sie bequem hätte erlegen können. Auch 
die übrigen Vögel zeigten sich, was mir auffiel, nicht sonderlich 
scheu; sie umflogen uns meist nicht weiter als in einer Entfernung 
von 50--70 Metern, während die Brachvögel schon auf dreifache 
Entfernung hochgingen und auch nicht viel näher herankamen. — 
Es glückte mir nicht, Jungvögel aufzufinden, was auch in dem 
moorigen Gelände überaus schwierig ist. Wie ich beim Kampf- 
läufer, Pavoncella pugnax (L.) näher andeuten werde, möchte 
ich aus denselben Gründen auch hier annehmen, dafs nur ein 
Teil der beobachteten Vögel Brutpaare waren; zu letzteren rechne 
ich vornehmlich diejenigen, die immer paarweise zusammen an 
bestimmten Stellen anzutreffen waren und stets dorthin zurück- 
kehrten. — Als echter Sumpfvogel bewohnt die Schwarzschwänzige 
Uferschnepfe hier im Graeser Venn die mit niedrigen Wasser- 
pflanzen bestandenen morastigen seichten Sumpfwiesen. Einzelne 
Paare bemerkte ich auf den neuangelegten Wiesen. Merkwürdig 
ist die Tatsache, dafs die Art hier früher vollständig unbekannt 
war und erst in verbältnismäfßsig neuerer Zeit in diese Moor- 
heiden eingewandert ist, obwohl sie in den benachbarten Heiden 
von Holland, Ostfriesland, Oldenburg und Hannover allenthalben 
bekannt war. (Vergl. Altum’s Forstzoologie Bd. II, p. 511). — 
Nach Pfarrer Wigger und Gutsbesitzer Grofse-Böwing haben die 
ersten Brutpaare sich im Frühjahre 1902 eingestellt. Dasselbe 
bestätigte mir der Landwirt Johann Haget, der direkt am Venn 
wohnt und auch jagdberechtigt ist. Mit Freuden muls es be- 
grüfst werden, dafs der Bestand immer von Jahr zu Jahr zu- 
genommen hat. Man kann die Art augenblicklich als Charakter- 
vogel des „Graeser Venn’s“ bezeichnen. — Aus dem übrigen Teile 
unseres Münsterlandes ist mir bisher kein verbürgter Fall über 
das Brüten dieser Uferschnepfe bekannt geworden, obwohl ver- 
einzeltes Brüten nicht ausgeschlossen ist. Rudolf Koch erhielt 


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100 Hermann Reichliug: 


einmal (28.1V. 1891) ein Gelege aus der Umgebung von Glandorf i.H. 
Die Art soll früher auch vereinzelt in der Umgebung von Wett- 
ringen gebrütet haben. Alle übrigen Heiden unseres Münster- 
landes kommen für eine Wiederbesiedlung nicht mehr in Frage, 
da bekanntlich die Moorheiden immer mehr verschwinden, um 
der menschlichen Kultur nutzbar gemacht zu werden. 


Tringoides hypoleucos (L.), Fluflsuferläufer. 


Wohl verschiedentlich im Mai d. J. an den flachen Sand- 
bänken der Ems unweit der Schiffahrt und Haskenau einzelne 
Exemplare beobachtet, jedoch kein Nest gefunden. 


Pavoncella pugnax (L.), Kampfläufer. 


Auch für diese Art dürften augenblicklich nurmehr die 
Moorgründe des „Graeser‘- oder „Amtsvenns‘“ zwischen Epe, Gronau 
und der holländischen Stadt Enschede als einige Brutreviere zu 
gelten haben. 

Dafs die Art hier wirklich noch Brutvogel ist, erwähnte ich 
bereits eingangs. Was ich aber nicht für möglich gehalten hätte, 
wenn ich mich nicht persönlich durch Augenschein überzeugt 
haben würde, war das verhältnismäfsig häufige Vorkommen dieses 
typischen Moorvogels. Am 4. und 5. Juni d. J. habe ich eben- 
dort wohl 25—30 einzeln vor mir hochgehende Individuen zählen 
können. Sicherlich wären noch mehr Exemplare anzutreffen 
gewesen, wenn mir mehr Zeit zum genauen Absuchen des Geländes 
zur Verfügung gestanden hätte. Die meisten der beobachteten 
Vögel gingen jedesmal erst in einer Entfernung von 25—30 Metern 
ohne Ruf hoch, um eine kurze Strecke weiter in gewandtem, 
pfeilschnellen Fluge wieder einzufallen; es schienen mir gröfsten- 
teils weibliche Exemplare zu sein. Die Aufenthaltsplätze der 
Kampfläufer war hier die mit niedrigen Sumpfpflanzen be- 
deckte Umgebung der Moortümpel. Jungvögel habe ich nicht 
aufzufinden vermocht. Überhaupt konnte ich dem Benehmen der 
aufgescheuchten Weibchen, von denen kein einziges Exemplar zur 
Ausgangsstelle zurückflog, nicht anmerken, ob sie Junge führten. 
Ich möchte auch bezweifeln, ob die beobachteten Weibchen sämt- 
lich gebrütet haben. Ist doch die Annahme nicht von der Hand 
zu weisen, dafs ein Teil derselben vielleicht nur durch die günstige 
Beschaffenheit des Geländes zum Bleiben veranlalst wurde und 
überhaupt nicht zur Fortpflanzung gekommen ist. 

Das Feststellen dieser Zierde unserer verarmten münster- 
ländischen Heidevogelfauna im „Graeser Venn“ war mir eins der 
schönsten Ergebnisse meiner diesjährigen Exkursionen. 


Totanus totanus (L.), Rotschenkel. 


Im Graeser Venn haben Wigger und ich den Vogel Anfang 
Juni nicht beobachtet. Gleichwohl wird er sicherlich dort wie 


Beitäge zur Avifauna des Münsterlandes II. 101 


in den benachbarten Heiden bei Vreden und Stadtlohn noch vor- 
kommen, zumal mir noch diesjähriges Brüten der Art in weniger 
günstigen Geländen, z. B. im Borghorster Venn, von Rektor 
Gausebeck gemeldet werden konnte. 


Tringa alpina schinsi (Brehm), Kleiner Alpenstrandläufer. 

Dieser wegen seiner trillernden Stimme in früheren Jahren 
den im Moor beschäftigten Landleuten, den Torfstechern und 
Schäfern unter dem Namen „Weckubr“ wohlbekannte Heidevogel 
wird wohl nicht mehr unter die Brutvögel des Münsterlandes zu 
rechnen sein. 

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dafs noch das eine 
oder andere Paar in den Sumpfheiden an der holländischen 
Grenze brütend vorkommt. Im benachbarten Gebiete soll dieser 
Strandläufer noch in der „Engdener Wöste“ und am Dümmersee 
Brutvogel sein. Auf das ev. Vorkommen dieser Art in unserem 
Gebiete werde ich im nächsten Jahre besondere Obacht geben. 


Vanellus vanellus (L.), Kiebitz. 

Wohl der einzige Heidvogel, der sich nach Meliorierung 
der Heiden und Sümpfe in etwa der immer weiter vordringenden 
Kultur anzupassen vermocht hat. Ja, das Anpassungsvermögen 
ist schon so weit gediehen, dafs weit mehr Brutpaare auf trockenen 
Wiesen und Brachäckern sich aufhalten, als in eigentlichen Heide- 
gebieten. Die Art ist zwar gegen frühere Jahre ungemein im 
Bestande zurückgegangen, jedoch ist mir in letzter Zeit keine 
weitere Abnahme aufgefallen. 


Charadrius morinellus (L.), Morellregenpfeifer. 


Vor acht Jahren schols Gutsbesitzer Grofse-Böwing im 
Graeser Venn während des Frühjahrsdurchzuges ein Exemplar. 


Charadrius apricarius (L.), Goldregenpfeifer. 

Wie mir Pfarrer Wigger und Gutsbesitzer Grofse - Böwing 
versicherten, hat die „Goldtüte‘ im ,„Graeser Venn‘“ bestimmt 
im Jahre 1916 in 1—2 Paaren gebrütet. Ich persönlich habe 
dort Anfang Juli d. J. kein Brutpaar zu bestätigen vermocht. Im 
kommenden Frühjahre werde ich aber auf das Vorkommen dieses 
seltenen Heidvogels besonders achten. 


Haematopus ostralegus (L.), Austernfischer. 


Herr Professor Quantz (Gronau) teilte mir mit, dafs am 
6. Mai sechs Individuen auf dem Amtsvenn zwischen Epe und 
Alstätte beobachtet wurden. 

Ich bemerke hierzu, dafs die Art im Münsterlande schon 
seit längerer Zeit sowohl im Herbst als Frühjahre nur sehr selten 


102 Hermann Reichling: 


rastend angetroffen worden ist. Sehr wahrscheinlich liegt hier 


eine Verwechselung mit der Schwarzschwänzigen Uferschnepfe, 
Limosa limosa (L.), vor. 


Lamellirostres — Zahnschnäbler. 


Cygnus cygnus (L.), Singschwan. 

Auch diese Art zeigte sich im Januar und Februar d. J. 
vereinzelt. Anfang Februar erlegte der Kolon Karl Keller un- 
weit Ibbenbüren vier Prachtstücke. Mehrere Exemplare bemerkte 
ich Ende Februar in hiesigen Wildläden. Auf einem über 
200 Morgen grofsen Teiche des Herzogs von Croy bei Dülmen 


hielten sich nach Mitteilung des Grafen Westerholt acht Sing- 


schwäne zu Ausgang des Winters einige Wochen auf. 


Anser fabalis (Lath.), Saatgans. 


Während des scharfanhaltenden Frostes im Januar und 
Februar wurden einzelne Trupps recht häufig an verschiedenen 
Stellen unseres Gebietes von hiesigen Jägern angetroffen. In 
allen Wildläden lagen geschossene Exemplare aus. Noch am 
22. März wurde ein in Keilordnung über unsere Stadt hinweg- 
ziehender Trupp von zwanzig Stück beobachtet. 


Anas querquedula (L.), Knäckente. 

Ist ebenfalls, wie ich aus persönlicher Wahrnehmung be- 
stätigen kann, Brutvogel des „Graeser Venns“. Die Art ist dort 
aber nur spärlich vertreten. In den Heidedistrikten bei Verden, 
Stadtlohn und Borken dürfte sie ebenfalls noch vereinzelt vor- 
kommen. Von Sythen wurde mir das Brüten mehrerer Paare 
gemeldet. Dagegen ist diese Ente nicht mehr Brutvogel des 
Venns bei Borghorst, wo sie vor Jahren nach Rektor Gausebeck 
gar keine Seltenheit war. 


Anas crecca (L.), Krickente. 


Die von mir in den vorjährigen Beiträgen gebrachte Angabe: 
„Sehr seltener Brutvogel“, bewahrheitet sich erfreulicherweise 
nicht, was ich aus persönlicher Wahrnehmung bestätigen kann. 
Habe ich doch am 5. und 6. Juni allein im Graeser Venn min- 
destens zehn Weibchen angetroffen, die ihrem ganzen Benehmen 
nach kleine Junge bei sich führten. 


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Das Betragen der um ihre Brut besorgten Weibchen war 


in der Tat sehr interessant. Jedesmal nämlich, wenn der in 
meiner Begleitung befindliche Jagdhund beim Durchstöbern der 
mit dichten Sumpfpflanzen bedeckten Ränder der Moortümpel 
einer Kette Jungvögel sich näherte, ging das Weibchen erst 
wenige Meter vor dem Hunde hoch, flog dann aber nur ganz 


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Beitäge zur Avifauna des Münsterländes II. 108 


langsam und niedrig über die Moorwässer dahin, fortwährend 
in einer Entfernung von nur 4—5 Metern vom Hunde verfolgt, 
der seinerseits wohl annahm, einen flügellahmen Vogel vor sich 
zu haben. Dieses Sich-flügellahm - stellen der Krickente war 
mir ganz neu. Der Zweck dieser Verstellungskunst war also, 
den Hund aus dem gefährdeten Bereiche der jungen Brut weg- 
zulocken. Nach etwa 300—400 Metern, gewöhnlich, wenn trockener 
Heideboden erreicht war, machte die Ente dann plötzlich Kehrt, 
um im beschleunigten Fluge zu ihren versteckt im Ried sitzenden 
Jungen zurückzukehren. 

Sobald ein anderes Krickentenweibchen hochging, wieder- 
holte sich stets dasselbe Manöver, und jedesmal wurde der beab- 
sichtigte Zweck erreicht. Das eigenartige Verhalten der Weibchen 
zur Zeit, wenn sie Jungvögel führen, ist übrigens den dort 
jagenden Heidejägern wohl bekannt. Alte, erfahrene Jagdhunde 
lassen sich aber, wie mir versichert wurde, durch diese Verstel- 
lungskünste beim Abstöbern der Moortümpel nicht mehr beirren. 


An einem Torfloch beobachtete ich 7 gerade den Eiern 
entschlüpfte Jungvögel — ein prächtiges Bild — diese kleinen 
zierlichen Entchen in ihrem schwarzglänzenden Dunenkleidchen. 
Die beabsichtigte photograpbische Aufnahme kam aber leider 
nicht zustande, da die kleinen Krickentchen, gerade als ich die 
Vorbereitungen zur Aufnahme beendet hatte, im Gewirr der um- 
stehenden Sumpfpflanzen verschwanden. 


Nach Rektor Gausebeck brütet die Krickente auch noch im 
Venn bei Borghorst und zwar durchaus nicht selten. Auf den 
letzten Jagden sollen ebendort alljährlich etwa 40 Stück erlegt 
sein. In den Sythener Revieren brüteten in diesem Jahre eben- 
falls mehrere Paare. 


Anas penelope (L.), Pfeifente. 


Von allen durchziehenden Entenarten kommt diese Art, 
hauptsächlich in der zweiten Oktoberhälfte, am häufigsten in 
unserem Gebiete vor. Wie ich schon zu Anfang erwähnte, konnte 
Graf Westerholt in Sythen die Art einwandfrei als Brutvogel 
feststellen, da er selbst Anfang Juni ein Weibchen mit Jungen 
mehrfach antraf. Somit ist die Zahl der im Münsterlande vor- 
„kommenden Brutvögel um eine neue Art bereichert worden. 


Schon in den vorjährigen Beiträgen erwähnte ich einen 
Fall, dafs ein einzelner Pfeifentenerpel sich mehrere Jahre lang 
in Sythen zwischen den Stockenten aufhielt. Ein ähnlicher Fall 
wurde vom Freiherrn von Bevernförde auf den Loburger Schlofs- 
teichen beobachtet. Auch dort zeigte sich in den Jahren 1912 
und 1913 ein einzelner Erpel; er erschien in beiden Jahren im 
März und verblieb dann jedesmal bis zum Herbste bei einer 
gelähmten zahmen Ente. Sehr wahrscheinlich ist dieser Erpel 
geschossen, da er im Jahre 1914 nicht wiederkam. 


104 Hermann Reichling: 


Anas boschas (L.), Stockente. 


Infolge Trockenlegung der Brüche und Sumpfgebiete unserer 
Heiden hat die Stockente im Laufe der letzten zehn Jahre un- 
gemein im Bestande abgenommen. Mit Vorliebe nistet die Art 
in unserem Münsterlande in versumpften gesenkten Heidepartien, 
die nie vollständig austrocknen und von lang sich hinziehenden 
Moospolstern, Ried und Wollgras bedeckt sind. Während der 
Frostperiode hielten sich gröfsere Flüge im Aagelände beim 
Rittergut Nevinghof auf. Tagsüber sah ich sie häufig die schnee- 
bedeckten Saatfelder abäsen. 

Entenfänge sind im eigentlichen Münsterlande immer nur 
vereinzelt im Betrieb gewesen. Der einzige, welcher augenblicklich 
noch gehandhabt wird, gehört dem Freiherrn v. Heeremann, 
Haus Surenburg bei Riesenbeck und befindet sich in der Nähe 
des Schlosses. Ende Juli d. J. habe ich persönlich diesen Enten- 
fang in Augenschein genommen; er hat drei Ausläufer, damit der 
Fang bei jeder Windrichtung stattfinden kann. Die Ausbeute der 
letzten Jahre ist aber nach Aussage des Freiherrn von Heeremann 
nur gering gewesen. 

In der früher zum Fürstbistum Münster gehörenden Lingener 
Gegend (Bauerschaft Bramhar bei Bahwinkel i. H.) bestehen 
auch noch heute einige Entenfänge. Zwei derselben besichtigte 
ich am 11. Dezember d. J. Über die Fangmethode werde ich 
demnächst in dieser Zeitschrift einen genauen Bericht (mit 
photographischen Aufnahmen) bringen. 


Nyroca nyroca (Güld.), Moorente. 

Von allen durchziehenden Enten kommt diese Art am 
spärlichsten im Münsterlande vor. Rudolf Koch hat im Laufe 
der letzten Jahre nicht ein einziges Stück erhalten. Zu den 
Brutvögeln unseres Gebietes gehört die Moorente schon seit langer 
Zeit nicht mehr; sie dürfte überhaupt nur ganz vereinzelt vor- 
gekommen sein. 

Nyroca ferina (L.), Tafelente. 

Wurde während der Wintermonate sehr häufig beobachtet. 

Gröfsere Flüge zeigten sich in Sythen. 


Nyroca fuligula (L.), Reiherente. 


Nach Mitteilung des Grafen Westerholt waren Reiher- und 


Bergenten, Nyroca marila (L.), in den Sythener Revieren den 
ganzen Winter über nicht selten anzutrefien. Überhaupt zeigen 
sich beide Arten nach Eintritt strenger Kälte häufiger im Gebiete 
als während des Herbst- und Frühjahrsdurchzuges. 


Clangula clangula (L.), Schellente. 
In den hiesigen Wildläden lagen im Januar und Februar 


verschiedene Exemplare aus, die in der Umgebung Münsters er- 


legt waren. 


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Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes II. 105 


Anfang April d. J. beobachtete ich wiederum mehrere 
Exemplare in der Gelmer-Heide. 


Steganopodes — Ruderfülsler, 


Phalacrocorax carbo (L.), Kormoran. 
Höchst seltener Durchzugsvogel. Im Oktober 1916 wurde 
ein einzelnes Individuum auf dem Dortmund-Emskanal bei Hiltrup 
beobachtet, wie mir von zuverlässiger Seite mitgeteilt wurde. 


Longipennes — Seeflieger. 


Hydrochelidon nigra (L.), Trauerseeschwalbe. 

Ob diese zierliche Seeschwalbe im vergangenem Sommer im 
„Graeser Venn“ gebrütet hat, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. 
Vor acht Jahren haben Pfarrer Wigger und Gutsbesitzer Grolse- 
Böwing die Art dort noch häufiger angetroffen. 


Sterna hirundo (L.), Flufsseeschwalbe. 

Falls diese Art wirklich noch Brutvogel des Münsterlandes ist, 
so könnte es sich nur um einige wenige Paare handeln. Als Brut- 
bezirke kämen nur dieabgelegenen Heiden des „Amtsvenns“ in Frage. 
Zuverlässige Brutangaben sind mir leider nicht bekannt geworden. 


Larus ridibundus (L.), Lachmöwe. 


Auf dem Durchzuge nicht selten. In den Rieselfeldern 
habe ich im Oktober einzelne Exemplare auf den frischgepflügten 
Ackern Nahrung suchend angetroffen. 

Brutvogel ist die Art im Münsterlande schon seit längeren 
Jahren bestimmt nicht mehr, obwohl sie noch vor nicht langer 
Zeit nach Pfarrer Wigger im benachbarten Gebiete, in der „Eng- 
dener Wöste“ bei Nordhorn, gebrütet hat. 


Urinatoree — Taucher. 


Colymbus nigricans (Scop.), Zwergsteilsfufs. 

Während der Wintermonate bis Ende März beobachtete 
ich wiederum kleinere Trupps auf der Aa beim Rittergut Nevinghof 
in der Nähe der Wienburg und an der Coerde-Aamühle beim 
Kirchdörfchen Kinderhaus; die Vögel tummelten sich an den eis- 
freien Stellen. Das spärliche Brüten der Art in unserem Gebiete 
hängt damit zusammen, dafs es hierzulande an stehenden gröfseren 
Teichen und Seen fehlt. 

Nach Mitteilung des Grafen Westerholt, der selbst mehrfach 
Altvögel mit Jungen antraf, haben in diesem Jahre in den 
Sythener Revieren mehrere Paare gebrütet. 


106 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


Bericht über die Septembersitzung 1918. 


Verhandelt Berlin, Montag, den 2. September 1918, abends 
7 Uhr im Blauen Saale des „Rheingold“, Potsdamerstr. 3. 


Anwesend die Herren Graf v. Schwerin, Hauche- 
corne, v. Lucanus, Schalow, Reichenow und 
Heinroth. 

Als Gäste die Herren Schnöckel, Seilkopf,Georg 
Schulz und Frau Heinroth. 


Vorsitzender HerrSchalow, Schriftführer Herr Heinroth. 


Herr Schalow berichtet über eine Mitteilung Otmar 


Reisers in Sarajewo, nach welcher seitens der bosnischen Re- 
gierung das Bukowi dol bei Ljubinje zu einem Forstreservat 
bestimmt sei. Bei dem Besuch dieses Gebietes konnte Reiser 
Phylloscopus bonelli, den er seit dreifsig Jahren vergebens in 
Bosnien gesucht hatte, als häufigen Brutvogel feststellen. Von 
Herrn von Bötticher sind an den Vorsitzenden Nachrichten über 
das Vorkommen grofser Schwärme von Rosenstaren um Sofia 
eingegangen. 

Unser Mitglied Herr Kracht ist aus langer russischer 
Internierung nach Odessa zurückgekehrt. Herr Jacobi teilt mit, 
dals die reichen oologischen Sammlungen von Bernhard Hantzsch 
in den Besitz von Hermann Rolle in Berlin übergegangen sind. 

Herr Reichenow hateinen ausführlichen Brief von Herrn 
Weigold aus China erhalten, dessen Inhalt in der letzten Nummer 
der Ornithologischen Monatshefte bekannt gegeben ist. Herr Rei- 
chenow spricht über den syrischen Buntspecht und weist auf 
die Verschiedenheit der Art D. feliciae und dem vom Libanon 
stammenden D. syriacus hin. Von Dr. Fehringer ist D. feliciae 
kürzlich in Mazedonien nachgewiesen worden. Ferner bespricht 
Herr Reichenow die auf den Fidschi-Inseln vorkommenden 
Amandinen der Gattung Erythrura und legt Bälge vor, die er 
zum Teil durch Herrn Dicker, Halle, bekommen hat. 

Herr vv Lucanus hält hierauf einen Vortrag über „Kommen 
Zugvögel in die alte Heimat zurück?“ und führt Folgendes aus: 

„Für die Frage, ab die Zugvögel regelmäfsig in ihre Heimat 
zurückkehren, hat uns der Ringversuch sehr wertvolle Aufschlüsse 
gegeben. An erster Stelle stehen die vortrefflichen Versuche des 
ungarischen Forschers Bela von Sceöts, der durch zahlreiche 
Markierungen von Haus- und Mehlschwalben nachgewiesen hat, 
dafs der Heimatsinn bei den Schwalben besonders stark aus- 
geprägt ist, die jung wie alt immer wieder aus der Winterherberge 
zu ihrem Geburtsort zurückkehren. Bele v. Sceöts konnte dies 
in vielen hundert Fällen feststellen. Die meisten Schwalben 
suchen sogar mit Vorliebe regelmäfsig dieselbe Ortschaft und 


Birnt 


Bericht über die Septembersitzung 1918. 107 


dasselbe Gelände auf, ja sie brüten mehrere Jahre hintereinander 
in demselben Nest. So benutzte z. B; eine Hausschwalbe 6 Jahre 
lang dasselbe Nest, was zugleich ein interessantes Beispiel von 
der Lebensdauer der Schwalben ist. 


Sceöts stellte genaue Untersuchungen darüber an, wie weit 
sich der Heimatbezirk der Schwalben ausdehnt und kontrollierte’ 
alle Nester.der näheren und weiteren Umgebung der Markierungs- 
station. Weiter als 2 km vom Beringungsort entfernt vermochte 
er keine gezeichnete Schwalbe mehr aufzufinden. Die Heimat 
der Schwalben umfalst also nur ein eng begrenztes Gebiet. — 


Nächst den Schwalben bekunden der weilse Storch, die 
Lachmöwe, der Star und der Mauersegler eine grofse An- 
hänglichkeit an ihre Heimat, von denen die meisten Vögel eben- 
falls zur Fortpflanzung regelmäfsig nach ihrem Geburtsort oder 
in dessen Nähe zurückkehren. Aber auch bei vielen anderen 
Vogelarten wurde durch das Ringexperiment: teils in einzelnen 
Fällen, teils häufiger eine Rückkehr aus der Winterherberge in 
die Heimat festgestellt. Hierzu gehören: Küstenseeschwalbe, 
Flufsseeschwalbe, Trauerseeschwalbe, Seeregenpfeifer, Kiebitz, 
Gambettwasserläufer, schwarzschwänzige Uferschnepfe, Brachvogel, 
Waldschnepfe, Wasserhuhn, Nachtreiher, Schopfreiher, Purpur- 
reiher, Fischreiher, Ringeltaube, Rohrweihe, Sperber, Mäuse- 
bussard, Wanderfalk, Abendfalk, Wendehals, grauer Fliegenfänger, 
Trauerfliegenfänger, Saatkrähe, Dohle, Buchfink, Bluthänfling, 
Wiesenpieper, Feldlerche, Heckenbraunelle, Wald- und Fitislaub- 
sänger, Singdrossel, Wacholderdrossel, Gartenrotschwanz, Haus- 
rotschwanz, Rotkehlchen — eine stattliche Reihe von Vögeln der 
verschiedensten Ordnungen und Gattungen, die sich zweifellos in 
späterer Zeit durch den Ringversuch noch wesentlich vergrölsern 
wird. Auf Grund dieser Erfahrungen kann man die Rückkehr 
der Zugvögel in ihre engere Heimat als ein Naturgesetz ansehen, 
dafs wohl für die meisten Arten Gültigkeit hat. 

Freilich kommen auch Ausnahmen vor. So wurde z. B. 
beim rotrückigen Würger trotz zahlreicher Markierungen noch 
niemals die Rückkehr eines jungen Vogels beobachtet. Ebenso 
siedeln sich die jungen Amseln bei ihren winterlichen Streifereien 
mit Vorliebe auf fremdem Gebiet an. So wurde von 111 im 
Stadtwalde bei Frankfurt a. M. nestjung beringten Amseln nur 
1 Exemplar nach 2 Jahren dort wieder aufgefunden, und von 
120 bei Homburg v. d. H. gezeichneten jungen Schwarzdrosseln 
verblieb keine einzige in ihrer Heimat. Ähnliche Beobachtungen 
wurden auch im Berliner Zoologischen Garten und an anderen 
Orten gemacht. 


_ Aber auch unter den Vögeln, bei denen die Rückkehr in 
die Heimat die Regel bildet, kommen Ausnahmen vor, wie ein 
in Holland erbrüteter Star, der später als Brutvogel in Finnland 
erlegt wurde, beweist. 


108 Bericht über die Septembersitzung 1918, 


Auch unter den eigentlichen Standvögeln macht- sich bei 
jungen Individuen manchmal ein gewisser Wandertrieb rege. 
Sie verlassen mitunter ihre Heimat bald nach dem Flüggewerden, 
um sich auf fremdem Gebiet anzusiedeln. Dies wurde in einzelnen 
Fällen beim Kleiber, der sich sonst durch grofse Sefshaftigkeit 
auszeichnet, beobachtet und ferner bei 2 jungen Schwarzspechten, 
die aus Böhmen nach Schlesien und Westfalen auswanderten. 
Diese zeitweise vorkommenden Auswanderungen junger Vögel, die 
sowohl bei Zug- wie Standvögeln auftreten, mögen ein zweck- 
mälsiges Mittel der Natur sein, um die Ausbreitung der Arten 
zu fördern und den schädlichen Einflufs der Inzucht zu verhindern. 

Bei den Beobachtungen über die Heimkehr beringter Vögel 
wurden auch einige sehr interessante Wahrnehmungen über das 
Eheleben der Vögel gemacht. So konnte ein treues Zusammen- 
halten vieler Haus- und Mehlschwalbenpaare für mehrere Jahre 
festgestellt werden. Auch Paare des Kleibers und des Hausrot- 
schwänzchens, die in der Brutzeit gezeichnet wurden, nisteten 
im folgenden Sommer wieder zusammen. Wir sehen hieraus, 
dafs auch bei den Kleinvögeln Ehen auf Lebenszeit geschlossen 
werden. Die Gattentreue ist jedoch nicht eine biologische 
Eigenschaft für gewisse Arten, sondern sie ist eine individuelle 
Charakteranlage; denn gerade bei den Schwalben, bei denen die 
meisten Dauerehen vorkommen, beobachtete Sceöts, dafs manche 
Paare ihre Ehe schon nach der ersten Brut wieder auflösten, 
und die zweite Brut mit einem anderen Gemahl verrichteten. 
Es ist dies eine sehr interessante Erscheinung, die zeigt, dafs die 
reflexmäfsige Handlungsweise, so sehr sie auch im Vordergrund 
steht, das Seelenleben des Vogels nicht ausschliefslich beherrscht, 
sondern dafs ihm auch ein gewisser Spielraum zur individuellen, 
selbständigen Willenäufserung gelassen ist.“ 

Herr Heinroth bemerkt bierzu, dafs der Begriff der 
Dauerehe in der Vogelwelt kein einheitlicher sei. Man müsse 
unterscheiden zwischen solchen Vögeln, wie z. B. den Gänsen, bei 
denen es sich wirklich-um lebenslängliche Ehen handelt, die auch, 
da die jedesmalige Brutpflege etwa °/, Jahre dauert, den Winter 
hindurch bestehen bleiben, so dafs also hier ein wirkliches 
dauerndes Zusammenleben der Ehegatten vorhanden ist. Anderer- 
seits hört der Zusammenhalt des Paares bei vielen Kleinvögeln 
offenbar nach Beendigung der nur sehr kurze Zeit währenden 
Führung der letzten Brut auf. Die Gatten ziehen dann jeder 
für sich in die Winterherberge, kommen aber im nächsten Jahr 
wieder an denselben Ort zurück und paaren sieh gleichsam von 
neuem. Die Tatsache, dafs bei vielen Vögeln die Männchen be- 
deutend früher eintreffen als die Weibchen, beweist dies ohne 
weiteres. 

Herr Reichenow stellt zum Schlufs die Frage, ob die 
starke Abnahme der Stare in diesem Jahr auch anderweit beob- 
achtet worden sei. Sowohl er, wie Herr Schalow haben 


Bericht über die Jahresversammlung im Oktober 1918. 109 


mehrere Stellen, wo sonst regelmälsig Stare brüteten, diesmal 
unbesetzt gefunden. Herr Heinroth hat im hiesigen Zoo- 
logischen Garten und im Spandauer Forst, wo diese Vogelart 
ganz ungemein häufig ist, zwar nicht so viel wie sonst, aber 
immerhin noch eine beträchtliche Anzahl Brutvögel beobachtet. 
Gegenwärtig ist die Menge auch wieder stark gestiegen. 

O. Heinroth. 


Bericht über die Jahresversammlung der Ornithologischen Gesellschaft 
in Berlin am 5. und 6. Oktober 1918. 


Anwesend die Herren Strahl, J. Graf Schwerin, 
Hildebrandt, Neunzig, Hesse, Helfer, Bünger, 
v. Stralendorff, v.Lucanus, Heck, Graf Zedlitz, 
Schalow, Reichenow, Haase, Baerwald und 
Heinroth. 

Als Gäste die Herren B. Schneider, G. Schulz, 
Gottschlag,Blau,Moser,Rosenthal,Fr.v.Falz- 
Fein, Frau Heinroth, Frl. Beele und Frl. Rempen. 

Vorsitzender Herr Schalow, Schriftführer Herr Heinroth. 

Herr Schalow eröffnet die Vor-Versammlung mit der 
folgenden Ansprache: 

„Ich begrüfse die anwesenden Mitglieder und Gäste. Die 
letzte Jahresversammlung unserer Gesellschaft hat im Oktober 
1916 in Cöthen, der Stadt Johann Friedrich Naumannns, statt- 
gefunden. Wie im Jahre 1917 sollte, in Hinblick auf den Ernst 
der Zeit, auch in diesem Jahre keine Tagung stattfinden. Auf 
deu dringenden Wuusch einer grölseren Zahl von Mitgliedern 
hat sich der Vorstand jedoch entschlossen, zu einer Jahres- 
versammlung einzuladen. 

Viele unserer Mitglieder stehen noch im Felde. Drei 
unserer Freunde haben im Kampfe um des Vaterlandes Dasein ihr 
Leben hingeben müssen: F. Heine, O. le Roi und Graf Wilamowitz- 
Möllendorf. Wir betrauern den herben Verlust auf das tiefste. 
Das Andenken an die Gefallenen wird von uns stets in hohen 
Ehren gehalten werden. Hoffentlich bewahrt das Geschick unsere 
Gesellschaft vor weiteren Verlusten! 

Der schwere Kampf, der seit Jahren die Welt erschüttert, 
hat auch die Arbeiten unserer Wissenschaft und unserer Gesell- 
schaft in Mitleidenschaft gezogen. Die Beschäftigung mit jener 
Richtung der Vogelkunde, welche frühere Zeiten als „exotische 
Ornithologie‘ zu bezeichnen pflegten, hat einen Stillstand erfahren. 
Neue Sammlungen aus fremden Zonen fehlen und für die Bear- 
beitung älterer ist die Möglichkeit der Benutzung auswärtiger 
Museen und des Verkehrs mit den Fachgenossen ausgeschlossen. 
Dagegen hat die Beschäftigung mit der heimischen Vogelkunde 
sowohl auf dem Gebiete der Faunistik wie auch hinsichtlich der 
Biologie weitere Vertiefung erfahren. Ich erinnere an die in unseren 


110 Bericht über die Jahresversammlung im Oktober 1918, 


Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten von Reichling, Hesse, 
Heyder, v. Lucanus, Heinroth, Hammling, Bacmeister, Braun und 
Hildebrandt. 

Wir dürfen ferner hier der reichen Beiträge gedenken, 
welche unsere feldgrauen Ornithologen in Feindesland gesammelt 
haben. Wesentliche Ergänzungen zur ornithologischen Kenntnis 
der besetzten Gebiete sind von ihnen geliefert und damit zum 
Teil Landstriche ornithologisch erschlossen worden, die von den 
heimischen Beobachtern bis dabin nur geringe Beachtung gefunden 
hatten. Ich möchte auf die Mitteilungen von Graf Zedlitz, von 
Versen, Stoltz, Gralsmann, Schlüter, Bacmeister, Dennler, Gengler, 
Pax und Dobbrick aus dem Osten und an die Beobachtungen 
von Böker, Heyder, Ludw. Schuster, Stoltz, Sunkel, Stresemann, 
von Berlepsch, Gengler und diejenigen Bacmeisters aus dem 
Westen an dieser Stelle hinweisen. Nicht nur Beobachtungen, 
auch Belegexemplare wurden vielfach gesammelt. Verschiedene 
neue Formen, die aber noch eingehenderer Prüfung bedürfen, 
sind aus dem vorliegenden Material beschrieben worden. Ein 
besonderer Wert ist den einzelnen Beobachtungen insofern beizu- 
messen, als sie vielfach zwar dieselben Gebiete betreffen, aber 
in den gleichen Monaten verschiedener Jahre und von verschie- 
denen Beobachtern gesammelt wurden. Wertvolle Kontrollmög- 
lichkeiten sind dadurch geschaffen. Es darf wohl ausgesprochen 
werden, dafs sich bei einer späteren Bearbeitung des gesamten 
in Feindesland gesammelten Materials wichtige Beiträge zur 
Kenntnis der betreffenden Gebiete im Osten und Westen ergeben 
werden. 

Die Friedensarbeit hat trotz des harten Kampfes an der 
Front in der Heimat nicht stillgestanden. Möge ein baldiger 
Friede zu umfassender wissenschaftlicher Arbeit die lang ersehnte 
Zeit auch für unsere Gesellschait herbeiführen.“ 

Herr Reichenow gibt einen Überblick über die geschäft- 
lichen Verhältnisse der Gesellschaft. Die Mitglieder des Vor- 
standes und des Ausschusses werden für das kommende Geschäfts- 
jahr einstimmig wiedergewählt. Zu Kassenprüfern werden die 
Herren Bünger und v. Stralendorff berufen. 

Von den Herren Gottschalk, Rüdiger, Bac- 
meister, v.Berlepsch, Jacobi, Reiser,Kollibay, 
OÖ. Neumann, Thienemann und Tischler sind Grüfse 
mit dem Bedauern eingetroffen, an der Jahressitzung „Dicht teil- 
nehmen zu können. 

Herr Graf Zedlitz hält einen Vortrag über das Vor- 
kommen und Brüten von Schnatterente, Kormoran und Limose 
auf den Militscher Teichen und über Otis Zeirax (beide Vorträge 
folgen ausführlich am Schlusse des Heftes). 

In dem den Vorträgen sich ausschliefsenden Meinungsaus- 
tausch regt Herr Heinroth die Frage an, ob es wirklich beob- 
achtet sei, dafs die Limose von weit her ihren Jungen Nahrung 


Bericht über die Jahresversammlung im Oktober 1918. 111 


zuträgt, da dies eine bei den Schnepfenvögeln bisher nie gesehene 
Tatsache darstellen würde. Der Vortragende erklärt, dafs er 
darüber nichts Bestimmtes sagen könne. Herr Reichenow 
bemerkt, dafs es sich bei dem schlesischen Kormoran um Phala- 
crocorax carbo subcormoranus Brehm handle. Ph. carbo carbo 
L. ist die schwedische Form. Ferner erwähnt der Genannte, 
dals die Zwergtrappe wohl nur bis Nordafrika ziehe, da sie aus 
Athiopien nicht bekannt sei. Herr Moser betrachtet die Limose 
als einen auf den Wiesenrücken der Trachenberger Seen häufigen 
Brutvogel. Er hat auch. Versuche gemacht, Junge aufzuziehen. 
Der Genannte teilt ferner mit, dafs am Jamnickteich der Nacht- 
reiher öfters, die Schnatterente ab und zu, die Reiherente selten 
vorkomme. Ch. streperus wird bei Breslau nie beobachtet. Im 
Herbst ist das Vorkommen von 6 Grofstrappen daselbst fest- 
gestellt worden. Ferner fragt er an, ob der Purpurreiher in 
Schlesien beobachtet worden sei. Herr Schalow erwidert, dafs 
Ardea purpurea früher in Schlesien gebrütet habe, vielleicht jetzt 
noch brüte, und dafs Einzelindividuen in grofser Zahl aus der 
genannten Provinz nachgewiesen wären. Herr Graf Zedlitz 
bemerkt, dafs sich die Grolstrappe durch Vermehrung des Raps- 
baues in Schlesien mehr angesiedelt habe. Herr Heck betont, 
dafs die Zwergtrappe sich nicht an den Getreidebau gewöhnen 
könne, sondern stets Odländereien aufsuche. 

Im Beginn der Sitzung am Sonntag, den6. Oktober, 
vormittags 9 Uhr im Kgl. Zoologischen Museum 
wird zunächst dem Kassenführer Entlastung erteilt. Herr Rei- 
chenow übermittelt ihm für seine Mühewaltung den Dank der 
Gesellschaft. 

Herr v. Lucanus spricht hierauf über die Richtung des 
Wanderfluges der Zugvögel Europas. Der Vortrag wird im Januar- 
heft 1919 des Journ. f. Ornith. erscheinen. 

In der Diskussion über den Vortrag gibt Herr Schalow 
seiner Freude darüber Ausdruck, dafs die Ansichten von J. A. 
- Palmen, die der Genannte 1876 ausgesprochen, im Wesentlichen 
Bestätigung gefunden haben. Auf die Frage des Herrn Heck, 
wovon sich die im Winter in Inner- und Südrufsland aufhaltenden 
Rauhfufs -Bussarde nährten, erwiderte Herr v. Falz-Fein, 
dafs sie in diesen verhältnismälsig schneearmen Gegenden stets 
Mäuse fänden. Ferner bemerkt der Letztere, dals eine in Askania- 
Nowa auf dem Zug beringte Schellente in Finnland als ihrem 
Brutgebiet erlegt worden sei, so dafs hier ein genau nordsüd- 
licher Zug festgestellt ist. Von den bei ihm beringten Turmfalken 
sind Stücke einerseits am Don, andererseits bei Odessa gefunden 
worden. Herr Reichenow weist darauf hin, dafs die in Ober- 
italien nachgewiesenen Rossittener Lachmöwen wohl sämtlich 
über die Rhonestrafse dorthin gekommen seien. 

Bei einem Meinungsaustausch darüber, ob es möglich sei, 
dafs Reiher quer durch die Sahara zögen, bemerkt Graf v, Zedlitz, 


112 Bericht über die Jahresversammlung im Oktober 1918, 


dafs Geyr v. Schweppenburg im Frühjahr mitten in dieser Wüste 
einen Plagadis beobachtet habe, der anscheinend von sehr weit 
her in genau nördlicher Richtung einer ganz kleinen Oase zu- 
strebte und also wohl sicher auf dem Frühjahrszuge begriffen 
war. Ferner betont er, dafs die Spiefsente nicht nur in Italien, 
sondern besonders an der grolsen Syrthe überwintere und im 
Januar in Suez massenhaft anzutreffen sei. Herr Heinroth 
erwähnt, dafs diese Ente in grofsen Mengen von Alters her 
Ägypten zum Winteraufenthalt wähle. Sie wurde von den Ägyptern 
in der Hieroglyphenschrift als Sinnbild des Wortes „Fliegen“ 
dargestellt, was ja auf einen Vogel, der jährlich geradezu un- 
glaubliche Entfernungen zurücklegt, ausgezeichnet palst. 

Herr Reichenow legt die beiden ersten Lieferungen des 
neuen in Grofsquart erscheinenden Werkes von E. D. van Oort, 
De Vogels van Nederland, ’s Gravenhage (Martinus Nijhoff) vor. 

Herr Schalow macht die folgenden Mitteilungen: 

„im Anschlufs an meine in den Ornithologischen Monats- 
berichten (1918, 94) veröffentlichten Darlegungen über das ver- 
scholleneWerk Eugen von Homeyers: „Die Vögel Norddeutschlands‘“, 
möchte ich mir erlauben, Ihnen einige weitere Ausführungen über 
den Gegenstand zu geben. Ich bin zugleich in der Lage Ihnen 
mehrere Druckbogen des genannten Werkes, welche aufzufinden 
mir gelungen ist, hier vorzulegen. 

Nach meiner oben angezogenen Veröffentlichung ist mir eine 
Reihe von Mitteilungen zugegangen, über welche ich an dieser 
Stelle, selbst auf die Gefahr hin, dafs nach dem inhaltreichen 
Vortrage des Herrn v. Lucanus ein Exkurs in die historische 
Ornithologie nur bei wenigen der Anwesenden Interesse erwecken 
dürfte, berichten möchte. 

Von Herrn Oberpfarrer Dr. Lindner in Quedlinburg ging mir 
ein alter vergilbter Korrekturbogen — No. 10 des Homeyer’schen 
Werkes — zu. Er hatte ihn bei einem Besuche in Stolp von v. 
Homeyer am 10. Februar 1888 erhalten. 

Ferner empfing ich von Herrn Amtsrichter Tischler die Mit- 
teilung, dafs er durch Vermittlung von Otto le Roi s. Z. mehrere 
Druckbogen des Homeyer’schen Werkes durchsehen konnte. Herr 
- Geh. Reg.-Rat Koenig, in dessen Bibliothek sich diese Bogen — 
No. 10—14 des Werkes — befinden, hatte die Liebenswürdigkeit, 
mir dieselben zur Vorlage in der heutigen Sitzung anzuvertrauen. 
Aus der Widmung Homeyers geht hervor, dafs Koenig die Blätter 
als Gegengabe für die von ihm übersandte Arbeit über die Vögel 
von Tunis erhalten hatte. Letztere Veröffentlichung erschien im 
April 1888. Es müssen also bis zu jener Zeit — ein Jahr vor 
dem Tode Homeyers — mindestens bereits 14 Bogen des Werkes 
gedruckt gewesen sein. 

Fraglich bleibt es, wohin die in den Händen von Rudolf 
Blasius befindlich gewesenen Druckbogen gekommen sind. Jacob 
Moyat macht mich darauf aufınerksam, dafs nach einer Mitteilung 


Beriebt über die Jahresversammlung im Oktober 1918. 113 


im Brauoschweigischen Anzeiger, No. 68 vom 11. März 1889, am 
7. des genannten Monats vierzehn Aushängebogen des v. Homeyer’- 
schen Werkes von Rudolf Blasius in einer Sitzung des Vereins 
für een in Braunschweig vorgelegt und besprochen 
wurden. 

Schliefslich sei hier noch eine Mitteilung wiedergegeben, die 
ich der Freundschaft Otmar Reisers verdanke. Er schreibt: 
„Bevor ich nach Bosnien übersiedelte, also 1885 und 1886, hatte 
ich von dem Homeyer’schen Werk wiederholt Bürstenabzüge in 
der Hand. Es war dies in der Familie Raoul von Dombrowski’s 
in Wien. Der Sohn des Genannten, Ernst Ritter von Dombrowski, 
der am 12. Dezember 1917 nach einem abenteuerlichen Leben 
als gefürchteter Theaterkritiker in Graz starb, ein grolser Ver- 
ehrer Eugen von Homeyers, mühte sich damals ab, die schwer 
entzifferbare Handschrift Homeyers richtig in Druck zu bringen. 
Dabei half ich ihm getreulich, brachte es aber nicht zu nennens- 
werter Fertigkeit wie Dombrowski, da derselbe an die langen 
parallelen Schroffen der Homeyer’schen Handschrift längst ge- 
wöhnt war. Homeyer war ein Hauptmitarbeiter der von den 
Dombrowski’s herausgegebenen Enzyklopädie der gesamten Forst- 
wissenschaft.‘ 

Die vorstehende Mitteilung ist insofern interessant, als durch 
sie festgestellt wird, dafs bereits im Jahre 1885 bezw. 1886 mit 
dem Druck des Homeyer’schen Werkes begonnen war. Wir haben 
also hier den seltenen Fall, dafs mindestens vier Jahre an einem 
kleinen Buche gearbeitet worden ist, welches nie das Licht der 
Öffentlichkeit erblickt hat. Durch einen Stempel auf dem im 
Besitze Dr. Lindners befindlichen Korrekturbogen wurde ich 
darauf aufmerksam, dafs das fragliche Buch bei H. Schulze in 
Gräfenheinischen gedruckt wurde. Diese Buchdruckerei ist in- 
zwischen eingegangen. Der frühere Geschäftsführer derselben 
teilte mir mit, dafs nach seiner Erinnerung das Werk nicht fertig 
gestellt worden sei. Was mit den ausgedruckten Bogen geworden 
ist, wufste er nicht. 

Die fünf hier vorgelegten Bogen pehandeln die Rohrsänger, 
Grasmücken, Drosseln und Verwandte, Schmätzer, Bachstelzen, 
Pieper und Lerchen, Ammern und Finken. Die Nomenklatur der 
einzelnen, nur binär benannten Arten, ist eine völlig willkürliche. 
Der Text aus den 1837 erschienenen Vögeln Pommerns wird 
wörtlich abgedruckt. Dann folgen vereinzelte ergänzende fauni- 
stische Notizen für Pommern, Literaturauszüge ohne Angabe der 
Quellen über Deutschland, biologische Mitteilungen und vereinzelte 
systematische Ausführungen. Nach Einsicht der vorliegenden 
Druckbogen möchte ich meine früher ausgesprochene Ansicht, 
dafs das in Rede stehende Homeyer’sche Werk wertvolle Mittei- 
lungen über Vorkommen und Verbreitung der Vögel Norddeutsch- 
lands enthalten dürfte, sehr wesentlich einschränken. Die uns 
erhaltenen Druckbogen des nicht zur Ausgabe gelangten Buches, 


Jours, f, Or. LXVI, Jahrg. Januar 1919, 8 


114 Bericht über die Jahresversammlung im Oktober 1918. 


welches Rudolf Blasius als das „ornithologische Testament“ Eugen 
von Homeyers, mit anderen Worten als dessen Lebenswerk, be- 
zeichnete, zeigen aufs neue, dafs die wissenschaftliche Tätigkeit 
des Genannten von seinen Freunden stark überschätzt wurde. 
Homeyer ist in seiner Auffassung und Beurteilung der fort- 
schreitenden Forderungen einer neuzeitlichen Ornithologie nie 
über den engen Horizont seines kleinen hinterpommerschen 
Wohnstädtchens hinaus gekommen. 

Es bleibt vielleicht noch die Frage zu erörtern, ob und 
wieweit Angaben eines nicht zur Ausgabe gelangten Werkes nach 
vorhandenen Korrekturbogen bezw. Bürstenabzügen zitiert werden 
dürfen, wie dies Rudolf Blasius mit den Homeyer’schen Notizen 
im Neuen Naumann getan hat. Da solche faunistischen Mittei- 
lungen mündlichen Angaben gleich zu erachten sind, möchte ich 
deren Wiedergabe als zulässig betrachten. Natürlich ist dies nicht 
der Fall, wenn es sich um Fragen der Priorität in der Namen- 
gebung handelt.‘ 

Im Anschlufs an die Mitteilungen des Herrn Schalow 
verliest Herr Reichenow eine Notiz des Herrn Victor Ritter 
von Tschusi zu Schmidhoffen über das Homeyer’sche Werk, 
welche in der November- Nummer der Ornithologischen Monats- 
berichte veröffentlicht werden wird. Aus derselben geht hervor, 
dafs von Tschusi im Besitz der ersten sieben Druckbogen der 
Vögel Norddeutschlands ist, die er s. Z. vom Autor erhalten 
hatte. Die Annahme Tschusi’s, dafs wahrscheinlich nur diese 
sieben Bogen gedruckt worden sind, ist durch den obigen Nach- 
weis der Bogen 10-15 im Besitze Geh. Rat Koenigs in Bonn 
hinfällig, was übrigens auch schon aus den von Blasius im 
„Neuen Naumann“ zitierten Seitenzahlen, nach denen mindestens 
23 Bogen gedruckt gewesen sein müssen, hervorgeht. 

Herr Schalow legt aus seiner ornithologischen Hand- 
schriften-Sammlung eine kleine Auswahl von Briefen und Manu- 
skripten deutscher Ornithologen vor und knüpft daran biographische 
und bibliographische Mitteilungen. Die Vorlagen beziehen sich 
auf drei Epochen deutscher Vogelkunde: Auf die Zeit von Johann 
Matthäus Bechstein (1700—1800), Johann Friedrich Naumann 
(1800— 1840) und Jean Cabanis (1840— 1900). 

Aus dem erstgenannten Zeitabschnitt werden vorgelegt: 
Bechstein, Borkhausen, Donndorf, Frisch, Illiger, Leisler, Merrem, 
Sturm und Wolf; 

aus der Naumann - Epoche: Becker, Ludw. Brehm, Boie, 
Baldamus, Baedeker, Ehrenberg, Lenz, Kaup, Eugen von Homeyer, 
Oken, Schinz, Thienemann, Prinz Max von Wied, Zander; 

aus dem Zeitabschnitt Cabanis nur einige ältere Vertreter: 
Altum, Alfred Brehm, Bolle, Burmeister, W. und R. Blasius, Graf 
Berlepsch, Finsch, Friderich, von Droste, Gätke, Gloger, Giebel, 
Gundlach, v. Heuglin, Alex. von Homeyer, Hartlaub, Heine, Holz, 


Bericht über die Jahresversammlung im Oktober 1918. 115 


Kutter, Lichtenstein, v. d. Mühle, Joh. Müller, Philippi, von 
Pelzeln, Radde, Reichenbach und Rüppell. 

Nach einer Frühstückpause führt Herr Reichenow die 
Versammlung durch die neuerbauten Museumsräume und zeigt 
insbesondere die Neuaufstellung der ornithologischen Sammlung. 
Eingehender besichtigt werden die Gruppen der Pinguine mit 
einer prachtvollen Reihe von Bälgen des Kaiser- und Königs- 
pinguins, der Paradiesvögel, der Sammlung von Dunenjungen, 
unter denen sich solche von Chionis und Cariama befinden, sowie 
ferner eine von Dr. Fehringer während des Krieges in Mazedonien 
zusammengebrachte Vogelsammlung, darunter der zum ersten Mal 
für Mazedonien nachgewiesene Dendrocopos feliciae Unter den 
Paradiesvögeln zeigt Herr Reichenow einige Bälge, die auf 
der Sepikexpedition von Dr. Bürgers gesammelt wurden und 
augenscheinlich als Weibchen der Pteridophora alberti anzu- 
sprechen sind. Die Färbung der Oberseite ist dunkel graubraun, 
ähnlich der Färbung junger Stare, der Kopf heller, dunkel ge- 
schuppt, die Unterseite auf weilsem Grunde mit kurzen bogen- 
förmigen schwarzen Querbinden gezeichnet, die Unterschwanzdecken 
sind ockergelb, zum Teil mit schwärzlichem Mittelfleck. Am Hinter- 
kopf sitzt jederseits an der Stelle, wo beim Q' die lange Schmuck- 
feder sich befindet, ein 1.7 cm langes lanzettförmiges Federchen. 

Nach Schlufs der Vormittagssitzung fand ein gemeinsames 
Mittagessen im Restaurant des Hotels Baltic statt. 

Um5 Uhr nachmittags traf man sich in der Wohnung 
des Herrn Heinroth, wo nach geselligem Nachmittagskaflee 
dessen Lichtbildervortrag „Neuaufnahmen und Entwicklungsreihen 
einheimischer Vögel“ stattfand. Herr Heinroth liefs in 130 
Lichtbildern die Jugendentwicklung und die alten Vögel von 
Steinschmätzer, Viehstelze, Kleiber, Rauchschwalbe, Buchfink, 
Kolkrabe, Mittelspecht, Mauersegler, Steinkauz, Mäusebussard, 
Wasserralle und Triel vorüberziehen und machte auf die vielen 
in den Schriftwerken enthaltenen Irrtümer über Entwicklungs- 
dauer und auf die vielen Fehler, die in bildlichen Darstellungen 
fast stets gemacht werden, aufmerksam. 

Bei seinem Dank für den Vortrag legt der Vorsitzende ‘dem 
Redner noch besonders an Herz, für eine möglichst baldige Ver- 
öffentlichung seiner Bilder und Beobachtungen Sorge tragen zu 
wollen. Mit einem Dank an die Vortragenden, an Herrn Rei- 
chenow, für die Führung im Zoologischen Museum und an 
das Ehepaar Heinroth für die gastliche Aufnahme in den 
Räumen ihrer Wohnung schlofs der Vorsitzende mit dem Wunsche 
die Versammlung, dafs die nächste Tagung im Zeichen des 
Friedens stehen möge. 

Nach Schlufs der Sitzung begaben sich die Teilnehmer zu 
einem geselligen Beisammensein in das Pschorrbräu an der Kaiser- 
Wilhelm-Gedächtniskirche, wo man zu regem Meinungsausstausch 
noch lange beisammen blieb. \ O. Heinroth. 


8* 


116 


Bericht über die Novembersitzung 1918. 


Verhandelt Berlin, Montag, den 4. November 1918, abends 
7 Uhr im Blauen Saale des „Rheingold“, Potsdamerstr. 3. 

Anwesend die Herren Graf J. v. Schwerin, Hesse, 
v. Stralendorff, Bünger, Heck, v. Lucanus, 
Schalow, Reichenow,Haase, MoserundHeinroth. 

Als Gäste die Herren H. v. Lucanus, Seilkopf, 
G.Schulz, C. Wache, Gottschlag,Fr.Bock,O.Bock, 
P. Spatz, Fr. v. Falz-Fein sowie Frau Heinroth, Frl. 
Beele und Frl. Rempen. 

Vorsitzender Herr Schalow, Schriftführer Herr Heinroth. 

Der Vorsitzende begrüfst Herrn Spatz, der vor wenigen 
Tagen aus.vierjähriger französischer Gefangenschaft, in welche er 
nach Ablauf seiner lelzten nordafrikanischen Reise geraten war, 
nach Deutschland zurückgekehrt ist. 

Herr Heinroth legt die Luftröhre von der Spaltfufsgans, 
Anseranas semipalmata, vor und bespricht unter Vorzeigung photo- 
graphischer Aufnahmen ihre Lage zwischen Haut und linksseitiger 
Brustmuskulatur. Zugleich zeigt er Schädel und Brustbein und 
erwähnt die eigenartige systematische Stellung und die Tatsache, 
dafs dieser Vogel trotz seiner stark verlängerten Luftröhre nur ver- 
hältnismäfsig schwache, trompetende Töne auszustofsen im Stande 
ist. Ferner zeigt Herr Heinroth Balg, Luftröhre und Brust- 
bein eines männlichen Mischlings von männlicher Peposaka und 
weiblicher Kolbenente (Metopiana peposaca X Netta rufina). Der 
Zoologische Garten hatte vor 7!/, Jahren ein Geschwisterpaar 
erworben, von denen das Weibchen als dreijäbriger Vogel, das 
Männchen vor kurzem eingegangen ist. Letzteres hatte die 
Eigentümlichkeit, dafs es regelmäfsig ein Sommerkleid anlegte, 
das demjenigen des Kolbenerpels entsprach, obgleich ja die 
Peposaka- Männchen zu jeder Jahreszeit ihr Prachtkleid tragen. 
Die Luftröhre ist dadurch ausgezeichnet, dafs sowohl beim 
Männchen -die kugelförmige, knöcherne grofse Blase als auch 
beim Weibchen die knöcherne Verwachsung einer Anzahl Luft- 
röhrenringe in der Mitte der Luftröhre fehlen, die bei den ent- 
sprechenden Geschlechtern von Peposaka vorhanden sind. Dagegen 
ist die obere und untere Luftröhrenanschwellung des Kolbenerpels 
bei dem Mischlingsmännchen gut angedeutet. An der Knochen- 
trommel ist nichts Absonderliches, da sie ja auch bei den beiden 
Stammformen gleichmälsig nach dem Fuligulinentypus entwickelt ist. 

Unter Hinweis auf die von ihm im Journal (1918, 325—330) 
veröffentlichte Mitteilung über das vermutete Brutvorkommen von 
Larus melanocephalus Natt. in Ungarn sind Herrn Schalow 
zwei Briefe zugegangen, welche er zur Kenntnis bringt. 

Stefan Chernel von Chernelhaza schreibt: 
„Die Angaben von Baldamus über das Nisten dieser Möwe in 
Ungarn habe ich von jeher mit Vorsicht aufgenommen. Es 


Bericht über die Novembersitzung 1918, 117 


erschien mir sehr auffallend, dafs zu jener Zeit, in der unsere 
Sümpfe an der Donau und Theifs noch in unberührtem Urzustand 
waren, weder Petenyi noch seine Zeitgenossen, die ja fleifsig 
arbeiteten und diese ornithologisch interessanten Gebiete kannten, 
dem Nest dieser Art niemals begegneten. Auch ist es sonderbar, 
dafs Baldamus gleich, gelegentlich eines Besuches, das Brüten 
feststellen konnte, jedoch nur ein Gelege fand. Es wäre ja 
nicht ausgeschlossen, dafs zuweilen ein Pärchen zum Brüten bei 
uns zurückbleibt, was aber bisher nach neueren Daten nicht er- 
wiesen werden konnte. Es müfste Baldamus von besonderem 
Glück begleitet worden sein, um gerade solch’ eine Ausnahme 
feststellen zu können. Sollte aber — was kaum wahrscheinlich 
ist — diese Möwe früher regelmäfsig bei uns gebrütet haben, 
so dürfte sie sicher auch ihre Nester kolonieweise angelegt 
haben, wie sie es regelmälsig tut. Diese ihre Gewohnheit 

müfste aber um so sicherer die Beobachtung auf sie lenken. 
* Wäre dies der Fall gewesen, hätten wir bestimmt Aufzeichnungen 
darüber.“ 

Ferner schreibt Otmar Reiser in einem Briefe an 
Schalow über den Gegenstand: „Die alte Angabe von Baldamus 
hat schon vor vielen Jahren mein lebhaftes Interesse erregt. 
Später, als ich aus.eigener Anschauung erfuhr, wie schwer es 
bei gewisser Beleuchtung ist, das Braun des Lachmöwenkopfes 
von dem Schwarz des Kopfes von L. melanocephalus auf nur 
einige Entfernung sicher auseinvanderzubalten; als ich ferner 
kennen lernte, wie ungern diese Möwe das Meer verläfst, war 
ich längst überzeugt, dafs die Beobachtung am „Weilsen Morast‘ 
auf einem Irrtum beruht. Diese Möwe ist auch in Bosnien und 
der Herzegowina nur dreimal im Jugend- und Winterkleid vor- 
gekommen. Die ersten zwei Vorkommnisse von 1888 erwähnt 
Mojsisovics im „Tierleben d. österr. ungar. Tiefebene“. Später 
ist nur noch ein einziges Stück — Sarajewsko polje 31. Okt. 
1901 — im vollständigen Winterkleid hinzugekommen. Auch im 
Ungar. National Museum befinden sich nur zwei Stücke aus dem 
Binnenlande. Auf die anderen Beobachtungen, mit alleiniger 
Ausnahme jener von Fiume und Zengg, ist nichts zu geben. 

Was nun das Gelege von 3 Stück vom 17. Juni 1847 an- 
belangt, so glaube ich auf Grund meines Briefwechsels mit Baldamus 
annehmen zu dürfen, dafs dasselbe nach London an die Firma 
Watkins & Doncaster verkauft worden ist. Wenn sich in dem 
erwähnten Baldamus’schen Katalog unter den Eiern von L. melano- 
cephalus die aus Paris mitgebrachten Stücke „aus Dalmatien und 
Griechenland“ befunden haben, so halte ich auch diese ungesehen 
für nicht echt. Im ersteren Lande hat die Möwe nie gebrütet 
und in letzteren ist die Brutsiedlung bei Lamia erst in jüngster 
Zeit entdeckt worden. Dagegen sind die von Gonzenbach bei 
Smyrna gesammelten Eier, deren ich gleichfalls besitze, ohne 
Zweifel autentisch. 


118 O0. Graf Zedlitz: 


Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf einen Irrtum in dem 
leider unvollendeten Eierwerk von Krause bei Larus gelastes auf- 
merksam machen. Nachdem er den Brutbezirk der Art im Text 
ziemlich genau und richtig anführte, werden auf der Rückseite 
(Text für die Tafel) 2 Gelege zu 3 Stück, 29. April 1898 und 
2. Mai 1898 von Kroatien angeführt und je ein Ei davon ab- 
gebildet. Hätte Krause, wie ich ihm s. Z. mündlich und schriftlich 
angeraten hatte, bei jedem abgebildeten Ei und Gelege vermerkt, 
welcher Sammlung er die Originale entlehnte, wäre es in diesem 
Falle leicht Klarheit zu schaffen: Ist das durchfallende Schalen- 
licht der Eier dieser zwei Gelege gelb und nicht grün, dann sind 
die Eier solche von ZL. gelastes und die Herkunftsangabe falsch, 
denn weder in noch weit um Kroatien hat die Art jemals ge- 
brütet. Ist das Schalenlicht aber grünlich, dann sind es Eier 
einer anderen Möwenart und können möglicherweise aus Kroatien 
stammen. (Vielleicht var. von L. ridibundus oder Zwergeier von 
L. cachinnans). 

Schliefslich möchte ich noch bemerken, dafs ich den an- 
geblich eingebürgerten Namen „Kappenmöwe“ für L. melano- 
cephalus für nicht richtig angewendet finde. So richtig die Be- 
zeichnung Kappenammer für Emberiza melanocephala, so ungenau 
ist sie für die Möwe, denn diese zeigt im Sommer keine Kappe 
sondern sie hat den „ganzen Kopf tiefschwarz‘“. 

Herr Reichenow hält hierauf einen längeren Vortrag 
über die Verbreitung der Vögel über die Erde. Der vorgerückten 
Zeit wegen mulste ein Meinungsaustausch über den so interessanten 
und anregenden Stoff bietenden Vortrag unterbleiben. 

Herr Schalow macht die Mitteilung, dals die Sitzungen 
künftig im Konferenzsaal der Landwirtschaftlichen Hochschule, 
Invalidenstr. 42, stattfinden werden. 

Herr Schulz ladet die Anwesenden zu einer kinemato- 
graphischen Vorführung am nächseen Freitag, nachmittag 6 Uhr 
im Realgymnasium Friedenau ein. Es sollen Aufnahmen, die vom 
Stuttgarter Bund für Vogelschntz in den Donauniederungen 
namentlich von Edelreihern in der Freiheit gemacht worden sind, 
vorgeführt werden. O. Heinroth. 


Über das Vorkommen von Kormoran, Schnatterente 
und Limose auf den Militscher Teichen. 


Von ©. Graf Zedlitz. 


Wo in der neueren ornithologischen Literatur die an Wasser- 
geflügel so reiche Bartsch-Niederung im Kreise Militsch-Trachen- 
berg erwähnt wird, finde ich in den weitaus meisten Fällen nur 
die Trachenberger Teiche namentlich erwähnt, in zweiter Linie 
bisweilen noch die Sulauer. Als Beispiele erinnere ich nur an 
Kollibays „Vögel der Preufsischen Provinz Schlesien“ und an die 


Kormoran, Schnatterente und Limose auf den Militscher Teichen. 119 


letzten Veröffentlichungen von Kayser. Der Grund dafür liegt 
natürlich darin, dafs die betreffenden Ornithologen vorzugsweise 
oder .ausschliefslich ihre Studien im westlichen Teile des Kreises, 
in der Trachenberger Gegend, betrieben haben. Das grofse 
Entgegenkommen der herzoglichen Verwaltung gegenüber natur- 
wissenschaftlichen Forschern kann nicht dankbar genug anerkannt 
werden, ich möchte aber aus Gründen der Gerechtigkeit heute 
einmal darauf hinweisen, dafs auch im östlichen Teile des Kreises, 
dem sogenannten Militscher Anteil, ein sehr günstiges Arbeitsfeld 
für den Ornithologen liegt. Ich selbst bin dort ausnahmslos bei 
den Besitzern der grofsen Herrschaften dem gröfsten Entgegen- 
kommen für meine wissenschaftlichen Studien begegnet. Schon 
im Jahre 1909 durfte ich einer Einladung Se, Exzellenz des Grafen 
Maltzan nach Militsch folgen und auf seinen rund 9000 Morgen 
grofsen Teichflächen mit Unterstützung meines Präparators intensiv 
sammeln. In den beiden letzten Jahren, seit ich in dienstlicher 
Eigenschaft ständig im Kreise tätig bin, konnte ich als häufiger 
Gast in den Revieren Wirschkowitz (Bes. Graf H. H. Hochberg), 
Kraschnitz (Bes. Graf Leopold v. d. Recke v. Volmerstein), Kol- 
lande (Bes. v. Mitschke-Kollande) weilen, uud bei meinem alten 
Freunde und Kriegskameraden, dem Grafen Bernhard zu Stolberg- 
Stolberg, hatte ich auf seiner herrlichen Herrschaft Brustawe als 
Dauergast stets freie Flinte. Bei so liebenswürdiger Aufnahme 
von allen Seiten ist es mir trotz sehr beschränkter Zeit doch 
gelungen, einige Beobachtungen zu machen, welche vielleicht 
auch für weitere Kreise des Interesses nicht ganz entbehren. 
Leider war es mir nicht möglich, auch noch die Zeit für ein 
sorgfältiges Literatur-Studium zu erübrigen, ich werde im wesent- 
lichen immer nur auf Kollibay’s Werk Bezug nehmen, in welchem 
ja die für Schlesien in Frage kommenden Quellen in so muster- 
gültiger Weise zusammengestellt sind. Im übrigen gestatte ich 
mir, auf zwei Aufsätze von mir aufmerksam zu machen, welche 
in „Wild und Hund‘ diesen Herbst erscheinen, sich mit den 
Revieren Militsch und Kraschnitz beschäftigen und allerhand 
ornithologische Notizen nebenher enthalten. 

Heute möchte ich nur von 3 Vogelarten erzählen, welche 
als Brutvögel in Schlesien sonst nicht gerade häufig sind. Da 
ist zunächst der Kormoran (Phalacrocorax carbo subcor- 
moranus Br.). Als Durchzügler ist er nicht selten in Schlesien 
gesehen und erlegt worden, wenn er auch in den letzten Jahr- 
zehnten viel spärlicher erscheint als früher, Über sein Vorkommen 
als Brutvogel erwänt Kollibay (p. 50) nur folgendes: L. Tobias 
fand mehrere Paare horstend in der Reiherkolonie der Carolather 
Forst im Jahre 1852; Buro-Spalding berichtet im J. f. O. 1880 
p. 12 von vereinzeltem Brüten bei Trachenberg, von wo auch 
Grube (41. Jahresb. der Schles. Ges. f. vaterl. Kultur 1863, 
p. 68) ein Q'ad. und ein Nestjunges erhielt. Diese Notizen sind 
recht spärlich und liegen immerhin weit zurück, seit Jahrzehnten 


120 0. Graf Zedlitz: 


sind auch auf den Militscher Teichen — ich bezeichne so alle 
Teiche im östlichen Kreisanteil — keine Kormorane mehr beob- 
achtet worden. In diesem Frühjahr fanden sich auf einmal 
wieder 2 Stück auf dem Bratschelhofer Teiche der Herrschaft 
Militsch an und nahmen dort ihren festen Stand. Sie strichen 
stets in der gleichen Richtung nach dem Hochwalde ab, wenn 
sie genug gefischt hatten, ihr ganzes Gebahren. war so, dafs es‘ 
sich nach meiner Überzeugung um ein Brutpaar handelte. Der 
Horst ist allerdings nicht gefunden worden, und das begrülse ich 
mit Freude, denn es wäre sonst bestimmt um die ganze Familie 
geschehen gewesen. Die Alten sind wenigstens nun nicht geschossen 
worden, von Jungen wurde zwar nichts gesehen, ich halte es 
aber für möglich, dafs sie sich versteckt gehalten haben, nachdem 
sie flugbar waren, das ist bei den riesigen stark bewachsenen 
Teichflächen gar nicht so schwer. Die Alten waren auch nur 
häufig zu sehen in der Zeit, als sie den wohl stets hungrigen 
Kindern viel Atzung heranschleppen mufsten, also oft hin und 
her flogen. Sollten sie sich im nächsten Jahre wieder einfinden, 
werde ich sie nach Möglichkeit im Auge behalten und darüber 
berichten. Der Kormoran ist infolge seiner Gefräfsigkeit bei den 
Fischereibesitzern leider sehr unbeliebt, ich bezweifle, dals es 
ihm gelingen wird, sich als ständiger Brutvogel zu halten. 

Es käme nun also No. 2 die Schnatterente (Anas sirepera L.), 
in hiesieger Gegend ganz allgemein als „Nesselente“ bekannt. 
Nach Borggrewe (Die Vogelfauna von Norddeutschland 1869) 
ist sie die „seltenste aller echten Enten in Norddeutschland“. 
Kollibay führt als Zeugen für ihr Brüten bei Trachenberg neben 
Buro-Spalding, der sie in einzelnen Paaren fand, schon Baer an, 
der sie 1895 bei Nesigode östlich Trachenberg „sehr häufig“ 
nennt. Es liegen auch Meldungen über ihr Vorkommen in der 
Lausitz bei Hoyerswerda und in Oberschlesien vor, hier fanden 
Kayser und Augustin am 17. V. 1899 bei Ratibor ein verlassenes 
Gelege und Nowak berichtete brieflich an Kollibay von einem 
Paar auf dem Zabrzek-Teiche bei Goczalkowitz (Kollibay p. 65). 
Kollibay selbst sah sie nie auf den Falkenberger Teichen, über- 
haupt ist das Auftreten in Oberschlesien doch anscheinend ganz 
vereinzelt, dagegen kann ich Baer’s Beobachtung nur bestätigen 
und dahin erweitern, dafs auch auf den Teichen im Osten des 
Kreises Militsch die Schnatterente keineswegs zu den seltenen 
Brutvögeln gehört. Regelmäfsig fand ich sie auf dem „Neuteich‘ 
der Herrschaft Brustawe, wo 1917 mehrere Schoof Junge grofs 
geworden sind. Die Brut fällt etwa 4 Wochen im Durchschnitt 
später als bei der Stockente; die Jungen werden, soweit ich sie 
beobachten konnte, erst im August flugfähig. Biologisch ähnelt 
die Schnatterente den Tauchenten insofern, als sie sich aın 
liebsten im ziemlich tiefen Wasser zwischen den Binsen und auf 
den grofsen Blänken aufhält, sie ist nicht besonders scheu. Ein 
Beleg-Exemplar habe ich gesammelt, ein Q@ ad. wurde bei einer 


Kormoran, Schnatterente und Limose auf den Militscher Teichen. 121 


kleinen Entenjagd im August 1917 erlegt, sonst ist den netten 
Nesselenten kein Abbruch getan worden. Ganz so häufig wie 
die Löffelente ist sie auf den Teichen meines Beobachtungsgebietes 
nicht, sonderbarerweise traf ich niemals beide Arten auf dem- 
selben Teich. 

Ich bitte nun noch, über die Limose oder Uferschnepfe 
(Limosa limosa L.) einige Worte sagen zu dürfen. Unser Alt- 
meister Reichenow nennt sie in seinen „Kennzeichen“ einen 
„häufigen Durchzugsvogel an den Küsten, seltener im Binnen- 
lande, vereinzelt auch brütend‘“. Schon Kollibay (p. 98/99) hat 
darauf hingewiesen, dafs zu diesen vereinzelten Gegenden des 
Binnenlandes, wo die Limose brütet, die Bartsch - Niederung 
und Oberschlesien gehören. Im Gegensatz zu manchen älteren 
Autoren wie Gloger fand Kollibay sie an den Trachenberger 
Teichen „in verblüffender Menge“. Seine im Anschlufs daran 
gegebene Beschreibung von Benehmen, Flug und Ruf finde ich 
aufserordentlich charakteristisch und zutreffend. Die „Storch- 
schnepfe‘, wie sie hier meist genannt wird, beschränkt sich nämlich 
keineswegs nur auf den westlichen Kreisanteil und die Mitte 
(Sulau), sondern ist auch im östlichen Teile ganz gemein. Tiefes 
Wasser liebt sie nicht, am besten gefällt es ihr auf nassen Wiesen 
in der Nachbarschaft von ganz flachen Teichen oder auf Teichen, 
die zum überwiegenden Teile trocken gelegt sind. Die Wiesen 
ınüssen recht hohen Graswuchs haben, damit die Jungen sich 
gut darin verstecken können. (Genau dieselben Ortlichkeiten 
bevorzugte die Limose auch in West-Rufsland an der Schara, 
wo ich sie in den feuchten mit meterhohem Gras bestandenen 
Wiesen sehr häufig antraf, dagegen sehr selten auf den Abwässern 
und offenen Tümpeln.) In diesem Jahr waren mehrere Brutpaare 
auf einer grofsen Wiesenfläche ganz nahe beim Schlofs Brustawe. 
Da ich zufällig mir dort einen Birkhahnschirm gebaut hatte, 
konnte ich im April und Mai die alten Vögel bei ihrer Balz und 
den Liebesspielen so recht mit Mufse beobachten. Schon beim 
ersten Morgengrauen, wenn kaum der Birkhahn zu kollern und 
die Heidelerche zu trillern anfıng, ging das Jagen in der Luft 
los begleitet von dem oft wiederholten durchdringenden Ruf, der 
vielfach mit „Ach Gott, ach Gott, ach Gott“ übersetzt wird. 
Mich erinnerte er immer an das „Ti-tütt, Ti-tütt“ der Bekassine, 
nur dafs er viel lauter ist und in der Aufregung oft die Laute 
sich schließslich überstürzen, während die Bekassine nicht so leicht 
aus dem Takt kommt. Die Flugspiele dauern niemals lange, 
immer fallen die Vögel sehr bald auf der Wiese ein, um sich 
nach kurzer Zeit wieder zu erheben. So lange ich im Schirm 
safs, nahmen sie von mir keinerlei Notiz, ging ich dann nach 
Hause, so begleiteten sie mich ein Stück Weges unter lautem 
Geschrei und stiefsen sozusagen auf mich, wie sie es sonst auf 
einen Jagdhund tun. Anstofsend an diese Wiese lagen sogenannte 
„Streckteiche“, in denen die eben ausgeschlüpften jungen Karpfen 


122 0. Graf Zedlitz: 


ihre ersten Lebenswochen verbringen. Das Wasser ist nur 1—2 
Hand hoch, natürlich ganz warm und besonders reich an kleinsten 
Lebewesen, Flohkrebsen, Hüpferlingen und ähnlichen Leckerbissen 
für junge Fische, da die betreffenden Flächen vorher als Vieh- 
koppeln benutzt und noch aufserdem gedüngt werden. An diesen 
Stellen fanden sich regelmäfsig früh und Abends die Limosen 
ein und suchten im seichten Wasser watend emsig nach Nahrung; 
waren sie satt, kehrten sie auf ihre Wiese zurück. An einem 
anderen Teich, der infolge Wassermangels etwa zu einem Drittel 
trocken lag und als Viehkoppel diente, hatten sich gleichfalls 
Uferschnepfen angesiedelt. Die gröfste Menge fand ich aber bei 
einem Besuch in Kollande am 29./30. April d. J. Hier war eine 
grofse Teichfläche von mehreren hundert Morgen trocken gelegt 
worden, um als Viehweide zu dienen, aus den Gräben und Ver- 
tiefungen hatte aber der Windmotor nicht alles Wasser entfernen 
können. Dies war nun ein Dorado für unsere langbeinigen 
Freunde, welche zu ihrer Gesellschaft noch grofse Flüge von 
Kampfhähnen (Machetes pugnax L.) hatten. Diese bestanden 
ganz überwiegend aus Q'O‘, die YO mochten wohl schon brüten, 
und sahen in ihren buntscheckigen Kleidern, deren keines ganz 
dem andern gleicht, ganz wunderhübsch aus. Die Brutpaare der 
Limosen vermochte ich nicht zu zählen, viele Vögel stielsen auch 
nicht auf den Hund, hatten also auch noch keine Junge, ich 
greife aber sicher nicht zu hoch, wenn ich von 15—20 Paaren 
an dieser einen Stelle spreche. 

Auffallend war mir stets, wie zeitig im Sommer die Ufer- 
schuepfen ihre engere Brutheimat verlassen, und zwar habe ich 
den Eindruck, dafs dies geschieht, sobald alle Wiesen geschnitten 
sind und ihnen ihr Lieblingsaufenthalt damit verleidet wird. In 
West-Rufsland fand ich nach dem 10. Juli} keine einzige mehr, 
obgleich damals die Jungen noch nicht einmal voll erwachsen 
und wenig fluggewandt waren. Auch heuer verschwanden Alte 
wie Junge bei Brustawe schon Anfang Juli, und ich weils nicht, 
wohin sie sich gewandt haben, jedenfalls ist bei den späteren 
Entenjagden auf den grofsen Teichen nichts mehr von ihnen 
gesehen worden. 

Zum Schlufs noch eine kurze Mitteilung, die sich nicht mehr 
auf Brutvögel bezieht, sondern auf Gäste vom Herbstzuge. Im 
Oktober 1866 erlegte Graf Leopold v. d. Recke, der noch heute 
Besitzer von Kraschniz ist, dort 3 Bläfsgänse (Anser albifrons 
Scop.) mit 2 Schüssen. Unter den recht spärlichen gut beglaubigten 
Fällen, wo diese seltene nordische Gans in Schlesien erbeutet 
wurde, ist meines Wissens der hier von mir erwähnte noch nicht 
in der Literatur bekannt geworden. Die Stücke selbst sind leider 
nicht mehr erhalten, umso wichtiger erscheint es mir, die Tatsache 
selbst festzulegen, solange der glückliche Schütze noch unter den 
Lebenden weilt und genaue Auskunft erteilen kann. Wie er mir 
versicherte, ist an der richtigen Bestimmung der fremden Gäste 


Otis tetrax L. 133 


kein Zweifel, sie ist s. Z. durch Fachleute erfolgt. Kollibay er- 
wähnt neben einigen älteren Fällen aus den 40er und 50er Jahren 
vorigen Jahrhunderts nur 3 Stück aus den Jahren 1900 und 1904, 
welche in Oberschlesien erbeutet wurden. 

Ich schliefse mit dem Ausdruck des Bedauerns, dals es wir 
bei meiner beschränkten Zeit nicht möglich war, umfangreicheres 
Material aus dieser so interessanten Gegend zu sammeln. Immer- 
hin hoffe ich, dafs auch das Wenige, was ich bieten konnte, nicht 
ganz wertlos sein dürfte zum mindesten für die genauere Kennt- 
nis und Erforschung meiner schönen schlesischen Heimat. 


Otis tetrax L. 
Von ©. Graf Zedlitz. 


Herr Hauptm. Schneider, der mir schon durch seine mit Liebe 
und Sachkenntnis ausgeführten ornitbologischen Beobachtungen 
ein sehr geschätzter Mitarbeiter in West-Rufsland war (vgl. J. f. O. 
1917, Bd. II, p. 308), hat mir freundlicherweise eine Reihe von 
Beobachtungen aus der Ost-Champagne aus diesem Frühling und 
Sommer zur Verfügung gestellt. Mit viel Eifer hat er sich dem 
Studium der dort häufig vorkommenden Zwergtrappe gewidmet, 
ich halte seine Mitteilungen über diesen bei uns recht seltenen 
Vogel für so interessant, dafs ich sie hier wiedergeben möchte 
unter Hinzufügung einiger Bemerkungen über das bescheidene 
Material in meiner Samnılung. Wie wenig die Zwergtrappe auch 
in Jägerkreisen bei uns noch bekannt ist, geht unter anderem 
aus No. 37 laufenden Jahrgangs von „Wild und Hund“ hervor, 
wo Herr Dietrich Heinrich diesen Vogel, den er nördlich Reims 
mehrfach sah, recht anschaulich beschreibt und dabei anfragt, 
um welche Art es sich handeln könne. Er vermutet zwar nach 
Besichtigung eines erlegten Exemplars die Identität mit der Zwerg- 
trappe, ist dessen aber doch nicht ganz gewils. 

In meiner Sammlung besitze ich ein Q' ad., welches mir 
Hauptm. Schneider gütigst schenkte, von ihm erlegt am 25. Juni 
1918, unweit Reims, ferner Q‘ ad. von Kairouan, Zentral-Tunesien, 
aus dem Frühjahr 1910, schliefsliich @ ad. von mir auf meiner 
eigenen Jagd in Schwentnig, Kr. Nimptsch, Bez. Breslau gesammelt 
am 25. August 1911. Die Mafse sind folgende: 

o' Champague Flig. 245 mm, Schnlg. 24 mm, 
og" Kairouan ='4 250.13, = 1: DD Sn 
Q Schwentnig - 238 -, Re 7 Ic FO 

Im Neuen Naumann Bd. VII, p. 73 ist das Flügelmafs mit 
24—26 cm angegeben, die Zahlen stimmen also ziemlich gut 
überein. 


124 0. Graf Zedlitz: 
’ 
Über die Farbe der Iris heifst es ebendort p. 74, Spalte 1. 
Abs. 2: „Das Auge ist ziemlich grofs und hat eine gelbliche, bel 
jüngeren eine braungelbe Iris, die im Alter aus dem Braungelben 
in ein brennendes Rot übergehen soll.“ Schäff in seinem „Hand- 
buch‘ nennt die Iris „rotbraun“. Demgegenüber stellte Hauptm. 
Schneider bei den 2 von ihm erlegten J'O" ad. (eins davon ist 
das oben erwähnte) fest, dafs die Iris mattgelb bezw. gelbgrau 
war, dabei handelte es sich um alte balzende Hähne. Auch nach 
‘ meinen Beobachtungen aus Tunesien ist die Iris gelb, mit Recht 
"scheint mir deshalb im Naumann bei Erwähnung der roten Färbung 
das Wörtchen „soll“ eingefügt zu sein, ich füge noch ein grolses 
Fragezeichen hinzu. Die Färbung meiner Stücke entspricht im 
allgemeinen gut der Abbildung im Naumann Bd. VII, Taf. 6. Ich 
möchte hierbei besonders auf den Schwanz aufmerksam machen, 
dessen sämtliche Federn nur an der Wurzel weils sind, auf 
mindestens ®/, ihrer Länge tragen sie die charakteristische graue, 
bei den 4 mittleren sandbraune Zeichnung mit stärkeren schwarzen 
Querbinden. Die äufseren 4—5 Steuerfedern zeigen an der Spitze 
einen weifsen Fleck von wechselnder, niemals aber grofser Aus- 
dehnung. Dies stimmt, wie gesagt, ganz gut mit der Abbildung 
auf Tafel 6 überein, aber nicht ganz zutreffend kann ich deshalb 
die Beschreibung im Text p. 74, Spalte 2,“oberster Absatz, er- 
achten, wo es vom alten J* heifst: „Im ganzen ist der zwanzig- 
fedrige Schwanz weifs über der hinteren Hälfte hin mit schwarzen 
Punkten und Zickzacklinien, in welchen sich zwei schwarze Quer- 
binden erkennen lassen; eigentlich sind aber alle Schwanzfedern, 
mit Ausnahme der mittleren, welche die Rückenfärbung haben 
und wie diese schwarz gezeichnet und gebändert sind, von ihrer 
Wurzel aus und an ihren Enden reinweils, der mittlere-schwärzlich 
punktierte und gebänderte Teil rostfarbig überflogen, an den vier 
äufsersten jederseits aber auch weils.“ M.E. wäre der Nachsatz, 
welcher mit „eigentlich“ beginnt, besser fortgeblieben, die 
Schwanzfedern sind sämtlich in ihrem gröfseren Teil nicht weils. 
Schäff sagt in seinem „Handbuch“ von ihnen: „Mit Ausnahme 
der beiden mittleren weils mit 2 dunklen Binden“, dies ist direkt 
unzutreffend, erstens sind nicht nur die beiden mittelsten Schwanz- 
federn sandfarbig überflogen, zweitens zeigen alle seitlichen Steuer- 
federn aufser den schwarzen Querbinden noch sehr deutliche und 
ausgedehnte schwarze bis graue Punktzeichnung. Zwischen beiden 
Geschlechtern besteht in dieser Hinsicht kein nennenswerter Unter- 
schied, die weilsen Spitzen der äufsereu Steuerfedern scheinen 
beim Q etwas ausgedehnter, die schwarzem Querbinden aber auch 
etwas breiter zu sein. 
Über die Zugzeit teilt mir Hauptm. Schneider mit, dafs 
die Zwergtrappen Ende März bis Anfang April einträfen, im 
Oktober wieder wegzögen. Ubereinstimmend damit beobachtete 
ich den Durchzug im südlichen Tunesien in der 2. Hälfte des 
März, vgl. J. £. O0. 1909, p. 299/300, wo nähere Mitteilungen 


Otis tetrax L. 125 


über den Zug niedergelegt sind. Über den Zug in SO:-Europa 
finden wir genaue Angaben im Naumann p. 75, Spalte 2, letzter 
Abs. und p. 76, Spalte 1. Nach Angaben französischer Jagdhüter 
soll die „Campetiere‘“ in Flügen von 8—10 Stück ziehen, doch 
dürfte diese Regel viele Ausnahmen haben, in SO.-Europa treffen 
die Vögel im Frühjahr fast stets paarweise ein. 

Bald nach der Ankunft im Brutgebiet beginnt die Balz, zu 
deren Beschreibung ich Hauptm. Schneiders eigene Worte hier 
folgen lasse: „Die Zwergtrappe, besonders der Hahn, ist ein 
überaus farbenprächtiger Vogel, bei einiger Übung ist er auch 
im Fluge gut von der Henne zu unterscheide nan dem schwarzen, 
sehr viel stärker erscheinenden Halse. Damit ist auch in der 
Balzzeit die Möglichkeit weidmännischer Bejagung gegeben um 
so mehr, als die Hähne in ganz auffälliger Weise zu überwiegen 
scheinen. Der Balzlaut ist ein kurzer, scharfer Ton, den ich mit 
„Räk“ wiedergeben möchte. Während desselben wirft der Hahn 
den Kopf ruckartig nach vorn und macht zuweilen auch einen 
Luftsprung ähnlich dem Birkhahn. Der Balzplatz markiert sich 
als tennenartig festgetretenes Stück in Gröfse eines halben 
Quadratmeters;, nach der grünen Losung zu urteilen äst die 
Trappe hauptsächlich Pflanzen, worauf auch ihr vornehmlicher 
Aufenthalt in lichtem Klee und Esparsetteschlägen schliefsen 
läfst.“ Diese sehr genauen und zuverlässigen Beobachtungen aus 
dem Westen stimmen vorzüglich zu denjenigen aus Taurien, 
welche im Naumann p. 78 Spalte 2 und 79 Spalte 1 als Auszug 
aus dem „Weidmann“ Bd. XXVIIl wiedergegeben sind. Aller- 
dings wird hier der Balzlaut durch die Buchstaben „trr“ be- 
schrieben, doch wissen wir ja, wie schwer es ist, Vogellaute 
durch unser Alphabet genau festzulegen, da hört eben ein Jeder 
andre Buchstaben heraus. 

Die Brut setzt ziemlich spät ein, nach den Notizen von 
Thienemann, Degland und Gerbe II im Naumann p. 79 schwankt 
die Legezeit zwischen Ende Mai bis Ende Juli. Hauptm. Schneider 
fand in der letzten Woche des heurigen Juni ein Nest mit 2 
noch nicht bebrüteten Eiern, ich lasse seine eigenen Worte folgen: 
„Ich hatte vorige Woche (Datum 2. Juli) das grofse Glück, ein 
Trappengelege von 2 noch nicht bebrüteten Eiern zu finden. 
Diese haben die Ausmafse 5,8 : 3,4 cm, sind oliven- bis graugrün 
mit ganz matten Flecken, Nest ganz kunstlos. Die Henne strich 
3 Schritt vor meinem Pferde ab, wollte anscheinend gerade 
legen.‘ Die Zahl der Eier im vollen Gelege scheint zwischen 
2 bis 4 zu schwanken, dabei dürften im Norden die gröfseren 
Zahlen häufiger sein. Im Naumann p. 79 Spalte 1 wird ein von 
Thienemann in Deutschland gefundenes Nest mit 4 Eiern genau 
beschrieben, die Malse derselben sind 53 : 38,56, 52:39, 52 : 38, 
51:385 mm. Sie sind also erheblich weniger länglich als die 
vorerwähnten mit 55:34 mm. König im J. f. O0. 1888 gibt 
die Malse eines tunesischen Eies, das er vom Händler Blanc 


126 O. Graf Zedlitz: Otis tetrax L. 


dort erhielt, mit 50:38 mm an. In Tunesien, wo die Zwerg- 
trappen nördlich des Atlas auch brüten, dürften Gelege von 
2 Eiern die Regel bilden, vergl. König J. f. O. 1888 und Zedlitz 
I. #. 0,3909: 

Es bleiben noch einige Worte über die Jagd zu sagen. 
Hauptm. Schneider schreibt mir: „Ich habe die Jagd auf die 
Trappe in der Weise betrieben, dafs durch Verhören von Morgen- 
grauen an der Balzstand ermittelt und dann in irgend einer 
Weise die Annäherung versucht wurde. Diese Annäherung an 
den balzenden Hahn ist sehr schwierig, ähnlich wie der Birkhahn 
scheint er auf jeder Feder ein Auge zu haben und empfiehlt 
sich auf Entfernungen von 200—300 m, ganz abgesehen davon, 
dafs er auch ausgezeichnet zu Fufs ist. Mit der höheren Vegetation 
war vereinzelt ein Ankriechen auch erfolgreich, anfahren mils- 
glückte stets, hingegen schofs ich meinen ersten Hahn beim An- 
reiten, indem ich den Kreis um ihn immer mehr verengerte. 
Der Hahn, den ich nicht nur verhört sondern auch gesehen hatte, 
suchte sich zu drücken und liefs sich dadurch übertölpeln.‘“ Dies 
ist genau dieselbe Methode der Annäherung, welche ich in den 
nordafrikanischen Steppen auf Kragentrappen oft mit Erfolg an- 
gewendet habe. Von der grofsen Vorsicht und Scheuheit der 
dort durchziehenden Zwergtrappen habe ich mich s. Z. selbst 
überzeugt. Nach Hauptm. Schneider sammeln sich die Trappen 
der Champagne vom August an in Trupps bis zu einigen zwanzig 
Stück und sind dann ganz besonders scheu, sodafs ihm eine An- 
näherung nie gelang. 

Ich hoffe und wünsche, dafs die Anregung, welche durch 
diese Notizen gegeben wird, dazu beitragen möge, nun erst recht 
zum Studium dieses interessanten Vogels anzuspornen. Ihr 
gröfster Wert liegt m. E. darin, dafs sie aus den west- 
europäischen Brutgebieten stammen, während die bisher im 
Naumann und sonst in der deutschen Jasdliteratur enthaltenen 
Beschreibungen sich auf die osteuropäischen Brutgebiete 
bezw. auf das sehr vereinzelte Vorkommen in Deutschland be- 
ziehen. Wenn wir später grölseres Material aus dem Westen 
haben sollten, könnte man auch erst der systematischen Frage 
näher treten, ob die Brutvögel aus ganz Europa derselben Form 
angehören, z. Z. halte ich solche Untersuchungen noch für verfrüht. 


127 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


J, Domaniewski, sSerinus canarius polonicus subsp. nov. 
(Abdruck aus: Comptes Rendus Soc. Science. Varsovie, 1917, 
X. Annee, Fasc. 8.) 


W. Eckardt, Der Zug des Flamings. (In: Naturwissenschaftl. 
Wochenschr. 1918, Nr. 42.) 


A. Gruber, Die Möwe. (Abdruck aus: Schriften d. Vereins f. 
Geschichte des Bodensees, Heft XLVII, 1918.) 


W. Hagen, Die Lachmöwe, Larus ridibundus L., in der Nord- 
mark. (In: Die Heimat, 28. Jahrg., Nr. 4, 1918.) 


B. Hoffmann, Führer durch unsere Vogelwelt. (B. G. Teubner, 
Leipzig u. Berlin, 1919.) 


E. Lönnberg, Klimatväxlingars inflytande pä Afrikas högre 
djurvärld. (Abdruck aus: K. Svenska Vetenskapsakad. Arsbok 
1918.) 


H. Mayhoff (7), Zum Schwingengeräusch der Schellente [Glau- 
cionetta c. clangula (L.)|. (Abdruck aus: Verhandl. Ornithol. 
Gesellsch. Bayern, XIII, Heft 4, 1918.) 


E. D. van Oort, De Vogels van Nederland. (’s Gravenhage, 
M. Nijhoff.) Aflev. 1 u. 2. 


M. Sassi, Beitrag zur Ornis Zentralafrikas.. Wissenschaftl. 
Ergebnisse d. Expedit. R. Grauer nach Zentralafrika, Dez. 
1909 bis Febr. 1911. (Abdruck aus: Annal. k. k. Naturhist. 
Hofmus. Wien, XXX. Bd., 1916.) 


E. Schäff, Neues vom Rebhuhn. (Adruck aus: Deutsche 
Jägerzeitung Bd. 71, Nr. 47.) 


R.Snouckaert vanSchauburg, Club van Nederlandsche 
Vogelkundigen. Jaarbericht No. 8, 1918. 


J.Stoltzmann et J. Domaniewski, Notes sur les formes 
du genre Pyriglena Cab. (Abdruck aus: Comptes Rendus 
Soc. Science. Varsovie, 1918, XI. Annee, Fasc. 2.) 


E. Stresemann, Hugo Mayhoff. Ein Nachruf. (Abdruck aus: 
Verhandl. Ornithol. Gesellsch. Bayern, XIII, Heft 4, 1918.) 


— Ein Beitrag zur Kenntnis der Brutvögel der Voralpen. (Ab- 
druck aus: Verhandl. Ornithol. Gesellsch. Bayern, XIII, Heft 4, 
1918.) 


128 


Vom 65. ne. (1917) 
Journal für Ornithologie 


ist als Festschrift zum 70, Geburtstage des Generalsekretärs 
ein zweiter Band 
unter der Schriftleitung von 
Herman Schalow 


vom Vorstande der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
herausgegeben. 


Der Band kann gegen Einsendung von 13 Mark vom Kassen- 
führer der Gesellschaft, -Herrn 0. Haase, Berlin NW. 7, Unter 
den Linden 39 oder durch die Verlagshandlung von L. A. Kittler 
in Leipzig bezogen werden. 


Verlag von R. Friedländer & Sohn, Berlin, Karlstr. 11. 


Ornithologische Monatsberichte 


herausgegeben von 
Prof. Dr. Ant. Reichenow. 
Preis jährlich 8 Mark. 


Ein ergänzendes Beiblatt zum Journal für Ornithologie. 
Monatliche Nummern mit Aufsätzen systematischen, faunistischen 
und biologischen Inhalts und Berichten über die neu erscheinende 
-Literatur. 


__ Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. _ 


Reichenow, Geh. Rat Prof. Dr. A., Die Vögel. 


Handbuch der systematischen Ornithologie. Zwei Bände. I. Band. 
Mit einer Karte und 185 Textbildern. 1913. geh. M. 15.—, in Leinw. 
geb. M. 16.60. Ii, Band. Mit 273 Textbildern. 1914. geh.M. 18.40, 
in Leinw. geb. M. 20.—. 


Druck von Otto Dornblüsk Nachf, in Bernburg. 


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2 


[4 


Journ. f. Ornithol. 1919. 


Taf. Tr. 
Karte zur Arbeit „Zug und Wanderung der Vögel Europas nach den Ergebnissen des Ringversuchs“ 

von Friedrich.yon Lucanus. 
Darstellung der Haupt-Zugrichtungen. 


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A, Westliche Küstenstraße. 


B. Binnenlandstraße nord- und mitteleuropäischer Landvögel. 
€. Italienisch-spanische Straße. 
D. Adriatisch-tunesische Straße, 


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JOURNAL [2 N 


für "ILIBRAR 


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ORNITHOLOGIE 


Siebenundsechzigster Jahrgang. 


No. 2. April. 1919. 


Beiträge zur Ornithologie 
des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 


Von Eduard Paul Tratz, 
Leiter der Ornithologischen Station in Salzburg. 


I. Allgemeines. 


Zweimal brachte mich der Krieg in Gegenden, in denen ich 
schon längst einmal längere Zeit hindurch ornithologisch tätig 
sein wollte!) Und nun führte er mich auch noch in zwei Ge- 
biete, denen gleichfalls vor Jahren schon Besuche, zwecks 
ornithologischer Studien, zugedacht waren. Das ist nämlich 
Venetien und das Küstenland. — Allerdings lagen da- 
mals die Verhältnisse anders. Aber immerhin darf man dem 
Schicksal, das einem still gehegte Wünsche erfüllt, nicht un- 


. dankbar sein und eben einstweilen das hinnehmen, was es einem 


bietet, zumal heute. 

Ende November 1917, als ich den Befehl bekam nach 
Latisana am Tagliamento abzugehen, waren es nicht zuletzt 
ornithologische Erwartungen, die mich hoffnungsfreudig stimmten. 
Am 4. Dezember trat ich die Reise an, die mich über Pontafel, 
Gemona, Udine und Palmanova am 6. Dezember nach Latisana 
führte. Drei Wochen jedoch waren es nur, die ich dort verbringen 
sollte und eine weitere Kommandierung brachte mich am 1. Januar 
1918 wieder auf Österreichischen Boden, nach dem gänzlich zer- 
schossenen Dorfe Dobbia, westlich von Ronchi im Küsten- 
land. Dort verblieb ich mit kurzen Unterbrechungen bis Ende 
März 1918. 

Die ornithologischen Beobachtungen, die ich nun während 
meiner dortigen Aufenthalte machte, bilden den Gegenstand vor- 
jiegender Arbeit. Es sei jedoch gleich vorausgeschickt, dafs ich 


1) Diese Gebiete sind der Zellersee (Salzburg) und der Arlbergpals 
(West-Tirol). 


Journ. f. Orn, LXVII, Jahrg. April 1919. 9 


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180 Eduard Paul Tratz: 


so wie bisher während des Krieges, die ornithologische Tätigkeit 
nur im Rahmen der mir durch die militärische Dienstleistung 
gebotenen freien Zeit, ausführen konnte. 

Das mag vielleicht auch die Ursache sein, dafs die Ergeb- 
nisse der Wahrnehmungen in Venetien, wo es mir an freier Zeit 
besonders gebrach, nicht die erhofften Erwartungen erreichten, 
wenngleich ich überhaupt den Eindruck gewann, dafs dort tat- 
sächlich ein an Artenzahl armes Vogelleben zur angeführten Zeit 
herrschte Anders war es im Küstenland, woselbst nicht nur 
verhältnismälsig eingehend und regelmäfsig beobachtet, sondern 
auch gesammelt werden konnte und wo auch im allgemeinen ein 
nicht nur wie in Venetien angetroffener ausschliefslicher Individuen- 
reichtum, sondern auch zahlreiche Arten festgestellt werden 
konnten. Gegenwärtiger Mangel an Zeit und meine Abwesenheit 
von daheim, die mir keine Materialvergleiche und keine Biblio- 
theksbenutzung gestatten, ermöglichen es mir nicht, auf einige 
einschlägige systematische Themen einzugehen und das gesammelte 
Material auch nach dieser Richtung hin zu bearbeiten. Das folgt 
später in der Bearbeitung des Kataloges meiner Sammlungen. 
Diesmal sei das Hauptaugenmerk auf die biologischen Wahr- 
nehmungen, vor allem auf die Zug-, Strich- sowie Überwinterungs- 
verhältnisse und das Verhalten einzelner Vogelarten in den ge- 
nannten Gegenden gerichtet. Dafs diese Erscheinungen eine ein- 
gehendere Beachtung verdienen, werden die nachfolgenden Zeilen 
dartun. 

Wenn wir einmal, zu unserem Zweck, die politischen Grenzen 
ausschalten und Venetien mit dem Küstenland, geographisch, als 
ein natürliches Ganzes auffassen, so können wir dieses Gebiet 
einerseits bereits als den nördlichen Teil einer Überwinterungs- 
zone für eine Reihe unserer Zugvögel betrachten und andererseits 
als einen bevorzugten Sammelplatz der als „Strichvögel“ geltenden 
Saatkrähen (Corvus frugilegus) und Dohlen (Colaeus monedula) 
feststellen. Die Anzahl der sich dort während der Wintermonate 
aufhaltenden Krähen und Dohlen grenzt an das Fabelhafte. 
Fünfzig- bis Hunderttausend Individuen mögen zuweilen die dort 
anzutreffenden Schwärme zählen, ünd solcher Schwärme gibt es 
oft auf verhältnismäfsig kleinem Raume viele. Bei dieser Er- 
wähnung sei vor allem einmal die Gelegenheit ergriffen auf den 
Zugs- und Strichcharakter dieser Erscheinungen zurückzukommen. 
Die Forschungen J. Thienemann’s auf Rossitten haben wohl schon 
einwandfreien Aufschlufs über die regelmäfsigen und eine be- 
stimmte Richtung innehaltenden Wanderungen der Krähen auf 
der Kurischen Nehrung wie überhaupt im nördlichen Küstengebiet 
gegeben. Aber keinem Ornithologen fiel es deshalb ein, die alt- 
hergebrachte tiefwurzelnde Ansicht vom Strichvogelcharakter 
unserer Krähenarten, in Sonderheit der Saat- und Nebelkrähen 
als auch der Dohlen, umzustofsen und diese drei Corviden als 
Zugvögel zu bezeichnen. Es scheint fast als ob es niemand 


2 Je 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 131 


wage; denn sie nicht als solche anzuerkennen, werden wohl nur 
wenige Ornithologen ernstlich behaupten. Mit dem Recht man 
den Staren (Sturnus vulgaris) als Zugvogel bezeichnet, mit dem 
gleichen Recht kann man nicht nur, sondern mufs man die drei 
obenerwähnten Rabenarten als solche benennen. Der Star wie 


” die Saat- und Nebelkrähe sowie die Dohle sind sowohl Zugvögel 


wie Strichvögel. Es frägt sich nun: Wo fängt der Begriff Zug- 
vogel an und wo hört der Begriff Strichvogel auf? Sind diese 
beiden Begriffe geographisch, durch die Länge oder Richtung der 
zurückgelegten Wege erklärbar, oder sind andere Momente dazu 
malsgebend, oder sind diese Bezeichnungen überhaupt willkürliche, 
eigentlich das Gleiche sagende Ausdrücke? Die Ansichten da- 
rüber sind verschieden. Als Succus aller wissenschaftlichen De- 
finitionen zunächst des Begriffes „Zugvogel“, ohne dabei näher 
auf die Ansichten Eckardt’s, Braun’s, Deichler’s und 
Engel’s einzugehen, kann ungefähr folgendes gelten: Unter 
Zugvögel falst man alle jene Vogelarten auf, die alljährlich im 
Frühjahr fast regelmäfsig innerhalb eines bestimmten Zeitraumes 
ihre Brutplätze besiedeln und regelmäfßsig im Herbst, eine be- 
stimmte Weltrichtung innehaltend, nach südlichen Gegenden 
fliegen, um dort den Winter zu verbringen. — Strichvögel da- 
gegen sind solche Vogelarten, die zur Zeit der Nahrungsknappheit, 
keine bestimmte Zugrichtung einhaltend, „ziel- und planlos“, nur 
der unmittelbaren Nahrungssuche folgend, „umherirren“. — Mögen 
wir nun die Darlegung des Zugvogelcharakters als feststehend 
erachten, so können wir nicht umhin die Erklärung des Strich- 
vogelcharakters als durchaus unzulänglich zu bezeichnen. Die 
Ringversuche haben ergeben, dafs z. T. selbst diesem vermutenden 
plan- und richtungslosen Umherirren eine ganz bestimmte Richtung 
zu grunde liegt, die, wenn nicht alles täuscht, sogar die gleiche 
ist, nämlich NO— SW und entgegengesetzt, wie bei den Zug- 
vögeln. (Man vergl. hierzu nur die Ergebnisse der Vogelwarte 
Rossitten mit den Krähenmarkierungen und jene der Ornitholog. 
Station in Salzburg mit den Grünfinkenzeichnungen.) Ohne dieses 
Thema nun im Vorliegenden auch uur annähernd behandeln zu 
wollen, sei mit Bezug auf die Wahrnehmungen an Saatkrähen 
und Dohlen in Venetien, Küstenland und seinerzeit schon auf 
Brioni!) vermerkt, dafs diese beiden Arten, wenn auch nicht in 
ihrer Gesamtheit, so doch zum gröfsten Teile den Charakter der 
Zugvögel aufweisen und sie hier als solche behandelt werden. 
Wozu in weiterer Folgerung das genannte Gebiet als bevorzugte 
Überwinterungslokalität dieser Arten in Betracht gezogen wird. 


1) Die Ergebnisse einer dreimonatlichen eingehenden und auf’s ge- 
naueste geführten ornithologischen Beobachtung auf der Insel Brioni im 
Winter und Frübjahr des Jahres 1913 sind infolge Zeitmangels noch 
nicht veröffentlicht worden, gelangen aber, sobald sich Gelegenheit zur 
Bearbeitung findet, dazu. 


9* 


132 Eduard Paul Tratz: 


Freilich ist es mangels positiver Anhaltspunkte, selbst nicht im 
entferntesten möglich, die Heimatszuständigkeit dieser Rabenvögel 
anzugeben. Darüber vermag ausschliefslich die Beringung Auf- 
klärung zu bringen. Es wäre daher von grofsem Interesse, wenn 
die sich in den verschiedensten Gegenden befindlichen Saatkrähen- 
kolonienu sowie Dohlenansiedlungen einmal bekanntgegeben würden, 
damit eine grolszügige Beringung der Jungvögel vorgenommen 
werden kann. 

Beachtenswert sind auch die längs der ganzen Küste vor- 
kommenden ungemein zahlreichen Enten, deren bevorzugte 
Lieblingsplätze natürlich die an den Mündungsgebieten der 
einzelnen Flüsse sich hinziehenden Lagunen sind. 

Erwähnenswert erscheint mir auch ein zweimal beobachtetes 
Benehmen verschiedener Vögel gelegentlich des Nahens von Flug- 
zeugen. So hat am 11.1. ein solches eine mindestens 100 Indi- 
viduen zählende Schar Graugänse aufgejagt, die, ohne sich in 
ihr keilförmiges Flugbild zu formieren, wild durcheinander davon- 
flogen. Als sie dann in einem grofsen Bogen bereits etwas ge- 
ordnet zurückkehren wollten, flog ihnen der Flieger gerade ent- 
gegen, worauf sie abermals schon von Weitem abschwenkten und 
abstrichen. Am 19. III. kamen drei Flugapparate von Süden gegen 
die Küste zu geflogen. Daraufhin erhoben sich unter lautem 
Geschrei eine grofse Anzahl von Strandvögeln, Krähen und Enten 
und stoben auseinander. Auch ein grolser Brachvogel, der ganz 
abseits auf einer von Schilf umgebenen Sandbank safs, strich 
beim Näherkommen der Maschinen isonzoaufwärts ab. Die zahl- 
reichen Möwen dagegen schienen sich um diesen Anblick und das 
Geräusch wenig zu bekümmern. 

Zur Orientierung über die Art der Abfassung vorliegender 
Arbeit diene Folgendes: Ich weils sehr wohl, dafs bei derartigen 
Behandlungen über Lokalfaunengebiete auch die Niederlegung 
aller Tagebuchaufzeichnungen notwendig wäre, aber die Zeit- 
verhältnisse bedingen Sparen mit Allem, nicht zuletzt mit Papier. 
Daher bringe ich im Nachfolgenden nur auszugsweise Angaben 
meiner Notierungen, worin aber jeweils die wichtigsten ornitho- 
logischen Erscheinungen im Zusammenhang mit der Witterung 
ersichtlich sind. — Im systematischen Teil sind die mit Bestimmt- 
heit beobachteten oder nachgewiesenen Arten fortlaufend numeriert, 
dagegen führen die unsichern, also blofs vermuteten Arten keine 
Zahlen. Die Daten der gesammelten Exemplare sind jeweils 
unter dem Namen der betreffenden Art angeführt. Sämtliche 
Stücke befinden sich in der Sammlung der Ornithologischen 
Station in Salzburg. Es wurden von den meisten Exemplaren 
nicht nur die Bälge präpariert, sondern auch der Humerus, 
Femur und das Sternum, sowie das Becken. Der Mageninhalt 
einzelner, besonders landwirtschaftlich oder jagdlich zu berück- 
sichtigender Arten wurde gleichfalls nach Möglichkeit untersucht 
und konserviert. Ebenso einige Parasiten. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes.. 133 


Zum Schlusse mufs ich noch deshalb um Vergebung bitten, 
dafs ich die Nomenklatur nicht konsequent durchgeführt habe. 
Man möge das aber nicht durch Nachlässigkeit begründen, sondern 
eben damit entschuldigen, dafs mir hier „im Felde“ nicht die 
nötigen Behelfe zur Verfügung standen. 


Il. Venetien. 


Es gab eine Zeit, in der in jedem Vogelkundigen, sobald 
er den Namen Venetien hörte, nicht nur Interesse, sondern auch 
Zorn und Mitleid erwachte. Interesse zwang ihm die Tatsache 
ab, dafs Venetiens Vogelfauna eine Reihe von Seltenheiten und 
Eigenheiten aufweist, wie nur wenige andere Lokalitäten. Zorn 
ergriff ihn jedoch, wenn er daran dachte, mit welcher frivolen 
Hintansetzung aller Menschlichkeits- und Kultur-Begriffe der 
Italiener die von uns mit solcher Liebe und Sorgfalt gehüteten 
und geschützten kleinen Wanderer in Massen abfängt, um sie 
als Gaumenkitzel zu verwenden und sie seinem Magengötzen ein- 
zuverleiben, — und Mitleid überkam ihn, wenn seine Gedanken 
bei der Vorstellung von den Hekatomben kleiner Vogelleichen, die 
auf den Marktplätzen der norditalienischen Städte und Ortschaften 
während der Zugzeiten täglich feilgeboten wurden, Halt machten. 

Nun, zur Zeit steht die Sache etwas anders. Sein Interesse 
vermag nur spärlich befriedigt zu werden und Zorn und Mitleid 
braucht er nicht zu haben. Kanonendonner rollte und etappen- 
haftes Waffenklirren klingt heute noch über die Gegend. Deutsche 
Ordnung, Kultur und Menschlichkeit sind nachgefolgt und haben 
sich ihren Weg gebahnt. Der Vogelmassenfang ruht, die kleinen 
befiederten Weltbürger ziehen, seit Jahrhunderten zum erstenmale 
wieder ungehindert und in der durch die Natur bedingten Voll- 
zähligkeit ihre Wege über die Alpen, ihren Brutplätzen einerseits 
und ihren Winterberbergen andererseits zu — und die Folge 
davon ist, dafs fast aus allen Teilen unserer österreichischen und 
deutschen Heimat die Nachricht über eine auffallende Zunahme 
an Singvögeln kommt. Das ist Barbarenwerk! 

Forschungen über die venezianische Vogelwelt verdanken 
wir bekanntermalsen dem durch viele Jahre in Udine ansässig 
gewesenen Österreicher Vallon. Ob und inwieweit dessen 
wertvolle Sammlung venezianischer Vögel durch den Krieg ge- 
litten hat, vermochte ich leider nicht festzustellen. Soviel ich 
aber in Erfahrung bringen konnte, soll sie gerettet worden sein. 

Kahl, öde und unfreundlich lag die Venezianische Ebene in 
den Wintermonaten vor einem. Nur Udine mit seinen vielen 
Gärten und den darin gepflanzten immergrünen Gewächsen verriet 
den Süden. Aus blaugrauem Nebel glitzerten die Schnee- und 
Eisfelder der weit im Norden gelegenen Alpenkette. Sonst, s0- 
weit das Auge reichte nichts als Ebene. Weingärten und Brach- 
felder wechselten mit einander ab, niedere Bäume, Strauchwerk 


134 Eduard Paul Tratz: 


und kleine Pappelbestände sind darin die einzigen Ruhepunkte. 
Im Süden ziehen sich gröfsere wie kleinere Auen hin und ein 
Küstenstreifen von ungefähr 5—8 km Breite bietet nur Brachland 
und Sumpfwiesen mit kleinen Auenbeständen. Überall aber sind 
prächtige Wege und Strafsen, die das ganze Gebiet kreuzen und 
durchqueren. 

Die Hauptlokalität meiner Beobachtungen war Latisana 
und Latisanotta mit seiner näheren und weiteren Um- 
gebung, sowie die Strecke längs der grölsten Stralse im Süden 
nach Osten hin über Palazzolo, Muzzana, San Gior- 
gio diNogaro und Torre di Zuino. 

Beobachtet wurden im ganzen 29 Vogelarten. Also eigent- 
lich eine verschwindend kleine Anzahl. Dafür war der Individuen- 
reichtum einzelner Arten, wie im Nachstehenden ersichtlich ist, 
um so gröfser. 

Von angetroffenen Überwinterern sind besonders bemerkens- 
wert: Erithacus titys, Pratincola rubicola, Acrocephalus arundi- 
naceus, Budytes flava, Anthus trivialis, Sturnus vulgaris, die 
ungeheuren Mengen von Corvus frugilegus, die zahlreichen 
Oerchneis tinnunculus und accipiter nisus, dann Crex crex, Galli- 
nago gallinago und Vanellus vanellus. 

Der Vogelmassenfang schien im Süden des Landes nicht 
betrieben worden zu sein, da nirgends eine Vorrichtung dazu 
aufgefunden werden konnte und wiederholtes Nachfragen nach 
Roccolis und Uccellandas (die bekanntesten Vogelherde) auch ver- 
geblich war. Dagegen lagen, hingen und standen überall viele 
leere Vogelhäuschen. 


Auszug aus dem Tagebuch, 
bei besonderer Berücksichtigung der Witterung und 
der jeweils zur Beobachtung gelangten auffallendsten 
Vogelerscheinungen. 


5. XII. 1917. Udine, prächtiger Tag. In den Gärten ver- 
einzelte Rotkehlchen. Kleine Trupps einer Fringillidenart. Viele 
Passer italiae. 

6. XII. Latisana. 

7. XII. Latisana—Latisanotta. Motacilla gehört. 

8. XlI. Latisana—Latisanotta—San Mauro. Ein Schwarm 
Anthus trivialis. 

9. XII. Wie oben. Galerida. 

10. XI. Wie oben. Motacilla. 

11. und 12. XII. Wie oben. Regentag. 

13. XII. Schön. Fahrt über Palazzolo — Muzzana — San 
Giorgio nach Cervignano. Überall grofse lockere Schwärme von 
Saatkrähen. Viele Budytes flava und Stare. Erstere bei 
Torre Zuino und letztere in Cervignano. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes, 185 


14. XII. Cervignano. In dieser Gegend ist das Vogelleben 
viel: lebhafter als in Venetien. Namentlich bei Perteole, wo 
Zeisige, viele coelebs, Stieglitze, Budytes, Parus major, 
4 Enten zur Beobachtung kommen. — Rückfahrt nach Latisana. 

15. XII. Schön, ein Zaunkönig singt. 

16. XII. Schön. Um *®/,8 p. m. fliegen ca. 1000-1500 
frugilegus nordwärts. Nachmittags im Süden Latisana’s viele 
kleine Raubvögel (tinnunculus und accipiter), mindestens 
100000 frugilegus, 20—30 vanellus, 100 Stare, 1 gallinago. 

17. XII. Schneefall, kalt. 1 Zinnunculus und 1 buteo. 

18. XII. Schön. 1 Budytes flava. 

19. XII. Schön, ebenso am 20. XIL, bei Muzzana 10—12 
vanellus. 

20.—28. XII. abwesend. 

29. XII. Udine, Regen dann schön. Vogelleben wie am 
5. XIL und Stare. 

30. XII. Latisana, schön. 

31. XII. Schön, warm, 2 rubeculus. 

1.1.1918. Prachttag, aber kalt. Marsch von Latisänotta— 
Muzzana—San Giorgio. Überall große Krähenschwärme. 
Vereinzelte Elstern. Zwischen Latisana und Palazzolo ein 
titys 5. Bei Muzzana 1 Orex crex. Überall vereinzelte Bach- 
stelzen, Amseln und paar Parus major. Auch 1 garrulus. 
— Am Abend im Hafen von San Giorgio (Porto di Nogaro) 
2—3 Acrocephalus arundinaceus, 1 Turdus spec.?, 1 Zwerg- 
taucher und weit im Westen ein ungeheurer Schwarm 
Krähen, der im Winde alle möglichen Formen annahm. 
Budytes flava. 

2. I. Schön. Marsch von Porto di Nogaro über Cervignano 
nach Dobbia. Überall ein ziemlich lebhaftes, aber wenig be- 
merkenswertes Vogelleben. 1 Picus major. 1 Falco peregrinus 
dürfte auf einem Baum am linken Ufer des Isonzos aufgebäumt 
haben. Auf den Feldern bei Cervignano eine Möwe, wohl canus. 


Systematische Übersicht der in Venetien 
beobachteten Vögel. 


1. Schwarzdrossel (Zurdus merula L.). 
Zwischen Muzzana und Torre Zuino am 13.12.17 ein Stück 
gehört. Ferner je ein Stück gesehen am 16. 12. 17 südlich von 
Latisana, am 1. 1. 18 bei Muzzana und bei San Giorgio. 
Sie ist im ganzen Gebiet kein häufiger, aber in den Auen 
wohl regelmäfsig anzutrefiender Vogel. 


2. Rotkehlchen (Erithacus rubeculus (L.)). 


Vereinzelte Rotkehlchen sind am 5. 12. 17 in den Gärten 
Udine’s. Ferner beobachtete ich je eines bis zwei am 13. 12. 17 


136 Eduard Paul Tratz: 


bei Muzzana, am 16. 12. 17 südlich von Latisana, am 31. 12. 17 
bei Latisanotta und am 1. 1. 18 bei San Giorgio. 

So wie die vorgenannte Amsel ist auch der Rotkropf überall 
vereinzelt, als Überwinterer anzutreffen. 


3. Hausrotschwänzchen (Erithacus titys (L.) ). 

Auch der Hausrotschwanz scheint in einzelnen Exemplaren 
bereits in diesen Breiten zu überwintern. So trafich ein präch- 
tiges, dunkles O' am 1. 1.18 zwischen Latisana und Palazzolo an. 


4. Schwarzkehliger Wiesenschmätzer 
(Pratincola rubicola L.). 

Dessen Überwinterung in diesen Breiten ist zwar weniger 
auffallend, da er ja einer der ersten Ankömmlinge bei uns ist, 
aber immerhin habe ich ihn eigentlich gerade deshalb dort nicht 
erwartet. So sah ich 2 bis 3 Stücke unweit der mit ziemlich tiefem 
Schnee bedeckten Ortschaft Carlino am 12. 1. 18, 


5. Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus L.). 
Dafs ich auch diesen Vogel im Winter bereits in Venetien 
antreffen würde erwartete ich überhaupt nicht. Unmverkennbar 
hörte und sah ich aber 2—3 Drosselrohrsänger am Abend des 
1.1.18 am Schilfufer des unteren Hafens von Porto di Nogaro. 


6. Zaunkönig (Troglodytes troglodytes L.) ). 


Im ganzen Gebiet vereinzelt. Ich notiere je 1 Stück am 
9. 12. 17, 10. 12. 17, 15. 12. 17 und 17. 12. 17 bei Latisanotta, 
auch singend, und am 13. 12. 17 bei Muzzana. 


7. Kohlmeise (Parus major (L.) ). 

Die einzige Meisenart, die ich angetroffen habe, und zwar 
sowohl um Latisana wie längs der Stralse nach Muzzana. Zu- 
meist war sie in 1--3 Stücken zu sehen, am 1. 1. 18 waren je- 
doch in den Auen bei Muzzana ca. 10 beisammen. 


8. Weifse Bachstelze (Motacilla alba L.). 
Nur einmal am 13. 12. 18 bei Torre Zuino beobachtet. 


9. Schafstelze (Budytes flava L.). 

Die Wiesenstelze scheint bereits in gröfserer Anzahl hier 
zu überwintern. So stellte ich am 13. 12. 17 bei Muzzana eine 
und bei Torre Zuino viele fest. Auch bei Latisanotta am 18. 12. 
17 waren 2 Stücke, ebenso am 1.1.18 bei San Giorgio, 1 bis 2. 


10. Baumpieper (Anthus trivialis L.). 


Am 8. 12. 17 trieb sich ein gröfserer Trupp am rechten 
Tagliamentoufer bei San Mauro umher und am 13. 12. 17 1 Stück 
bei Muzzana. 


[2 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 137 


11. Italienischer Sperling (Passer italiae Vieill.). 


O© Latisanotta 29. 12. 17. © Latisanotta 29. 12. 17. - Der 
Haussperling ist in allen Ortschaften ein überaus häufiger Vogel. 


12. Feldlerche (Alauda arvensis L.). 


Einen Schwarm und darunter 2 singende Lerchen sah ich 
am 1. 1. 18 bei Muzzana. 


13. Haubenlerche (Galerida cristata L.). 
So häufig ich diese Lerche im Küstenland antraf, so selten 
und nur vereinzelt fand ich sie um Latisana. Ich notierte je 
1—2 Stücke am 9. 12. 17, 15. 12. 17 und einige am 30. 12. 17. 


14. Star (Sturnus vulgaris L.). 

Wenn er auch in Venetien nicht so zahlreich überwintert 
wie im baumreicheren österreichischen Grenzgebiet, so trifit man 
ihn auch dort in gröfseren und kleineren Schwärmen an. Ich 
vermerke am 16. 12. 17 südlich von Latisana ungefähr 100 Stücke, 
am 29. 12. 17 in Udine überall in den Gärten, am 1.1. 18 ver- 
einzelte und gröfsere Trupps, darunter auch einige Exemplare 
singend zwischen Latisana und San Giorgio. 


15. Eichelhäher (Garrulus glandarius (L.) ). 


Nur ein einziges Stück kam mir am 1. 1. 18 bei Muzzana 
vor Augen. 

16. Elster (Pica pica L.). 

Die Elster ist der Charaktervogel Süd-Venetiens. Überall 
auf den Wiesen, in den Weingärten, auf den einzeln stehenden 
Pappeln in den Auenbeständen treibt sie sich meist einzeln, auch 
paarweise, seltener in kleinen Gesellschaften umher. 


17. Dohle (Colaeus monedula (L.) ). 
Mit Sicherheit gehört habe ich nur eine am 1. 1. 18 bei 
Muzzana. Sie ist aber jedenfalls, so wieim Küstenland, in grofser 
Anzahl den dort überwinternden Saatkrähenschwärmen beigesellt. 


18. Saatkrähe (Corvus frugilegus L.). 


Was Vogelmassen sind, habe ich während meines drei- 
monatlichen Aufenthaltes auf Helgoland zur Genüge kennen ge- 
lernt, was aber Wolken von Vögeln sind, das lernte ich erst in 
Venetien kennen. In der Tat hatte noch keine ornithologische 
Erscheinung einen solchen überwältigenden Eindruck “auf. mich 
gemacht, wie diese’ im wahrsten Sinne des Wortes die Sonne 
verfinsternden Kräbenwolken, die sich südlich von Latisana auf 
den Sumpf- und Brachfeldern niedergelassen hatten, um dann bei 
einer Störung in vielen Kilometer langen und breiten dichten 


138 Eduard Paul Tratz: 


Massen aufzufliegen, vom Wind getrieben die sonderbarsten Evo- 
lutionen maehten und einer schwarzen Wolke gleich hin- und 
herschwebten. Grofse Schwärme von einigen tausend Stücken 
konnte man täglich, sowohl in lockerem Zusammenhang, als sich 
dicht beisammen haltend, morgens nordwärts, abends südwärts 
flilegend beobachten. Aber eine solche Anzahl wie am Nach- 
mittage des 16. 12. 17, wo Hunderttausende von Saatkrähen bei- 
sammen waren, sah ich noch nie. Mindestens während einer 
halben Stunde flogen damals dicht über dem Boden in ununter- 
brochener Reihenfolge und einer ungeheuren Breitenausdehnung 
Krähenmassen auf Krähenmassen über die Landschaft um sich 
bald darauf wieder niederzulassen und wieder weiterzufliegen, 
gewissermalsen im Reldeflug die ganze Gegend nach Nahrung 
absuchend und dann auf einmal auffliegend und gegen Osten zu 
verschwinden. Am 1. 1. 18 um 5 Uhr abends beobachtete ich 
vom Hafen in Porto Nogaro aus im Westen gleichfalls eine hoch 
in den Lüften alle möglichen Formen bildende Kräbenwolke, die 
von der Stärke der vorbeschriebenen, vielleicht sogar diese selbst, 
gewesen sein dürfte. 

Woher mögen wohl diese ungeheuren Mengen Saatkrähen 
stammen? Es wäre dringend zu wünschen, den Saatkrähen- 
kolonien zwecks Beringung ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. 
Leider haben wir in Österreich zu wenige, um einen diesbezüg- 
lichen grofszügigen Erfolg erzielen zu können. Vielleicht wäre 
das im Deutschen Reiche erfolgreicher! 


19. Nebelkrähe (Corvus cornix L.). 

Auch die Nebelkrähe dürfte in gröfseren Mengen unter den 
vorangeführten Krähenscharen verstreut sein, doch konnte ich sie 
mit Bestimmtheit nur am 1.1.18 bei Muzzana in 2 Exemplaren 
erkennen. 

20. Eisvogel (Alcedo ispida L.). 
E on 12. 1. 18 sah ich an der Küste bei Marano 1—2 Eis- 
vögel. 
21. Mäusebussard (Buteo buteo (L.)). 

Vereinzelte Exemplare kamen zur Beobachtung am 14. 12. 
17 bei Muzzana, am 17. 12. 17 bei Latisana und am 1. 1. 18 
abermals bei Muzzana. 


22. Turmfalke (Cerchneis tinnunculus (L.)). 
Südlich von Latisana waren am 16. 12. 17 zahlreiche kleine 
Raubvögel, worunter auch viele Turmfalken. Am 17. 12. 17 
rüttelte einer bei Latisanotta. 


23. Sperber (Accipiter nisus (L.) ). 
Unter den vielen kleinen Raubvögeln am 16.12. 17 südlich 
von Latisana waren auch zahlreiche Sperber, aufserdem sah ich 
je 1 Stück am 1. 1. 18 bei Muzzana und San Giorgio. 


Ornithologie des stidlichen Venetiens und des Küstenlandes. 139 


24. Wachtelkönig (COrex cerex L.). 
Bei Muzzana hörte ich am 1. 1. 18 sein „Schnarren“. 


25. Mittlere Bekassine (Gallinago gallinago L.). 
Ein Stück flog vor mir am 16. 12. 17 südlich von Latisana auf. 


26. Kiebitz (Vanellus vanellus L.). 

Ebenfalls am 16. 12. 17 trieb sich eine Gesellschaft von 

20 bis 30 Kiebitzen südlich von Latisana auf einem Acker umher. 
Am 20. 12. 17 fliegen bei Muzzana 10—12 Stücke. 


27. Stockente (Anas boschas L.). 


Sowohl im Mündungsgebiet des Tagliamento, wie bei Ma- 
rano (12. 1. 18) als auch südlich von San Giorgio gibt es Un- 
massen von Enten, worunter ein grofser Teil Stockenten sind. 


28. Südliche Silbermöwe 
(Larus argentatus cachinans Brünn.). 

Am 12. 1. 18 sah ich bei Marano auf dem zugefrorenen 
Strandgebiet viele Silbermöwen. Es mögen wohl auch Lach- 
(Larus ridibundus), Sturm- (Larus canus) und so manche 
andere Möwenart darunter gewesen sein, doch war ihre Unter- 
scheidung infolge der Entfernung nicht möglich. 


29. Zwergtaucher (Podiceps minor Lath.). 
Im Hafen von San Giorgio schwamm am 1. 1. 18 1 Stück. 


IH. Küstenland. 


Die adriatische Küste dürfte zur Vogelzugsbeobachtung 
kaum einen günstigeren Punkt aufweisen als das küstenländische 
Ufer um die Bucht von Panzano, nordwestlich von Triest. Das 
Strand- und Schilfwiesengebiet der sich dort befindlichen Isonzo- 
mündung, Sdobba genannt, bietet im Frühjahr ein derart mannig- 
faltiges Vogelleben, sowohl an Arten wie an Individuen, wie ich 
es höchstens im Norden Deutschlands, auf den Friesischen Inseln, 
angetroffen habe. Dank meines militärischen Aufenthaltes in der 
nur wenige Kilometer von der Küste entfernt gelegenen, heute 
völlig zerschossenen Ortschaft Dobbia bei Ronchi, war es mir 
nicht nur möglich das Vogelleben des Landes, sondern auch des 
Strandes in ständigen Augenschein zu nehmen. Dazu kam noch 
die für ornithologische Beobachtungen günstige Zeit vom 3. Januar 
1918 bis 26. März des gleichen Jahres. Mein Dienst gestattete 
mir zudem noch eine intensivere ornithologische Betätigung wie 
bisher, sodals ich einen ganz guten Überblick über das dortige 
Vogelleben erhalten konnte. 


140 Eduard Paul Tratz: 


Wandert man auf der Strafse von Latisana nach der bereits 
auf österreichischem Boden gelegenen Stadt Cervignano, so muls 
selbst dem ungeübten Auge der Unterschied in der Reichhaltigkeit 
des Vogellebens zu Gunsten der letzteren auffallen. Sobald man 
in die Gegend von Cervignano kommt, umgibt einem ein Singen 
und Lärmen aus unzähligen, wenn auch gerade nicht immer der 
tonbegabtesten Kehlen und überall regt es sich, fliegt und tummelt 
es sich umher. Das bedingt natürlich in erster Linie die weitaus 
reichere Vegetation und Bodenbepflanzung. Das Küstenland ist 
ein grofser Garten. Viele Auen, Pappelbestände und kleine 
Laubwaldungen wechseln mit grofsen Wiesen, Ackern und Wein- 
gärten ab. 

Genau so wie um Latisana, bzw. im südlichen Venetien, 
bietet das südliche Küstenland bereits einem Teil unserer Zug- 
vögel Winterquartiere.. Nur sind im Küstenland einige Ab- 
weichungen, wovon die auffallendste die Zusammensetzung dieser 
grofsen Corvidenschwärme ist. Werden diese unendlichen Massen 
in Venetien von, ihren Mengen nach, frugilegus, mit Dohlen 
und cornix gebildet, so setzen sich diese Schwärme, die an 
Massenhaftigkeit an Individuen den vorgenannten durchaus nichts 
nachgeben, im Küstenland aus Dohlen und frugilegus mit 
cornix zusammen. Der Grund dieser Erscheinung ist mir nicht 
ganz klar, denn im grofsen und ganzen sind in Venetien und im 
Küstenland die gleichen Lebensbedingungen. Es mülste denn nur 
sein, dafs die Schlafplätze ausschlaggebend sind. Denä’soviel ich 
feststellen konnte sind im venezianischen Küstengebiet keine 
gröfseren Auen, die umfangreichere Bestände hochstämmiger 
Bäume (Pappeln) enthalten. Im Küstenland sind davon aber, 
speziell auf dem linken Ufer des Isonzo, genug. — Vielleicht 
trägt dieser Umstand dazu bei, die Dohlen, die lieber hoch sitzen 
wollen, nach Osten zu verteilen. Die Saatkrähe nimmt eher mit 
niederen Bäumen und sogar Strauchwerk vorlieb. — Aber es ist 
das blofs eine Vermutung, möglicherweise liegt der Grund zu 
dieser Trennung ganz wo anders. Erwähnt mag auch werden, 
dafs den eigenen Beobachtungen nach im Küstenland die Bora 
viel heftiger fühlbar ist als in Venetien. Ob das Regel ist oder 
nur zur Zeit der Beobachtung der Fall war, vermag ich nicht zu 
entscheiden. 

Das in der vorliegenden Arbeit in Betracht kommende 
engere Beobachtungsgebiet ist die Umgebung, namentlich die 
südlich von Dobbia bei Ronchi gelegene Gegend bis zur 
_ Küste. Es ist das eine an Auen, Schilf- und Brachwiesen, sowie 
“ Äckern reiche Landschaft. Namentlich die Auen und Sumpfwiesen 
haben dort eine viele Kilometer lange Ausdehnung und sind 
vielfach von einer kaum durchdringbaren Dichtigkeit. Das Küsten- 
gebiet ist teilweise sandiger Strand, zum Teil bis an das Wasser 
verschilft. Also der denkbar günstigste Aufenthaltsort für Strand- 
und Sumpfvögel. 


- 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 141 


Die Besitzer dieser ganzen Gegend, die Herren von Dottori 
in Ronchi, haben sich das auch zu Nutze gemacht und im süd- 
lichsten Teil, am Isonzo, eine sehr hübsche, heute leider von den 
Italienern zerstörte Jagdvilla gebaut, die den Namen „Aberone“ 
führt. Von dort aus unternahmen sie früher äufserst ergiebige 
Jagdfahrten auf Enten und anderes Wassergefligel. Auch die 
Italiener, die dort ihre hinlänglich bekannten Sdobba-Batterien 
eingebaut hatten, schienen die- Entenjagd stark betrieben zu 
haben, wie aus den vielen gefundenen, aus Holz geschnitzten 
Lockenten zu ersehen ist. 

Aufser den eben angeführten Namen Dobbia und Abe- 
rone werden sich im Nachfolgenden noch folgende Ortsbezeich- 
nungen finden: Begliano, Bestrigna, Cervignano, 
Matarussi, Monfalcöne, Arris, Perteole, Opcina, 
San Canziano, „Paradiso“ als Abkürzung für den 
Namen des Gehöftes Maserio Paradiso, wo ich mein Lager 
aufgeschlagen hatte, San Giovanni, Staranzano und 
Villa Vicentina. Alle diese Ortschaften sind teils in der 
näheren, teils in der weiteren Umgebung von Ronchi. Ponte 
Collusso ist die Bezeichnung der südlichsten Isonzobrücke und 
Sdobba jene des Mündungsgebietes des Isonzos. Eine 
durch Lagunen, Schilf- und Sumpfwiesen, nebst grofsen Auen 
ausgezeichnete Gegend. 

So wie in Venetien wurde auch im Küstenland eine Reihe 
besonders bemerkenswerter Überwinterer angetroffen und- zwar 
folgende: Erithacus rubeculus, Pratincola rubicola, Phylloscopus 
rufus, Motacilla alba, Budytes flava, Anthus pratensis, A. trivi- 
alis, Alauda arvensis, Sturnus vulgaris, Corvus frugilegus, die 
unzähligen Colaeus monedula, Buteo buteo, Uerchneis tinnunculus, 
Accipiter nisus, Circus cyaneus, Columba palumbus, Rallus aqua- 
ticus, Scolopax rusticola, Gallinago yallinago, G. gallinula, Trin- 
goides hypoleucos, Vanellus vanellus und Anser anser. 

Im ganzen wurden mit Sicherheit 58 Vogelarten festgestellt. 
Aufserdem ist das Vorkommen von 13 Arten als möglich erwiesen. 
Alle diese Beobachtungen beziehen sich jedoch nur auf die Zeit 
vom 1. Jauuar bis Ende März. Während des ganzen Aprils war 
ich abwesend und im Mai und Juni habe ich zu den vorgenannten 
58 bzw. 71 Arten noch 20 weitere, wohl als Brutvögel, nach- 
gewiesen. Diese sind: Erithacus luscinia (geradezu häufig), 
Sazxicola oenanthe, Sylvia atricapılla, 8. curruca, S. communis, 
S. nisoria, Parus palustris, Hippolais icterina, Muscicapa grisola, 
Emberiza cirlus, Lanius collurio, Hirundo rustica, H. urbica, 
Apus apus, Jynz torquilla, Oriolus oriolus, Oucculus canorus, 
Coturnix coturnix, Crex crex und Hydrochelidon nigra. 

Somit beläuft sich die Zahl der von mir bisher in der Ebene 
des Küstenlandes beobachteten Vogelarten auf 91. Dr. Schia- 
vuzzi weist in seiner vorzüglichen Arbeit: „Materiali per un’ 
avifauna del territorio di Trieste fin a Monfalcone e dell’ Istria“ 


142 Eduard Paul Tratz: 


Trieste 1883 allerdings 275 aus. Aber meine Beobachtungen sind 
das Resultat von 5 Monaten und jene von vielen Jahren. Hätte 
ich übrigens meine Zeit völlig der Ornithologie widmen können, 
so wäre bestimmt auch meine Anzahl gröfser ausgefallen. Nun, 
vielleicht ein anderes Mal, unter anderen Verhältnissen |! 


Auszug aus dem Tagebuch, 
bei besonderer Berücksichtigung der Witterung und der 
jeweils zur Beobachtung gekommenen auffallendsten 
Vogelerscheinungen. 


3. 1. 1918. Schön, aber eiskalte Bora, auffallend lebhaftes 
Vogelleben. Kleinvögelschwärme, Raubvögel, [Emberiza citrinella, 
Alauda, Fringilla coelebs, Anthus, buteo, tinnunculus, accipiter). 

4. 1. Schön, kalte Bora, wenig Vögel. Feldlerchen 
lassen ihren charakteristischen Zugruf hören. Am Meeresufer 
sollen tausende von Enten sein. 

5. 1. Schön, fast windstill aber sehr kalt. Viele Rot- 
kehlchen.und Stare, 1 Pratincola rubicola. 

6.1. Trüber, kalter Tag. Armes Vogelleben. 1Schnepfe 
und 2 Drosseln. Nachts leichter Schneefall. 

7.1. Trüb, mittags beginnt es zu regnen. Wie gestern. 
8. I. Regentag. 1 Flu[lsuferläufer, 

9.1. Ungefähr 8 cm Schneedecke. 1 FPhylloscopus rufus. 

10. I. Schön. 2—3 Heidelerchen. 

11. I. Schön, sehr kalt. Viele rubeculus, und ungefähr 
100 Gänse fliegen nordwärts. 

12. I. Schön und kalt. Fahrt über Canziano — Isonzo — 
Villa Vicentina — Cervignano — Torre Zuino — San Giorgio — 
Porto Nogaro — Carlino nach Marano und zurück. Überall 
Schneedecke. 2—3 rubicola, auf dem zugefrorenen Meer bei 
Marano lebhaftes Strand- und Schwimmvogelleben. 

13. I.: Regentag. 

14. 1. Schön und kalt. Fahrt nach Cervignano. 

15. I. Schön, teilweise bewölkt. Fahrt über Isonzo — 
San Valentino — Aquileja — Belvedere. Im MeereSchwimm- 
vögel (Enten) * 

16. I. Regentag. Pieper. 

17. I. Regentag, sehr viele Bachstelzen und Pieper. 
Nachmittags Fahrt nach Monfalcone — Duino — Nabresina — 
Opcina. Vermutlich waren 2 grofse Raubvögel, im Sumpfgebiet 
zwischen Monfalcone und San Giovanni, Seeadler. 

18. I. Sehr neblig. Fahrt zurück nach Dobbia. 

19. I. und 20. I. Nebliges, feuchtes Wetter. Wenig Vögel 
überall. 

21. I. Nebliges, tagsüber aufheiterndes Wetter. Im Gebiet 
der Isonzomündung (Sdobba) entdecke ich abends auf den 
hohen Pappelbeständen der Au die Schlafplätze der täglich 


Fa 2. 02», 
Sy 


 Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 143 


südwärtsziehenden frugilegus, cornixz, und colaeus Massen. 
1 Kornweihe. Nicht soviel Kleinvögel wie bisher, Emberisa 
eitrinella finde ich überhaupt keine. Abends schreit ein Kiebitz. 

22. I. Nebeliges, warmes, gegen Abend aufheiterndes Wetter. 
Ca. 100 Anser, 1 Strix flammea wird mir gebracht, etwa 
50 Columba palumbus gesehen. Wenig Kleinvögel. 

23. I. Nebeliges, warmes, nachmittags aufheiterndes Wetter. 
Isonzomündung viele Elstern und Pieper (pratensis), 
Tausende Dohlen, wenig frugilegus und cornix. VieleEnten. 
Abends 2 Kiebitze gehört. Gröfserer Schwarm Stare. 

24. I. Nebelig, warm. Viele Pieper, speciell irivialis. 
Die Dohlenschwärme ziehen morgens um 1/,8 Uhr nordwärts und 
abends um 1/6 Uhr südwärts. Ein toter Bussard wird ge- 
funden. Nachts schön aber kalt. 

25. I. Herrlicher, frischer Tag. Viele Pieper und 
B h ssarde. 1 Zitronenfalter. 1—% Phylloscopus rufus. Nachts 
schön. 

26. I. Herrlicher Tag. Viele coelebs, 1 Lanius excubitor 
beim angebundenen Bussard. Im Passer italiae regt sich 
bereits die Liebe. 

27. 1. Dichter Nebel, 1—3 Pieper, 1 verletzter Turm- 
falk og‘ wird gebracht. 

28. I. Dichter. Nebel während des ganzen Tages. Eine 
Bachstelze gehört. 

29. I. Dichter Nebel. 1 Rallus aquaticus erhalten. 

30. I. Prächtiger Tag. Pieper, alba, 1—2 merula Q'. 

31. I. Schöner, warmer Tag. 1 alba, einige Pieper. 
An der Isonzomündung 6 buteo, viele Möwen (cachinans), 
Strandvögel und Enten. Auffallend viele Elstern.- 
Abends 2 Strix flammea auf Nahrungssuche. 8—10 Vanellus. 

1. II. Prächtiger Frühjahrstag. merula J', tinnunculus, 
buteo, 12 Elstern im Trupp vereinigt bei Bestrigna. 1 Pratin- 
cola rubicola, T Anser, 3 Schwanzmeisen im Schilf dicht 
am Meer. Zuerst dachte ich Bartmeisen vor mir zu haben. 
1—2 Alcedo. 

2. ll. Prachtvoller Tag. Morgens streichen 40 Gänse 
nordwärts. Seit langem wieder ein halbes Dutzend citrinella, 
1 alba, 1 garrulus, 10 Stare. An der Sdobba 6—10 buteo, 
6 Zinnunculus, viele Strandvögel und Enten. 3 anser 
südwärts. 2 boschas, 1 Alcedo, viele cachinans, Elstern wieder 
in Gesellschaft an gleicher Stelle wie gestern. 

3. II. Prächtiger Tag. Mindestens 10—15 buieo, 7 Columba 
palumbus, 1 aceipiter, 2—3 tinnunculus, Stare,Häher, 1Grün- 
fülsiges Teichhuhn, 1—2 Gallinago gallinago, coelebs O' 

‚in kleinen Trupps, viele Elstern und Stieglitze. In der 
Au auf dem Weg ein Fuchs. 

4. 1I. Prachtvoller Tag. Vormittag ziehen 8 Anser west- 

wärts. Überall buteo, nisus, tinnunculus. Pieper gehört. — 


144 Eduard Paul Tratz: 


Abends am Schlafplatz der Dohlen. Um !/,6 kommen sie, wie 
auf Kommando, von allen Seiten in grolsen, geschlossenen 
Gesellschaften in wechselvollen Flugbildern daher, kreisen, steigen 
und fallen über den grofsen Pappeln, ihren Schlafbäumen, bis sie 
endlich den richtigen Platz gefunden haben. Der Lärm, den sie 
dabei machen, ist geradezu betäubend. 


5. II. Schön, früh kalt, tagsüber sehr warm. 1 buteo wird 
gebracht. Die Dohlen fliegen heute abend auffallend nieder 
in langgezogenen Schwärmen. 

6. II. Schön. 10 alauda, 1-3 Pieper. Die Dohlen 
fliegen auch heute nieder. 

7. I. Trüb, nebelig. 

8. II. und 9. II. nebelig. 

10. II. Schön. 13 Vanellus fliegen nordwestwärts. 1 Strix 
flammea wird gebracht. 

11. II. Schön, doch unsichtig. Viele galerida, 1 Budytes 
flava, corniz paarweise. 

12.—20. Il. abwesend. 

21. II. Schön, gegen Mittag überzogen. Vielleicht 4 Zitis 
bei Dobbia. Die Vögel sind derart scheu, dafs sie bei Annäherung 
schon von weitem abfliegen. 1 Steinkauz ruft am Abend. 


22. II. Schön doch diesig. 1 FPratincola singt. Eine 
eitrinella ist schon seit 3 Tagen an gleicher Stelle, 10 Stare. 
Überall coelebs. 

23. II. Schöner, * frischer Tag. Besonders lebhaftes 
Sperlingsgezwitscher. 

24. und 25. Il. Schön, warm. Nichts von Bedeutung. 
In der Nacht bei Vollmond sind ziehende Enten zu hören, 
aulserdem perdix Laute. 

26. II. Herrlicher Tag. An der Sdobba lebhaftes Zug- 
vogelleben. 1Brachvogel, 2 Gallinago gallinula, 2 Anthus 
aquaticus, 1 chloropus, 2 tinnunculus 9, 9 halten sich auffallend 
bei einem zerschossenen Haus in Bestrigna auf. 6 buteo, 
10 Krickenten. Überall viele Elstern. 2 Gänse auf 
einem Acker. Abends ruft nociua lebhaft. 

27. II. Prächtiger Tag. In der Früh ziehen lockere 
frugilegus-Schwärme O—W. 1. coelebs-Schlag in Ronchi. Nachm. 
bei Villa Vicentina 1 fava. Abends besonders lebhafte noctua-Rufe. 

28. II- Trüber Tag. Die Hoden der ‘Passer italiae JS 
noch normale Gröfse 1 alba, 1 alauda, 2 rubeculus. Abends 
regnet es. Auch das Ovar von Dbuteo ist noch klein. 


1. III. Regnerischer, aber warmer Tag. Zugtag. 1 0! 
2 9P rubieola, 1—2 rubeculus, 1 corniz, 100—150 vanellus, 
2 perdixz, 1 Lanius excubitor, 50 Stare, viele Elstern,. 
3—5 garrulus, Enten spec.? sollen täglich bei Maserio Paradiso, 
auf einem Bach einfallen. 1 Gallinago, 1 alba, Trupps von 
Pieper wohl irivialis. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 145 


2. III. Regnerischer, lauwarmer Tag. 3—5 alauda, 
1 Pratincola spec.? 

3. III. Regentag. Nichts auffallendes. 

4. III. Schön, nm. überzogen. 1 rwubicola, paar Lerchen. 

5. III. Prachttag, abends starke Bora und teilweise be- 
wölkt. Lebhafter coelebs Gesang, 1 motacilla, paar Pieper, 
3 Drosseln spec.?, 1-2 garrulu, 1 Lanius excubitor, 
25-2 Stare. Angeblich Gänse, erstes Froschquacken. 

6. III. Regnerisch, sehr windig (Bora), alltägliches Vogel- 
leben. Nachts sehr stürmisch. 

7. III. Regnerisch, starke Bora, kalt. 

8. IIl. Überzogen, schwache Bora. Drosselrufe. noctua- 
rufe allabendlich. 

9. III. Aufhellendes Wetter. Allem Anschein nach etwas 
Zug. 1 accipiter 9, 1—3 alauda, 1—3 Erithacus tilis??, 
30—50 Gänse. 

10. II. Schön. 1—-3 Drosseln, 1—2 rubicola, coelebs 
singen überall. 

11. III. Prachtvoller Tag. Zwischen Begliano und Ronchi 
eine Circus cyaneus, überall carduelis, ebenso vereinzelte rubicola 
und galerida; keine Krähen. 

12. III. Prächtiger Tag. 1 Turdus philomelos, rubicola, 
viele Feldsperlinge. Angeblich sollen gestern 2 Fasane 
gesehen worden sein, 1 motacilla. 


13. Ill. Schön, warm. Wie gestern; abends ruft ein Perdix JS". 


14. III. Schön, jedoch starke Bora. An der Sdobba 6 buteo, 
die beiden Turmfalken bei Bestrigna. 1 Gallinago, vielleicht 
einMerlin, der einen kleinen Vogel fängt. 6 Vanellus J' u. 9, 
merula, vereinzelte rubicola, 1 Turdus, Enten paar- und gruppen- 
weise, grofse Gesellschaft von Piepern. Vereinigte Elstern, 
1 cornix, viele montanus, 3—4 Fulica atra auf einem Seitenarm 
des Insonzo's. Sturm- und Silbermöwen. 

15. III. Schön, aber kalte, heftige Bora. Nichts Bemerkens- 
wertes. 

16. III. Schön, schwache Bora. 2 Vanellus, paar frugtlegus, 
n IR 1 Phyllos. rufus, abends ruft noctua wieder besonders 
ebhatt. 

17. III. Prachtvoller Tag, windstill. 1-2Weidenlaub- 
sänger, überall singen Lerchen und vereinzelt coelebs. 
Nachmittags an der Sdobba. Über dem Isonzo kreisen 5 Ardea 
cinerea, 15—20 Anas crecca, 1 91, 299 Anas boschas, 2 alcedo, 
viele Anthus spinoletta, 2 alba, 2—3 buteo, 1 FPodiceps minor, 
vereinzelte und paarweise Elstern, 2—4 Amseln, 2 Aegi- 
thalos caudatus, viele carduelis und Drosseln. Argentatus 
wie immer. 50 Vanellus fliegen westwärts und 1 Brachvogel 
nordwärts, dem Isonzo nach, viele Stare und 2 rubicola. Abends 
wieder einmal ein Trupp Dohlen. 

Journ, f, Oro. LXVII, Jahrg. April 1919, 10 


146 Eduard Paul Tratz: 


18. IIL. Prächtiger Tag. Bei Aberone 6 buieo, paar rubicola, 
1 cornix, paarweise Elstern. 

19. III. Herrlicher Tag und heifs. Bei Aberone 6 buteo, 
Ein seine Flugkünste zeigender Circus aeruginosus, der kiebitzartige 
Rufe hören läfst. 1 grofser Bracher, 2 Anas boschas, 
überallRotkehlchen, 1ridibundus, ca..6 Drosseln, viele 
Enten undStrandvögel, wieauch die ständigen Möwen. 

20. III. Schön, etwas diesig. Überall singende rubicola, 
vereinzelte coelebs, mehrere rubeculus, paar singendeLerchen. 

21. III. Schön. Nichts von Bedeutung. (Fahrt nach Görz.) 

22. III. Schön, diesig. Bei Matarussi 2 buteo, die beiden 
JS und 9 tinnunculus in Bestrigna; rubicola, citrinella. Abends 
beobachtete ich durch längere Zeit zwei sich paarende Athene 
noctua. 

23.—25. III. Schön und heifls. Nichts auffallendes. 

26. III. Starke Bora, überzogen, wie vorher. 


Systematische Übersicht der im Küstenland 
beobachteten Vögel. 


1. Singdrossel (Turdus musicus L.). 


Während der ganzen Beobachtungszeit waren hin und wieder 
vereinzelte Drosseln anzutreffen, doch vermochte ich infolge der 
Entfernung nicht immer die Art mit Bestimmtheit zu erkennen. 
Es kann daher sein, dafs ein oder das andere Datum eine andere 
Spezies betrifft. Mitte März schienen sie am Durchzug begriffen 
zu sein. Ich notiere: Dobbia 6. I. 2, 21.1. 1, 5. II. 3, 7. II. 
gehört, 10. III. 1—3, 12. III. 1; Stobba 14. III. 1, 17. III. viele, 
19. III. ca. ein halbes Dutzend. 


2. Amsel (Zurdus merula L.). 

Sie ist durchaus kein häufiger, aber im Buschwerk allent- 
halben anzutreffender Standvogel. Am 14. März scheinen sie 
bereits in Paaren zu sein. Perteole 14. 12. 17 1 9, Cervignano 
2. I. 18 3 9'0', Dobbia 4. I. 1 St., 5.1. 1—2 (9), 6. I. und 7.1. 
je2, 21.1. 1-2, 23. 1 3+5, 25. 1 1.91, 30.1 122. STE 
19°, 2. IL 1.32. 01.99,17. DEDTPABR. 


3. Rotkehlchen (Erithacus rubeculus (L.) ). 


Das Küstenland bietet ihm so wie Venetien bereits eine 
Überwinterung. So konnte man es während des Januars häufig 
antreffen, im Februar schon vereinzelter und im März schien es 
mit Ausnahme des einen oder anderen Brutpaares auf dem Durch- 
zug zu sein. Notierungen: Perteole 14. XII. 17, Cervignano 
2. 1. 18 1, Dobbia 5. I. auffallend viele, 6. I. mehrere, 7. I. 2—5, 
8. I. 1—2, 25. I. paar, 31. L, 1. IL, 3. II. je einige, 28. II. 2, 
1. III. 1—2, 19. III. dort und da, 20. III. mehrere. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 147 


Hausrotschwänzchen (Erithacus titys (L.) ). 

Den Hausrotschwanz vermute ich nur am 21. II. bei Dobbia 
in 4 Stücken gesehen zu haben. Sonst traf ich ihn, sowie das 
Gartenrotschwänzchen (Erithacus phoenicurus L.) nirgends 
an. Erst im Mai schien ein vereinzeltes Paar Zitys in der Nähe 
des völlig zerstörten Dorfes Selz bei Ronchi sein Lager 'auf- 
geschlagen zu haben. (Cfr. meinen Artikel: „Ornith. Beob. im 
Mai und Juni d. J. 1918 im Küstenland‘“ Orn. Mtschrift. XLILL. Ihrg. 
p. 271—277.) 


Braunkehliger Wiesenschmätzer (Pratincola rubetra L.). 

Den Wiesenschmätzer konnte ich gleichfalls nirgends finden. 
Möglich ist es, dafs ein am 28. II. gehörter, doch undeutlich 
wahrnehmbarer Gesang von rubetra stammte. Dagegen ist ein 
sehr häufiger Vogel der 


4. Schwarzkehlige Wiesenschmätzer 
(Pratincola rubicola L.). 

Ihn traf ich sowohl im Januar und Februar, als auch im 
März an. Seine Besiedelung dürfte mit Beginn des März erfolgen 
und deren Höhepunkt zu Mitte dieses Monats erreicht haben. 
Notierungen: Dobbia 5. I. 18 1, 1. Il. 1, 22. II. 1 singendes g', 
EUR 1029972, 4,6. ”und. 10.-IIL je 1—2 S% 11.) MM: 
überall vereinzelt, 12. Ill. 1 9‘, 14. III. überall vereinzelte Stücke, 
17. III. 2, Sdobba 18. III. paar, Dobbia 20. III. überall singend. 


Rohrsänger (spec.?). 

Am 2. Il. hörte ich im Schilf der Sdobba, Rohrsängerlaute 

und sah auch flüchtig 1 bis 3 kleine Vögelchen. Welcher Art 
sie angehörten, konnte ich nicht feststellen. 


5. Weidenlaubvogel (Phylloscopus rufus (Bechst.) ). 
Auch der Zilpzalp verbringt in einzelnen Exemplaren die 
Wintermonate still im Ufergestrüpp der küstenländischen Bäche. 
Er hält sich zu dieser Zeit fast nur dicht über dem Boden auf 
und läfst keinen Ton von sich hören. Dobbia: 5. I. 18, 9. L, 
10. 1., 16.1. und 25.1. je ein Stück an einem Bach. ‚Am 16. IIL, 
17. III. und 19. III. an verschiedenen Orten je 1 Stück. 


6. Zaunkönig (Zroglodytes troglodytes (L.). 
Im ganzen Gebiet vereinzelter Standvogel. Seinen Gesang 
hörte ich nur am 23. ll. 


7. Kohlmeise (Parus major (L.)). 
An bestimmten Örtlichkeiten ist sie stets in einem bis zu 
6 Stücken anzutreffen gewesen. Meisten war sie zu dritt. Meine 
10* 


148 Eduard Paul Tratz: 


Aufzeichnungen beziehen sich auf die ganze Beobachtungszeit. 
Erwähnt sei hier nur eine am 4. und 5. März an gleicher Stelle 
angetroffene Kohlmeise, die genau so „tschilpte‘“‘ wie ein Haus- 
sperling. 

8. Schwanzmeise (Aegithalus caudatus L.). 

Am 1. Februar safs ich auf der Schwimmvogelpasse auf 
einer weit in das Meer hinaus vorgeschobenen Landzunge im 
Schilfdickicht. Einen Meter vor mir bereits das offene Wasser. 
Da erschienen drei Schwanzmeisen dicht neben mir im Schilf. 
Ich konnte es zunächst gar nicht glauben, dafs es wirklich Aeg:- 
thalos sein soll und vermeinte schon die Bartmeise vor mir zu 
haben, aber es waren doch Schwanzmeisen. Am 17. März sah 
ich abermals 2 Stücke in der Au am linken Isonzoufer. 


9. Weifse Bachstelze (Motacilla alba L.). 


Sie kam während aller drei Monate, jedoch mit einer 
Ausnahme, nur einzeln vor. Notierungen: Dobbia 4. I. 18, 
15.1. je 1, 17. IL. mehrere, 30. L,' 31. 1,1. U, 2 Ba 5 
1. III, 5. IIL, 12. 1II. je ein Stück, am 17. Ill. 2. 


10. Schafstelze (Dudytes flava L.). 


Auch die Schafstelze traf ich während der Wintermonate 
im Küstenland au, jedoch nie so zahlreich wie in Venetien, stets 
nur in einem Exemplar. Beobachtungen: Perteole 14. XII. 17 
1 St, Dobbia 7. I. 1, 17. I. vielleicht paar, 11. II. 1 St, Villa 
Vicentina 27. II. 1, und Dobbia 16. Ill. 1 Stück. 

Ich will hier aufserdem noch unsichere Beobachtungen über 
Bachstelzen einfügen. Ich hörte oder sah solche hoch oder weit 
fliegend am 11. L, 26. 1. 1—2, 28. I., 3. Il., welcher Art sie 
angehörten vermochte ich nicht festzustellen. 


11. Wiesenpieper (Anthus pratensis (L.) ). 

Von den in der zweiten Hälfte hier durchziehenden Piepern 
dürfte ein grolser Teil aus Wiesenpiepern bestanden haben. 
Ich vermerke solche bei der Sdobba am 23.1. viele, ebenso am 
24. I. bei Dobbia und am 25. I. wieder in der Sdobba. 


12. Baumpieper (Anthus trivialis L.). 


Die hier folgenden Notierungen dürften sich zur Mehrzahl 
auf den Baumpieper beziehen, doch bemerke ich gleich, dafs es 
mir nicht immer möglich war, die Artzugehörigkeit mit Sicherheit 
zu bestimmen. Ich füge am Schlusse noch Beobachtungen an, 
die wohl Pieper betreffen, aber welche Art, das vermochte ich 
mit bestem Willen nicht festzustellen. Notierungen: Cervignano 
2. I. mehrere, Dobbia 3. I., 4. I, 16. I. kleine Trupps, 17. L, 
24. I, Sdobba 25. I. viele und 1. III. und 5. Ill. je paar. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 149 


Unsichere Pieperbeobachtungen: Dobbia 27. I. 1-3, 30. L, 
31. I. einige, 3. IL. 1, Sdobba, 3. II. Schwarm, 4. II. und 6, IR 
je 1—3. 
13. Wasserpieper (Anthus spinoletta L.). 


Den Wasserpieper traf ich nur zweimal an, und zwar in 
Aberone am 26. II. 2 Vögel und auf einer langen Sandbank des 
Isonzo’s am 17. III. viele kleine und grofse Gesellschaften. 


14. Goldammer (Emberiea citrinella L.). 

Im Januar war die Goldammer meist in gröfseren und 
kleineren Gesellschaften, auch vermischt mit Finken, auf den 
Strafsen und Brachfeldern um Dobbia häufig. Ende Januar ver- 
schwanden sie einmal völlig und am 2. Il. erschien wieder ein 
halbes Dutzend. Dann finde ich erst wieder am 20. Februar 
durch mehrere Tage ein Stück an gleicher Stelle, wo ich sie 
auch während des März wiederholt sah. Sie dürfte dort gebrütet 
haben. 

15. Edelfink (Fringilla coelebs L.). 


Einer der häufigsten Vögel während des ganzen Winters. 
Im Januar waren sie, Q'0' und 99, in grofsen Trupps beisammen, 
die sich Anfang Februar bereits aufzulösen schienen. Der erste 
vereinzelte Gesang ertönte in Ronchi am 27. Il. Ab 5. II. 
sangen die Finken recht lebhaft. Im März überall vereinzelt oder 
paarweise. 
16. Erlenzeisig (Chrysomitis spinus (L.) ). 


Um Dobbia fand ich den Zeisig nie. Dagegen sah ich 1 Stück 
am 14. 12. 17 bei Perteole und am 2.1. 18 vermutlich bei Cervignano. 


17. Stieglitz (Carduelis carduelis L.). 


Q" ad. Sdobba 17. III. 1918. 

Der Stieglitz ist in gröfseren und kleineren Gesellschaften 
oft anzutreffen, sowohl in Ortschaften, auf Feldern und in den Auen. 
Ab 11. März traten sie auffallend zahlreich auf. 


18. ItalienischerHaussperling (Passer italiae Vieill.). 


1. O ud. Eat un na 10. 1. Dur 
PN 5 Shi 15:. Ik 
3 ya - - - 15.2.0 
A OBE - - - 1, 12,5 
ae Dobbia — 20: /D.x- 
6.0 - 20. IL - 
LIONE - — DT. IE. HE 
8.0 - - — 6. II. - 
92.Q - - — 6. IL; - 
10. 0' - - —_ 91a: = 
—0Q- - — 9. III. - (Skelett) 
11, 0017 - — 14. Il - 


150 Eduard Paul Tratz: 


Der Haussperling ist in den Ortschaften und in einzelnen 
Gehöften sehr zahlreich. Ich habe absichtlich eine grölsere Reihe 
von ihm gesammelt, da mir seine Artzugehörigkeit paarmal 
fraglich erschien. Es kommen nämlich sowohl typische ifaliae 
in Gesellschaft grauköpfiger, also domestica, und allerlei „Zwischen- 
stufen‘ vor. Ich will vorderhand nichts positives behaupten und 
abwarten, bis mir mein grofses Vergleichsmaterial und die 
nötige Zeit zu eingehenden Untersuchungen zur Verfügung steht. 
Es ist aber jedenfalls des Interesses wert, dieser unleugbaren Tat- 
sache eingehende Beachtung zu schenken. 

Erwähnt mag auch sein, dafs die Hoden der o'0', trotzdem 
bereits am 26. I. Balzversuche beobachtet wurden, selbst im März 
noch nur um weniges die Gröfse eines Stecknadelkopfes übertrafen. 


19. Feldsperling (Passer montanus (L.)). 
Dieser schmucke kleine Vogel ist gleichfalls ziemlich häufig. 
Ich beobachtete bei Dobbia am 4. und 5. I. einige, ebenso am 
25. 1.; am 26. I. eine Schar und am 12. und 14. III. viele. 


20. Feldlerche (Alauda arvensis L.). 
Im Januar war meist ein Schwarm von ungefähr 10 bis 
12 Stücken anzutreffen. Am 4. I. hörte ich auch ihren 
charakteristischen Zugruf, ebenso noch am 27. Il., wo eine nord- 
wärts flog. Im März, — am 1. III, ertönte ihr Gesang zum 
erstenmal — war sie im ganzen Gebiet nur dort und da in einzelnen 
Individuen zu hören und zu sehen. 


21. Heidelerche (Lulula arborea L.). 


Nur einmal, am 10.1. stiegen von einem Brachfeld vor mir 
2 bis 3 Stücke auf. 


22. Haubenlerche (Galerida cristata L.). 
Die Schopflerche ist die häufigste Lerchenart im Küstenland. 
Im Januar beobachtete ich täglich einige, oft bis zu 10 und 
12 Stücken beisammen. Besonders zahlreich waren sie im Anfange 
des Februars. Im März verteilten sie sich bereits, um die Mitte 
dieses Monates waren sie bereits auf und an den Strafsen und 
Brachwiesen, kahlenu Bodenflecken usw. paarweise. 


23. Star (Siurnus vulgaris L.). 


? Paradiso bei Dobbia 9. III. 18, jedoch nur Sternum und 
Becken. Brutvogel ist der Star, wie ich an anderem Ort (Cfr. 
Ornith. Monatsschrift) mitteilte, nur’ in vereinzelten Paaren im 
Beobachtungsgebiet und zwar zwischen Ronchi und Monfalcone. 
Dagegen verbringt er zum Teil in ganz ansehnlichen Gesellschaften 
von 20 bis 50 Stücken den Winter hier. Am 13. XII. 1917 sangen 


FR an N 


Ornithologie des südlichen Venstiens und des Küstenlandes, 151 


viele auf Bäumen in Cervignano und am 30. I. 1918 hörte ich seinen 
Gesang bei Dobbia. — Zuweilen schlossen sich den kleinen 
Schwärmen cornizx und frugilegus, auch colaeus an, oder umgekehrt. 


Kolkrabe (Corvus corax L.). 

Möglicherweise sah ich einen dieser interessanten Raben, 
am 17. I. an der Strafse bei Opeina, in Gesellschaft von Nebel- 
krähen. 

24. Nebelkrähe (Corvus cornix L.). 

Obwohl sie die einzige hier brütende Krähe ist, war sie 
während des Winters im Verhältnis zu den enormen Massen von 
Dohlen und vielen Saatkrähen spärlich vertreten. Ich möchte 
fast behaupten, dafs auf 500 Dohlen und 100 frugilegus blofs 
eine cornix kam. Meist war sie den kleineren Gesellschaften der 
Saatkrähen und Dohlen in 3 bis 5 Exemplaren beigeschlossen. 
Blofs am 8. I. notierte ich „auffallend viele“, das ist aber auch 
nur relativ. 

25. Saatkrähe (Corvus frugilegus L.). 


Q ad. Paradiso bei Dobbia 14. I. 1918. 
4 Schädeln, = - - Anfang ll. - 


In diesen ungeheuren Mengen, wie die Saatkrähen in Venetien 
überwintern, konnte ich sie im Küstenland nicht feststellen. Aber 
immerhin waren sie auch da in einigen Tausend Stücken zusammen- 
geschart und schlossen sich den Unmassen von Dohlen an, um 
alltäglich in der Früh nordwärts, des abends südwärts zu fliegen. 
Die Schlafplätze hatten sie gemeinsam auf den hohen Pappeln 


. der Sdobbaauen. Mit Ende Januar wurden sie immer weniger, um 


in der Mitte des Februars nur mehr in verhältnismäfsig kleinen, 
und wie es schien einheitlichen Schwärmen die Felder nächst 
Dobbia abzusuchen. Im März schmolzen auch diese Überbleibenden 
auf wenige Individuen zusammen, so dafs sie zu Ende dieses 
Monates nur mehr in paar Stücken anzutreffen waren. 


26. Dohle (Colaeus monedula (L.)). 
o' ad. Paradiso bei Dobbia, 18. I. 1918, 

Das was die Saatkrähen in Venetien waren, bildeten die 
Dohlen im Küstenland. Nämlich infolge ihrer Massenhaftigkeit 
als Überwinterer eine der interessantesten ornithologischen Er- 
scheinungen. Während des ganzen Januars bis ungefähr in die 
Mitte des Februars zogen alltäglich, fast zur gleichen Zeit, des 
Morgens um 1/8 Uhr nach Norden und des Abends zwischen 5 
und 1/6 Uhr nach Süden, viele Tausende von Dohlen, meist laut 
schreiend und den Himmel auf viele Kilometer lange Strecken 
wie mit einem Schleier verdeckend. Sie flogen, sowohl hoch und 
übereinander geschichtet und dabei alle möglichen Evolutionen 
machend, so dafs die ganze Gesellschaft von Weiten wie eine 


152 Eduard Paul Tratz: 


vom Wind geblasene Wolke aussah, meistens aber flogen sie, 
namentlich vor schlechtem Wetter, nahezu in einer ungeheuer 
langen und breiten horizontalen Ebene, nicht sonderlich hoch, 
vielleicht 100 bis 150 Meter über der Erde. Um die Mitte des 
Februars hatte ihre Massenhaftigkeit schon bedeutend nachgelassen 
und es schien, als ob sie sich in viele kleinere Gesellschaften, 
die ihre Tagesausflüge, jede für sich unternahmen, geteilt hätten. — 
Am 4. II. entdeckte ich in den Sdobbaauen des linken Isonzoufers, 
auf den hohen Pappeln, ihre Schlafplätze. Es bot in der Tat ein 
hoch interessantes Bild, wie um !/,6 Uhr abends, von allen Seiten 
in grofsen, geschlossenen Gesellschaften diese schwarzen Vögel 
daherkamen und nun über ihren Schlafbäumen ein äufserst 
wechselvolles Flugbild, mit einem Ohren betäubenden Lärm be- 
gannen, bis sie endlich nach langem Kreisen, Steigen und Fallen 
eine jede von ihnen ihren Platz auf einem Ast gefunden haben. 
Dabei schienen sie in der Auswahl der Bäume durchaus nicht 
gleichgültig zu sein, mit besonderer Vorliebe schwangen sie sich 
auf grofse einzeln stehende Bäume ein. So ein Baum sah dann 
oft ganz merkwürdig aus. Anstatt der Blätter bogen sich dessen 
Äste unter Hunderten und Aberhunderten schwarzer Punkte. 
Fast machte so eine Pappel den Eindruck, wie eine in’s Gigantische 
vergröfserte Getreideähre mit dem gefürchteten Mutterkorn 
(Claviceps purpurea). 


27. Elster (Pica pica L.). 


1. ? ad. Paradiso bei Dobbia 19. I. 1918. 
BIKI- - - - 25: IE 


Die Elster ist eine der häufigsten und wohl auch auf- ° 
fallendsten Vögel des ganzen Gebietes. In den Weinfeldern, auf 
den dort eingepflanzten Maulbeerbäumen, wie in den Auen und 
auf den Brachwiesen und Ackern, überall kann man sie meist 
paarweise, aber auch bis zu 5 Stücken beisammen antreffen. Zu 
Ende des Januars, so am 31. I. dann am 1. und 2. Il. sah ich 
regelmäfsig an gleicher Stelle bei der Ortschaft Bestrigna eine 
Gesellschaft von 10 bis 12 Individuen. Im Februar schienen sie 
sich überhaupt im allgemeinen in Trupps zu vereinigen und waren 
diese dann dort und da anzutreffen. Mitte März tauchten sie 
aber schon wieder paarweise auf. Ihre Vorsichtigkeit ist manchmal 
geradezu bewundernswert. Die beiden erlegten Elstern hatten 
Überreste von Kerfen und Würmern im Magen. 


28. Eichelhäher (Garrulus glandarius (L.)). 


Südlich von Dobbia in den Isonzoauen meist paarweise oder 
in kleinen Gesellschaften, aber nicht häufig. Ich beobachtete nur 
am 21. I. 6 St., 25. I 2, 2. II. 1, 3. II. gehört, 1. III. 3—5, 
5. III. 1—2 und 17. III. 2 Stücke. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 158 


29. Raubwürger (Lanius excubitor L.). 

© ad. Paradiso bei Dobbia 5. III. 1918. 

Nur dreimal und da wahrscheinlich stets den gleichen Vogel 
beobachtet, da nach dessen Erlegung keiner mehr zu sehen war. 
Am 26. I. erschien er laut lärmend und Scheulos vor meinem 
gefesselten Bussard. Dann am 1. III. und 5. Ill. bei Paradiso. 
Der erlegte Würger hatte den Kopf einer Feldmaus und Reste 
eines Netzflüglers im Magen. 


30. Eisvogel (Alcedo ispida L.). 
Am linken Isonzoufer und an einem stark verschilften Bach 
gleichfalls nur dreimal angetroffen. So am 1. II. 1 bis 2 Stücke 
und am 2. II. einer. Am 17. Ill. 2 Vögel. 


31. Grofser Buntspecht (Picus major L.). 

Seine Stimme war zeitweise, so im Anfang des Januars, fast 
täglich zu hören. Gesehen habe ich nur am 25.1. ein Stück bei 
Matarussi in der Au. Er ist jedenfalls in mehreren Paaren in 
der Umgebung. 


Kleiner Buntspecht (Picus minor L.). 
Vermutlich sah ich am 21. I. einen Kleinspecht. 


32. Grünspecht oder Grauspecht 
(Picus viridis L. oder P. canus L.). 


Wahrscheinlich beziehen sich meine Beobachtungen auf den 
Grünspecht. Da ich aber nur einmal und weit entfernt einen 
sehen konnte, nämlich am 23. I., vermag ich, trotz der während 
des Januars oft gehörten Rufe nicht mit Sicherheit zu entscheiden 
welcher es war. Besonders häufig ist er nicht. 


33. Steinkauz (Athene noctua Scop.). 


Am 25. I. abends hörte ich in Dobbia zum erstenmale seinen 
Ruf. Von da ab fast täglich. Er ist übrigens in jeder Ortschaft 
und selbst in jedem vereinzelten Haus zu finden. An manchen 
Abenden waren seine Rufe besonders lebhaft, so am 26. und 27. Il. 
und am 16. und 17. III. Am 19. Ill. mittags sals einer auf der 
Kapelle in Bestrigna und 2, wohl ein Paar, auf einem Hausgiebel 
in Staranzano, sich sonnend. Am 22. Ill. vor der Dämmerung 
konnte ich durch längere Zeit ihrem Paarungsspiel auf dem Kamin 
eines zerschossenen Hauses zusehen. Dabei liefsen sie ganz 
sonderbare, fast singvogelartige Laute von sich hören. 


34. Schleiereule (Sirix flammea L.). 


1. S' ad. Staranzano 21. I. 1918. 
2.89 - Alt- SR RE 


154 Eduard Paul Tratz: 


Auch die Schleiereule kommt ziemlich häufig vor. Des 
Abends konnte man sie öfters über den Feldern auf der Mäuse- 
jagd begriffen, sehen. So sah ich am 31. I. eine bei Matarussi 
und eine bei Dobbia. Von den beiden gesammelten Stücken war 
das 9‘ sehr hell, auf der Bauchseite weils und das @ dunkel, auf 
der Bauchseite gelb. Letzteres hatte drei Mäuse im Magen. 


35. Mäusebussard (Buteo buteo (L.)). 


1. ? ad. vollständiges Skelett, Paradiso bei Dobbia 24. I. 1918. 
2.9 - _ - - - 5:1 
3.0Q - == Sdobba 26.1Il. - 
4.9 - == Matarussi 17. II. - 


Um Dobbia war der Bussard, während des Januars, täglich 
in einem Exemplar zu beobachten. An der Sdobba und in den 
Auen konnte man aber um diese Zeit regeimälsig 5—6 Stücke 
antreffen. Anfang Februar war er dort noch zahlreicher, so sah 
ich am 2. und 3. II. je 10 bis 15 Stücke Am 4. II. war er 
überall in einzelnen Exemplaren zu sehen und im Laufe des März 
waren im Sdobbagebiet regelmäfsig mindestens ein halbes Dutzend. 
Die beobachteten und erlegten Vögel waren ziemlich helle Stücke. 
Auffallend ist, dafs alle drei präparierten Bussarde QQ sind, es 
kann aber auch ein Zufall sein. Ein vierter, geflügelter, den ich 
als „Lockvogel“ zur Hüttenjagd benutzen wollte, flog mir leider 
eines Tages davon. 

Im Magen der gesammelten Vögel fand ich blofs Feldmäuse, 
nur das @ vom 17. IJI. hatte im Kropf eine noch fast ganze 
Wanderratte, im Magen 1 Feldmaus und 2 junge Ringel- 
nattern (Tropidonotus natrix). Ferner waren im Magen des 
Q Nr. 3 zwei Sirongyliden, spec. ?. 


36. Turmfalke (Cerchneis tinnunculus (L.)). 


oO" ad. Paradiso bei Dobbia 27. I. 1918. 

So wie der Bussard war auch der Turmfalke während des 
Januars täglich in ein bis zwei Exemplaren zu sehen. Am 2. Il. 
waren im Sdobbagebiet 6 Stücke und am 3. Il. 2 bis 3. Am 
26. II. traf ich in Bestrigna bereits ein Paar auf der Nistplatz- 
suche an. Es schien ihnen dort eine Mauernische in einem zer- 
schossenen Haus zuzusagen, denn ich traf das Paar an gleicher 
Stelle am 14., 19. und 22. III. an. Ob sie dann dort auch wirklich 
gebrütet haben, vermochte ich leider nicht mehr festzustellen. 


4 
37. Sperber (Aceipiter nisus (L.) ). 


Der Sperber war während der Wintermonate der dritte im 
Bunde, Auch ihn konnte man fast täglich sehen, sowohl um 
Dobbia als in den Auen. Am 9. III, sals bei Dobbia ein 2. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 155 


Wanderfalke (Falco peregrinus (Tunst.) ). 


Am 2.I. 18 safs nächst der Isonzobrücke bei San Canziano 
auf einem Baum ein auffallend grofser und „eleganter“ Falke, 
den ich für einen Wanderfalken hielt. 


Baumfalke (Falco subbuteo L.). 


Ein am 3. I. bei Dobbia beobachteter kleiner Falke könnte 
ein Lerchenfalk gewesen sein. 


Zwergfalk (Falco aesalon L.). 


Am 14. III. schlug vor mir ein kleiner, schlanker Falk einen 
Vogel, den ich infolge seines Angriffsschneid für einen Merlin 
gehalten habe. Accipiter oder subbuteo war es kaum. 


Seeadler (Haliaelus albieilla L.). 


Zwei mächtige, dunkle Raubvögel, die am 17. und 18. I. 
über den Sümpfen zwischen Monfalkone und San Giovanni 
kreisten, auch einfielen, schienen mir Seeadler gewesen zu sein. 


38. Rohrweihe (Circus aeruginosus (L.) ). 


Am 18. und 19. III. trieb eine Rohrweihe über den grofsen 
Schilfbeständen bei Aberone ihre Flugspiele und liefs dabei ihren 
kiebitzartigen Ruf hören. 


39. Kornweihe (Circus cyaneus (L). 


Zwei prächtige alte Vögel zeigten sich mir je einer am 
21. I. über den Isonzo fliegend und am 11. IIl. an der Strafse 
von Ronchi nach Begliano. Beide Vögel waren kaum 20 Schritte 
von mir entfernt. 


Felsentaube (Columba livia L.). 
Bei Opcina sah ich vermutlich am 17. I. einen Schwarm. 


40. Ringeltaube (Columba palumbus L.). 


Am 22. I. war bei Staranzano eine Gesellschaft von ca. 
50 Stücken und am 3. II. bei der Ponte Colussi in der Au eine 
solche von 7 Stücken. 


41. Rebhuhn (Perdix perdix L.). 


Zahlreich scheint das Rebhuhn in diesem Gebiet nicht vor- 
zukommen, doch soll um den 20, Januar herum, so auch am 
22.1. ein Volk von 14—17 Stücken bei Staranzano gewesen sein. 
Seinen Ruf hörte ich am 3. L, 22., 23. und 24. I. Am 8.1. 
waren bei Paradiso 6 Hühner und am 1. III. stiegen vor mir 
2 auf. Am 13. Ill. rief abermals ein Q'. 


156 Eduard Paul Tratz: 


Fasan (Phasianus colchicus L.). 
Vom Vorkommen des Fasaues wurde mir des öfteren be- 
richtet, so sollen am 10. III. zwei dieser Vögel bei Dobbia ge- 
sehen worden sein. 


42. Wasserralle (Kallus aquaticus L). 
1. @ ad. Paradiso bei Dobbia 18. I. 1918. 
2. 0 ,„ Staranzano IB 
An den buschigen Ufern der kleinen Bäche um Dobbia war 
sie während des Januars sehr oft, eiligst laufend, zu beobachten. 


43. Grofser Brachvogel (Numenius argquatus Lath.). 

Der grofse Bracher erschien erst Ende Februar und auch 
nur in einzelnen Stücken im Mündungsgebiet des Isonso’s, bzw. 
an der dortigen Küste, wo er, im seichten Wasser watend, Nahrung 
suchte. Es bot ein herrliches Bild, diesen interessanten Vogel 
im blau scheinenden Meereswasser stolzieren zu sehen. So sah 
ich 2 Vögel am 26. Il, am 17. III. einen nordwärts fiegend und 
am 18. III. einen auf einer Sandbank. 


44. Bekassine (Gallinago gallinago L.). 

Dreimal traf ich mit ihr in den sumpfigen Wiesen zusammen, . 

die in den Isonzoauen eingesprengt sind. Am 3. ll. fand ich dort 
1 bis 2, und je eine am 1. und 14. II. 


45. Kleine Bekassine (Gallinago gallinula L.). 


Nur einmal sah ich diese winzige Schnepfe an der Sdobba 
und zwar am 26. II. 2 Stücke. 


46. Waldschnepfe (Scolopax rusticola L.). 

In einigen Exemplaren scheint auch sie um. Dobbia zu 
überwintern. So beobachtete ich längere Zeit eine, im feuchten 
Ufersand eines Baches wurmend, am 6. I. und sah fast an gleicher 
Stelle am 7. I., wohl denselben Vogel fliegend. 


47. Flulsuferläufer (Zringoides hypoleucos Temm.). 


© ad. Paradiso bei Dobbia 8. I. 1918 (nur Skeletteile). 
Wie ersichtlich einmal erlegt, doch gänzlich zerschossen und 
am 21.1. sah ich eine am Isonzo. Jedenfalls kein häufiger Vogel. 


Strandvögel (spec.? spec. ?). 

‚. An den Bächen bei Dobbia hielt sich vom 5. bis 7. I. ein 
mittelgrofser Strandläufer auf, dessen Artzugehörigkeit ich jedoch 
nicht feststellen konnte. Das gleiche erging mir mit einer kleineren 
Art, die ich am 21. I. und 26. III. sah. 


Ornithologie des südlichen Venetiens und des Küstenlandes. 157 


Auf den Sandbänken der Meeresküste trieben sich während 
der ganzen Beobachtungszeit viele Strandvögel umher. Eine 
Annäherung war aber infolge der kilometerlangen Ausdehnung 
des Strandes und der Unmöglichkeit eines Anpürschens bei der 
grofsen Scheu der Vögel unmöglich. Daher vermochte ich trotz 
vieler Zeitopfer weder einen zu erlangen noch sie zu bestimmen. 


48. Grünfülsiges Teichhuhn (Gallinula chloropus L.). 


Das kleine Teichhuhn wird jedenfalls in dieser für diesen 
Vogel wie geschaffenen Landschaft mit ihren vielen Sümpfen und 
Bächen viel häufiger sein, als ich es durch die Beobachtungs- 
daten festzustellen vermag. Denn gesehen habe ich es nur in je 
einem Exemplar am 3. und 26. Il. 


49. Schwarzes Wasserhuhn (Fulica atra L.). 


Merkwürdigerweise traf ich das Bläfshuhn nur einmal an. 
Am 14. Ill. schwammen 3—4 dieser schwarzen Gesellen auf 
einem Nebenarm des Isonzo’s in der Sdobba. Selbstverständlich 
wird dieser überall häufige Vogel auch hier keine Seltenheit 
bilden. Jedoch vermag man ihn infolge der Unzugänglichkeit 
des weitaus gröfsten Teiles des Sdobbagebietes nicht zu sehen. 


50. Kiebitz (Vanellus vanellus L.). 

og" ad. Sdobba 14. III. 1918. 

Wie in Venetien, so überwintert der Kiebitz auch im Küsten- 
land in einzelnen Stücken und kleinen Gesellschaften. Ich hörte 
solche am 21. und 23. I. abends auf den Wiesen südlich von 
Dobbia und sah einen am 24. I. An der Sdobba trieben sich am 
31. I. 8-10 umher. Am 10. II. flogen 13 nordwärts. Anfang 
März waren sie bereits auf dem Durchzug. So erschienen am 
1. III. 100-150 Kiebitze auf Ackern von Paradiso. Am 14. IIl. 
waren bei Aberone 6 Stücke, am 16. III. 2 und am 17. III. zogen 
dort 50 von Osten nach Westen. 


5l. Graureiher (Ardea cinerea L.). 
Der Fischreiher ist nur Durchzügler. Am 17. III. nach- 
mittags kreisten 5 Stücke über der Isonzomündung. 


52. Graugans (Anser anser L.). 

Q ad. Paradiso bei Dobbia 17. II. 1918. 

Ein verhältnismäßig zahlreicher Überwinterer im südlichen 
Küstenland ist die Graugans. Nahezu täglich konnte man sie in 
kleinen und grofsen Trupps, entweder auf den Äckern sich äsend, 
oder fliegend sehen. Da ich trotz sorgfältiger Beobachtung, mit 
scharfem Glase, nie eine andere Art feststellen konnte, ziehe ich 
alle Wahrnehmungen unter diese Art. Meine Aufzeichnungen 


158 Eduard Paul Tratz: Ornithol. d. südl. Venetiens u. d. Küstenlandes. 


weisen folgende Daten auf. Dobbia: 4. I. 3, 5. I. 27, 7.1.10, 
8.1. 10—15, 11.1. ca. 100 von einem Flieger aufgescheucht, nach 
Norden abziehend, 15. I. mehrere Gesellschaften nordwestwärts 
ziehend, 22. I. 100; Sdobba: 1. II. 7 nach Norden fliegend, Dobbia: 
2. II. 40, Sdobba: 2. II. 3 südwärts, Dobbia: 4. Il. 8 westwärts, 
17. II. mehrere, 26. II. 2, 5. III. angeblich paar, 9. III. vormittags 
sah ich die letzten 30 bis 50 meerwärts fliegend. 


53. Stockente (Anas boschas L.). 

Der weitaus gröfste Teil, der sich an der Küste aufhaltenden 
Enten dürfte aus Stockenten bestanden haben. Sowohl während 
des Januars als im Februar und März konnte man dort grofse 
Entenansammlungen antreffen. Genau unterschieden habe ich sie 
im Sdobbagebiet nur dreimal und zwar am 2. II. 2, 17. III. 1 9 
2 99 und 19. Ill. 2. 


54. Krickente (Anas crecca L.). 
Auch diese kleine Ente dürfte ziemlich zahlreich vorkommen. 
Festgestellt habe ich sie am-26. II. 10—12 und am 17. III. 15— 20. 
Es ist selbstverständlich, dafs aufser diesen beiden Enten- 
arten noch viele andere vorkommen, doch vermochte ich keine 
andere Art mit Sicherheit nachzuweisen. 


55. Lachmöwe (Larus ridibundus L.). 


- Mit Sicherheit konnte ich nur am 19. III, an der Isonzo- 
mündung 1 Stück erkennen. 


56. Sturmmöwe (Larus canus L.). 

Als solche anzusprechen vermochte ich nur 2 Vögel und 
zwar einen bei Cervignano am 2. I. und einen in der Sdobba 
am 14. III 

57. Südliche Silbermöwe 
(Larus argentatus achinans Brünn.). 

Das Hauptkontingent aller Möwen dortselbst bildet die 
Silbermöwe. Sie ist sehr zahlreich, verfliegt sich aber allem An- 
schein nach nur ungern landeinwärts. Zuweilen kann man sie 
über dem Isonzo sehen. 

Das bei der Krickente im Schlufssatz gesagte gilt auch für 
die Möwen. 


58. Zwergtaucher (Podiceps minor Lath.). 

. „Vereinzelt kommt dieser kleine Taucher dort und da vor, 
mit Vorliebe in den Seitenarmen des Isonzo’s, wo es genug 
urıng gibt. Ich sah je. einen am 31. I., 2. IL, 26. II. und 
17. ; 

Komen bei Nabresina, am 15. August 1918, 


159 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 
Von F, Koske, 


Die gröfste, beste und artenreichste Sammlung pommerscher 
Vögel befindet sich im zoologischen Museum von Pommerns 
Universität Greifswald. Die Sammlung ist hauptsächlich in den 
Jahren 1820 bis etwa 1850 von dem Konservator Dr. Wilhelm 
Schilling zusammengebracht und stammt mit wenigen Aus- 
nahmen aus der Umgebung Greifswalds, von der neuvorpommer- 
schen Küste und von der Insel Rügen, wobei Strand- und 
Schwimmvögel besonders zahlreich vertreten sind. 

Nachdem im Jahre 1815 Neuvorpommern von Schweden an 
Preufsen gekommen war und die Universität Greifswald gröfsere 
Zuwendungen und Unterstützungen erhielt, kam im Jahre 1820 
Wilhelm Schilling, der schon 1818 und 1819 Rügen und 
die Inseln des Ostseestrandes "als Brehms Schüler und wohl in 
dessen Auftrage zu Sammelzwecken bereist hatte, unter dem 
Professor Hornschuch als Konservator nach Greifswald und 
entwickelte eine rege ornithologische Tätigkeit, ganz im Geiste 
und nach der Schule des alten Brehm, wenn er auch, wie hinter- 
lassene Briefe zeigen, den Ansichten Brehms über Artbildung 
nicht überall zustimmte. Schilling sammelte selbst sehr fleilsig 
und erhielt aus der ganzen Umgebung sehr viele Vögel auf Grund 
eines Aufrufes, den das Museum erliefs, es blieb aber nur ver- 
hältnismäfsig wenig davon im Museum, da letzteres, wie die 
Kataloge zeigen, einen ausgedehnten Tauschhandel mit fast allen 
damaligen Ornithologen und vielen Museen betrieb; namentlich 
Brehm erhielt bis 1830 sehr viele Vögel. 

Schon im Jahre 1822 fafsten Hornschuch und Schilling 
den Plan, eine Naturgeschichte pommerscher Vögel zu schreiben, 
wozu sie den Anfang mit einer sehr sorgfältigen Bearbeitung der 
Schwäne, Gänse und Enten in Schildeners Greifswaldischen Aka- 
demischen Zeitschrift der Jahre 1822, 1823 und 1826 machten; 
mit dem Eingehen der Zeitschrift hörte die Arbeit auf. Ferner 
schrieb Schilling in Gemeinschaft mit Brehm den dritten 
Band der „Beiträge zur Vögelkunde‘‘ Neustadt an der Orla 1822, 
in dem meist Stelzvögel, Strandläufer, Seeschwalben und Möwen 
behandelt werden. Auf Grund der Sammlungen des Museums 
schrieben dann im Jahre 1837 der Professor Hornschuch 
und der inzwischen zum Doktor promovierte Schilling ihr 
„Verzeichnis der Vögel Pommerns“, wobei sie den Ausdruck 
„Pommern“ allerdings etwas weitgehend fafsten, denn Hinter- 
pommern war beiden gänzlich unbekannt. 

Später ging Hornschuch von Greifswald fort, und bei 
Schilling erlahmte das Interesse für Ornithologie sichtlich, wie 
Kataloge und Handschriften zeigen. Nach Schillings Pensionierung 
im Jahre 1853 wurde ornithologisch fast nicht mehr gearbeitet, 


160 F. Koske: 


die Sammlung wurde nur noch ab und zu von Dr. Quistorp 
und in den 70er Jahren von Ludwig Holtz benutzt. E. F. 
v. Homeyer überging das Greifswalder Museum absichtlich 
oder sprach sich mifsliebig darüber aus. Später wandte das 
Zoologische Institut sich anderen Forschungen als der Ornitho- 
logie zu. 

Durch freundliche Erlaubnis des Direktors des Zoologischen 
Instituts, des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Müller, dem ich auch 
an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen nicht unterlassen 
will, war es mir möglich, die für die pommersche Ornithologie 
so wertvolle und geradezu unentbehrliche Sammlung durchsehen 
und die noch vorhandenen Aufzeichnungen und Kataloge Schillings 
durcharbeiten zu dürfen. Für die Herbeischaffung der. alten 
Handschriften und für sonstige Hilfe bin ich auch dem Prä- 
parator Herrn Schilling, der mit dem früheren Konservator 
nur dem Namen nach verwandt ist, meinen Dank schuldig. 

Es kam mir vor allen Dingen darauf an festzustellen, ob für 
die im Verzeichnis von Hornschuch und Schilling genannten und 
von dort in Homeyers Übersicht und in weitere Literatur über- 
gegangenen selteneren Vögel die sicheren Unterlagen im Museum 
oder in den Aufzeichnungen sich vorfinden, mit anderen Worten, 
welche Beläge für die Ornis Pommerns im Greifswalder Museum 
ohne Vermutungen und „Beobachtungen“ vorhanden sind. Ferner 
interessierte mich die Frage, welche Formen des alten Brehm, 
die nach pommerschen Vögeln aufgestellt sind, unter den Brehm’- 
schen Namen sich in der Sammlung befinden. 

Zu dem Zwecke standen mir die aufgestellten Vögel selbst 
— Bälge sind nicht vorhanden — sowie der schriftliche Nachlafs 
Schillings zur Verfügung. Soweit die Schilder an den aus- 
gestopften Vögeln von Schilling selbst herrühren, ist die Be- 
stimmung eine durchaus zuverlässige — später vielfach falsche —, 
nur ist in wenigen Fällen die Angabe „Pommern“ unzuverlässig, 
da anscheinend zu Lehrzwecken an manchen Vögeln am Fufsbrett 
„Pommern“ steht, die wohl aus Pommern sein können, aber nicht 
daher stammen. Zu dem Zweck war eine eingehende Vergleichung 
mit den Katalogen erforderlich. Von letzteren befinden sich im 
Museum die von Schilling von 1820 bis 1. Januar 1853 geführten 
Kataloge Lit. A. und Lit. B., von denen der erstere die Eingänge 
und deren Verbleib, der Nummer nach geführt, enthält, während 
der zweite die Tauschverbindungen, die An- und Verkäufe zeigt. 
Beide ergänzen sich gegenseitig; nur sind sie nach Abgang 
Schlllings nicht weiter geführt, sodafs der Verbleib mancher 
Vögel nicht festzustetlen ist. 

Ferner sind eine Reihe von Handschriften Schillings vor- 
handen: 1. „Beobachtungen über den inneren und äufseren Bau 
der von mir untersuchten Vögel. Von Dr. Wilhelm Schil- 
ling“; 2. „Beobachtungen der bei dem Zoologischen Museum 
in Greifswald lebendig gehaltenen Thiere. Von W. Schilling“. 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 161 


Beides sind dicke Stölse von Aufzeichnungen auf losen Blättern, 
die ersteren anscheinend gleich bei der Präparation gemacht, die 
letzteren gleichsam einen Lebenslauf der gefangenen Vögel ent- 
haltend. Diese Aufzeichnungen enthalten gewöhnlich auch die 
Katalognummer, sodafs das ganze Material sich gegenseitig er- 
gänzt, in Zweifelsfällen auch zeigt, ob Schilling die eingetragenen 
Nummern frisch in Fleisch vor sich gehabt hat. 3. „Tagebuch 
über den Zug der Pommerschen Vögel u.s.w. von Dr. Wilhelm 
Schilling.“ Ein gleichfalls aus losen Quartblättern be- 
stehendes, und im Jahre 1912 schon von R. J. Frommholz ge- 
ordnetes Tagebuch aus den Jahren 1825—1843, das namentlich 
in den dreifsiger Jahren sehr sorgfältig geführt ist und die fast 
täglichen Beobachtungen enthält, die in der Umgebung Greifs- 
walds sowie bei weiteren Sammelausflügen gemacht sind, Eingänge 
von Seltenheiten im Museum aber weniger erwähnt. 

Es stecken, nebenbei bemerkt, in diesen nie veröffentlichten 
Handschriften und besonders in dem Tagebuch viele sorgfältige 
und gute Beobachtungen, auch über Verfärbung an gefangen ge- 
haltenen Raubvögeln, wie überhaupt die Bedeutung Wilhelm 
Schillings für die pommersche Ornithologie viel zu wenig ge- 
würdigt ist. 

Im Allgemeinen bietet hiernach die Sammlung eine vor- 
zügliche Übersicht der Vogelwelt Neuvorpommerns, aber nur 
dieses Landesteils, nicht ganz Pommerns, sie ist auch hinsichtlich 
des Verschwindens und Seltenerwerdens einiger Arten, wie der 
grofsen Raubvögel und einiger Strandvögel von Interesse und zeigt 
eine Anzahl Seltenheiten von erheblichem Werte, zu denen, wie 
ich hier vorweg bemerken will, eine bisher unerkannte Nyroca 
islandica gehört, das einzige bisher aus Deutschland bekannte 
Stück, das im Frühjahr 1853 auf Hiddensoe erbeutet ist. Für 
eine Ornis von Pommern ist die Sammlung überhaupt nicht zu 
entbehren ; sie zeigt aber auch, dafs das von Hornschuch und 
Schilling herausgegebene Verzeichnis pommerscher Vögel, das im 
Nachstehenden mit „Verz. 1837“ bezeichnet wird, einer kritischen 
Prüfung auf Grund der Unterlagen nicht überall Stand hält. 

Die bei den einzelnen Vögeln angegebenen Nummern sowie 
die Namen sind die der Namenliste deutscher Vögel von 
Reichenow und Hesse; die gewöhnlichsten Arten sind fort- 
gelassen. 

1. Alca torda L. 


Vorhanden sind 5 Stücke, davon 4 aus der Umgebung 
Greifswalds und 1 von Hiddensoe, alle aus den Monaten November 
und Dezember; davon hat nur eins den scharfen weifsen Strich 
von der Schnabelwurzel zum Auge. Eingegangen sind nach dem 
Katalog erheblich mehr, die meist im Tauschverkehr ab- 
gegeben sind. 

Nach dem Tagebuch wurde am 1. Mai 1829 ein altes 
Weibchen beim Posthause auf Wittow erlegt. 

Journ, f. Orn. LXVIL. Jahrg, April 1919. 11 


162 F. Koske:. 


2. Fratercula arctica L. 

Kein Stück vorhanden, auch in den Katalogen nirgends als 
eingegangen verzeichnet. Fehlt auch im „Verz. 1837“, sodals 
Schilling ihn nie erbalten hat. Auch bis heute ist das Vorkommen 
der Art in Pommern noch nicht nachgewiesen. 


3. Uria lomvia L. 

Die Dickschnabellumme fehlt, ist auch im „Verz. 1837 
nicht genannt. Für Pommern bis jetzt noch nicht sicher fest- 
gestellt. 

4. Uria troile L. 


Nur 1 Stück aus Pommern vorhanden, 9° vom 14. XI. 1824. 


5. Uria grylie L. 

Vorhanden sind aus Pommern 3 Stücke vom Februar 1823, 
März 1830, März 1837, ferner ein Vogel (No. 484), der auf dem 
Fufsbrett die Bezeichnung „Pommern“ trägt, laut Katalog aber 
aus Helsingör eingetauscht ist. Erlegt sind nach den Hand- 
schriften noch weitere Stücke. 


6. Alle alle L. 
Vorhanden 3 Stücke aus Pommern. 


7. Urinator immer Brünn. 


Nicht vorhanden, auch in den Handschriften nirgends er- 
wähnt, sodafs Schilling wohl nie ein Stück erhalten hat. 


8. Urinator arctieus L. 


Eine Reihe von teilweise sehr schönen, ausgefärbten Stücken, 
dabei auch mehrfach die später wieder eingezogene Form Urinator 
balticus Hornschuch u. Schilling. 


19. Hydrobates pelaugicus L. 


No. 853, ©‘, den 16. November 1824 auf dem Hofe zu 
Wampen lebendig gegriffen und von Herrn Asmus dem Museum 
geschenkt. 

In den „Beob.‘“ wird der Vogel eingehend beschrieben, daraus 
sei folgendes hier angeführt, auch als Beispiel für die Auf- 
zeichnungen Schillings: „Länge 6” [15,7 cm]; Breite 131/,“ 
[34 cm]; die Fufswurzel 10“ [1,6 cm] hoch; Mittelzehe ohne 
Nagel 8“ [1,3 cm] lang. Der Schnabel schön schwarz mit einigem 
Glanze. An der Spitze des Oberkiefers sehr hakenförmig herab- 
gebogen; die Spitze des Unterkiefers gleichfalls aber wenig 
herabgebogen. Die Zunge, der Rachen, und die Mundwinkel 
fleischfarben, erstere hinten breit, nach vorn schnell spitzig zu- 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 168 


laufend. Die Iris dunkelbraun; die nackten Augenlider schwarz. 
Die Fülse nebst den wenig ausgeschnittenen Schwimmhäuten 
schwarzbraun; an der Ferse und an der untern Fläche der 
Schwimmhäute nur wenig lichter. — Esfolgt dann eine Beschreibung 
des Gefieders. — Die Stirn gleich hoch aufgeschwungen, von 
gleicher Höhe des Scheitels. Die Basis des Schädels (oder 
Hinterkopf) ist am Hinterhauptsloch viel mehr erhöhet, als der- 
selbe es bei andern Vögeln zu sein pflegt. 

Der Darmkanal ist 81/,” [22,2 cm] lang. Der Pförtner ist 
auf derselben Seite des Magens, an welcher der Vormagen in 
denselben einmündet und beide Offnungen stehen daher nahe bei 
einander. Der Magen klein, rund und zusammengedrückt. Der 
Vormagen lang und weit, im Vergleich zum Magen sehr grofs. 
Der von der Haut entblöfste Fleischkörper, ohne den Hals, 10‘ 
[1,6 cm] lang und 10%/,“‘ [1,7 cm] hoch; übrigens war derselbe 
sehr mager.“ 

20. Stercorarius skua Brünn. 

Aus Pommern nicht vorhanden, nur im Tagebuch einmal am 
24. September 1837 als gesehen erwähnt; das aufgestellte Stück 
stammt aus Island. 

Im „Verz. 1837“ als in Pommern vorkommend aufgeführt, 
im Museum fehlt jede Unterlage hierfür. 


21. Stercorarius pomarinus Tem. 
Vorhanden 4 Stücke aus Pommern, alles braune Jugendkleider. 


22. Stercorarius parasiticus L. 
Nur 1 Stück aus Pommern, Nr. 2211 Q juv. am 20. 9. 1836 
bei Nienhagen erlegt. 


23. Stercorarius longicaudus Vieill. 


Aus Pommern sicher nur 1 Stück, Nr. 494, 91, am 26. August 
1822 bei Hanshagen erlegt. 


24. Larus glaucus Brünn. 


Vorhanden 6 Stücke aus Pommern, dabei ein Stück, das 
mit Larus medius bezeichnet ist und im Februar 1823 von Herrn 
Forstmeister Pachelbel-Rügen dem Museum frisch im Fleisch ge- 
geben wurde; die Körpermalse gibt Schilling in den „Beob.“ an. 
Es ist dies ein Vogel im Jugendkleid, der in der Körpergröfse 
zwischen glaucus und leucopterus steht. Schnabellänge von der 
Stirnbefiederung bis Spitze 53 mm, Höhe des Schnabels hinter 
dem Nasenloch 18 mm. Hiernach dürfte es nach Reichenow’s 
Kennzeichen, der diese Mafßse für leucopterus mit 45 und 14—15 
angibt, keinem Zweifel unterliegen, dals es ein Larus glaucus ist, 
der freilich erheblich kleiner als glaucus ist. Ein zweites, in den 
Malsen genau gleiches und auch mit L. medius bezeichnetes Stück 

ı11* 


164 F. Koske: 


ist aus Island vorhanden. — Vielleicht sind diese Zwischenformen 
doch besondere Arten oder beweisen, dafs vielleicht Z. leucopterus 
keine selbständige Art ist. 


25. Larus leucopterus Faber. 


Aus Pommern kein Stück vorhanden, nur solche aus Island 
von Faber eingetauscht. Auch im „Verz. 1837“ nicht aufgeführt; 
dort wird neben L. glaucus nur L. medius genannt. 

Das einzige in Pommern erbeutete Stück steht in der 
Heydemannschen Sammlung in Treptow a. T. 


26. Larus argentatus Pont. 


Gröfsere Zahl in den verschiedensten Kleidern. Dabei be- 
finden sich auch die Brehm’schen Formen: Laroides argentatus 
Br., Laroides argenteus Br. und Larus argentatoides Br. 


27. Larus martinus L. 


Gröfsere Anzahl vorhanden, hierbei auch mehrere Larus 
masximus Br. In einem Schreiben an Brehm vom 1.3. 1825 sagt 
Schilling, dafs er gegen die Selbständigkeit dieser letzteren Arten 
Mifstrauen habe und an einer gröfseren Zahl, die er im Winter 
1824/25 erhalten, festgestellt habe, dafs die gröfsten Individuen 
nur Männchen, die kleineren nur Weibchen seien; die kleineren 
Individuen bei beiden Geschlechtern seien auf Spätbruten zurück- 
zuführen. Trotzdem werden im „Verz. 1837“ die beiden Arten 
getrennt aufgeführt. 

30. Larus canus L. 

Unter einer grölseren Zahl dieser Art befindet sich auch 
ein Stück mit dem Schild „Laroides procellosus, canus et canescens 
Br. S' ad. Juni 1838 Bug.“ — also eine Sammelform, denn Brehm 
unterschied die Formen einzeln. 


31. Larus ridibundus L. 


Die vorhandenen Stücke in allen Kleidern sind sämtlich mit 
Larus ridibundus bezeichnet; im „Verz. 1837“ ist Larus capi- 
stratus als besondere Art angegeben, auch gebraucht Schilling in 
seinen „Beob.‘“ letzteren Namen noch. Von den Lachmöwen 
stammt nur ein Stück von der Insel Lieps, was deshalb angeführt 
sei, weil die Lachmöwe früher auf den Ostsee-Inseln nicht so 
häufig war wie jetzt und anscheinend die Sturmmöwe, E. canus, 
dort verdrängt hat. 

33. Larus minutus Pall. 


Kein Stück aus Pommern, die vorhandenen 2 Stücke 
stammen aus Östpreufsen und sind vom Museum in Königsberg 
eingetauscht. Im „Verz. 1837“ wird die Zwergmöwe für Pommern 
aufgeführt, eine Unterlage hierzu fehlt. Die einzige Angabe findet 
sich im Tagebuch unter dem 6. August 1836. An diesem Tage 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 165 


will Schilling die Zwergmöwe auf dem Stadtgraben in Greifswald 
fliegen gesehen haben. 


37. Gelochelidon nilotica Gm. 

Vorhanden sind aus Pommern 2 Stücke; eins ohne nähere 
Fundortsangabe mit dem Schilde Gelochelidon Balthica Br., das 
zweite von Ummanz, ein drittes wird in den „Beob.“ vom 7. 6. 
1827 erwähnt. Im Eingangs-Katalog sind vielfach Lachsee- 
schwalben aufgeführt, die meisten aus deın Jahre 1823, die zu 
Tauschzwecken benutzt wurden. 

Die Ausrottung dieses Vogels läfst sich ziemlich genau ver- 
folgen. Schilling fand sie als er nach Rügen kam im Jahre 1818 
auf der Insel Lieps, ihrem einzigen Brutorte; auch 1819 fand er 
dort 3 Brutpaare, die er „aufrieb“, wie Brehm sagt. Im Sommer 
1821 fehlte sie ganz; 1823 wurden wieder mehrere erlegt, ebense 
1827. Im Sommer 1833 war sie nach Schillings Angabe ganz 
verschwunden, aber 1839 nistete nach E. F. v. Homeyer wieder 
ein Paar dort. Das Nest wurde zerstört und ein alter Vogel 
geschossen; im Jahre 1841 wurden mehrere gesehen und erlegt, 
aber nicht nistend gefunden. Dann wurde sie nicht mehr bemerkt, 
bis 1880 nach Tancre’s Angabe ein Paar auf dem Gänsewerder 
nistete, dessen Nest aber zerstört wurde. Seit der Zeit ist sie 
verschwunden. 

38. Sterna caspia. Pall. 


Aufgestellt.sind 4 Stücke aus Pommern, dabei zwei mit der 
Bezeichnung Sylochelidon Schillingii Br. Die Stücke stammen vom 
Koos, von der Insel Oehe (22. 9. 1839) und vom Peenemünder 
Haken (9. 8. 1903 Prof. Ballowitz). 

Im Tagebuch befinden sich eingehende Schilderungen über 
Vorkommen, Brut und Betragen dieser Seeschwalbe. 


39. Sterna cantiaca Gm. 


Ein Stück mit der Bezeichnung ‚„Thalasseus canescens Br. 
Pommern. Aus dem alten Museum.“ Also aus der Zeit vor 1830 
stammend. Genauer Fundort und Datum sind nicht zu ermitteln. 


41. Sterna hirundo L. 


Aufgestellt sind 11 Stücke in allen Altersstufen und Kleidern, 
alle richtig mit hirundo bestimmt, wie die Länge der Fufswurzel 
zeigt. Ferner ein Stück, das nach der Fulswurzel zu hirundo 
gehört, aber die Bezeichnung trägt „No. 3082 Sierna argentata 
Br. var. (Bastard) Bussin. Schilling* — also ein Vogel, über 
den Schilling sich nicht ganz im Klaren gewesen ist —, und ein 
Stück aus der Zeit nach Schilling mit $2. macrura falsch be- 
zeichnet. Stücke mit der Brehm’schen Bezeichnung St. pomarina 
sind nicht vorhanden. Wenn man die Reihen von S%. hirundo 
und St. macrura nebeneinander stellt, so ist der Unterschied in 


166 F. Koske: 


der Länge der Fufswurzel sehr auffallend, und die Unterscheidung 
ist nicht schwierig; nach der Farbe und Zeichnung dagegen, be- 
sonders bei alten, ausgeblichenen Stücken, ist jede Unterscheidung 
unmöglich. 

42. Sternd macrura Naum. 


Aufgestellt 6 Stücke und die 2 falschbenannten, dabei zwei 
Dunenjunge. An der kurzen Fufswurzel leicht zu erkennen; die 
Vögel sind meist Si. argentata Br. genannt und tragen verschiedene 
Kleider. Sie stammen nach den Schildern: von Ummanz, von der 
Oehe, von Lieps, vom Ryckflufs. Aufserdem werden in den 
„Beob.“ die Mafse von 9 Stücken gegeben, die nicht mehr vor- 
handen sind; sie stammen: 14. 8. 1828 von Wieck, 11. 5. 1829 
SQ von Hiddensoe, 7. 6. 1833 QQ2 von Ummanz, 10. 5. 1836 
o' von Ummanz, 11.6. 1838 © mit Brustfleck vom Bussin, 12. 6. 
1838 9 mit Brustfleck vom Bug. Hiernach ist bis 1840 die 
Küstenseeschwalbe sicher häufiger gewesen als jetzt. 

Die Bezeichnung Sierna argentacea Br. für eine Form, die von 
der pommerschen Küste stammen soll, ist nicht vorhanden. 


43. Sterna minuta L. 

Vorhanden 4 Stücke von Hiddensoe, Wittow, Wampen, Oehe. 
In den „Beob.“ sagt Schilling ohne Jahresangabe — etwa 1830 — 
„Brutörter in Pommern, wo ich sie selbst gesehen: Ostseestrand 
am Darfs wohl gegen 20 Paare; Insel Riems und Kl. Riems 
mehrere Paare; auf den Strengen beim Koos; auf dem Haken bei 
Ludwigsburg einige Paare; an der Küste zwischen Lubmin und 
Freesendorf einige Paare.“ 

Im Jahre 1853 gab Hugo Schilling, der Sohn des Kon- 
servators Dr. Wilhelm Schilling, der nach seinem Vater einige 
Jahre Präparator am Museum war, an letzteres 38 Eier von 
St. minuta. 

45. Hydrochelidon leucoptera Tem. 


Aus Pommern nicht vorhanden, auch im „Verz. 1837“ nicht 
genannt. Ein aufgestelltes Stück stammt aus Süddeutschland. 


46. Hydrochelidon nigra L. 
Aus Pommern 4 Stücke, davon eins von Hiddensoe. 


47. Phalacrocorax carbo subcormoranus Br. 
Kormorane wurden im Garten des Zool. Instituts von 
Schilling in mehreren Generationen gezüchtet, worüber noch 
eingehende Notizen vorhanden sind. Viele Stücke sind aufgestellt. 


50. Sula bassana L. 
Kein Stück aus Pommern, sonst eine gröfsere Zahl. Auch 
nach seinen Handschriften und dem „Verz. 1837“ hat Schilling 
kein Stück aus Pommern in Händen gehabt. 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 167 


51. Pelecanus onocrotalus L. 

No. 387 Acc. Kat. I. Dabitz. Der Vogel ist in Dabitz in 
Neuvorpommern geschossen und von Herrn Koch geschenkt. 
Genaues Datum fehlt, läfst sich auch nicht feststellen. Die Ein- 
tragung in den Katalog stammt aus „dem 1.—2. Quartal 1854“. 
Auch Ludwig Holtz und Dr. Quistorp erwähnen diesen Vogel, 
wissen aber auch kein genaueres Datum. 


57. Somateria spectabilis L. 


Ein altes ausgefärbtes Männchen, das einzige Stück aus 
Pommern, das in der Literatur öfter erwähnt wird. Laut Ace. 
Kat. I, No. 123 gekauft vom Öberlotsen Bohnsack auf dem 
Ruden für 25 sgr. Genaueres Datum fehlt. Eintrag vom 
3. Quartal 1853. 

Nach Münter im J. f. O. 1853, 207 ist die Ente am 28. 3. 
1853 auf dem Ruden geschossen. 


58. Oidemia fusca L. 


Eine ganze Reihe, dabei auch zwei Stücke der Form 
Platypus Hornschuchü Br.: Q vom Darfs vom März 1838 und 
ein Älteres Stück O* von Rügen ohne Datum. 


60. Histrionica stelleri Pall. 


Brehm sagte 1824: „Ein Exemplar befindet sich im Museum 
in Greifswald“. Im Katalog Lit. A. befindet sich unter dem März 
1821 die Eintragung: Anas Steleri. Aus dem alten Kabinet um- 
gestopft. Dieses Stück ist nicht mehr dort, ob es überhaupt in 
Pommern erlegt war, ist sehr zweifelhaft, da auch im „Verz. 1837“ 
diese Ente für Pommern nicht aufgeführt wird. 

Das Vorkommen in Pommern ist bis jetzt nicht erwiesen. 


61. Histrionicus histrionicus L. 


Kein Stück aus Pommern vorhanden, sonst zahlreich aus 
dem Norden. Nur durch 2 Stücke aus Pommern, die im Berliner 
Museum stehen, ist ihr Vorkommen in Pommern bisher mit 
Sicherheit bewiesen. 


62. Nyroca marila L. 


Aufser den aufgestellten Stücken in den verschiedensten 
Kleidern befindet sich in der Sammlung ein in einem ver- 
schlossenen Kästchen aufbewahrtes Nest, meist aus Daunen be- 
stehend, mit einem Zettel: „Nest von Anas marila. Auf Alt- 
Bussin, einer Halbinsel von Hiddensoe. Litt. A. Fol. 145 Nr. 999.“ 
An genannter Stelle befindet sich in der Abteilung „Nester und 
Eier“ aus dem Jahre 1847 (ohne näheres Datum) die Eintragung: 
„Anas marila, 1 Nest 8 Eier, Bug auf Hiddensoe“. 


168 F. Koske: 


63. Nyroca fuligula L. 


Im „Verz. 1837“ wird sie für Pommern, oder richtiger für 
Neuvorpommern als Brutvogel angeführt; ein Beweis hierfür . 
ist aus der Sammlung nicht zu erbringen. 


65. Nyroca rufina Pall. 

Zwei Stücke sind vorhanden. Ein o* adult. aus älterer 
Zeit ohne Nummer und ohne nähere Angabe, vermutlich das 
Stück, auf welches Schilling sich in der Arbeit ‚Zur Naturgeschichte 
pommerscher Vögel“ III. Teil 1823, S. 60 bezieht, wenn er sagt, 
dafs das Museum die Ente schon besitzt, und ein zweites Stück, 
No. 1305, bez. „Pommern, Prof. Sprengel“. Im Katalog steht 
dabei „Balg von Prof. Sprengel [in Greifswald] eingetauscht 
Oktober 1827“. Dafs die beiden Vögel aus Pommern stammen, 
ist bei diesen Angaben nicht als unbedingt feststehend anzusehen. 
Im „Verz. 1837“ wird sie für Pommern genannt. 


Nyroca islandica Penn. 

Das Auffinden dieser bisher noch nicht für Deutschland 
nachgewiesenen und in der Namenliste der Vögel Deutschlands 
von Reichenow und Hesse nicht genannten Ente im Museum in 
Greifswald hat mir eine besondere Freude gemacht. 

Diese Ente trägt ein Schild aus der Zeit nach Schilling mit 
dem Namen COlangula glaueion, es ist jedoch ein altes ausgefärbtes 
Männchen der Nyroca islandica, das genau der Abbildung auf 
Tafel 13 Band X des Neuen Naumann entspricht. Es ist grölser 
als die Schellente, der Kopf ist nicht grünschillernd sondern blau- 
schillernd, die weilsen Backenflecken sind nicht rundlich wie 
bei clangula, sondern gröfser und deutlich mondförmig; hierdurch 
fällt der Vogel am meisten auf. Die Schultern zeigen die weilse 
Zeichnung der islandica, genug, der Vogel ist an der Hand der 
Abbildung garnicht zu verkennen und unterscheidet sich sehr 
von den danebenstehenden 9 der Schellente. 

Schilling hat ihn s. Zt. vielleicht bei unzureichender Literatur 
nicht richtig bestimmen können, oder er hat ihn nach dem Vor- 
gange Fabers nicht für eine besondere Art gehalten, im Zw sifel 
ist er aber in jedem Falle gewesen, denn unter seinen „Beob.“ 
findet sich ein Blatt mit folgenden Angaben: 

Überschrift: Anas dub. (An. Islandica?) Mas. Das Wort 
dub. ist später gestrichen und Clangula darüber geschrieben. 
Weiter heifst es: „In den letzten Tagen des März 1853 auf 
Hiddensee erlegt worden. Länge 1'7“ [49,7 cm], Breite 2' 5“ 
[76 cm]. Die angelegten Flügel endigen 1“ 9“ [4 cm] vor der 
Schwanzspitze. Die Iris gelb; der Schnabel schwarzbraun; die 
Füfse und Zehen .... gelb, [hier ist das Blatt gerissen und die 
Hälfte des Wortes fehlt] die Schwimmhäute schwarzbraun; die 
Zehennägel schwarz.“ 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 169 


Nuntrat im März 1853 ein aufserordentlich strenger Nachwinter 
ein, durch den an den Küsten Rügens tausende von Enten und 
Schwimmvögeln verhungerten und erfroren. Während dieser Zeit 
hielt sich Hugo Schillivg, der Sohn des Dr. Wilhelm Schilling, auf 
Hiddensoe auf und sammelte dort Vögel für dasMuseum; seine Beob- 
achtungen gibt Dr. Quistorp in der Naumannia 1858, S. 53 ff. 
wieder. Er schreibt dort: „Im Anfange des Jahres 1853 herrschte 
bis zur Mitte des Monats Februar eine milde Witterung mit 
Regenwetter und südlichen Winden, wodurch ein grofser Teil der 
Zugvögel schon in unserer Provinz eingetroffen war, namentlich 
viele von den Enten und sonstigen Wasservögeln, welche den 
Winter im Süden zugebracht. Da trat plötzlich jene rauhe 
Witterung mit Frost, Sturm und ungeheurem Schneefall ein, 
welche die Zugvögel hier so plötzlich überfiel, und da das Wasser 
bis meilenweit in See völlig zufror, aller Nahrung beraubte, 
wäbrend die heftigen Nordstürme eine Menge nordischer Vögel 
an unsere Küste verschlugen, die vorher teils noch nie hier ge- 
sehen, teils nie in so grofser Anzahl, in so grofser Auswahl, in 
den verschiedensten Kleidern, erbeutet worden waren, wie zu jener 
Zeit, wo sie durch Kälte und Hunger so furchtbar abgemagert 
und zu Grunde gerichtet, ihre ganze Wildbeit verloren . . .* 

Es kann kein Zweifel sein, dafs unter den durch die heftigen 
Nordstürme an unsere Küsten verschlagenen Vögeln sich auch 
die erbeutete Spatelente befunden hat, wenn sie in dem Berichte 
auch nicht besonders genannt ist, was ja auch nicht möglich war, 
da sie eben nicht erkannt wurde. 

Jedenfalls ist dies das erste Stück dieser Art, das in 
Pommern und überhaupt in Deutschland gefunden ist. 


71. Anas strepera L. 


Aufgestellt sind 2.Vögel aus Pommern. In seinen „Beob.“ 
sagt Schilling: „Im Oktober 1824 erhielt das Museum 4 Junge 
von der Insel Usedom, wo sie ausgebrütet worden waren“. „Am 
6. November 1834 kaufte ich für das Museum 2 Stück lebendig, 
die im Juli d. J. auf der Peene bei Wolgast als Nestvögel ge- 
fangen worden waren.“ „Am 11. Juni 1834 fand ich ein Nest 
auf der Insel Oehbe.“ Er beschreibt es, es enthielt 13 Eier. _ Das 
Brutvorkommen ist also sicher nachgewiesen. Hier sei bemerkt, 
dafs bei allen Süfswasserenten die vielfachen Formen nicht ge- 
nannt oder berücksichtigt sind, die Brehm als in Pommern vor- 
kommend im Jahre 1831 aufgestellt hat, und zu denen doch 
jedenfalls Schilling die Unterlagen geliefert hat. 


73. Anas penelope L. 
Eine schöne Reihe, auch ausgefärbte alte Erpel aus Pommern. 
Auf dem Fulfsbrett eines alten J ist ein Ei aufgeklebt, das mit 
Anas Penelope beschrieben ist, ohne Fundort, ohne Datum. 


170 F. Koske: 


81. Anser fabalıs Lath. 


Eine stattliche Reihe von Saatgänsen, von denen ein Stück 
mit Anser platyurus Br., die meisten mit Anser rufescens Br. 
bezeichnet sind. Wenn im „Verz. 1837“ auch Anser rufescens 
noch als selbständige Art neben fabalis aufgeführt wird, so hat 
Schilling später seine Meinung doch geändert, denn 1839 schreibt 
er in seinen „Beob.“ auf Grund eines mausernden Männchens: 
„Brehms Anser rufescens stellt demnach den Vogel im ersten 
Jugendkleid dar“. 


82. Anser albifrons Scop. 


Unter den vorhandenen 4 Blässengänsen aus Pommern be- 
finden sich: 

1) No. 2891. Anser intermedius Naum. &. Nach den „Beob.“ 
„am 7. Oktober 1844 von einem Greifswalder Jäger am Bodden 
geschossen. Länge 2’ 3” 6“ [71,6 cm]; Breite 4° 6” 6“ [142,4 cm]; 
die angelegten Flügel endigen an der Schwanzspitze*. Naumann 
gibt die Grölse des von ihm aufgestellten und jetzt wieder ein- 
gezogenen Anser intermedius mit 66—68,5 für die Länge und 
159—141,5 für die Breite an; dies Stück übertrifft also noch die 
Durchschnittsmalse. Es ist in sofern schlecht gestopft, als jetzt 
die Flügelspitzen das Schwanzende um 9 cm nicht erreichen. 


2) No. 2160. © juv. Auf dem Brett als Anser albifrons 
bezeichnet. In seinen „Beob.“ nennt Schilling die Gans Anser 
minor und sagt, dafs er sie am 21. Oktober 1835 erhalten habe; 
sie sei von einem Bauer zu Lemin geschossen. „Länge 2’ 6" 
[63,8]; Breite 4'4" [136,1]; die angelegten Flügel endigen 1" 9" 
[4,1] hinter der Schwanzspitze; die Iris braun, die Pupille blau; 
der Schnabel hellbleigrau, die Spitze grau hornfarben, die Fülse 
mattgelb, Zehennägel hellgrau“. 

Die Gans hat eine Fittichlänge von 380 mm; die Flügel an 
dem ausgestopften Stück ragen jetzt 7 cm über die Schwanzspitze 
hinaus; Schnabellänge von der Stirnbefiederung bis zur Spitze 
in gerader Linie gemessen 41 mm; Gröfse einer Hausente. Eine 
Zwerggans Anser erythropus L. scheint es mir hiernach doch wohl 
nicht zu sein, denn die Fittichlänge soll bei dieser nach Reichenow 
unter 380 mm betragen, als Q juv. mülste sie dann auch wohl 
noch geringere Mafse haben. 

Im Tagebuch wird ferner genannt „Anser albifrons erlegt 
am 11. April 1835 bei Wampen“ und unter dem 28. September 
1842: Anser minutus adult. wurde bei Wampen erlegt“. Jede 
nähere Angabe fehlt. 


84. Anser hyperboreus Pall. 


. Im „Verz. 1837“ als in Pommern vorkommend angegeben. 
Kein Stück vorhanden, auch wohl nie in Schillings Hände ge- 
langt. Die Angabe stützt sich nur auf „Beobachtungen“. 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald, 171 


E 86. Branta leucopsis Bechst. 
Aus Pommern 4 Stücke vorhanden. In den „Beob.“ werden 


aus den Jahren 1827 bis 1836 fünf Stücke aus Neuvorpommern 
genannt, alle aus dem Oktober. 


87. Branta ruficollis Pall. 


Kein Stück aus Pommern. Wird im „Verz. 1837" als in 
Pommern vorkommend aufgeführt. 


92. Arenaria interpres L. 

Vorhanden sind 12 Stücke in allen Kleidern, dabei 3 Dunen- 
junge, von Wittow, Hiddensoe, Bug, Ummanz. Diese Fundorte 
bezeichnen ein viel gröfseres Verbreitungsgebiet als es dasjetzige ist. 

Im Jahre 1853 gab Hugo Schilling 22 Eier dieser Art an 
das Museum. 

| 105. Recurvirostra avosetia L. 


Vorhanden 4 Stück, dabei 2 Dunenjunge, sämtlich von der 
Insel Oehe. In den „Beob.“ werden die Mafse einer grölseren 
Anzahl angegeben, die sehr beliebte Tauschgegenstände bildeten; 
davon sind die meisten im Jahre 1834 auf der Insel Oehe erlegt; 
weitere 16. 6. 1828 auf Ummanz, 7. 6. 1833 bei Streu auf Rügen, 
28. 6. 1839 auf dem Buge; das Brutgebiet ist also erheblich 
grölser gewesen als jetzt. 


106. Himantopus himantopus L. 


Kein Stück aus Pommern, das vorhandene stammt aus Süd- 
deutschland. Das einzige in Pommern erlegte Stück wurde von 
Herrn v. Hagenow am 29. 4. 1822 auf dem Buge geschossen. 
Es war ein Männchen von einem angeblich gepaarten Paar, das 
nach Ansicht des Erlegers gebrütet haben würde, wenn das 
Männchen nicht geschossen worden wäre. Hierauf stützt sich 
die Angabe im „Verz. 1837“, dafs die Art Brutvogel in Pommern 
sei. Der Vogel kam s. Zt. in die Sammlung des Herrn v. Hagenow, 
wo er von dort geblieben, ist mir nicht bekannt. 

Im Tagebuch schreibt Schilling unter dem 19. August 1830: 
„Himantopus atropterus. Diesen in hiesiger Gegend sehr seltenen 
Vogel, der 1819 nnd 182] auf Wittow und Hiddensoe einzeln 
vorkam, sah ich heute längs dem Wampen- und Ladebow-Ufer 
hinziehen. Ich erkannte ihn sofort an seinem Lockton wieder 
und wurde, da ich ihn beim Vorüberziehen ziemlich lange be- 
trachten konnte, völlig überzeugt, dafs er es war usw.“ 


107. Phalaropus fulicarius L. 


Vorhanden 2 Stücke, das eine vom 26. 10. 1834 von Wampen, 
das zweite vom November 1850 vom Strande bei Lubmin; eın 


172 F. Koske: 


drittes wird in den „Beob.‘“ vom 21. 8. 1827 aus dem Rosental 
bei Greifswald genannt. 


108. Phalaropus lobatus L. 


Nur ein Stück vorhanden mit Angabe „Pommern, Schilling“ 
ohne Datum. 
110. Limicola platyrincha Tem. 


Im „Verz. 1837“ unter Nr. 210 als „selten“ für Pommern 
aufgeführt. Vorhanden sind 2 Stücke, davon stammt eins aus 
Thüringen, ein zweites, falsch mit Zringa alpina bestimmt und 
aus der Zeit nach Schilling stammend, trägt weder Katalognummer 
noch Fundort, sodafs es nicht sicher ist, ob es aus Pommern stammt. 


115. Tringa ferruginea Brünn. 


Vorhanden 6 Stück, davon 3 ganz rostrote, eins im Über- 
gange, 2 weilsbrüstige. 

Im „Verz. 1837“ wird der bogenschnäblige Strandläufer als 
Brutvogel aufgeführt, es fehlt jeder Anhalt, worauf sich diese 
Angabe stützt. 

117. Tringa temminckii Leisl. 

Vorhanden 4 Stück. Im „Verz. 1837“ wird dieser nordische 
Strandläufer als Brutvogel angegeben. Ich finde nur im Tagebuch 
die Angabe, dafs am 16. Mai 1827 2 St. bei Wampen erlegt 
wurden, und ferner am 24. Juli 1831: „Z.. glaube ich auf dem 
kleinen Riems bemerkt zu haben, wo er sich betrug, als wenn 
er Junge daselbst hätte.‘ 

Das Brutvorkommen ist zu bezweifeln. 


119. Pavoncella pugnax L. 


Eine Reihe von 26 Kampfläufern ist vorhanden, alle Farben, 
Geschlechter und Kleider, Frühjahr, Herbst, Dunenjunge, Männchen 
mit und ohne Kragen, eine aulserordentlich reiche, selten schöne 
Sammlung. Überhaupt sind die Gattungen Tringa, Totanus, 
Limosa, Numenius, Charadrius durchgängig in schönen Reihen 
vorhanden und gehören neben den Enten zu dem besten und 
reichhaltigsten Teil der Sammlung. 


123. Totanus stagnatilis Bchst. 


Im „Verz. 1837“ aufgeführt; kein Stück aus Pommern vor- 
handen. Das aufgestellte stammt aus dem Wiener Museum. 


127. Limosa limosa L. 

Kein Stück aus Pommern; im „Verz. 1837“ als Zugvogel 
untl Brutvogel für Pommern aufgeführt. Wird auch nirgends 
erwähnt, das Vorkommen zur Brutzeit war damals durch Herrn 
v. Hagenow festgestellt. 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 178 


128. Limosa lapponica L. 

Vorhanden 12 Stück, die meisten mit Limosa Meyeri be- 
zeichnet. Für die Selbständigkeit dieser Art sind Hornschuch 
und Schilling im Archiv für Naturgeschichte 1838 eingetreten; 
daher das vorhandene grofse Material. 


131. Numenius phaeopus L. 

Vorhanden 2 Stücke. Der Regenbrachvogel erscheint sehr 
früh, schon Anfang Juli, auf Rügen, brütet daselbst aber nicht, 
wie er auch im „Verz. 1837“ nicht als Brutvogel aufgeführt ist. 
In den Handschriften erscheinen auf Rügen und Hiddensoe er- 
beutete Stücke schon vom 1. Juli, häufiger vom 10. Juli, 


132. Gallinago media Lath. 
Mehrere Stücke, dabei ein junger Vogel mit halbwüchsigem 
Gefieder vom Juni 1825 von Schilling geschossen, und ein Dunen- 
junges vom Jahre 1864 vom Forstmeister Wiese-Greifswald. 


133. Gallinago gallinago L. 


Reihe, dabei Nr. 2671 Telmatias brachyoptera Br. & juv. 
Oktober 1841 aus Leist. 


134. Gallinago gallinula L. 

Reibe, dabei ein Dunenjunges, laut Katalog im Jahre 1864 
vom Forstmeister Wiese - Greifswald geschenkt. 1837 kannte 
Schilling ein Brüten in Neuvorpommern nicht; ob das vom Forst- 
meister Wiese geschenkte Dunenjunge aus der Umgebung Greifs- 
walds stammt, ist wohl anzunehmen, aber nicht unbedingt sicher. 
In den Veröffentlichungen Wiese’s finde ich dies Brutvorkommen 
nirgends erwähnt. 

136. Otis tarda L. 

Gröfsere Zahl in verschiedenen Altersstufen aus der Um- 
gebung Greifswalds. 

138. Otis tetrax L. 

2 Stücke. No. 394 S' ad. vom Gutsbesitzer Wodrich- 
Karrin im Herbst 1853 geschossen (genaues Datum fehlt); No. 1629 
Q, am 26. November 1860 von Freese bei Peenemünde erlegt. 


139. Grus grus L. 


Reihe in allen Altersstufen, dabei auch Dunenjunge vom 
‘Jahre 1835 von Dargelin bei Greifswald. 


140. Rallus aquaticus L. 
Vier Stücke, davon 3 vom April 1831 und 1837 und 1 Stück 
vom 10. Januar 1836 aus Gahlkow. Die Wasserralle überwintert 
von jeher nicht selten in Pommern. 


174 F. Koske: 


144. Ortygometra parva Scop. 

Ein Stück aus Pommern. No. 2750 Crex pusilla @ ad. 
Laut ,„Beob.“ am 21. Oktober 1842 von einem Greifswalder 
Studenten im Rosental bei Greifswald vor dem Hunde erlegt. 
Länge 7” 10“ [20 cm]; Breite 1’ [31,4 cm]. — Der Vogel ist unter- 
seits ganz hell, Kehle fast weils, Weichen gefleckt, Flügeldecken 
braungefleckt und gleicht ganz dem im Neuen Naumann Band 7 
Taf. 13 unter 2 abgebildeten Vogel. 


147. Plegadis falcinellus ER 


Ein Stück aus Pommern. No. 2153 9‘ juv. Nach den 
„Beob.“ am 20. September 1835 „in hiesiger Gegend‘ also bei 
Greifswald, erlegt. „Länge 1’9”9“ [56,4 cm]; Breite 3' 2 9" 
[100,9 cm]; Darmkanal 4“ 5“ [11,3 cm], mächtig weit. Magen sack- 
. förmig, 11/,“ [3,9] lang, Vormagen 3/,” [2 cm] lang, drüsig und 
dickwandig. Dadurch, dafs er nur einen Blinddarm besitzt, ist 
er den Reihern in div. Hinsicht ähnlich. Im Magen Überreste von 
Insekten, Larven und von Crustentieren.“* 


148. Platalea leucorodia L. 


Aufgestellt kein Stück aus Pommern, auch im „Verz. 1837“ 
nur als „beobachtet‘‘ angegeben. Dagegen befinden sich nach 
dem Acc. Kat. I Nr. 2351/52 im Museum verschiedene innere Teile 
(Herz, Luftröhre, Speiseröhre) in Spiritus von einem Löffler, der 
am 6. Juni 1869 vom Oberförster Fickert bei Stubbenkammer erlegt 
wurde. Dies Stück ist in der Literatur noch nicht bekannt. 


152. Nyeticorax nyeticorax L. 


Ein Stück aus Pommern. Nr. 1565 Q ad. Nach den ‚‚Beob.“ 
am 24. Mai 1830 zwischen Horst und Wendorf von Herrn Otto 
geschossen. Länge 1’ 9 4“ [55,5 cm]; Breite 3° 4“ [104,6]. Länge 
des Darmkanals 4“ 3“ [10,9], des Blinddarms 2“ [5,2]. Der Darm- 
kanal hat bis auf 14“ [36,6] Länge vom Pförtner ab nur mälsige 
Weite, bis da verengt er sich bis vor den Blinddarm, von wo er 
dann bis zum After wieder weiter ist. Der Magen hat eine Länge 
von ®/,” [2,0], ist nicht sehr dickhäutig, aber auf seiner inneren 
Fläche unregelmälsig gefaltet. Der Vormagen ist 1” 2 [2,9] lang, 
dickwandiger als der Magen und inwendig sehr drüsig. Die 
Speiseröhre dünnhäutig, aber sehr dehnbar. Der Eierstock mälsig 
grofs, die daran befindlichen gröfseren Eier hatten die Gröfse 
kleiner Erbsen und waren von Farbe dunkelgelb. Im „Verz. 1837“ 
ist der Nachtreiher als Brutvogel für Pommern angegeben, ob 
diese Angabe auf Grund des Befundes des Eierstocks und der 
Zeit der Erlegung gemacht ist, ist nicht ersichtlich, aber anzu- 
nehmen. Weitere Stücke hat Schilling nirgends erwähnt, auch 
wohl nicht in Händen gehabt. 


x 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 175 


155. Ardea ralloides Scop. 

Im „Verz. 1837“ unter Nr. 183 als in Pommern vorkommend 
aufgeführt. Im Museum ist kein Stück vorhanden, auch nennt 
Schilling ihn nirgends. 

156. Ardea cinerea L. 

Alle Altersstufen vorhanden. In den „Beob.“ schreibt 
Schilling: „Am 28. Dezember 1822 bei ungeheurer Kälte (es war 
die Kälte um diese Zeit immer abwechselnd von 7—10 Grad) er- 
hielten wir ein Exemplar von mittlerem Alter“. Der Reiher bleibt 
öfter im Winter hier. 

159. Herodias garsetta L. 


Ein Stück aus Pommern, schlecht erhalten. Auf dem Fuls- 
brett steht: „No. 571. 1851 erlegt. Rohde. Stralsund. Darfs.“. 
Im Acc. Kat. I Jahrg. 1856 findet sich bierbei die Bemerkung: 
„Gekauft vom Chausseeaufseher Rohde in Stralsund für 5sgr. Auf 
dem Dars erlegt, in den Besitz des Reg.-Baurats Spielhagen und 


aus dessen Nachlafs an Rohde.“ 


160. Syrrhaptes paradoxus Pall. 

2 Stücke, eins aus der Einwanderung des Jahres 1864 von 
Ludwig Holtz auf dem Darfs erbeutet, eins aus dem 1888er Zuge 
vom Mai dieses Jahres aus Wampen. Im Katalog findet sich bei 
letzterem die Bemerkung ‚‚estibus turgidis“. 


165. Tetrao urogallus L. 

Das Auerkuhn ist in der Neuzeit aus Vorpommern ver- 
schwunden, in Hinterpommern ist ein nicht unerheblicher Stand. 
Das letzte Stück, das Schilling laut Katalog erhielt, war ein 9, 
das er im Mai 1830 unter No. 1564 anführt und ausstopfte. Im 
Museum befindet sich ein aufgestelltes Weibchen, doch fehlt am 
Schilde die Nummer, sodafs nicht zu sehen ist, ob dies das letzte 
vorpommersche Stück ist. Im „Verz. 1837‘ wird das Auerhuhn 
noch als Standvogel bezeichnet. 


166. Lyrurus tetrix L. 


Nur ein Stück aus Pommern; ein @ No. 386 März 1822 
vom Grafen Bohlen in Stralsund. 


167. Bonasia bonasia L. 
Kein Stück aus Pommern. im Oktober 1829 führt Schilling 
im Katalog ein Haselhuhn auf, „den Balg von Herrn v. Hagenow 
eingetauscht“. Letzterer sammelte auf Rügen und in Neuvor- 
pommern, ob aber der Balg von dort stammt, ist nicht ersichtlich. 


168. Lagopus lagopus L. 
Am 15. April 1839 erhielt Schilling von Herrn v. Kienitz 
ein frisches Schneebuhn, ein Q', das er unter Nr. 2440 eingetragen 


176 F. Koske: 


hat und das nach den „Beob.“ auf dem „Stubenhäger Jagdrevier“ 
geschossen ist. Dieses Revier liegt zwischen Velgast und Barth 
und gehört vermutlich zu Carnin, der Besitzung des Herrn 
v. Sodenstern, der viele Vögel an das Museum lieferte. 

Dieses Schneehuhn ist frisch im Fleisch im Museum ein- 
gegangen, wie die Untersuchungen zeigen. Wo es später ge- 
blieben ist, läfst sich aus dem Katalog nicht ersehen, jetzt befindet 
sich dies Stück unter den zahlreichen Schneehühnern anderer 
Herkunft nicht mehr dort. 

In den „Beob.‘“ heifst es über diesen Vogel: Länge 17“ 
[44,5 cm]; Breite 24?/,“ [64,5 cm]. Der Darmkanal ist 3° 4" 
|100,3 cm] lang, mäfsig weit, vor den Blinddärmen, welche 5 2,‘ 
|14,7 cm] vor dem After sich befinden, am weitesten. Die Blind- 
därme haben die aufserordentliche Länge von 2'4“ [73,2 cm] und 
dabei dieselbe Weite wie der Darmkanal. Der Magen hat eine 
Länge von 11/,” [3,9 cm] und ist auf zwei Seiten mit 1/,” [1,3 cm] 
dicken Muskeln bekleidet. Die Hoden 3“ [5 mm] lang und kaum 
11/7,“ [2 mm] dick. Im Magen 5,8 Kropf Samenkätzchen und 
kurzgebrochene Aststücke von der Birke. Im „Verz. 1837‘ wird 
das Schneehuhn für Pommern aufgeführt mit dem Zusatz „Verirrt. 
Sehr selten. Hinterpommern.“ Diese Angabe ist sehr unklar. 
In den von Brehm und Schilling verfalsten „Beiträgen zur Vögel- 
kunde“ III. Band, 1822, S. 273 heifst es: „Dafs es auch zuweilen 
nach Pommern kommt, beweist ein Stück im Museum zu Greifswald, 
welches in der Nähe dieser Stadt geschossen wurde“. Auch dieses 
Stück ist im Museum nicht mehr vorbanden. 

E. v. Homeyer bemerkt in seiner Syst. Übers. Nachtr. S. 21, 
dafs „im Winter 1840/41 14—18 Stück Schneehühner auf dem 
Buge gesehen wurden, wo sie auf den Sanddünen safsen. Sie wurden 
gegen Abend bemerkt, waren nicht scheu, am folgenden Morgen 
jedoch verschwunden. Viele waren im reinen Winterkleide, einzelne 
trugen jedoch noch Federn des Sommerkleides.“ Es werden also 
dreimal Schneehühner für Neuvorpommern und Rügen erwähnt. 


174. Gyps fulvus Habl. 


Ace. Kat. INr.285 9. Dieser Geier, ein alter weilsköpfiger 
Vogel, wurde am 11. Juni 1850 auf den Wiesen bei Karrendorf 
lebend gegriffen und bis zum 15. XII. 1853 beim Zool. Inst. lebend 
gehalten; dann wurde er getötet. Ob ausgestopft und noch vor- 
handen, nicht ersichtlich. Uber seine Verfärbung und sein Be- 
tragen in der Gefangenschaft hat Schilling eingehende Auf- 
zeichnungen hinterlassen. 


. 178. Circus pygargus L. 
Eine Reihe von Vögeln. Nach den „Beob.‘“ wurde ein junger 
Vogel am 27. 8. 1841 auf dem Greifswalder Stadtfelde aus dem 
Nest genommen und später ausgestopft; zwei junge Vögel am 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 177 


25. Juli 1852 auf einer Waldwiese bei Hanshagen gefangen. An 
dem Brüten der Art bei Greifswald dürfte hiernach nicht zu 
zweifeln sein. 


180. Accipiter nisus L. 


Unter den vorhandenen Stücken befinden sich 2 mit der 
Bezeichnung Nisus fringillarum Br. 


181. Circaetos gallicus Gm. 


Ein Stück aus Pommern: No. 1811 Circaetos leucopsis Br. 
Q ad. am 4. Mai 1832 von Herrn v. Sodenstern auf Carnin bei 
Velgast geschossen. In seinen „Beob.“ gibt Schilling eine Be- 
schreibung einzelner Teile dieses Vogels und sagt: „Die gröfsten 
Eier am Eierstock haben einen Durchmesser von 3°’ [5 mm]. 
Der Eingang aber ist so erweitert, dafs es wohl als gewifs an- 
zunehmen ist, dafs das Tier dieses Jahr hier gelegt hat. Der 
"Brutfleck, welcher !/, der Brust einnahm, zeigt aber auch die 
Bebrütung der Eier an.“ „Im Magen eine 3‘ lange Coluber Berus, 
von der !/,;, im Magen und Vormagen und schon verdaut, das 
übrige noch in der Speiseröhre und unbeschädigt war.“ 

In seinem Tagebuch sagt Schilling, dafs „nach der Ver- 
sicherung des Schützen, der den Adler erlegt hat, auch das 
Männchen einige Tage zuvor geschossen, aber nicht gefunden sei; 
vor einem Jahre und schon früher sollen 2 Paare daselbst ge- 
nistet haben“. 

Von diesem unzweifelhaften Brutvorkommen des Schlangen- 
adlers in Neuvorpommern war bisher in der Literatur nichts 
‘ bekannt. Ferner gibt Schilling in seinem Tagebuch an: „am 
13. Oktober 1832 wurde ein Schlangenadler von Herrn v. Hagenow 
in hiesiger Gegend erlegt‘‘; sodann sagt Schilling, dafs er am 
6. April 1829 im Eldenaer Holz ein Pärchen, und am 5. April 
1837 ebendort ein einzelnes Stück gesehen habe. 

Die Ankunftszeit scheint hiernach erheblich früher zu liegen, 
als im Neuen Naumann Bd. 5 S. 177 angegeben. 


183. Buteo buteo L. 
Eine ganze Anzahl in allen Farben, dabei 4 Stück mit der 
Bezeichnung Buteo murum Br. 


187. Aquila chrysaetos L. 

Vorhanden 1 Stück aus Pommern: No. 1561, in den letzten 
Tagen des März 1830 bei Levenhagen erlegt. Ferner wurde laut 
Acc. Kat. I ein am 17. November 1886 bei Jeeser vom Forst- 
gehilfen Schäfer geschossener Steinadler vom Museum für 12 M. 
gekauft. : 

Aufserdem befindet sich noch ein sehr schöner Kaiseradler 
Ag. heliaca Sav. mit weilsen Schulterflecken und schwarzen Hosen 


Journ, f. Orn, LXVIIL, Jahıg. April 1919, 12 


173 F. Koske: 


im Museum. Nach dem Katalog „umgestopft Juni 1828“. Dafs 
er aus Pommern stammt, ist nicht anzunehmen, sonst wäre es 
doch wohl angegeben. 


191. Aquila pomarina Br. 


Eine ganze Anzahl in allen Altersstufen aus der Umgebung 
Greifswalds, die letzten 1867 aus Eldena vom Forstmeister Wiese 
und 1874 von Dr. Quistorp. Mit dem Namen Ag. assimilis Br., 
den Brehm für pommersche Vögel anführt, findet sich kein Stück, 
ebensowenig mit dem von Hornschuch und Schilling aufgestellten 
Namen Aquila longipes H. u. S. 

Schreiadler wurden auch fast ständig beim Zool. Inst. lebend 
gehalten. 


192. Pernis apivorus L. 


Eine gröfsere Anzahl in verschiedenen Farben, dabei 4 Stück 
mit der Aufschrift Falco vesparum Br. 


194. Milvus milvus L. 


Eine Reihe von Stücken. Darunter befindet sich auch ein 
Vogel — No. 1579 S* juv. Juli 1830. Pommern. Schilling. —, 
dessen Schwanz recht wenig ausgeschnitten und dessen Unterseite 
wohl dieselbe rostrote Farbe zeigt, wie die der übrigen Gabel- 
weihen, bei dem aber die schwarzen Schaftflecke auf den Federn 
der Unterseite sämtlich ganz schmal sind gegenüber den viel 
breiteren der regelmäfsig gefärbten. Der Vogel fällt durch diese 
feine Strichelung der Unterseite sehr auf. 


196. Aquila albieilla L. ; 


Von Seeadlern in allen Altersstufen ist ein reichhaltiges 
Material vorhanden; unter den Namen befindet sich die Brehm’sche 
Bezeichnung Aguila borealis Br. 1824, sowie der im „Verz. 1837“ 
aufgeführte Aguila leucocephala L. S. nicht. Y 

Im Katalog wird nur einmal ein „Aquila borealis 9° juv. 
geschossen 16. 11. 1824 auf der Insel Koos‘‘ erwähnt, den Schilling 
in seinen „Beob.“ „eine merkwürdige Varietät mit eigentümlichen 
Flecken uud eigens gebildeten Federn“ nennt. Er beschreibt den 
Vogel: „Breite 6° 10“ [215 cm]; Länge 2’101/,“ [90 cm]; Schwanz 
13 1/,” [35 cm] lang; die äufserste Feder 1” 6“ [3,5 cm] länger 
als die fünfte, 14/, als die mittelste = 6te. (Die 5te S. Feder 3‘ 
[5 mm] länger als die 6te.) Der Schwanz 2?/,“ [7 cm] länger 
als die angelegten Flügel, die Wachshaut sehr aufgetrieben, 
schwarzbraun und schmutzig gelb gefleckt. Die Mitte der Wachs- 
haut ist der höchste Punkt des Schnabels. Vor der Wachshaut 
ist der Schnabel sehr abschüssig und hornschwarz, der Unter- 
schnabel kaum merklich lichter. Die hintere Hälfte des Unter- 
schnabels, der Mundwinkel sowie die mit Haaren besetzte Stelle 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 179 


vor den Augen gelb, der Rachen fleischfarben. Der Augenstern 
dunkelgelb. usw.“. 

Diesen Vogel erhielt Brehm, der ihn Ornis I. 1. 1824 
Aquila borealis nannte. 

Aus Schillings „Beob.“ und seinem Tagebuch geht hervor, 
dafs in den Jahren 1829 bis 1833 regelmäfsig ein Seeadler auf 
dem Ebertsberge im Eldenaer Holz bei Greifswald brütete; 1840 
erhielt das Institut Junge aus einem Horste auf dem Vilm, 1841 
von Peenemünde, 1845 von Darfs, 1860 von Stubbenkammer. 

; In den „Beob.“ werden Mafse von 15 Seeadlern gegeben 
und zwar: 


Länge mas. ohne Rücksicht auf Alter 33—35* [86-91 cm] 


- fem. - - - - 331,—38" [87—99 cm] 
Breite mas. - - - - 82—85” [215—223cm] 
=\.u.jem, - - - - 82—91" [215—239cm] 


Die längsten Stücke beiderlei Geschlechts sind ein- und zwei- 
Jährige Vögel; auch in der Breite übertreffen die jüngeren Vögel 
oft die älteren. Seeadler wurden ständig und lange Jahre beim 
Zool. Inst. lebend gehalten, über deren Verfärbung und sonstige 
Eigentümlichkeiten Schilling längere Aufzeichnungen hinter- 
lassen hat. 

197. Pandion haliaetus L. 

Mehrere Stücke aus Pommern, darunter eins mit der Bez. 
Pandion alticeps Br. 1842 wurde am Ryck noch ein Fischadler 
geschossen; 1840 brütete ein Paar, dem am 4. 7. 2 Junge ge- 
nommen wurden, im Holze bei Güst. 


198. Falco rusticolus L. 


199. Falco cherrug Gm. 

Im „Verz. 1837‘ werden F. islandicus Gm. und F. lani- 
arius Tem. als in Pommern vorkommend aufgeführt; im Museum 
befindet sich kein Stück beider Arten, auch werden in Katalogen 
und ,„‚Beob.“ nirgends diese Arten genannt, nur im Tagebuch wird 
unter dem-25. Februar 1834 ein Vogel als gesehen erwähnt, „der 
Falco laniarius zu sein schien“, sodafs nach dem vorhandenen 
Material die Angabe der Unterlage entbehrt. 


\ 
203. Falco aesalon Tunst. 
Zwei Stücke aus Pommern vom Oktober 1840 und 
28. September 1848. 


204. Oerchneis vespertinus L. 
Nur 1 Stück vorhanden, das im November 1837 von 
v. Krafsow eingetauscht ist. Dafs es aus Pommern stammt, ist 
unwahrscheinlich, denn v. Krafsow gab im Tausch zusammen 
Perdix rubra, Falco rufipes und Turd. saxatilis. Im „Verz. 1837 


-)%* 
- 


180 F. Koske: 


für Pommern aufgeführt, eine Unterlage hierfür fehlt im Museum 
und in den Handschriften. 


207. Bubo bubo L. 


Vorhanden nur noch ein Stück aus Pommern: No. 882, laut 
Katalog und „Beob.“ im Jahre 1823 im Peenemünder Forst aus 
dem Neste genommen, bis Januar 1825 beim Institut lebend ge- 
halten, dann ausgestopft und mit Bubo Germanicus Br. bezeichnet. 

Eingegangen und ausgestopft sind mehrere, die später meist 
an den Fürsten zu Putbus abgegeben sind. Für die Frage, wann 
der Uhu in Neu-Vorpommern ausgestorben ist, seien aus Katalog 
und Tagebuch folgende Daten angegeben: Es wurde geschossen 
je ein Stück am 9. Dezember 1830 bei Kirchdorf, am 9. März 
1833 bei Carlsburg, im März 1838 bei Damgarten; am 18. Mai 
1836 wurden Dunenjunge bei Carnin ausgenommen, am 3. Mai 
1841 aus einem Neste bei Sanz 3 Eier. In den Ückermünder 
Forsten, die zu Alt-Vorpommern gehören, lebte der Uhu länger, 
in Hinterpommern noch jetzt. 


212. Syrnium uralense Pall. 


Im „Verz. 1837“ als in Pommern vorkommend aufgeführt. 
In der Sammlung kein Stück, auch in den Katalogen und Hand- 
schriften nirgends erwähnt. Das Vorkommen in Pommern ist 
-ohne jeden Beweis. 


213. Syrnium aluco L. 


Aus der Umgebung Greifswalds sowohl braune als auch 
graue Färbungen. In den „Beob.“ wird „eine sehr helle Varietät“ 
beschrieben, die am 22. März 1824 im Leister Holze geschossen 
ist. „Der Eierstock hat 4 sehr stark entwickelte Eier, wovon 
das grölste einen Durchmesser von 8“ [12 mm] hat. Es hängen 
am Eierstocke auch noch 3 grofse, runde, leere Taschen. Dieses, 
und dafs der Eileiter so erweitert ist wie bei Vögeln, welche 
bereits gelegt haben, sowie aus den auf dem Unterleibe vor- 
handenen Brutflecken nach zu urteilen, mufs das Tier schon längst 
Junge haben.“ 

214. Nyctea nyctea L. 


Vorhanden sind noch 3 Stücke aus Pommern; zwei vom 
März 1833 und eins vom 19.1. 1896 aus Hiddensoe, In den Hand- 
schriften werden erwähnt: 4 Schneeeulen vom 24. und 27. Februar 
1833 aus Barth, Stahlbrode, Carnin; ein Stück vom 8. Dezember 
1841 aus Broitz bei Greifenberg; ein Stück vom 22. Dezember 1865 
aus Wampen nnd das schon genannte Stück vom 19. 1. 1896 aus 
Hiddensoe. 

In den „Beob.‘“‘ vom Jahre 1833 beschreibt Schilling die bei 
allen Schneeeulen vorhandenen Federohren und wundert sich, 
dafs diese Ohren bis dahin übersehen seien. 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 181 


215. Surnia ulula L. 


Ein Stück aus Pommern: No. 3207 © ad. in Grubenhagen 
bei Greifswald erlegt am 16. März 1849. 


216. Aegolius funereus L. 


Vorhanden 4 Stücke aus Pommern. In den „Beob.“ werden 
beschrieben: ein @ ad. 29. 3. 1853 von Gützkow, Eierstock 
ziemlich grofg; ein Q ad. 18. 3. 1836 aus Kieshof, Eierstock 7" 
[11 mm] lang, 2“ [2 mm] breit, Eier verschieden in Gröfse und 
Farbe, der rechte Eileiter sehr entwickelt; ein Q' ad. vom 
25. 3. 1836 aus Netzeband, Hoden wie grofse Erbsen. 

Alle diese Stücke sind auf dem Schnepfenzuge geschossen ; 
ob er in Pommern brütet, wie im „Verz. 1837“ angegeben, lälst 
sich hieraus nicht sehen; im Tagebuch gibt Schilling unter dem 
18. Mai 1839 an: „Eier von Strix dasypus ? aus dem Wackerower 
Holz erhalten“, doch macht er bei dem Namen schon selbst ein 
Fragezeichen. 

217. Athene noctua Scop. 

In seinen „beob.‘“ schreibt Schilling bei einem Steinkauz, 
der am 17.1.1841 in einer Vorstadt Greifswalds lebend gegriffen 
wurde, „es ist dies das erste Exemplar, welches mir am hiesigen 
Orte vorgekommen ist“. Ausgestopft unter No. 2673. Das ist 
auffällig, da jetzt der Steinkauz eine sehr gewöhnliche Erscheinung 
in Greifswald ist. 

Vorhanden sind: ein Stück ohne No., vielleicht das von 
1841, eins vom November 1851 von Hiddensoe, zwei Junge vom 
10. 7. 1852 im Holze bei Greifswald gefangen und ein Stück aus 
späterer Zeit aus Grubenhagen, irrtümlich mit Sfr. dasypus be- 
zeichnet. 

219. Strix alba gutiata Br. 

Von den vorhandenen Stücken sind 3 typische gutiata mit 
gelber Unterseite, ein viertes Stück — Nr. 3358 vom Juli 1851 
OS juv. — hat fast weifsen Bauch und nur gelbe Brust. 


220. Cuculus canorus L. 
Aus der Umgebung Greifswalds sind sowohl rote als auch 
graue Färbungen vorhanden, darunter befindet sich ein Stück, 
das im September 1882 in Griebenow in den Dohnen gefangen ist. 


221. Clamator glandarius L. 

Von den zwei bis jetzt in Deutschland erlegten Vögeln 
dieser Art, die beide merkwürdigerweise in Schillings Hände ge- 
langten, befindet sich der eine in der Greifswalder Sammlung. 
Er trägt auf dem Fufsbrett die Aufschrift: „No. 1824. Cuculus 
glandarius L. CO. macrourus Br. Langschwänziger Kuckuck. P. 
[P. bedeutet immer Pommern]. Von Hr. Pauly.“ Im Kat. Lit. A 


132 F. Koske: 


ist unter No. 1824 eingetragen: „Juni 1832. Ouculus macrourus. 
Umgestopft. Von Pauly zu Nielitz.“ 

Im „Verz. 1837“ wird unter No. 156 der Häherkuckuck für 

Pommern als „Zugvogel, Brutvogel, selten“ aufgeführt und in 
einer Fulsnote dazu bemerkt: „Die Ehre der Entdeckung dieses 
seltenen Vogels in der hiesigen Provinz gebührt unserm Freunde 
Herrn Pauly in Nielitz, der auch so gütig war, denselben dem 
hiesigen Museum zu schenken.“ 
.. Nun führt jedoch E.F. v. Homeyer in seiner „Systematischen 
Übersicht der Vögel Pommerns“ auf Seite 9 unter No. 28 auf: 
„Der gefleckte Häherkuckuck, C. glandarius G]., dieser für ganz 
Deutschland so seltene Vogel, wurde in dem grofsen Garten des 
Gutes Levezow bei Teterow vor mehreren Jahren im August 
erlegt und Herrn Pauly in Nielitz gebracht. Wahrscheinlich war 
er in dem Garten ausgebrütet worden, da sich daselbst mehrere 
sehen liefsen.“ Im Nachtrage vom Jahre 1841 S. 26 sagt er 
ferner: „In der Note zu diesem Vogel in dem erwähnten Ver- 
zeichnisse [von Hornschuch und Schilling] wird die Entdeckung 
desselben [des Häherkuckucks] für die Provinz dem um die 
Ornithologie Pommerns allerdings verdienten Herrn Pauly zu 
Nielitz zugeschrieben. Dies ist unrichtig. Das, was ich über den 
Häherkuckuck in meiner Übersicht gesagt habe, verdanke ich 
einer brieflichen Mitteilung des Herrn Pauly. Der dort erwähnte 
Vogel befindet sich jetzt in der Greifswalder Sammlung und ist 
in Mecklenburg erlegt, in Pommern ist noch keiner gesehen 
worden.“ ” 

Hierauf hat Schilling zunächst nicht geantwortet, wie er ja 
überhaupt auch sehr wenig veröffentlichte, und Homeyers Angabe, 
dafs der Häherkuckuck bei Teterow in Mecklenburg erlegt sei, _ 
ist in alle späteren ornithologischen Werke übergegangen. 

Erst im Jahre 1859 hat Schilling, nachdem er 1853 pen- 
sioniert und nach Naumburg a./S. gezogen war, geantwortet und 
zwar in einem in der Ornithologie ganz unbekannten dreibändigen 
Werke, dem „Hand- und Lehrbuch für angehende Naturforscher 
und Naturaliensammler. Weimar 1859.“ Hier schreibt er in 
Band 1 S.5: „Im Jahre 1836 bekam einer meiner Freunde, der 
Herr Amtmann Pauly zu Nielitz bei Demmin in Vorpommern, 
ein eifriger Sammler pommerscher Vögel, den langschwänzigen 
Kuckuck ganz frisch erlegt, der in der nächsten Umgebung der 
Stadt Demmin mit noch vier andern derselben Art geschossen 
war. Der Schütze, Herr Amtmann Burmeister in Demmin, welcher 
leider die Seltenheit dieser Tiere nicht kannte, versichert, dafs 
er sie leicht ohne Mühe sämmtlich hätte erlegen können, so wenig 
scheu wären sie gewesen. 

Der Flug bestand, nach des Schützen Aussage, aus zwei 
alten Vögeln, die sich als solche durch ihre grofse Gewandheit 
zu erkennen gaben und deren Rücken graublau gefärbt war, und 
drei Jungen mit geflecktem Gefieder, von welchen letzteren der 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 185 


eine erlegt wurde. Da die Jungen zur Zeit (im August) die ge- 
hörige Flugfäbigkeit noch nicht besalsen, so war sicher anzunehmen, 
dafs sie daselbst oder doch in der Nähe ausgebrütet worden, und 
wir konnten daher diesen Kuckuck mit vollem Recht in dem 1837 
von uns herausgegebenen „Verzeichnifs der in Pommern vor- 
kommenden Vögel“ als Brutvogel aufführen.“ 

Tatsache ist also, dafs der Vogel in die Sammlung des 
Amtmanns (Gutsbesitzers) Pauly in Nielitz kam, wann, und wann 
er erlegt ist, ist unbekannt, und dafs er von dort im Juni 1832 
‚an das Museum in Greifswald gegeben wurde. Schillings spätere 
Angabe „1836“ ist ein Irrtum oder ein Druckfehler. Schilling 
stopfte den Vogel um und gab ihm die Stellung, die er jetzt hat, 
mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz. 

Nach Hartert, Vögel der pal. Fauna, sind beim alten ' 
und @ Oberkopf hellgrau, Schwingen dunkelbraun, Flügellänge 
195— 218, Schwanz 210— 248; beim jungen Vogel Oberkopf schwarz, 
Haube kurz, Handschwingen rotbraun mit dunkelbraunen Spitzen 
und weilsem Endsaum. 

Bei dem Vogel des Museums ist der Oberkopf nicht hellgrau 
sondern dunkel, die Haube kurz, die Handschwingen sind deutlich 
rotbraun, nicht dunkelbraun, mit dunkelbraunen Spitzen und 
weilsem Endsaum. Die Flügel sind vom Bug bis zur Spitze 
200 mm lang, die längsten Schwanzfedern 219. Statt 10 sind 
nur 8 Schwanzfedern vorhanden, es fehlt links die zweite von 
aufsen, rechts die Äufserste kleinste; dadurch macht der stark 
stufenförmige und ausgebreitete Schwanz den Eindruck, als wäre 
die linke äußerste Feder, da die ihr gegenüberstehende Feder 
der rechten Seite fehlt, im Wachstum begriffen. 

Die Färbung zeigt, dafs es ein junger Vogel ist, die Malse 
ergeben aber ein vollständig ausgewachsenes Stück, bei dem von 
einer mangelnden Flugfähigkeit wohl nicht gesprochen werden 
kann. Dafs die Federn irgendwie noch nicht ausgebildet seien, 
ist nicht zu sehen. 

Da die Erzählung von den zwei alten und den drei jungen, 
noch nicht ganz flugfähigen Vögeln die reine Jagdgeschichte und 
ganz unglaubwürdig ist, weil der Häherkuckuck nicht selbst brütet 
und der geschossene Vogel kein fugunfähiges Stück ist, so scheint 
es mir, als wenn Pauly als Sammler seine Quelle nicht hat nennen 
wollen und dem Konservator Schilling, der auch viel mit Naturalien 
handelte, nicht die Wahrheit gesagt, dagegen später Herrn E. F. 
v. Homeyer die richtige Herkunft angegeben hat. Unerfindlich 
wäre es auch, wenn er als Sammler pommerscher Vögel ein so 
seltenes Stück fortgegeben hätte, wenn es aus Pommern gewesen 
wäre. 

Ich bin deshalb der Ansicht, dafs dieser Häherkuckuck nicht 
zu den pommerschen Vögeln zu zählen ist, wenn er auch im 
Museum in Greifswald steht. 


184 F. Koske: 


Aufserdem finden sich in Schillings Tagebuch folgende Ein- 
tragungen: 

„27. Mai 1832. Cuculus macrourus? Es zog heute Vor- 
mittag ein mir unbekannter Vogel mit weilsem Unterleibe, Jangem 
Schwanze u.s.w. über den grofsen Schlag nordöstlich vom Eberts- 
berge. Sein Geschrei, welches mir ganz fremdartig vorkam, Rack, 
Rack, dem ähnlich, wie es mir der Kaufmann Müller in Lübben 
vom langschwänzigen Kuckuck beschrieben hat.“ 

„20. Juli 1842. Auf dem Kieshöfer Revier. Cuculus glan- 
darius juv. Das Tier war eben nicht sehr scheu, sondern liefs 
mich und einen zweiten Schützen dreimal auf 80 und 100 Schritte 
nahe kommen; allein näher und schufsgerecht liefs es sich nicht 
kommen, sondern flog immer eine mälsige Strecke weiter, bis es 
aus dem grofsen Torfmoore, wo wir es zuerst trafen, sich ent- 
fernte und in dem nächsten Holze unsern Blicken entzog.“ 

Da Schilling den Häherkuckuck genau kannte, so scheint 
es mir nicht ausgeschlossen, dals die Beobachtung richtig ist. 


225. Dendrocopos. 


Das vorbandene Material an grofsen und anderen Bunt- 
spechten ist zu geringfügig, z. T. auch mit zu ungenauen Fund- 
ortsangaben versehen, um auf Grund desselben die verschiedenen 
Arten oder deren Verbreitung in der Umgebung Greifswalds an- 
sprechen zu können. 

Die im „Verz. 1837“ als in Pommern vorkommend genannten 
Dendrocopos leucotos Bchst. und Picus canus viridicanus M. W. 
fehlen aus Pommern, sind auch in den Katalogen nicht aufgeführt; 
im Tagebuch wird der erstere einmal am 26. Januar 1830 mit 
dem Zusatz „vielleicht“ erwähnt, der letztere einmal im Nov. 
1827 als gesehen angegeben. 


235. Alcedo ispida L. 


Mit der Brehmschen Bezeichnung Alcedo advena Br. 1831, 
von welcher Form im Januar 1826 mehrere bei Greifswald vor- 
naen sein sollen, ist keines der vorhandenen Stücke ver- 
sehen. 

236. Merops apiaster L. 

Ein Stück vorhanden, No. 2640 Q' adult. Geschossen am 
9. Mai 1841 auf der Insel Oehe. Nach den „Beob.“: Länge 
10‘ 9‘ [27,6 cm], Breite 17“ 6“ [45,5 cm]. Iris dunkelbraunrot; 
Schnabel glänzend schwarz; Füfse schwarzgrau; die Hoden nicht 
angeschwollen, 11/, “ [2,5 mm] lang; der Körper ziemlich fett und 
fleischig; der Magen war leer; im Gefieder zwei Schmarotzerarten. 

Dies Stück ist in der Literatur nicht erwähnt. 


237. Coracias garrulus L. 


Reihe in verschiedenen Kleidern. Fundorte: Greifswald, 
Eldena, Wampen, Friedrichshagen, Hanshagen; alles die nächste 


ne‘ 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 185 


Umgebung Greifswalds. Bei einem Stück aus Wampen ist ver- 
zeichnet: „im Magen eine ganze Feldmaus“. 


238. Upupa epops L. 
Zwei Stücke, eins am 28. 5. 1836 über den Eiern gegriffen, 
das zweite am 4. Juni 1838 aus Kieshof. Im Tagebuch bis 
1838 regelmälsig genannt. 


241. Uypselus melba L. 

Im „Verz. 1837“ ist der Alpensegler für Pommern als 
„Zugvogel, sehr selten“ aufgeführt. Ein Belag im Museum ist 
nicht vorhanden, auch wird er nirgends erwähnt; worauf die An- 
gabe sich stützt, ist nicht ersichtlich, es scheint, ebenso wie bei 
Homeyer 1837 nur Vermutung zu sein, dafs er in Pommern vor- 
kommen könnte, weil er einmal in Mecklenburg erlegt ist. 


247. Muscicapa atricapilla L. 

Im „Verz. 1837“ wird das Jugendkleid des Trauerfliegen- 
fängers noch als Muscicapa muscipeta unterschieden. Zur Stütze 
dieser Ansicht sind viele Vögel dieser Art in allen Kleidern 
aufgestellt. 

248. Muscicapa collaris Behst. 
Diese Art war Hornschuch und Schilling nicht bekannt. 


249. Muscicapa parva Bchst. 


Im „Verz. 1837“ wird neben Musc. parva noch Muse. minuta 
aufgeführt; diese Trennung vertrat Schilling noch im Jahre 1853. 
Für die damaligen Untersuchungen und Veröffentlichungen ist ein 
reiches Material an Vögeln dieser Art vorhanden. 

Nach dem Tagebuch fand Schilling den Zwergfliegenschnäpper 
zum ersten Mal am 2. Juni 1830 im Eldenaer Holz, obwohl er 
auch in den vorhergehenden Jahren fast täglich die Umgegend 
durchstreifte; später fand er ihn dann regelmäfsig. 


250. Lanius excubitor L. 
Vorhanden sind nur Stücke der zweispiegeligen Form. Im 
Tagebuch wird ein Paar am 13. Mai 1830 auf einer Koppel zwischen 
Stilow und Rappenhagen aufgeführt. 


251. Lanius minor Gm. 

Von diesem jetzt in Vorpommern aus unbekannten Gründen 
verschwundenen Würger sind sechs Stücke vorhanden; aus den 
Angaben der Kataloge und Handschriften bis 1853 läfst sich 
nichts über ein Verschwinden während dieser Zeit folgern; er 
erscheint im Gegenteil im Tagebuch ständig und häufig. 


186 F. Koske: 


253. Lanius senator L. 


Vorhanden sind drei Stücke aus der Umgebung Greifswalds 
und ein Nest aus dem Eldenaer Holz. 


254. Corvus corax L. 


Mehrere Stücke, das letzte aus dem Jahre 1875 aus der 
Nähe von Grimmen. Die Brehmsche Form Corax communis 
littoralis Br. 1831 von Rügen ist nicht vorhanden. 


255. Corvus corone L. 


Nur eine echte Rabenkrähe aus der Umgebung Greifswalds 
vom Februar 1827 ist vorhanden; nach dem Tagebuch ein zweites 
Stück vom 26. 2. 1833 bei Eldena. Kreuzungen mit cornix 
mehrere. 

259. Pica pica L. 


Unter den vorhandenen Stücken eine Pica Germanica Br. 


269. Passer domesticus L. 


Die nach Brehm bei Greifswald gewöhnlich vorkommende 
Form Pyrgita rustica Br. 1831 ist unter dieser Bezeichnung nicht 
vorhanden. 

271. Petronia petronia L. 


Der Steinsperling ist sicher in drei Stücken in Pommern 
erlegt. Das erste Stück erhielt im Jahre 1777 der Greifswalder 
Professor Otto. Er beschreibt es in Büffons Übersetzung der 
Vögel Band X S. 184-—-185 und gibt eine nicht zu verkennende 
Abbildung. Zwei weitere Stücke sind nach Angabe E. v. Homeyers 
im J. f. O. 1879 S. 174—175 von dem Oberamtmann Heydemann 
in Thalberg bei Treptow a. T. unter einem Schwarm von Lein- 
zeisigen erlegt und in des letzteren Sammiung gekommen. Leider 
gibt Homeyer die Zeit der Erlegung nicht an. Die Heydemannsche 
Sammlung befindet sich jetzt in der Bürgerschule in Treptow a.T. 
und enthält heute noch ein gut erhaltenes Stück des Steinsper- 
lings mit der Bezeichnung: Pommern. Die Sammlung ist mit 
ganz wenigen Ausnahmen von Hugo Schilling, dem Sohne des 
Dr. Wilhelm Schilling beschafft und gestopft, sodals die beiden 
Steinsperlinge wohl sicher im Anfang der 50er Jahre erlegt sind. 
Im Greifswalder Museum befinden sich 3 Steinsperlinge: eins, 
ein Vogel mit schwachem gelbem Kehlfleck, ohne Katalognummer, 
mit der Bezeichnung „Pyrgita petronia Br., Fringilla petronia L. 
der Steinsperling. Pomm. S.“ Da die Katalognummer fehlt, 
nehme ich an, dafs dies das zweite Heydemannsche Stück ist, das 
der Jüngere Schilling eingetauscht hat; ferner 2 Steinsperlinge 
auf einem Ast, dessen Klotz die Bezeichnung „Pommern“ trägt. 
Diese Angabe ist später mit Bleistift gestrichen und „Jena“ da- 
für gesetzt. Den Vögeln ist auf den Rücken ein Zettel gesteckt, 
auf dem es heifst „aus dem Saalthal“, sie scheinen von Brehm 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 187 


eingetauscht zu sein und stammen sicher nicht aus Pommern. 
Sicher nächgewiesen sind nur 3 Stücke dieser Art. 


272. Coceothraustes coccothraustes L. 


Unter den vorhandenen Stücken befindet sich eins mit der 
Bezeichnung Coccothraustes cerasorum Br. 


277. Acanthis cannabina L. 


Unter den vorhandenen Hänflingen sind 2 Stücke mit der 
Bezeichnung: Fringilla arbusiorum Br. vom Dezember 1826 und 
Februar 1829 aus Greifswald. Beides grofse Vögel mit einer 
Fittichlänge von 82. Rücken braun, dunkel längsgestreift, Brust 
karminrot. Ferner ein sehr kleines Q' No. 2733, Greifswald, das 
nur eine Fittichlänge vön 74 besitzt; es ist im schönsten Pracht- 
kleid, Brust feurig rot wie beim Karmingimpel, Rücken hell 
zimmtfarben. EHER TEN, 

279. Acanthis linaria L. 

Unter den vorhandenen Stücken befinden sich 4, die die 
Bezeichnung Fringilla alnorum Br. tragen. Die von Brehm alnorum 
genannte Form ist die jetzt Acanthis linaria holboelli genannte 
Art, die gröfser ist als die gewöhnliche Zinaria und eine Flügel- 
länge von 75—81!/, gegen 74—78 besitzt. Dies trifft für die hier 
alnorum genannten Stücke nicht zu, deren Flügel 74—76 messen. 
Es scheinen mir deshalb diese Stücke knaria zu sein. 


285. Carduelis carduelis L. 


Unter den vorhandenen Stücken zweimal die Bezeichnung 
Fringilla germanica Br. 


287. Pinicola enucleator L. 
Viele Stücke, die meisten vom Herbste 1831 und 1832. 


288. Carpodacus erythrinus Pall. 


Vorhanden aus Pommern: Nr. 1793. Ein junger Vogel im 
braunen Jugendkleid. Laut Katalog im März 1832 von Herrn 
v. Homeyer-Nerdin gegen andere Vögel eingetauscht. Es ist dies 
wohl sicher das Stück, das E. v. Homeyer nach seiner Angabe 
als einzigen Vogel dieser Art, der bis dahin in Pommern gefunden 
war, im September 1831 im Garten in Nerdin geschossen hat. 
Er hat ihn aber schon ein halbes Jahr später vertauscht. Ferner 
sind 2 Stücke vom Königsberger Museum vorhanden, die 1826 
i ind. 
ee? 289. ‘Pyrrhula pyrrhula L. 

Vorhanden sind nur 2 Stücke der grofsen Form, Flügellänge 
o 95, 9 90; von europaea kein Stück. 

Im „Verz. 1837“ wird der Dompfaff als „Standvogel“ auf- 
geführt. Aus den vorhandenen Stücken kann der Beweis hierfür 
nicht geführt werden, obgleich sonst nicht daran zu zweifeln ist, 


188 F. Koske: 


dafs der Vogel in Neuvorpommern vereinzelt brütet. Der Beweis 
hierfür ist ein Nest aus dem Abtshäger Revier vom Förster 
Cornand. Auch im Tagebuch erscheint der Gimpel niemals als 
Sommervogel, immer nur bis spätestens April; erlegte Männchen 
haben um diese Zeit immer nur unentwickelte Hoden. 


294. Calcarius lapponicus L. 
Kein Stück aus Pommern vorhanden. 


296. Emberiza calandra L. 


Unter den vielen Stücken 2 (O1, 9) mit der Bezeichnung 
Miliaria Germanica Br. 


301. Emberiza hortulana L. 


Vorhanden drei Stücke; eins nur „Pommern, Schilling“ ge- 
zeichnet, also aus Greifswalds Umgebung; eins mit der Bez. 
Emberiza pingnescens Br. von Herrn Claufsen [Stralsund]; eins vom 
Mai 1871 aus der Umgebung von Demmin. Ferner ein Nest mit 
2 Eiern, bez. „20. 6. 1868 Hinrichs“. Nach den „Beob.“ wurde 
ein Stück am 12. 5. 1840 in den Greifswalder Stadtgärten 
geschossen. 

| 31l. Anthus pratensis L. 

Unter den vielen Wiesenpiepern befinden sich mannigfache 
Farben-Spielarten; dabei auch nach den Schildern: 1) ohne Nr. 
Anthus stagnatilis Br. der Teichpieper. Den 26. März 1825 erl. 
Pomm. Schilling. [sehr helle Färbung]. — 2) Ohne Nr. Anthus 
palustris Br. © der Sumpfpieper. Den 10. April 1825 von Brehm 
erlegt. Pomm. — 3) Ohne Nr. Anthus montanellus Br. Q' der 
Bergpieper. Den 16. März 1825. Pomm. — Laut Katalog Lit. B. 
erhielt das Museum im Jahre 1825 im Tausch von Brehm: 
Anthus stagnatilis ', Anthus palustris ', Q, Anthus montanellus Q'. 
Dies sind wohl sicher die obengenannten Vögel, sodafs die An- 
gabe auf den Schildern „Pommern“ unzweifelhaft unrichtig ist, 
wie dies in der Einleitung schon bemerkt wurde. 


312. Anthus cervinus Pall. 

Ein Rotkeblpieper ist nur aus Griechenland vorhanden, nicht 
aus Pommern, auch unter den Wiesenpiepern habe ich keine un- 
ausgefärbten Stücke finden können. Schilling kannte ihn nicht, 
im „Verz. 1837“ ist er nicht genannt, er ist auch bis jetzt für 
Pommern überhaupt noch nicht nachgewiesen. 


316. Anthus spinoletta L.!) 


Von Wasserpiepern ist aufser mehreren mitteldeutschen nur 
ein Stück aus Pommern vorhanden; Schwanzfedern mit deutlichem 


!) Reichenow und Hartert sind der Ansicht, dafs die Wiesenpieper, 
die im Winter an den Küsten auch der Ostsee geschossen werden, der 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 189 


weilsen Keilfleck. Im Tagebuch werden fast alljährlich in den 
Wintermonaten Wasserpieper aufgeführt. 


317. Anthus obsceurus littoralis Br. 


Zwei Stücke aus Pommern: Das erste Nr. 512 © von der 
Insel Oehe, September 1822; bezeichnet Anthus littoralis Br. 
Uferpieper. Nach den Schwanzfedern ein sicherer obscurus lit- 
toralis. Oberseite bräunlich. 

Das zweite Stück Nr. 2785 9‘ vom April 1834 ist mit Anthus 
aquaticus bezeichnet, aber sicher ein obseurus littoralis, da der 
Schwanz fast ganz braun ist, sodafs der weifse Keilfleck kaum 
sichtbar ist; Oberseite etwas grünlich, während sie bei dem erst- 
genannten bräunlich ist. 


320. Motacilla boarula L. 

Zwei Stücke sind aufgestellt, S' u.Q9, bezeichnet „Pommern. 
Schilling.“ Ohne Katalog-Nummer und nähere Fundortsangabe, 
daher recht zweifelhaft. Im „Verz. 1837“ wird die Gebirgsbach- 
stelze für Pommern als Brutvogel aufgeführt. Worauf sich dies 
stützt ist nicht ersichtlich, auch für die Umgebung Greifswalds 
zu bezweifeln. Schon E. v. Homeyer zweifelte das Brüten an. 


332. Eremophila alpestris flava Gm. 
Nicht im „Verz. 1837“ Voınanden sind 3 Stücke aus 
Pommern: zwei aus dem Jahre 1855 von Hiddensoe, eins vom 
Jahre 1864 aus Greifswalds Umgebung (Hinrichshagen). 


333. 334. 335. Certhia famtliaris L. und brachydactyla Br. 


Vom langzehigen Baumläufer sind 3 Stücke vorhanden, die 
zusammen auf einem Baumstamm sitzen, u. 3. 2 juv. u. lad. Die 
beiden Jungen sind laut Katalog im Juni 1831 von Schilling bei 
Greifswald erlegt, woher das erwachsene Stück stammt, ist nicht 
sicher. Die Vögel sind langzehig, braun, Bürzel wenig lohfarbig, 
also die Form familiaris macrodactyla. Ferner ein typisch kurz- 
zehiges Stück mit grauem Rücken von brachydactyla, so benannt, 
ohne Katalog- Nummer aber mit Angabe „Pommern. Schilling‘. 


mitteleuropäischen Art angekören oder sich von ibr subspezifisch nicht 
trennen lassen. Diese A:i verläfst im Winter die Gebirge und zieht in 
die Ebenen bis zur Küste. Der alte Brehm und E. v. Homeyer waren 
anderer Meinung. Ersterer hielt die Wasserpieper (nicht Felsenpieper), 
die er von Schilling aus Greifswald erhielt, für verschieden von den 
Mitteleuropäern, er nannte sie Anthus hiemalis und nahm an, dafs sie 
nördlicher als die echten Wasserpieper leben und im Winter nach dem 
Süden ziehen. Auch E. v. Homeyer vertrat dieselbe Ansicht, nur sagt 
er: „Die Brutplätze liegen wahrscheinlich im ferneren Osten, denn aus 
den südlichen Gebirgen kommen sie nicht“, 


190 F. Koske: 


Da aber laut Katalog Litt. B. Brehm im Jahre 1821 ©. brachy- 
daetyla im Tausch an das Museum geliefert hat (s. auch bei 
Anthus) so scheint mir die Angabe „Pommern“ etwas unsicher. 
Das ganze Baumläufer - Material ist wenig vollständig und zu- 
verlässig. 

338. Silta caesia sordida Rchw. 


Aus Pommern sind nur typische sordida-Stücke vorhanden; 
aulserdem zwei weilsbäuchige 8. europaea aus Schweden und vom 
Ural. Das schwedische Stück ist von Meves in Stockholm 1851 
eingetauscht, wobei im Katalog Litt. B. angegeben ist: „Sitta 
europaea aus Schweden, die wahre Linn@’sche Spezies“. 


344. FParus palustris L. 


Nur 2 glanzköpfige Sumpfmeisen sind aus Pommern vor- 
handen, keine Weidenmeisen. 


352. Aegithalos caudatus L. 


Vorhanden 2 typische Weilsköpfe, 9 u. 9, ein @ mit 
schwachen Kopfstreifen, 4 juv. mit hellbraunem Kopf und weilser 
Platte. Keine westliche Form. 


354. Panurus biarmicus L. 


Vorhanden ein Stück mit der Bezeichnung „Greifswald“, 
‚woher und wann nicht ersichtlich. Nach dem "Tagebuch ist in 
der letzten Hälfte des Juni 1826 eine Bartmeise in der Stadt 
Greifswald gefangen; am 16. Januar 1853 sah Melms-Stilow in 
einem Kohrbruche bei Müggenhall Bartmeisen. Schilling selbst 
hat nach dem Katalog zweimal frische Stücke erhalten, eins im 
Juli 1829, ein Weibchen, Geber Hornschuch; ein zweites im 
Oktober 1835, ein Männchen, wiederum als Geber Hornschuch. 
Das letztere erwähnt Ludwig Holtz in seinen „Beob. aus der 
Vogelwelt von Neuvorpommern und Rügen“ 1879 mit dem Hinzu- 
fügen, dafs es auf dem Rosental bei Greifswald geschossen sei. 

An dem Vorkommen der Bartmeise ist demnach nicht zu 
zweifeln, wenn sie jedoch im „Verz. 1857“ auch als Brutvogel 
aufgeführt ist, so fehlen hierfür die Unterlagen. 


355. Anthoscopus pendulinus L. 


Im „Verz. 1837 als Zugvogel und Brutvogel für Pommern 
genannt. Im Museum befindet sich kein Stück aus Pommern, 
auch ist sie in den Handschriften nirgends erwähnt. Nur ein Nest 
der Beutelmeise ist vorhanden, das die Anschrift trägt: „Nr. 1022. 
Mark Brandenburg. Ges. vom Ober Reg.-Rath Herrn Schmidt. 
Stettin“. Es ist dies vermutlich das Nest, das E. v. Homeyer in 
seiner Syst. Übers. Nachtr. S. 21 erwähnt. Er sagt: „Sie nistete 
in der Gegend von Schwedt. Ein daselbst gefundenes schönes 
Nest befindet sich in der Sammlung des Herrn Reg.-Rath Schmidt 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 191 


zu Stettin.“ Wohl auf Grund dieses an der Grenze Pommerns 
gefundenen Nestes vermutete Schilling das Nisten in Pommern. 
Bis jetzt ist weder das Vorkommen der Beutelmeise überhaupt, 
noch viel weniger ihr Nisten in Pommern nachgewiesen. 


368. Phyllopneuste abietina Nilss. . 

Die vorhandenen Stücke aus der Umgebung Greifswalds 
haben sämtlich eine Flügellänge von 62—64 mm, gehören also 
der östlichen Form an, deren Grenze hiernach über die Oder 
hinübergeht. 

373. Regulus ignicapillus Temm. 


Unter dem Namen Regulus pyrocephalus Br. sind 3 feuer- 
köpfige Goldhähnchen vorhanden, S', © und juv. Bezeichnet 
„Pommern. Schilling“. Ohne Katalog-Nummer. Ein weiteres 
Stück dieser Art trägt die Aufschrift „Regulus Nilsonü Br. Das 
Nilsonsche Goldhähnchen. Pommern. Von Herrn Pastor Brehm.“ 
Kat. Nr. fehlt gleichfalls. 

Da das Museum laut Katalog Lit. B. jedoch im Jahre 1825 
im Tausch von Brehm Regulus Nilsonii 9 und Reg. pyrocephalus 
9, @ u. juv. erhielt, so ist die Angabe „Pommern“ wenigstens 
auf dem letzten Stück sicher unrichtig. 

Dagegen wird im Tagebuch das feuerköpfige Goldhähnchen 
als Durchzugsvogel gegen Ende März und Anfang April aufgeführt. 


374. Hippolais icterina Vieill. 

Ein S' und ein © sind mit der Bez. Hippolais alticeps Br. 
versehen. 

377. Acrocephalus palustris Bchst. 

Vorhanden Männchen und Weibchen, gesch. Juni und Juli 
1830 im jetzt verschwundenen grofsen Rohrbruche im Eldenaer 
Holze. Im Tagebuch gibt Schilling anschauliche Beschreibungen 
des Gesanges und des Betragens; im Juni 1830 beobachtete er 
an genannter Stelle 10—12 singende Männchen, glaubte im Juni 
1832 auch die von Brehm auigestellte Calamoherpe musica zu 
hören. 

378. Acrocephalus schoenabaenus Bchst. 

Bei den vorhandenen Schilfrohrsängern befindet sich auch 
ein Stück mit der Bez. „Calamoherpe tritici Br. Weizenschilf- 
sänger. 9. Pommern. Schilling.“ Im Tagebuch gibt Schilling 
mehrfach im Juli an, dafs dieser Vogel die Weizenfelder bezogen 
habe und an diesem neuen Aufenthaltsorte fast eifriger singe als 
zuvor im Rohre in der Nähe des Wassers. 


379. Acrocephalus aquaticus Gm. 


Von den Binsenrohrsängern werden im „Verz. 1837“ zwei 
Arten unter dem Namen Sylvia striata Br. der gestreifte 


192 F. Koske: 


Rohrsänger, und Sylvia salicaria Bchst. der Binsenrohrsänger an- 
gegeben. Es ist nur ein Stück aus der Umgebung Greifswalds 
vom August 1820 vorhanden, das im Kat. mit $. salicaria, auf 
dem Schilde mit Cal. aquatica bezeichnet ist; 8. striata fehlt. 


380. Locustella naevia Bodd. 


Nur ein Stück vorhanden: Nr. 2086 Q' juv. vom 26. 8. 1834 
aus Greifswald. Im Kat. mit Cal. ienuirostris Br. bezeichnet. 

Im Tagebuch wird er als ständiger Brutvogel im jetzt ver- 
schwundenen grofsen Rohrbruche im Eldenaer Holz aufgeführt. 


381. Locustella fluviatilis Wolf. 


Nur ein Stück Nr. 1567 o' ad. laut Katalog im Juni 
1830 aus der Umgegend Greifswalds. Im „Verz. 1837‘ als Brut- 
vogel aufgeführt, L. Holtz erwähnt ein im Museum befindliches 
Nest. 

Nach dem Tagebuch fand ihn Schilling zuerst 1839 im jetzt 
verschwundenen grofsen Rohrbruche im Eldenaer Holz und schofs 
dort das vorstehend genannte Männchen. Er beschreibt eingehend 
Betragen und Gesang. Auch in den folgenden Jahren fand er 
den Vogel dort. 

487. Turdus pilaris 1. 


Unter den vorhandenen Stücken befindet sich ein junger 
Vogel im Nestkleid, Nr. 2607. Im Katalog heifst es: „November 
1840 von Herrn v. Homeyer eingetauscht“. Ob und wann dieser 
Vogel in Pommern erbrütet ist, ist nicht feststellbar. Erwähnt 
sei noch Nr. 1813, 91, das noch am 5. Mai 1832 im Eldenaer 
Holze aus einem Fluge von 20 Stück geschossen wurde. 

Bei dieser wie bei allen andern Drosselarten finden sich sehr 
hübsche Farbenspielarten und prachtvoll gezeichnete Vögel, wie 
sie früher der Dohnenstieg lieferte. 


392. Turdus atrogularis Tem. 


Vorhanden ist ein hübsches altes * mit der Bezeichnung 
„Zurdus Bechsteini Turdus atrogularis. Pommern“. Katalog- 
Nummer fehlt auf dem Stück, sie erscheint auch nicht im Eingangs- 
Katalog. Nur im Tauschkatalog Litt. B. findet sich die Ein- 
tragung, dafs am 20. Oktober 1827 „Graffunder in Stettin“ einen 
Turdus atrigularis im Tausch gegen andere Vögel dem Museum 
gab. Da im „Verz. 1837“ diese Drossel als pommerscher 
Vogel aufgeführt wird, so läfst sich annehmen, dafs Schilling 
s. Zt. die Herkunft gekannt hat, und dafs sie tatsächlich aus 
Pommern stammt, ein sicherer Beweis ist hierfür nicht vorhanden. 
Ebenso wenig läfst sich jetzt noch feststellen, wann und wo sie 
gefangen ist. Auch ist mir ganz unbekannt, wer Graffunder in 
Stettin war. 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 193 


394. Turdus torquatus L. 


Eine Reihe in allen Farben, darunter auch eine hellbraun- 
graue Farbenspielart und ein fast schwarzer Vogel mit fast weilsem 
Brustschild von Rügen. Nach den „Beob.“ erhielt Schilling Ring- 
amseln aus der Umgebung Greifswalds noch Ende April, ein Q' 
mit Hoden wie mälsig grofse Erbsen sogar noch am 11. Mai 1836. 

Auch hierbei findet sich eine unsorgfältige Aufschrift aus 
späterer Zeit; das Fufsbrett bei zwei Jungen 7. Zorguatus im 
Nestkleid trägt die Bez. „Pommern“, obgleich aus dem Katalog 
hervorgeht, dafs beide Vögel von Prof. Hornschuch bei Gastein 
gesammelt sind. 

405. Fratincola rubicola L. 


Im „Verz. 1837“ als „Zugvogel, selten“ aufgeführt. Im 
Museum ist kein Stück vorhanden. 


407. Oinclus cinclus L. 


Vorhanden sind 5 Stücke aus Pommern, 2 aus Schillings 
Zeit, 3 spätere und zwar: 
1. Ohne Nummer. Bez. „Cinclus melanogaster Br. Schwarz- 
bäuchiger Wasserschmätzer. Pommern. Von Herrn v. Blefsing.“ 
Es ist dies ein Vogel mit dunkelbrauner Zeichnung vor dem 
schwarzen Bauch. Er besitzt in der Tat nur 10 Steuerfedern. 

In der Naumannia 1856 S. 189 sagt Chr. L. Brehm, „er 
(C. melanogaster) erscheint ganz selten an der Küste Rügens, 
wo ihn Herr Dr. Schilling im November 1819 für mich und 
später noch einmal für das Museum in Greifswald erlegte. Ob er 
anderswo vorgekommen ist, weils ich nicht“. Brehm sagt 
dort weiter, dafs der melanogaster in der Zeichnung ganz dem 
©. septentrionalis Br., das ist dem echten Sturnus cinclus L. 
gleiche, der Vorderkörper aber noch dunkler sei; er sei nur 
kleiner und durch seinen 10 fedrigen Schwanz hinlänglich 
von ihm geschieden. 

Dies also ist das zweite bekannte Stück der Form 
melanogaster Br., für dessen Bestimmung allein der 10 fedrige 
Schwanz mafsgebend war, denn dunkler als cinclus ist das 
Stück am Vorderkörper nicht, im Gegenteil. Der nach den 
zwei Stücken mit unvollständigem Schwanz aufgestellte Name 
melanogaster Br. wird deshalb allgemein zu cinclus gezogen. 

2. Ohne Nummer. Bez. „Cinclus aquaticus. O.septentrionalis Br.“ 
Von Herrn Saeger [Kieshof b./Greifswald], ein ausgesprochen 
schwarzbäuchiges Stück mit 12 Steuerfedern. Also Cinclus 
cinclus L. 

Nr. 1347. Bez. „Cinclus aquaticus.“‘ S. Laut Katalog im Jahre 
1862 [leider ist die genaue Zeit nicht ersichtlich] von einem 
Knaben in Greifswald für 21/, sgr. gekauft. Ein Vogel mit dunkel- 
brauner Zeichnung vor dem schwarzen Bauch, auch hellerer 
Oberseite als bei den anderen, aber bei weitem nicht rostrot. 


Journ, 1. Om, LXVIJ, Jahrg. April 1919, 13 


3 


194 F. Koske: 


4. Nr. 1990. „Cinclus aquaticus. November 1864. Hanshagen. 
Vom Forstmeister Wiese.“ Ein schwarzbäuchiges Stück. 
5. Nr. 2362. „COinclus aquaticus. 17.11.1869 Wiek [bei Greifswald] 
stud. Heldt-Greifswald.“ Ein schwarzbäuchiges Stück. 
Hiernach befinden sich im Museum nur schwarzbäuchige 
Wasserschmätzer Oinclus cinelus L. Wenn im „Verz. 1837“ neben 
diesem auch der rostbrüstige Wasserschmätzer Cinclus aquaticus 
als Stand-, Strich- und Brutvogel aufgeführt wird, so bietet die 
Sammlung keine Stütze für diese Behauptung, die später auch 
vereinzelt in die Literatur übergegangen ist. Dals Oinclus aquaticus 
oder auch Cinclus cinclus in Neuvorpommern jemals gebrütet hat, 
bezweifle ich. 
Später hat einmal Hintze-Neuwarp (nicht zu verwechseln 
mit dem Kgl. Förster Hintz-Schlofskämpen) im X. Jahresber. d. 
Ornith. Beob. Stat. Deutschl. angegeben, dafs der Wasserschmätzer 
Brutvogel bei Neuwarp sei. Hintze war aber unzuverlässig, So- 
dafs der. Angabe kein Gewicht beizulegen ist. R. Blasius sagt 
im Neuen Naumann Bd. 2 S. 214: „Es ist unzweifelhaft, dafs der 
schwarzbäuchige Wasserstar Cinclus cinclus L. in den Küsten- 
ländern der Ostsee, speziell in Pommern brütet“, er gibt jedoch 
nicht an, wodurch dies unzweifelhaft bewiesen ist, meines Wissens 
fehlt auch jeder Beweis hierfür. | 


411. Erithacus cyanecula M. W. 


Eine Reihe in verschiedenen Kleidern, die jedoch meist alle 
von anderen Sammlern eingetauscht zu sein scheinen, denn Brehm 
und der Lehrer Müller im Fürstentum Altenburg gaben ver- 
schiedentlich Blaukehlchen an das Museum. 

Darunter befindet sich auch ein E. wolfi ohne Stern und 
ein junger Vogel ohne Kehlzeichnung, der $. suecica benannt ist, 
beide nicht aus Pommern und ohne Katalog-Nummer. Im Tagebuch 
wird das Blaukehlchen fast jährlich als beobachtet und häufig 
erlegt aufgeführt. 

414. Erithacus luscinia L. 


Im ‚„Verz. 1837“ wird die Nachtigall als „Zugvogel, Brut- 
vogel, nicht gemein‘ aufgeführt, der Sprosser als „Zugvogel, Brut- 
vogel, gemein“. Über die Verbreitung dieser beiden Arten in 
Pommern bietet das Museum leider kein Material, da entweder 
genaue Ortsangaben fehlen oder aus der Gefangenschaft stammende 
Stücke aufgestellt sind. 

Im Tagebuch werden Nachtigall und Sprosser nebeneinander 
aufgeführt: 

„2. Juni 1830 Sylvia philomela et luscinia sangen nahe beisammen 

im Eldenaer Holz. 

9. Juni 1830 Sylvia luscinia liels sich heute im Eldenaer Holz hören. 
235. Juni 1833 Sylvia luscinia ein Pärchen im Rundenbusch 
[Eldena] getroffen, wovon ich das Männchen erlegte. 


Die Sammlung pommerscher Vögel in Greifswald. 195 


4. Juni 1835 $. luscinia sang im grofsen Rohrbruche. 
28. Mai 1842 S. luscinia im Leister Holze bemerkt.“ 
‚.. Dals in Neuvorpommern nur der Sprosser vorkommt, ist 
nicht richtig, es kommt die Nachtigall neben ihm vor. 


Die pleistozäne Vogelfauna von Pilifszanto. 
Ein kritisehes Referat. 


Von H. Frhr. deyr von Schweppenburg. 


Nicht weit von Budapest in der Nähe des Ortes Pilifszanto, 
Komitat Pest—Pilis—Solt—Kiskun, findet sich in einem aus 
triadischem Dachsteinkalk bestehenden Felsrücken des Pilis-Berges 
eine Höhle, in welcher die in der zu besprechenden Arbeit!) 
behandelten Tierreste gefunden wurden. Der Eingang der Höhle, 
welche sich 10!/, m breit öffnet und nur 8,80 m weit ins Gestein 
hiveinreicht, liegt in einer Meereshöhe von 423 m. 

Auf die Veranlassung von Bekey liefs Dr. Kadic dort im 
Jahre 1912 eine Probegrabung vornehmen. Später übernahm 
Dr. Kormos die Untersuchung und führte sie mit Hilfe von 
Dr. Lambrecht im Jahre 1915 zu Ende. Obschon nicht die ganze 
Ausfüllung der Höhle durchsucht wurde, so konnten doch, aufser 
einer Anzahl auf die Anwesenheit des diluvialen Menschen hin- 
weisender Gegenstände, fast 8000 Säugetierknochen und annähernd 
36000! Einzelreste von Vogelskeletten der genaueren Untersuchung 
zugänglich gemacht werden. 

DieBearbeitung der Vogelknochen übernahm Dr. K. Lambrecht. 
Seine mit aufserordentlichem Fleils und gröfster Sorgfalt ge- 
wonnenen Untersuchungsresultate legte er in den Abschnitten 
5, 6 und 7 der unten genannten Arbeit nieder, und mit diesem 
Teile der annähernd zweihundert Seiten umfassenden Veröffent- 
lichung des ungarischen Palaeontologen wollen wir uns weiterhin 
etwas eingehender befassen, dabei aber auch hie und da einen 
Blick in die die Säuger behandelnden Kapitel werfen. 

Die gesamte, stellenweise über 2 m starke pleistozäne 
Ausfüllung der Grotte wurde von Dr. Kormos ihren Einschlüssen 
zufolge als postglazial, also als nach dem Höhepunkte?) der 


1) Dr. Th. Kormos unter Mitwirkung von Dr. K. Lambrecht, Die 
Felsnische Pilifszanto, Mitteilungen a. d. Jahrb. d. Kgl. Ung. Geol. Reichs- 
anstalt, XXIII, 1916, S. 331—524. 

2) Wenn ich Kormos ($. 520) recht verstanden habe, so scheint er 
der Annahme einer einheitlichen Eiszeit — wohl im Sinne von Geinitz — 
zuzuneigen und die Gliederung des Diluviums in drei, vier oder noch 
mehr Eiszeiten, wie sie namentlich von Penck und Geikie gelehrt wird, 
für mehr oder weniger künstlich bzw. lokal zu halten — mit welchem 
Rechte, wage ich nicht zu entscheiden. 

13* 


196 H. Fıhr. Geyr von Schweppenburg: 


Eiszeit entstanden erkannt und in drei Abschnitte — unteres, 
mittleres und oberes Diluvium — gegliedert. Auch holozäne meist 
praehistorische Ablagerungen hatten einen bedeutenden Anteil an 
der Füllung der Grotte, doch wollen wir uns mit ihnen und ihren 
tierischen Einschlüssen, die nichts besonders bemerkenswertes 
bieten, nicht beschäftigen. Als beachtenswert verdient erwähnt 
zu werden, dafs sich in der Höhle bei Beginn der Untersuchung 
en Eulengewölle und von Füchsen verschleppte Hasenknochen 
anden. 

Der Artenreichtum der Höhle von Pilifszanto ist ein aufser- 
ordentlicher, denn es gelang der gewissenhaften Arbeit Lambrechts, 
72 Vogelarten aus den pleistozänen Schichten nachzuweisen. !) 
Von diesen Arten sind acht zweifelhaft, sodafs schliefslich 64 
übrig bleiben. Ich gebe hier zunächst ein nach den drei Schichten 
gesondertes Verzeichnis der sicher bestimmten Vögel, daneben 
ein solches der gleichschichtigen Säuger, um den Vergleich zu 
erleichtern.2) Die Zahlen hinter den Vogelnamen®) geben die 
Zahl der mindestens in Betracht kommenden Einzeltiere an. 
Wenn die Zahlen eingeklammert sind, so läfst sich aus den An- 
gaben Lambrechts nicht ersehen, wie sich die gefundenen Reste 
auf die drei Abteilungen des Diluviums verteilen. Die hie und 
da den Säugetieren beigefügten Zahlen geben entweder die 
Gesamtzahl der gefundenen Knochen oder die Zahl bestimmter 
Skelettteile an. Die mittelste Schicht enthält stets die geringsten 
BRnann sie stand auch räumlich erheblich hinter den anderen 
zurück. 


Unteres Diluvium. 
Vögel Säuger 
. Colymbus auritus 1 . Talpa europaea 166 
, Anas querquedula 1 . Desmogale mosch. hung. 
. Fuligula nyroca 4 . Sorex araneus 
. Buteo ferox 1 . Ursus spelaeus 
. Circus cyaneus 1 . Canis lupus 


Se DD 
am DD — 


1) Lambrecht nennt für das Diluvium 78 Arten. Es dürften aber 
doch wohl nur 72 gezählt werden, denn wenn in einem Falle Nucifraga 
car.macrorhyncha durch Auffindung einer Mandibulasicher nachgewiesen 
wurde, so kann man die übrigen Tannenhäherüberreste nicht gut als „Nuc. 
caryocatactes“ nochmals zählen, da es sehr wohl möglich, dafs auch 
sie der sibirischen Subspezies angehören. 

2) In einigen Fällen stimmen Lambröchts Angaben in der Tabelle 
auf Seite 479 nicht mit jenen der Besprechung der einzelnen Arten, 
3. 481 ff., überein; so bei Asio otus, Garr. glandarius u. Van. 
cristatus. Ich habe angenommen, dafs die Angaben der Tabelle die 
irrtümlichen sind. 

%) Es wurden durchweg die lateinischen Namen der Originalarbeit 
beibehalten. 


Die pleistozäne Vogelfauna von Pilifszanto. 197 


Vögel Säuger 

6. Falco lanarius 1 6. Alopex lagopus 

7. F. merillus 3. 7. Al. vulpes 

8. Oerchneis tinnunculus 7 8. Zibellinus martes 

9. Tetrao urogallus 4 9. Mustela erminea 
10. T. teirix 24 10. Must. nivalis 
11. Lagopus albus 626 11. Must. robusta 
12. Lag. mutus 831 12. Gulo luscus 
13. Rallus aquaticus 4 13. Hyaena croc. spel. 
14. Orex pratensis 1 14. Lynceus lynx 
15. Ortygometra porzana 1 15. Lepus limidus 
16. Vanellus cristatus 1 16. Ochotona pusilla 725 
17. Tringa alpina 1 17. Heliomys cricetus 3 
18. Scolopax rusticola 1 18. Evotomys glareolus 
19. Gallinago major 1 19. Dierostonyz torquatus 14 
20. Cuculus eanorus 1 20. Microtus arvalis 

. Asio accipitrinus (6) 21. Mier. ratticeps 
22. Nyctea scandiaca 2 22. Mier. gregalis 11 
23. N. ulula (6) 23. Mier. nivalis 6 
24. Nyctala tengmalmi 1 24. Arvicola terrestris 
25. Picus canus 1 25. Spermophilus citelloides 
26. Dendrocopos major 1 26. Cervus canadensis asialt. 
27. Corvus corax 6 27. Caprea capreolus 
28. C. frugilegus 1 28. Rangifer tarandus 
29. Oolaeus monedula 4 29. Bos primigenius 
30. Pica caudata 6 30. Capra ibex 
31. Nucifraga caryoc. (maer.) 9 31. Caprella rupicapra 
32. Pyrrhocorax alpinus 1 32. Equus caballus 
33. Oriolus galbula 33. Atelodus (Khinoceros) an- 
34. Turdus viscivorus 6 tiquus 
35. T. pilaris 2 

. T. musicus 1 
37. Lanius minor 1 
38. Motacilla alba 1 
39, Pyrrhula p. major (11) 
40. Loxia curvirostra 1 
41. Sturnus vulgaris 1 
42. Pastor roseus 1 
43. Alauda cristata (3) 

Mittleres Diluvium. 
Vögel Säuger 

1. Tetrao urogallus 1 1. Talpa europaea 31 
2. T. tetrix 7 2. Ursus spelaeus 

3, Lagopus albus 193 3. Oanis lupus 

4. Lag. mutus 186 4. Alopex vulpes 

5. Rallus aquaticus 1 5. Taxus meles 


198 H. Fıhr. Geyr von Schweppenburg: 


Vögel Säuger 

6. Gallinago major 1 6. Mustela erminea 

7. Picus canus 1 7. Must. nivalis 

8. Colaeus monedula 1 8. Felis leo spelaeus 

9. Pica caudata 2 9. Lepus timidus 

10. Nucifraga caryocatactes 2__ 10. Ochotona pusilla 188 
11. Pyrrhocorax alpinus 1 11. Oricetus phaeus 7 

12. Turdus viscworus 1 12. Evotomys glareolus 

13. T. musicus 1 13. Dicrostonyx torquatus 18 
14. Emberisa calandra 1 14. Microtus arvalis 


15. Acrocephalus arundinaceusl 15. Microtus gregalis 6 
16, Arvicola terrestris 
17. Spermophila citelloides 
18. Rangifer tarandus 
19. Bos primigenius 
20. Caprella rupicapra 
21. Equus caballus 


Oberes Diluvium. 
Vögel Säuger 


1. Colymbus auritus 1 1. Talpa europaea 171 
2. Anas boschas 1 2. Sorex araneus 
3. A. querquedula 1 3. Ursus spelaeus 
4. Circus cyaneus 1 4. Canis lupus 
5. Falco lanarius 1 5. Alopex lagopus 
6. F. merillus 1 6. Al. vulpes 
7. Cerchneis tinnunculus 7 7. Latax lutra 
8. C. vespertinus 2 8. Zibellinus martes 
9. Tetrao urogallus 2 _ 9, Mustela erminea 
10. T. tetrix 70 10. Must. nivalis 
11. Lagopus albus 2141 11. Must. robusta 
12. Lag. mutus 2095 12. Gulo luscus 
13. Perdix cinerea 3 13. Hyaena crocuta spelaeus 
14. Coturnix dactyl. 1 14. Felis leo spelaeus 
15. Kallus aquaticus 1 15. Lepus timidus 
16. Crex pratensis 2 16. Ochotona pusilla 1536 
17. Ortygometra porzana 1 17. Heliomys ericetus 15 
18. Vanellus cristatus 3 18. Oricetus phaeus 11 
19. Himantopus candidus 1 19. Evotomys glareolus 
20. Gallinago major 4 20. Dierostonyx torquatus 445. 
21. @. media 1 21. Microtus arvalis 
22. Pavoncella pugnaz 1 22. Mier. agrestis 
23. Larus ridibundus 1 23. Mier. ratticeps 
24. Sterna hirundo 1 24. Mier. gregalis 64 
25. Syrrhaptes paradozus 1 25. Micr. nivalis 53 
26. Columba palumbus 1 26. Arvicola terrestris 


27. Asio otus 1 27. Spermestes citelloides 


Die pleistozäne Vogelfauna von Pilifszanto, 199 


Vögel Säuger 
28. Nycteaw scandiaca 3 28. Castor fiber 
29. Nyctala lengmalmi 2 29. Cervus canad. asiat. 
30. Glaucidium noctuum 1 30. Rangifer tarandus 
31. Pisorhina scops 1 31. Dos primigenius 
32. Picus canus 2 32. Capra ibex 
33. Dendrocopos major 2 33. Caprella rupicapra 
34. Corvus coraz 2 34. Equus caballus 
35. Colaeus monedula 8 35. Elephas primigenius (?). 


36. Pica caudata 6 

37. Garrulus glandarius 4 
38. Pyrrhocorax alpinus 5 
39. Oriolus galbula 1 

40. Turdus viscivorus 3 
41. T. musicus 3 

42. Cinclus aquaticus 1 
43. Lanius minor 1 

44. Lanius senator 3 

45. Hirundo rustica 1 

46, Motacilla alba 2 

47. Pinicola enucleator 2 
48, Loxia curvirostra 5. 


Zur Bildung eines Urteils über den Charakter der Vogel- 
fauna der verschiedenen Schichten sind vornehmlich zu verwenden 
die Standvögel und diejenigen anderen Arten, von denen 
mehrere Individuen, sagen wir mindestens drei, in der Schicht 
gefunden wurden. Bei den Standvögeln ist es unwahrscheinlich, 
dafs sie als Irrlinge in die Gegend des Fundorts gelangten. Ganz 
ausgeschlossen ist dies zwar nicht, besonders nicht, wenn sich 
nur ein Vogel in den Schichten findet, ein Fall, der sich unter 
unserem Material allerdings nur ausnahmsweise zeigt. An Stand- 
vögeln wären zu nennen, wenn wir dabei Verhältnisse zu Grunde 
legen, wie wir sie heute kennen, etwa: 


Unt. Dil. Mitt: Dir Ob. Dil. 
Falco merillus _ Tetrao urogallus Tetrao urogallus 
Tetrao urogallus „  tetrix „  teiriz 

„ .. teirix Lag. albus Lag. albus 
Lag. albus „  mutus „  mutus 

„ mutus Pic. canus Perdix cinereu 
Pic. canus Pica caudata Glauc. noctuum 
Corv. corax Pyrrh. alpinus Pic. canus 
Pica caudata Corv. corazx. 
Pyrrhoc. alpinus Pica caudata 


Pyrrh. alpinus 


Sowohl Moor- wie Felsenschneehuhn sind allerdings in vielen 
Gegenden ihres Verbreitungsgebietes durchaus nicht ausgesprochene 


200 H. Frbr. Geyr von Schweppenburg: _ 


Standvögel, sondern legen in verschiedenen Jahreszeiten sehr 
weite Wanderungen zurück. Wenn ich sie hier trotzdem unter 
den Standvögeln aufführe, so deshalb, weil diese Arten, wenn auch 
weit, so doch meist noch innerhalb des von ihrem Formenkreis 
auch zur Brutzeit bewohnten Gebietes wandern, namentlich 
aber weil unter den von Dr. Lambrecht untersuchten Knochen- 
resten 1—2%, jugendlichen, also vermutlich nicht voll aus- 
gewachsenen Schneehühnern angehörten, von denen man nicht an- 
nehmen kann, dafs sie weite Wanderungen unternommen haben. 
Aus dem gleichen Grunde nannte ich F. merillus im Unt. Dil.; 
auch von ihm wurden nämlich aus dieser Schicht zwei jugendliche 
Exemplare bestimmt. 


An häufiger vorkommenden Arten wären zu nennen: 


Unt. Dil. 05::D3 
Fuligula nyroca 4 Cerchneis tinnunculus 7 
Oerch. tinnunculus 7 Vanellus cristatus 3 
RBallus aquaticus 4 Gallinago major 4 
Asio accipitrinus (6) Nyetea scandiaca 3 
Nyctea ulula (6) Colaeus monedula 8 

„  scandiaca 2 Pica caudata 6 
Colaeus monedula 4 Nuceifr. caryocatactes 9 
Garrulus gland. 4 Garr. glandarius 4 
Nucifr. caryocatactes 9 Turdus viscivorus 3 
Turdus viscivorus 6 ».  musicus 3 
Pyrrh. pyrrh. major (11) Lozxia curvirostra 5 


Lanius senator 3 


Das Vorkommen von drei Stück einer Art innerhalb einer 
doch gewils einem sehr langen Zeitraum entsprechenden Ablagerung 
kann nicht als unbedingt sicherer Beweis für das regelmälsige 
Vorkommen in einer Gegend gelten. Die Wahrscheinlichkeit, dafs 
die Reste einer nur ausnahmsweise auftretenden Vogelart gerade 
in der Höhle von Pilifszanto zur Ablagerung kamen, ist ander- 
seits nicht grofs, und das Vorkommen von mehreren Stück in 
einer Schicht dürfte daher immerhin dafür sprechen, dafs der 
betreffende Vogel dort nicht ganz selten erschien. Und da nach 
dem Gesamtcharakter der Fauna es nicht sehr wahrscheinlich ist, 
dals jene Vogelarten unser Gebiet nur durchzogen, um 
erheblich weiter nördlich zu brüten, so kann man mit einigem 
Vorbehalt in jenen häufiger auftretenden Formen auch 
en! der näheren oder weiteren Umgebung von Pililszanto 
sehen. 

‚Wenn wir uns nach einer Gegend umsehen, in welcher 
heutigen Tages noch eine Vogelfauna sich ablagern könnte wie 
in Pilifszanto, so würden wir eine solche etwa im mittleren 
Schweden finden. Unbedingt fehlen würde darin Pyrrhocoraz 
alpinus und wahrscheinlich auch Lanius senator, deren Vorkommen 
bei Pilifszanto nichts sehr Auffallendes an sich hat. 


Die pleistozäne Vogelfauna von Pilifszanto. 201 


Auf gröfsere Schwierigkeiten stöfst eine tiergeographische 
Erklärung, wenn wir die in der Felsnische gefundenen Säugetiere 
unter sich und mit den Vögeln vergleichen. Das Beisammensein 
von Alopex lagopus und Dicrostonyx torguatus einerseits und von 
Ochotona pusilla, Oricetulus phaeus, Heliomys ericetus und Sperm. 
citelloides anderseits scheint ganz unwahrscheinlich, und ebenso- 
wenig palst zu den letztgenannten Arten das Felsenschneehuhn. 

„Wenn man die Lemminge und Eisfüchse nicht mehr als 
Charaktertiere der arktischen Steppen oder Tundren, die Pferde- 
springer, gewisse Zieselarten, den Bobak, den Zwergpfeifhasen 
nicht mehr als Charaktertiere der subarktischen europäisch-asia- 
tischen Steppen (oder Steppen im eigentlichen Sinne des Wortes) 
gelten lassen will, nun dann wirft man die Resultate der Zoo- 
geographie einfach über den Haufen und setzt an ihre Stelle die 
Phantasie oder die Willkür.“ *) Diese Worte Nehringssind sicherlich 
im Grofsen und Ganzen berechtigt, wenn man auch anderseits 
der Aufserung Woldrichs,?) dafs darüber als über eine elementare 
biologische Erfahrung überflüssig sei zu diskutieren, 
nicht in vollem Umfange beistimmen mag. 

Manche der „glazialen“ Vogelarten lassen uns allerdings, 
auch wenn wir uns an die heutigen Verbreitungsverhältnisse halten, 
in der Rekonstruktion des damaligen Klimas einen recht weiten 
Spielraum. Ich denke da z. B. an den Formenkreis des Moor- 
schneehuhns. An seinem Wohnsitze können klimatisch-floristische 
Verhältnisse bestanden haben wie wir sie heute in Schottland oder 
in Ostpreufsen, bei Tromsö oder in Teilen der südwestsibirischen 
Steppe finden — und die sind allerdings ziemlich verschieden. 

Auch ist es möglich, dafs die Anpassungsfähigkeit mancher 
Formen damals noch grölser war als heute, aber über ein gewisses 
Mafs darf man mit seinen Vermutungen in dieser Hinsicht nicht 
hinausgehen. Namentlich nicht bei gewissen Säugetieren. Der 
Halsbandlemming mag damals etwas weniger „hyperboreisch‘“ 
veranlagt gewesen sein, aber er wird ebensowenig je in der 
Steppe wie ein Dipus oder Aluctaga auf einem Hochmoor ge- 
haust haben. 

Immerhin müssen wir für die damalige Zeit ein wesentlich 
näheres Zusammenrücken — in horizontaler Richtung — der 
verschiedenen in Betracht kommenden Lebensbezirke annehmen, 
als wir es heute sehen, denn ich glaube nicht, dafs heute z. B. 
irgendwo die Reste der kleinen Ochotona und des Halsband- 
lemmings in derselben Höhle zur Ablagerung kommen können. 
Ein solches näheres Zusammenrücken scheint mir sehr wohl 
möglich und wahrscheinlich, wenn wir den Grund der Eiszeit 


1) Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit, 8. 148. 

3) Übersicht der Wirbeltierfauna des „Böhmischen Massivs‘“ während 
der anthropozoischen Epoche, Jahrb. k. k. Geolog. Reichsanst, 1897, 
8. 419. 


202 H. Frhr. Geyr von Schweppenburg: 


nicht in einer Polverschiebung sehen, welcher Ansicht die mals- 
gebenden Fachleute ja auch heute wenig zuzuneigen scheinen. 

Wanderungen in beschränktem Umfange müssen gewils zur 
Erklärung der Funde angenommen werden, ob aber in dem Um- 
fange, wie dies Kormos tat, scheint mir fraglich, zumal unter 
den in Betracht kommenden Säugern manche Arten sind, welche - 
heute soviel ich in der mir zurzeit zugänglichen Literatur sehe, 
gar nicht wandern. Die Wanderungen müssen auch wohl in der 
Art stattgefunden haben, dafs die „Tundrentiere“ zeitweise — 
namentlich gegen den Winter hin — in die Gebiete der „Steppen- 
Bein AEG das Umgekehrte hat wenig Wahrscheinlichkeit 
ür sich. 

Wie wir aus der weiter oben gebrachten -Liste sahen, be- 
steht in der Vogelfauna der drei Hauptschichten, soweit es sich 
um Stand- und häufiger vorkommende Zugvögel handelt, eine 
recht gute Übereinstimmung. Immerhin finden sich auch einige 
Unterschiede: So sehen wir im obersten Diluvium unter den 
Standvögeln einige Arten, welche nicht so ganz mit der „nordischen“ 
Fauna übereinstimmen: Perdix und Glaucidium noctuum. In die 
Gesellschaft von Hel. cricetus, Oricetulus phaeus und Sperm. 
citelloides passen sie allerdings recht gut. Auffallend ist auch 
das Vorkommen von drei Lan. senator, denn man kann nicht gut 
annehmen, dals diese Reste sämtlich von verflogenen Würgern 
stammen. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhange auch 
Himantopus, Lan. minor, Pisorhina scops — Arten, die uns an 
die heutige Fauna Ungarns erinnern. 

Es liegt nahe, in diesen Formen ein Anzeichen für das beim 
Ausklingen des Postglazials allmählich milder werdende Klima zu 
sehen. Anderseits wurden gerade im oberen Diluvium drei 
Schneeeulen zu Tage gefördert, während sich in den übrigen 
Schichten insgesamt nur noch zwei Stück fanden, auch Pinic. 
enucleator fand sich nur im jüngsten Diluvium. Cerchneis vespert. 
wurde nur aus der oberen Schicht bestimmt, Falco lanarius aus 
der oberen und unteren. Ein Gegenstück zu dem „südlichen“ 
Element der obersten pleistozänen Lehmlage bilden in der unteren 
Oriolus, Lan. minor, (Pastor roseus) und Al. cristata, die wohl 
kaum allzu weit von dem Fundorte zu Hause gewesen sein dürften. 

Wenn wir uns lediglich unter Berücksichtigung der 
häufiger vorkommenden Vögel ein Urteil über Klima und 
Vegetation in der Umgebung der Höhle bilden wollten, so könnte 
das etwa lauten : Bei Pilifszanto herrschte zur Zeit der Entstehung 
der Ablagerung ein namentlich wohl im Winter erhehlich kälteres 
Klima als heutzutage. Das Vorkommen mancher Arten, namentlich 
der Würger läfst vermuten, dafs aber zumindest zeitweise die 
‘Sommer, wenn auch kurz, so doch verhältnismäfsig warm und 
trocken, also von kontinentalem Charakter waren. 

Zweifellos befanden sich in der Nähe des Fundortes aus- 
gedehnte Waldungen, in denen Nadelhölzer wohl kaum fehlten. 


Die pleistozäne Vogelfauna von Pilifszanto. 203 


Aufserdem mögen Birkenwälder und Weidengebüsche von gröfserer 
Ausdehnung vorhanden gewesen sein. Ein nicht geringer Teil 
des Geländes war vermutlich nur spärlich mit Gehölzen bestanden 
und hatte wohl stellenweise hochmoorartigen Charakter. Viel- 
leicht hat letztere Formation namentlich auf den höheren Bergen 
in der weiteren Umgebung von Pilifszanto vorgeherrscht. 

Einen Beweis für das Vorhandensein von Steppen, auf 
welche manche Nager entschieden hinweisen, kann ich in 
den gefundenen Vogelarten nicht sehen. Trappen, Steppen- 
hühner und verschiedene Lerchenarten, welche an diagnostischem 
Werte etwa den Steppennagern gleichzusetzen wären, sind ent- 
weder garnicht oder nur so spärlich vorhanden, dafs sie als ein 
ausreichender Beweis für den Steppencharakter der Gegend 
nicht gelten können. Ich möchte das ausdrücklich betonen, um 
damit einer offenbar irrigen Anschauung Lambrechts entgegen- 
zutreten, die wobl ihren Grund in einer nicht ganz richtigen Aus- 
ir eines Kapitels in Nehrings „Steppen und Tundren“ haben 

ürfte. 

Weniger in der zur Besprechung stehenden Arbeit als in 
einer anderen in demselben Jahre und an demselben Orte er- 
schienenen Abhandlung!) des fleilsigen Palaeontologen werden 
nämlich eine Anzahl Vogelarten als Steppenvögel oder gar als 
typische Steppenvögel angeführt, die mit der Steppeansich 
eigentlich gar nichts zu tun haben, und die für das Vorhandensein 
von Steppen nichts beweisen. Dort werden nämlich .Buteo 
buteo, Falco merillus, Astur palumbarius, Tetrao urogallus (!)?) 
als typische oder charakteristische Steppentiere angeführt und 
(S. 409) wird unter anderem gesagt ... . „doch ist der Steppen- 
charakter infolge der grofsen Anzahl von Auer-, Birkhuhn- und 
Buntspecht- (!!)2) Individuen bedeutend stärker ausgeprägt“. 
Auch in einer ferneren interessanten Veröffentlichung) des Ver- 
fassers wird gesagt... „Dendrocopus und Pica leben auf den 
Steppen“. In Wirklichkeit haben alle genannten Arten als „Leit- 
fossilien“ zum Ansprechen einer Schicht als Steppen ablagerung 
keinen Wert, was kaum näherer Ausführung bedarf. 

Vermutlich wurde der Verfasser durch Nehring irregeleitet, 
welcher unter der Überschrift „Über einige Vögel der russischen 
und sibirischen Steppengebiete“ 4) auch die genannten Arten auf- 
führt. Nehring wollte aber, wie aus seinem Buche hervorgeht, 
diese Vögel nicht als charakteristische Steppentiere, nicht 


1) Dr. K. Lambrecht, Die pleistozäne u. praehist. Vogelf. d. Fels- 
nische am Remetehegy, Mitt. a. d. Jahrb. d. Kgl. ung. Geol. Reichsanstalt, 
XXI, 8. 390—404. 

3) Die Ausrufungszeichen von mir! 

3) Die fossile Vogelfauna der Felsnische Puskaparos bei Xamor, in 
„Barlangkutatas“, IV., 1916, S. 208—207. 

4) „Steppen u. Tundren“ S. 111 fi. 


204 H. Frhr. Geyr von Schweppenburg: 


als den Steppencharakter einer Gegend beweisende Typen 
anführen. Er zeigte vielmehr nur, dafs solche Arten auch in 
der Steppe bzw. in den die Steppe hie und da unterbrechenden 
Waldungen vorkommen und daher, wenn sie zusammen mit anderen 
typischen Steppentieren in einer Ablagerung gefunden wurden, 
nicht gegen das Vorhandensein von Steppen sprechen. Über- 
haupt spielen ja die Vögel als „Steppenleitfossilien‘ bei Nehring 
nur eine nebensächliche Rolle. 


Von den beiden Schneehuhnarten wurden gefunden: Lagopus 
albus 626, 193, 2141 Stück; Lag. mutus 831, 186, 2095 Stück — 
also in der obersten Schicht eine bedeutende Steigerung. Kormos 
schlielst aus der gleichsinnigen Zunahme der Halsbandlemminge — 
14, 18, 445 Unterkiefer — dafs die Blütezeit dieser Tiere in das 
Ende der Postglazialzeit fällt. Dieses Zahlenverhältnis ist aller- 
dings merkwürdig, zumal es sich, wenn auch nicht so ausgesprochen, 
in anderen ungarischen Höhlen zeigen soll. Über die wirkliche 
Blütezeit dieser Tiere möchte ich mir kein Urteil erlauben, aber 
ich möchte ganz allgemein sehr davor warnen, auf dem Zahlen- 
verhältnis der in den Höhlen gefundenen Reste allzu weitgehende 
Schlüsse aufzubauen. 


Man sollte sich vergegenwärtigen, dafs die Zahl der in den 
Ablagerungen gefundenen Tiere abhängig ist nicht nur von dem 
Mengeverhältnis, in welchem diese in der Umgebung lebten, 
sondern auch und sehr wesentlich: 1. Von der Zeitdauer, 
welche für die Entstehung einer Ablagerung nötig ist und welche 
nicht stets in der Stärke einer Ablagerung ihren Ausdruck zu 
finden braucht; 2. von der Anzahl der zu gewissen »Zeiten in 
der Höhle hausenden Raubvögel und Raubtiere und von der 
Dauer der Anwesenheit dieser Tiere; 3. von der Art der die 
Höhle besuchenden Tiere. 


Zu 1 wäre zu bemerken, dafs die Dicke von in gleichen 
Zeiträumen abgelagerten Schichten z. B. abhängig ist davon, ob 
und in welchem Malse zeitweise Wasser in die Höhle eindringen 
konnte und ob der Eingang zur Höhle ganz frei oder mehr oder 
minder zugewachsen war. Im letzteren Fall müfste die Menge 
des vom Winde eingeführten Staubes, welcher sich zum Höhlen- 
löfs ablagerte, verhältnismälsig geringer sein. 


Hinsichtlich Punkt 2 kommt es z. B. sehr darauf an, ob 
ein Raubvogel oder mehrere in einer Höhle schlafen. Wenn 
in einer Höhle während des oberen Diluviums fünf 7. tinnunculus 
übernachteten, während im unteren nur einer dort schlief, so mufs 
das notwendig auf die Anzahl der zur Ablagerung kommenden 
Nagereste von bedeutendem Einflufs sein. Die Menge der eine 
Höhle besuchenden Raubvögel kann nun abhängig sein von ihrer 
das Gebiet bewohnenden Zahl, sie kann aber auch ganz zufällige 
Ursachen haben, z. B. die Entstehung günstiger Sitzplätze durch 
Herabfallen eines Felsstückes. 


Die pleistozäne Vogelfauna von Pililszanto. 205 


Es kommt auch sehr darauf an, wie lange die betreffenden 
Tiere sich in der Grotte aufhielten und ob sie dort brüteten. 
Alle diese Umstände müssen von nicht geringem Einflufs sein auf 
die Mengen der in den verschiedenen Horizonten einer Ablagerung 
gefundenen Tierreste. 

Ganz wesentlichen Einflufs hat schliefslich nicht nur auf die 
Menge, sondern auch auf die artliche Zusammensetzung der ab- 
gelagerten Tierreste 3. die Art der in der Höhle lebenden 
Raubtiere. Ich will hierzu ein Beispiel anführen: Aus dem 
gleichen Vogelschutzgehölze des Freiherrn von Berlepsch in 
Seebach wurden mir seinerzeit Gewölle vom Turmfalken und von 
der Waldohreule zur Untersuchung gesandt.!) In den Gewöllen 
der ersten Art fand sich nur Miecrotus arvalis und Apodemus 
silvaticus, in den Eulengewöllen aufser diesen Arten und geringen 
Mengen anderer Kleinsäuger auch fünfzehn Evotomys glareolus — 
ein Unterschied, der sich sehr wohl aus der spezifischen Lebens- 
weise sowohl der raubenden wie der geraubten Tiere erklärt. Der 
Unterschied wurde allerdings dadurch verschärft, dafs ich vom 
Turmfalken verhältnismäfsig wenige, von der Eule recht viele 
Gewölle untersuchte. 

Dieser Umstand fällt weg bei dem Vergleich des Inhalts von 
etwa 260 Gewöllen der Ohreule und von etwa 220 der Schleier- 
eule,?2) welche sämtlich in der näheren Umgebung (bis ca. 1 km) 
von Müddersheim, also in demselben Reviere gesammelt wurden. 
In dem ersteren fand ich u. a. keine Spitzmaus, 104 Apodemus 
silvaticus, 23 Evot. glareolus, keine Arvicola sherman, 147 Mir. 
arvalis und 19 Mier. agrestis, in letzteren 146 Spitzmäuse, 
209 Apodemus silvaticus und M. musculus, keine Evot. glare- 
olus, 5 Arvicola sherman, 286 Mier. arvalis und 6 Mier. agrestis. 
Das Beispiel erläutert deutlich, wie sehr verschieden der Inhalt 
von verschiedenen Gewöllen an dem gleichen Fundplatze sein 
kann. In einer Höhle würden die Gewölle dieser beideu Eulen 
nun allerdings schwerlich beieinander abgelagert werden können, 
aber im Walde habe ich sie wiederholt nicht weit von einander 
gefunden. 

Das Fehlen von Spitzmäusen in vielen postglazialen Höhlen- 
ablagerungen braucht nicht zu beweisen, dafs es damals keine 
Spitzmäuse in jener Gegend gab, sondern es kann auch sehr wohl 
in dem Fehlen der Schleiereule begründet sein, des einzigen 
Vogels, durch den meines Wissens grofse Mengen von Spitzmaus- 
schädeln in eine Höhle gelangen könnten. 

Ich möchte nochmals betonen, dafs ich die von Kormos aus 
der Häufigkeit verschiedener Tierreste gezogenen Schlüsse nicht 
als falsch hinstellen möchte, aber esmufs daraufhingewiesen werden, 
dafs die jenen Schlüssen zugrunde liegenden Funde nicht ein- 


1) Bericht darüber in Ornithol. Monatsschrift XXXVIII, 9. 181—188. 
2) Journal f, Ornithologie, Oktober-Heft 1906, 8. 584 fi. 


206 H. Fıhr. Geyr von Schweppenburg: 


deutig sind. Recht unwahrscheinlich macht allerdings auch 
eine solche Blütezeit der Umstand, dafs dann der Liste zufolge 
in ihren klimatischen Anforderungen so verschiedene Tiere wie 
Ochotona, Mier. gregalis, Sperm. citelloides einerseits und Dier. 
torquatus, Microtus nivalis, Rangifer tarandus und Lag. mulus 
anderseits zur gleichen Zeit in bedeutendem Malfse sich vermehrt 
hätten. Mir scheint es wahrscheinlicher, dafs diese sämtlichen 
Tiere während der ganzen in Betracht kommenden Zeit in ungefähr 
gleicher Menge in der näheren oder weiteren Umgebung 
von Pilifszanto gelebt haben, und dafs nur die Faktoren, welche 
ihre Anhäufung in der Felsnische veranlafsten, in ihrer Art und 
Stärke wechselten. 

Ein schöner Erfolg der Untersuchungen Lambrechts ist die 
Auffindung des Fausthuhns (Syrrh. paradoxus), welches in einem 
Exemplar aus dem oberen Postglazial und damit überhaupt zum 
ersten Male fossil nachgewiesen wurde. Einen Beweis für das 
Brüten dieser Art bei Pililszanto darf man in diesem einen Stück 
aber nicht sehen, denn auch heutzutage noch besuchen ja Steppen- 
hühner hie und da das westliche Europa auf ihren unregelmäfsigen 
Wanderzügen. Auch kann ich in diesem Funde bei allem Interesse, 
welches ihm zukommt, nicht mit Lambrecht ein Gegenstück zu 
der Entdeckung des Pavo californicus durch Miller!) im Quartär 
von Californien sehen. Wenn es sich dort wirklich um einen Pfau 
handelt, ?2) so ist sowohl die ornithogeographische wie die ent- 
wicklungsgeschichtliche Bedeutung der Millerschen Entdeckung 
wesentlich bedeutender. 

Die Frage, wie jene Tausende von Tierknochen in die Höhle 
gelangt sind, haben wir weiter oben schon kurz gestreift: Durch 
den Menschen, durch Raubsäuger und Raubvögel. Namentlich 
letztere gelten seit Nehring als die hauptsächlichsten Lieferanten 
der kleineren Knochen, welche mit Gewöllen zur Ablagerung kamen. 
Auch die Verfasser unserer Arbeit nehmen an, dafs ein grofser 
Teil der Skelettteile auf diesem Wege in die Felsnische von 


1) Pavo californicus, a fossil peakock from the quarternary asphalt 
beds of Rancho La Brea, University of California publications, Bulletin of 
the departm. of Geology, Vol. 5, S. 285—289, 1909. 

2) Es hat sich inzwischen herausgestellt, dafs jener Vogel kein echter 
Pfau ist. Er wurde in Parapavo umgetauft und soll zwischen Pavo und 
dem Yucatan-Pfau stehen. Der Yucatan-Pfau hat allerdings nur im Glanz 
der Federn Ähnlichkeit mit. einem Pfau und ist im übrigen, soweit ich 
nach seinem Bilde urteilen kann, ein echtes Truthuhn. Da nun, wie aus 
der Originalbeschreibung zu ersehen von dem dort noch „unquestionably‘“ 
als Pavo bezeichneten Vogel nur einige Tarsometatarsi untersucht 
wurden, so könnte man nach dem Resultat der Revision dieses Fundes 
vielleicht überhaupt ein wenig zweifeln, ob das Tier mit Pavo irgendwie 
näher verwandt ist, womit dann natürlich auch alle geographischen 
Spekulationon hinfällig würden. 


Die pleistozäne Vogelfauna von Pililszanto. 207 


Pilifszanto gelangte, und ich möchte mich dieser Ansicht nament- 
lich hinsichtlich der kleineren Nager anschliefsen. Man könnte 
dann die Gewölle eigentlich nur dem Turmfalken zuschreiben. 
Von den Eulen käme nur der in einem Exemplar aus dem 
obersten Pleistozän festgestellte Steinkauz in Betracht, denn die 
anderen in den Ablagerungen nachgewiesenen Eulen nisten weder 
in Höhlen, noch halten sie sich normaler Weise in solchen tags- 
über auf. Namentlich die als arge Feinde des Schneehuhns be- 
kannten Tageulen Nyetea scandiaca und ulula dürften nach dem, 
was wir heute von ihrer Lebensweise wissen, kaum als Bewohner 
der Höhle in Betracht kommen. 

Ich möchte überhaupt glauben, dafs die Schneehuhnreste 
gröfsenteils nicht von Raub vögeln an den Fundort gebracht 
wurden. Verschiedenes spricht dagegen: Zunächst scheint es mir 
fraglich, ob die gröfseren Eulen einigermalsen regelmäfsig die 
Extremitäten grofser Vögel mit verzehren. Über die beiden 
Tageulen kann ich allerdings in dieser Hinsicht keine sicheren 
Angaben machen. Da meine Beohachtungen hinsichtlich des Uhus 
nicht ausreichend sind, fragte ich bei Herrn Professor Thienemann 
an. Er schreibt mir, dafs sein jetziger Uhu oft die Ständer der 
Krähen mit dem Becken zurücklasse, dafs er aber im übrigen eine 
diesbezügliche bestimmte Beobachtung bei den gröfseren Eulen nicht 
gemachthabe. Mein Vetter Baron Franz Geyr, der in früheren Jahren 
als eifriger Hüttenjäger lange Zeit Uhus hielt, schreibt mir: „Da 
ich meine Uhus — drei hintereinander in zehn Jahren — immer 
selbst fütterte und den Käfig sauber hielt, kann ich Dir bestimmt 
mitteilen, dafs sie von gröflseren Vögeln immer die Flügel 
und Ständer, sehr oft den ganzen Bauch mit dem Gescheide 
[Eingeweide] liegen liefsen“. Da die Uhus meines Vetters 
ausreichend aber durchaus nicht übermäfsig gefüttert wurden, auch 
bisweilen einige Zeit fasten mufsten, so kann man annehmen, dafs 
ihr Verhalten gegenüber den ihnen vorgeworfenen Vögeln ein 
ziemlich natürliches war. 

Wenn die anderen gröfseren Eulen sich ähnlich verhalten 
sollten, so geht schon daraus hervor, dafs die Schneehuhnreste 
nicht gut mit Gewöllen in die Höhle gelangt sein können. Immer- 
hin wäre es wohl möglich, aber infolge der Gestalt und Lage der 
Höhle nicht sehr wahrscheinlich, dafs eine Grofseule oder ein 
Edelfalke!) zeitweise in der Höhle brütete und die ganzen 
Schneehühner für die Jungen herbeischleppte. 

Mir scheint es am wahrscheinlichsten zu sein, dafs die Schnee- 
hühner von Füchsen herbeigeschleppt wurden, welche in der Höhle 
ihre Jungen hatten, sei es, dafs diese dort schon zur Welt ge- 


1) Die ziemlich zahlreichen Reste von Hähern, Elstern, Alpenkrähen 
und Dohlen würden allerdings am besten mit der Annahme zu erklären 
sein, dafs zeitweise ein Edelfalke in der Höhle gebrütet habe, auch könnten 
sie dorthin durch Marder verschleppt sein. 


208 H. Frhr. Geyr von Schweppenburg: 


bracht wurden, oder dafs sie aus einem in der Nähe befindlichen 
Bau dorthin geschleppt wurden oder auch selbst dorthin über- 
siedelten. 

Jeder, der schon einmal einem Graben nach Jungfüchsen 
beigewohnt hat, wird sich erinnern, welche Mengen von Tierresten 
und unter diesen namentlich Extremitäten dabei manchmal zutage 
gefördert wurden. Die reichlich mit Frafs versehenen Jungfüchse 
verschmähen vielfach die ihnen zu festen und mit wenig Fleisch 
versehenen Fülse und Flügel. Daraus erklärt sich auch, dafs, wie 
mir Herr Dr. Lambrecht freundlicher Weise mitteilte, unter den 
Schneehuhnknochen die Metacarpi und Tarsometatarsi am häufigsten 
sind, und dafs Rippen fast gar nicht gefunden wurden. 

Wenn die Knochen aus Eulengewöllen stammen würden, so 
ist nicht einzusehen, warum nicht ebensoviele der doch auch 
kräftigen humeri, ulnae oder tibiae aufgefunden wurden oder auch 
Rippen — da alle diese Teile von Raubvögeln dann vermutlich 
ebenso ganz verschluckt worden wären wie die Tarsometatarsi.!) 
Die Füchse jedoch verzehrten wohl meist den Rumpf ganz und 
zerkleinerten somit auch die Rippen, frafsen vermutlich auch nicht 
selten die von reichlicherem Fleisch umhüllten oberen Knochen 
der Gliedmafsen, während sie eben den Lauf und die fleischlosen 
mit starren Federn bekleideten Handknochen liegen liefsen. 

Auch glaube ich, dafs die Füchse am besten das Vorhanden- 
sein zahlreicher kleinerer Rentierknochen erklären, für deren 
Vorkommen Kormos eine nicht sehr wahrscheinliche Erklärung gibt. 

Merkwürdigerweise werden unter mehr als 1400 Rentier- 
überresten nur sehr selten Bruchstücke der grofsen Röhrenknochen 
gefunden, ebenfalls nur wenige Wirbel, Rippen, Schulterblätter, 
Beckenteile und Geweihe. Sehr häufig sind jedoch Patellae, das 
Caput humeri et femoris sowie Carpal- und Tarsalknochen, auch 
etwa 200 Zähne wurden gefunden. 

Kormos meint nun, der Urmensch, welcher nachgewiesener- 
mafsen vorübergehend in der Höhle hauste, habe bei schlechtem 
Wetter die erlegten Rentiere in die Höhle geschleppt und dort 
zerstückelt, wobei dann die so häufig gefundenen Knochenteile 
zurückgelassen wurden. 

Zunächst möchte ich bezweifeln, ob der Urmensch nur um 
dem schlechten Wetter zu entgehen, die schweren Rentiere (berg- 
auf) zu der nach dem Bilde nicht ganz leicht zugänglichen Höhle 
geschleppt habe. Es scheint wahrscheinlicher, dafs er auch bei 
schlechtem Wetter die Beute an Ort und Stelle aufgebrochen und 
zerlegt habe, wie das wohl ein Jäger auch heutigen Tages noch 
in ähnlicher Lage tun dürfte. 

Ferner ist es mir unerklärlich, wieso bei einer einigermalsen 
vernünftigen Zerlegung der Rentiere gerade und nur die oben 


1) Immerhin können darüber sicheren Aufschlufs nur genaue 
Beobachtungen oder Fütterungsversuche ergeben. 


Die pleistozäne Vogelfauna von-Pilifszanto. 209 


genannten Skelettteile so häufig in der Höhle hätten zurückbleiben 
sollen. Jene Magdelenien-Jäger würden kaum die Trennung der 
Schenkel vom Becken durch eine so unpraktische Methode, wie 
sie das Abschlagen des Caput femoris darstellt, bewirkt haben. 
Und selbst wenn sie dies getan hätten, so ist nicht ersichtlich, 
wieso dieses Caput femoris in der Höhle hätte zurückbleiben 
sollen, da es dann doch mit dem Becken verbunden geblieben 
wäre. Bei sachgemäfser Zerwirkung wäre es mit dem Femur 
in Verbindung geblieben — und von diesem es zu trennen, lag 
dann keine Ursache vor. 

Wenn dem Jäger nun auf irgend eine Weise die Trennung 
des Schenkels vom Becken geglückt war, so scheint es mir das 
natürlichste, dafs er dann weiterhin die ganze Keule über die 
Schulter genommen hätte, um sie nach Hause zu tragen, wobei 
dann die Tarsal- und Karpalknochen eine gute Handhabe boten. 
Nach Kormos mülste der Urmensch die Keule nochmals am Knie 
in nicht eben geschickter Weise geteilt haben, wobei schliefslich 
ein nicht gerade handlicher Fleischklumpen übrig blieb. 

Ich denke mir, die Knochen könnten etwa in folgender 
Weise an den Fundort gelangt sein: Nicht weit von der Höhle 
befand sich irgendwo eine Niederlassung der Magdal@nien-Menschen, 
bei welchen hie und da ein Rentier verzehrt wurde. Nachdem 
-das Tier einigermafsen sachlich zerlegt worden war, wurde das 
Fleisch von den starken Extremitäten-Knochen abgetrennt und 
die Knochen selbst zerschlagen, um zu dem so schmackhaften 
Mark zu gelangen. So blieben das Caput femoris, das Kniegelenk 
_ und die Tarsalknochen liegen. Da nun an und in diesen noch 
Fleisch- und Markreste hafteten, so hatten sie für die in die Nähe 
des Lagers kommenden Füchse!) noch mancherlei Anziehungskraft 
und sie wurden auch, da sie verhältnismäfsig leicht und 
transportfähig waren, von der Fähe den Jungfüchsen zugetragen. 
Wirbel und Rippen konnten weniger leicht verschleppt werden, 
da diese vermutlich nach Abtrennung des Fleisches zusammen- 
hängend liegen blieben und daher von den Füchsen zwar benagt 
aber nicht, weil zu schwer, weit verschleppt werden konnten. 
Sie fehlen deshalb im allgemeinen in der Höhle ebenso wie Geweih- 
reste, welch letztere einem Fuchse keinen sonderlichen Reiz zum 
Verschleppen boten. Die Zähne rühren vermutlich von Kiefer- 
teilen her, welche, vom Schädel getrennt, leicht zu verschleppen 
waren. Naturgemäfs dürften es dann häufiger Unter- wie Ober- 
kiefer gewesen sein, und dafs dies tatsächlich der Fall war, darauf 
deuten die vielen Schneidezähne hin. 

Wenn wir zum Schlufs noch einen allgemeinen Vergleich 
zwischen den pleistozänen Säugern und den Vögeln von Pilifszanto 


1) Dafs Füchse, namentlich auch Eisfüchse, Abfälle in der Nähe 
menschlicher Wohnungen holen ist bekannt, von letztgenannter Art habe 
ich es selbst auf der Bäreninsel beobachtet. 


Journ, 1, Orn, LXVU, Jahrg. April 1919, 


2 - 


14 


. 


910 Frhr. v. Schweppenburg:: Pleistozäne Vogelfauna von Pilifszanto.. 


ziehen, so sehen wir, dafs unter den Säugern, worauf auch Kormos 
hinweist, eine ganze Anzahl von Arten und Unterarten zu den 
nicht nur in Ungarn sondern überhaupt ausgestorbenen gehört, 
während wir solche gänzlich verschwundenen Formen unter den 
Vögeln nicht finden — und das ist, soviel ich sehe, fast ebenso 
in den anderen europäischen Höhlenablagerungen ähnlichen Alters. 

Unter den Säugern sind ausgestorben: Desmana moschata 
hungarica, Ursus spelaeus, Mustela robusta, Hyaena crocuta spelaea, 
Felis leo spelaea, Spermophilus citelloides, Megacerus giganteus, 
Bos primigenius, Rhinoceros antiquitatis und Elephas primigenius. 
Aus der Vogelwelt ist diesen Säugern, wie gesagt, nichts Gleich- 
wertiges entgegenzustellen. 

Es ist interessant, dafs es Lambrecht gelang, einige der 
heute unterschiedenen Subspezies wie Nucifr. car. macrorhyncha 
und Pyrrhula pyrrh. major mit bedeutender Wahrscheinlichkeit 
nachzuweisen. Da heute die meisten Unterarten von den Orni- 
thologen nach der Färbung unterschieden werden, so ist es 
natürlich dem Palaeontologen im allgemeinen nicht möglich sie 
gegebenenfalls nachzuweisen. Wo wie im Falle der Lagopus- 
Arten jedoch tausende von Knochenresten gefunden wurden, 
könnten vermutlich sorgfältige Messungen darüber Aufschlufs 
geben, ob die damaligen Formen mit den heute lebenden, bzw. 
mit welchen der heute lebenden, genau übereinstimmen. 
Kormos hat bei den Säugern in einigen Fällen den Nachweis 
führen können, dafs im Postglazial bei Pilifszanto Unterarten 
lebten, welche nicht mit den jetzt dort gefundenen übereinstimmen, 
sondern die Kennzeichen der nordischen Formen erkennen lassen. 

Lambrecht vermutet, dafs von der Dohle zwei verschieden 
grofse Formen in der Höhle von Pilifszanto vertreten sind, es 
scheint aber, dafs nicht genügend rezente Dohlenskelette zum 
Vergleich vorlagen, um diese Frage mit Sicherheit beantworten 
zu können. 

Merkwürdig ist das vollkommene Fehlen des Haselhuhns 
(T. bonasia) nicht nur in Pililszanto, sondern auch in den meisten 
anderen gleichalterigen Ablagerungen. Dies Fehlen ist um so 
auffallender, als heutigen Tages dieses Waldhuhn ziemlich weit 
nach Norden hinauf und im Gebiete der Schneehühner vorkommt. 
Fossil wurde das Haselhuhn bisher in Ungarn nur aus den 
pleistozänen Ablageruugen von Krapina!) in Kroatien nach- 
gewiesen und ist nach Lambrecht aufserdem nur noch bekannt 
aus dem Diluvium der Schusterlucke in Niederösterreich. 


1) Dr. K. Lambrecht, Die pleistozäne Vogelfauna in Krapina, 
„Barlangkutatas“ III, 1915. 


211 


Ornithologische Beobachtungen 
aus der Gegend östlich von Reims. 


Von Richard Gerlach. 


Während meines fast einjährigen Aufenthaltes in St. Germain- 
mont (westlich von Rethel, Departement Ardennes) habe ich den 
gröfsten Teil meiner dienstfreien Zeit der Erforschung der Ornis 
dieser Gegend gewidmet. Die Beobachter, die bis jetzt ihre 
Beobachtungen aus Frankreich veröffentlichten, sind meist nur 
sehr kurze Zeit an einem Orte gewesen, was eine gründliche 
Erforschung von vornherein ausschliefst. Auch ein Jahr ist eine zu 
kurze Zeit, um jeden Vogel einer Gegend kennenzulernen. Immer- 
hin reicht sie aus, die charakteristischen Arten zu beobachten. 

Zunächst in knappen Zügen die Beschaffenheit des Landes: 
Mein Hauptbeobachtungsgebiet bildeten die Ufer eines kleinen 
Flufses, der Maree. Ein etwa 500 m breiter Waldstreifen um- 
säumt das Flüfschen. Vorherrschend sind Schwarzpappeln, Weiden 
und Erlen, vereinzelt stehen dazwischen Eschen, Eichen, Hein- 
buchen und Föhren. Ein dichtes Unterholz, durchrankt von 
Hopfen und anderen Schlinggewächsen, macht den Wald beinahe 
undurchdringlich. Ein solcher Wald bietet vielen Vögeln geeignete 
Niststätten. Allerdings fehlt es an alten Bäumen, denn diese 
sind während des Krieges meist der Axt zum Opfer gefallen; 
deswegen sind Höhlenbrüter nur spärlich vertreten. Die grölste 
Fläche wird nicht von Wald, sondern von Getreidefeldern, Gras- 
steppen und Ödland eingenommen. 

Im Folgenden werde ich die Arten in systematischer Reihen- 
folge (Prof. Reichenow) behandeln. Soweit die Verbreitung die- 
selbe ist, wie in Norddeutschland, werde ich dem Artnamen nichts 
hinzufügen. 

1. Erithacus luseinia (L.). — Sehr häufig. Am 30. 5. 17 
sangen Nachtigallen bei einem Fliegerangriff Nachts um 1 Uhr. 
. E. phoenicurus (L.). 

. E. titys (L.). 

E. rubeculus (L.). 

‚ Pratincola rubicola (L.). — Ziemlich häufig. 

. Sazxicola oenanthe (L.). | 
. Turdus merula L. — Meist im Walde, nur vereinzelt in 
Ortschaften. Am 27. 10. 17 fand ich bei Banogne ein auf einen 
Turmfalkenhorst heraufgebautes Amselnest. Der Turmfalkenhorst 
war mehrere Jahre alt, das Drosselnest aus demselben Jahr. 

8. T. musicus L. — Gesang bis 16. 8. 17. 

9, T. viscivorus L. — 30. 10. 17.,4. 11. 17 etwa 50. Drosseln, 
wie überhaupt in Scharen auftretende Zugvögel, sind weniger 
zahlreich, als in Norddeutschland. 

19. T. pilaris L. — 17. 10. 17 (2), 21. 10. 17 (etwa 50). 

14* 


SOC POM 


212 Richard Gerlach: 


11.7: ae L. — 25. 10. 17 (etwa 2). 

12. Phylloscopus rufus (Bechst.). 

13. F. sibilator (Bechst.). — Selten. 

14. P. trochilus (L.). — Gesang bis 22. 9. 17. 

15. Hippolais hippolais (L.). 

16. Acrocephalus palustris (Bechst.). 

17. A. streperus (Vieill.). 

18. A. arundinaceus (L.). — Die Gattung Acrocephalus tritt 
zwar in 3 Arten auf, jedoch ist jede Art nur spärlich vertreten. 

19. Locustella naevia (Bodd.). — Ziemlich häufig. 

20. Sylvia atricapilla (L.). — Gesang bis 8. 9. 17. 

21. 8. curruca (L.). 

22. 8. sylvia (L.). 

23. 8. simplex (L.). 

24. Accentor modularis (L.). 

25. Troglodytes troglodytes (L.). 

26. Regulus regulus (L.) — Nur ein einziges Mal beobachtet, 
am 25. 10. 17 ein allein umherstreifendes Stück. 

27. Parus major L. 

28. F. caeruleus L. 

29. P. palustris L. (?) 

30. P. ater L. 

31. Aegithalus caudatus (L.). 

32. A. europaeus (Herm.). — Ebenso oft. 

33. Sitta caesia Wolf. — Nur wenig beobachtet. 

34. Certhia familiaris L. (?) 

35. Motacilla alba L. — Bei St. Germainmont kein Brut- 
vogel. Einmal auf dem Zuge am 17. 10. 17 in Nizy le Comte. 
Sie wird vertreten durch 

36. Motacilla boarula L. — Häufig, auch überwinternd. 
25.113..17,,6:,12597, 0707718; 

37. Anthus trivialis (L.). — Nur vereinzelt. 

38. A. pratensis (L.). 

39. A. campestris (L.). — Nur auf dem Zuge. 

40. Alauda arvensis L. — In Scharen überwinternd. 
5:92. 47,712: 12. 27, 10.4.718; 

41. Galerida cristata (L.). 

42. Lullula arborea (L.). — Vereinzelt. Am 1.10. 17 fort- 
gesetzter Gesang. 

43. Emberisa eitrinella L. 

44. E. calandra L. — Häufig, vielleicht inipiee, der vielen 
brachliegenden Felder. 

45. E. schoeniclus (L.). 

46. E. cirlus L. — Fast ebenso häufig wie eitrinella. Auch 
im Winter singend. 14. 11. 17, 

47. Pyrrhula pyrrhula europaea Vieilll. — Ziemlich häufig. 

48. Serinus hortulanus Koch. — Vereinzelt. Ankunft 17.3. 18. 

49. Carduelis carduelis (L.). 


Ornithologische Beobachtungen aus der Gegend von Reims, . 218 


50. Acanthis cannabina (L.). 

51. Chloris chloris (L.). 

52. Fringilla coelebs L. — Nicht sehr zahlreich, keine guten 
Schläger. 

53. Coccothraustes coccothraustes (L.). — Einmal bei St. 
Germainmont 6. 9, 17. 

54. Passer domesticus (L.). -- 10. 10. 17 noch Nestjunge. 
In einem Bauer gefangen gehaltene junge Spatzen wurden von 
den Alten gefüttert, trotzdem das Bauer in einer Stube stand. 

55. P. montanus (L.). — 6. 7. Tausende von Feldspatzen 
plünderten die Getreidefelder nahe St. Germainmont. 

56. Sturnus vulgaris L. — Weniger häufig wegen fehlender 
Nistgelegenheit. 

57. Oriolus oriolus (L.). — Noch nirgends habe ich soviele 
Pirole gefunden, wie bei St. Germainmont. Überall, sowohl im 
Wald, als anch in den Obstbergen sieht man Pirole.. Ankunft 
30. 4. 17. Letzter Gesang 20. 8. 17. 

58. Garrulus glandarius (L.). — Nicht sehr zahlreich. 

59. Pica pica (L.). — Recht häufig. Im Herbst und Winter 
Flüge von 6 bis 20 Stück. 

60. Colaeus monedula (L.). — Zur Brutzeit fehlend. Am 
1. 10. 17 beobachtete ich bei St. Germainmont die ersten Dohlen. 
Es waren 40 Vögel, die in grofser Höhe kreisten. Sie kamen 
augenscheinlich aus entfernten Gegenden. Von da ab den ganzen 
Winter über, meist in Gesellschaft von Krähen. 

61. Corvus corone L. 

62. C. frugilegus L. 

63. C. cornix L. — Ankunft 24. 10. 17. 

64. Lanius collurio L. — Selten. 

65. L. excubitor L. — Wenig vertreten. 

66. Muscicapa grisola L. — Wenig vertreten. 

67. Hirundo rustica L. — 1.6. 17. Eine Elster sals in der 
Nähe eines Rauchschwalbennestes. Die Rauchschwalbe stiefs 
fortwährend nach ihr, bis sie den Platz verliefs. 7. 7. 17 Junge 
Rauchschwalben, die schon sehr gut fliegen konnten, schrien noch 
nach Futter und die Alten hatten Not, die 6 fast erwachsenen 
Vögel satt zu kriegen. Das Fangen der Insekten im Fluge 
scheint so schwierig zu sein, dafs die jungen Schwalben es erst 
lernen, wenn sie schon Wochen lang fliegen können. Letzte 
24. 10. 17. 

68. Delichon urbica (L.). — Ebenso häufig wie Hirundo 
rustica, was in den meisten Gegenden Deutschlands nicht der 
Fall ist. Letzte 6. 10. 17. 3 

69. Riparia riparia (L.). — Am Maree-Bach eine kleine 
Kolonie. i 

70. Apus apus (L.). -—- Selten. Herr Schratz machte mich 
darauf aufmerksam, dafs auf dem Kirchturm von St. Germainmont 


214 Richard Gerlach: 


ein Paar gebrütet hatte. Anfang Juni konnte ich die Alten mit 
4 Jungen beobachten. Sonst nicht beobachtet. 

71. Upupa epops L. — Mitte Mai 1917 beobachtete Herr 
Schratz bei Gomont 2 Wiedehopfe. Sonst nicht beobachtet. 

72. Alcedo ispida L. — An allen Bächen und Flüssen häufig, 
auch an belebten Stellen. 

73. Dendrocopus major (L.). 

74. Dendrocopus minor (L.). 

75. Drycopus martius (L.). — Einmal beobachtet am 3. 11. 17. 

76. Picus viridis (L.). — Häufig. x 

77. Ouculus canorus (L.).. — Nur wenige Mal beobachtet. 

78. Athene noctua (Retz.). 

79. Strix flammea (L.). — Häufig. Vielleicht im Kriege noch 
häufiger geworden als früher, infolge der vielen zerfallenen Häuser. 

80. Asio otus (L.). n 

81. OCerchneis tinnuncula (L.). — Überall gemein. 

82. Falco subbuteo L. — Einige Nistpaare in der Nähe von 
St. Germainmont. Am 1. 7. 17 näherten sich zwei Baumfalken 


einem Militär-Brieftaubenschlage. Die Tauben erhoben sich und 


blieben solange in der Luft, bis die Falken aufser Sicht waren. 

83. Buteo buteo (L.). — Nicht sehr zahlreich. 

84. Milvus milvus (L.). — Mehrfach beobachtet. 

85. M. korschun (Gm.). — Einmal beobachtet, 4. 10. 17. 

86. Accipiter nisus (L..,. _ 

87. Perdix perdix (L.). — Überall häufig. . 

88. Coturnix coturnix (L.). — Überall häufig. 

89. Phasianus cochicus L. 

90. Columba palumbus L. — Häufig, doch nur wenig über- 
winternd. 5. 11. 17, 5. 1. 18. 

91. Turtur turtur (L.). — Ebenso häufig, wie Columa palumbus. 

92. Ardea cinerea L. — Nur auf dem Zuge und im Winter. 
6.9.17, 32. 10.47.10. 48: 

93. Fulica atra L. — Nicht so häufig wie 

94. Gallinula chloropus (L.). 

95. Rallus aquaticus L. — Ziemlich häufig. Vom Oktober 
an an Zahl zunehmend. Mitte Dezember 17 war eine sehr grofse 
Anzahl auf den Gewässern, die nach und nach wieder abnahm. 

96. Orex crex (L.). — Vereinzelt an der Aisne. 

97. Grus grus (L.). — Grolse Züge am 20. und 21.10. 17. 

98. Otis tetrax L. — Nicht selten. 12. 7. 17 Rufe „kerks 
kerks“, „gögögög“. 16. 9. 17 zwischen Balbam und Asfeld, 
19. 9. 17 zwischen St. Germainmont und Herpy. Es wurden 
Flüge bis zu 12 Tieren beobachtet. 

99. Oedienemus oedicnemus (L.). — Häufig. Zwischen Villers 
devant le Thour und Herpy am 12. 7. 17, 10. 8. 17, 17. 9. 17. 
Wenig scheu, oft in der Nähe von Ortschaften. Letzte 15. 10. 17. 

100. Vanellus vanellus (L.). — Kein Brutvogel. Auf dem 
Zuge am 30. 9. 17 30 Stück bei Herpy. 


Ornithologische Beobachtungen aus der Gegend von Reims. 215 


101. Charadrinus dubius Scop. — Brutvogel an der Aisne. 

102. Anas boschas L. — Wenig verbreitet, im Winter häufiger. 

Die Stockente ist der letzte Vogel meiner Aufstellung. Auf- 
fällig ist das Fehlen der Wasservögel und Höhlenbrüter. Die 
Erklärung dafür ist das Fehlen von Teichen und Seen und von 
hohlen Bäumen. 

Am Schlufs bitte ich noch zu berücksichtigen, dafs diese 
Arbeit mitten im Kampfgebiet entstanden und geschrieben ist. 
Wenn ich manche Einzelheiten nicht ausführlich behandelt habe, 
so liegt das daran, dafs ich die Arbeit nicht vor meinem Schreib- 
tisch, sondern auf einem übergeschlagenen Bein im tiefen Unter- 
stand bei Kerzenlicht ausgearbeitet habe. 


Einige kritische Bemerkungen 
zu den paläarktischen Corviden. 


Von Dr. J. Gengler. 


Bei’der Bearbeitung meiner vom Balkan mitgebrachten 
ornithologischen Ausbeute fiel mir beim Vergleich der Krähen 
und Raben so vieles auf, dafs ich mich nicht enthalten kann, 
dieses den Fachgenossen vorzulegen und zur Diskussion zu stellen. 

In erster Linie gaben mir die Kolkraben zu denken. Ich 
glaube, dafs bei diesen grolsen Raben noch sehr vieles zu 
studieren und zu finden wäre. 

. Ich will gleich mit den Kolkraben der Balkanhalbinsel be- 
innen. 

ü Die Literatur bietet verhältnismäfsig sehr wenig darüber. 
Kleinschmidt!) sagt „auf die südosteuropäischen Raben kommen 
wir vielleicht später zurück“ und Kollibay ?2) von den Vögeln der 
Bocche di Cattaro nur „die Vögel, welche nach dem recht deutlich 
braunen Gefieder Junge waren“. Reiser bemerkt in seiner Ornis 
Balcanica über den bulgarischen wie den montenegrinischen Raben 
in systematischer Beziehung gar nichts, während er in Griechen- 
land®) zwei Formen feststellen kann. Er sagt „während die 
meisten der in Griechenland ständig lebenden Raben typische 
©. corax sind, neigt namentlich im Osten ein Teil offenbar zur 
Form C. corax lawrencei“. In ähnlichem Sinn spricht sich auch 
von Dombrowski in seiner Ornis Romaniae über die rumänischen 
Kolkraben aus. Dionysius Lintia, der als der letzte über die 
Vögel Serbiens schrieb, führt den serbischen Kolkraben, ohne 
etwas weiteres über ihn zu sagen, als corax auf*). 


1) Nov. Zool. 1901 8. 40. 
2) J. f. 0. 1904 S. 486. 
8) Orn. Balcan. III. S. 255. 
#) Aquila 1916 S. 835. 


216 J. Gengler: 


Dazu möchte ich nun bemerken, dafs auch ich über den 
nordserbischen Raben aus eigener Erfahrung nichts sagen kann, 
da mir kein Stück in die Hände gekommen ist. Aber gesehen 
habe ich ihn oft und zwar mit bewaffnetem und unbewaffnetem 
Auge und aus relativ sehr grofser Nähe. Ich mufs daher sagen, 
dafs auch ich diesen Raben als zur Form corax stellen möchte, 
denn die gesehenen waren alle schwarz mit Metallschimmer. 

Und nach Naumann sind die Kennzeichen des mittel- 
europäischen Raben „dunkles Schwarz, das auf dem Halse und 
Rücken stark ins Stahlblaue und Violette, auf den Flügeln und 
dem Schwanze aber ins Grüne glänzt“. 

Trotzdem brauchte der nordserbische Rabe nicht immer 
schwarz zu sein, denn es ist von den östlichen Rabenformen nach- 
gewiesen, dals die Federn bei ihuen schwarz hervorspriefsen, aber 
wegen ihres schwachen Pigmentes bald in braun verbleichen 
und Hartert sagt „in der Brutzeit (vor der Mauser) verbleichen 
die Halsfedern oder werden vielmehr braun‘“!). Ich kann nun 
aber mit Bestimmtheit versichern, dafs der nordserbische Rabe 
immer schwarz ist, denn ich konnte ihn in den Monaten Januar, 
März, Juni und September, also vor und nach der im August 
stattfindenden Mauser, genau sehen und alle gesehenen Raben 
waren schwarz ohne braunen Beiton. iR 

Gehen wir nun ein Stück südlicher auf der Balkanhalbinsel und 
betrachten wir die Kolkraben, die den Landstrich Serbiens und 
Mazedoniens bewohnen, dessen nördlichster Punkt Nisch, dessen 
südlichster Uesküb ist. Hier konnte ich eine ganze Anzahl 
Raben untersuchen und bin daher im Stande nach eigener An- 
schauung zu urteilen. 

Die hier gefundene Rabenform ist wohl noch im Grofsen 
und Ganzen schwarz, aber bereits mit braunem Schimmer, der 
am stärksten auf Flügeln und Schwanz hervortritt, während 
Kopf, Hals und Bauch dunkler braun erscheinen. Ich habe diese 
geographische Form Corvus corax dardaniensis benannt und in 
den Orn. Monatsberichten 1918 beschrieben. Ich vermute auch, 
dafs die von Kollibay wegen ihres braunen Gefiedertones als 
junge Vögel angesprochenen Kolkraben Dalmatiens vielleicht 
schon hierher als alte Vögel gehören. 

Nun aber wird als dritte geographische Form des Balkans 
der griechische Kolkrabe aufgeführt, allerdings bis jetzt noch 
unter dem Namen der asiatischen Form lawrencei. 

‚ Ich kann nun aber nicht glauben, dafs der griechische Rabe 
zu dieser Form gehört. Denn wenn auch Kleinschmidt und Parrot u) 
das annehmen, so mufs ich dem gegenüberhalten, dafs die von 
mir untersuchten, aus Palästina stammenden lawrencei - Stücke 
nicht mit der Beschreibung der Griechen übereinstimmen. Denn 


1) Vög. pal. Faun. Bd. IS. 7. 
») J. f. O0. 1905 8. 628. 


Einige kritische Bemerkungen zu den paläatktischen Corviden. 217 


Reiser sagt „Üorvus corax lawrencei hat dagegen, namentlich am 
Kopf, purpurbraun (schokoladebraun) schimmerndes Gefieder“. 
Hartert spricht dagegen nur von „braunen Halsfedern“ bei den 
asiatischen /awrencei und ich fand folgendes Aussehen. Braun- 
schwarz; Kopf, Hals und Rücken blau schimmernd, mit helleren, 
nach der Federspitze zu sich verbreiternden Schaftstrichen der 
Rückenfedern; Schultern und Oberschwanzdecken mehr violett 
schimmernd ; Unterseite braunschwarz mit hellbläulichem Schimmer, 
die Unterschwanzdecken mehr grünlich, Flügel und Schwanz bronze- 
braun; Federbasis weilslichbraun. 

Deshalb möchte ich den griechischen Raben nicht so ohne 
weiteres zu lawrencei stellen. Ich halte ibn vielmehr für eine 
eigene geographische Form, die den Übergang von dem europäischen 
corax zum asiatischen lawrencei bildet, aber nicht direkt, sondern 
zwischen corax und dem Griechen steht nochmals eine Über- 
gangsform in Mazedonien, nämlich Corvus corax dardaniensis. 

Welcher Form nun die in der Dobrudscha, in Bulgarien 
und der Türkei lebenden Kolkraben angehören, kann ich aus 
Mangel an Untersuchungsmaterial nicht sagen, aber nach den 
Ausführungen von Dombrowski scheinen sich die Vögel der 
Dobrudscha und des ebenen Rumäniens schon von den Gebirgs- 
vögeln, somit von denen Siebenbürgens zu unterscheiden. Die 
von mir in Bukarest gesehenen rumänischen Kolkraben waren 
aber schwarz. 

Damit wären nun die braunen Kolkraben des Ostens ab- 
getan. Es scheint aber auch im Westen solche zu geben, wenn 
ich auch nichts Näheres darüber angeben kann als die Worte 
von Thanner’s, der von dem Kolkraben von Lanzarote sagt „die 
die braune Färbung des Raben von Fuerteventura zeigen‘ !). 

Nun aber zu den schwarzen Kolkraben. Bis in die neueste 
Zeit hat man alle europäischen Raben zu der Linne’schen Form 
corax gestellt. Hantzsch hat schon als erster im Jahre 1906 den 
isländischen Kolkraben als eigene geographische Form abgetrennt 
und ihn Corvus corazx islandicus genannt. Es ist dies ein schwarzer, 
blau schimmernder Rabe, dessen Männchen folgende Mafse hat. 
Schnabel 66—74 mm, höchste Höhe desselben 27,5—30 mm, 
Flügel 410-452 mm, Schwanz 250—280 mm, Lauf 61-68 mm. 

Dann käme der skandinavische Kolkrabe. Diesen beschreiben 
Kolthoff und Jägerskiöld „svart med blä glans“. Die Flügellänge 
wird mit 400-458 mm angegeben ?). Ich konnte im Museum zu 
Brüssel in der dortigen Heimatssammlung ein in Brabant erlegtes 
altes Männchen besehen. Dieses war ganz schwarz, ohne jeglichen 
braunen Schimmer, nur am Flügelbug war eine ganz kleine rot- 
braun schimmernde Stelle; besonders tiefschwarz sind Stirn- und 
Schnabelborsten, der Oberkopf und Rücken zeigen bläulichen 


1) Orn. Jahrb. 1912 8. 224, 225. 
2) Nordens Fäglar 9. 98 Tafla 18, 1. 


218 J. Gengler: 


Schimmer, die stark entwickelten Lanzettfedern am Hals haben 
violetten Schimmer; der Schnabel ist relativ schwach. 

Zwei andere Kolkraben aus Europa, ohne nähere Heimats- 
angabe sah ich ebenfalls im Museum zu Brüssel. Der eine mit 
starkem Schnabel war schwarz und zeigte leichten bräunlichen 
Schimmer, der besonders am Bauch deutlich hervortrat, der andere 
mit sehr schwachem, niederen Schnabel war schwarz ohne jeg- 
lichen braunem Schimmer. Eigentlichen wissenschaftlichen Wert 
besitzen besonders die beiden letzten, da ohne nähere Angaben 
über Fundort und Zeit, nicht. Wo der in Brabant erlegte Rabe 
seine Brutheimat haben mag, kann ja so auch nicht festgestellt 
werden. Ich möchte ibn wohl zu den skandinavischen Raben 
stellen. 

Schweizer Kolkraben hatte ich öfters Gelegenheit auch 
frisch im Fleisch zu untersuchen. Etwas braune Töne gehen 
auch diesen nicht ganz ab, aber sie treten doch nicht so wie 
bei den Osteuropäern hervor. Ich möchte hier kurz die Be- 
schreibung des Schweizer Raben geben. dad. 6. 11. 1910. Grau- 
bünden. Schwarz; Kopf stumpfschwarz mit ganz geringem bläu- 
lichen Schimmer, Rücken mehr violettblau, Flügel stark violettblau, 
die grofsen Handdecken bronzebraun, die Oberseite des Schwanzes 
grün schimmernd, die Unterseite bläulichbraun mit lichtbläulichem 
Schimmer. Die Federbasis ist grau. Mafse: Schnabel 76 mm, 
gröfste Höhe desselben 30 mm, Schnabelborsten 41 mm, Flügel 
443 mm, Schwanz 231 mm, Lauf 71 mm. Die Weibchen aus 
derselben Gegend messen :: Schnabel 74 mm, gröfste Höhe desselben 
27 mm, Schnabelborsten 36 mm, Flügel 430 mm, Schwanz 210 mm, 
Lauf 67 mm. 

Nun zum Vergleich ein corax aus Rulsland, aus dem Gou- 
vernement Kaluga. co“ ad. 18.2. 1909 Koselsk; Schwarz; Kopf, 
Nacken, Hals und Rücken blauschimmernd ohne violetten Beiton, 
Unterseite braunschwarz mit wenig blauem Schimmer; Flügel und 
Schwanz dunkelviolettbraun, an einzelnen Stellen mit leicht 
grünlichem Schimmer; Federbasis bräunlichweifs. Schnabel 77 mm, 
höchste Höhe desselben 26 mm, Schnabelborsten 36 mm, Flügel 
432 mm, Schwanz 216 mm, Lauf 60 mm. 

Die beiden Raben mit einander verglichen geben absolut 
nicht das Bild einer Form, sondern sind zweifellos Glieder ver- 
schiedener geographischer Formen. 

Jetzt noch zum weiteren Vergleich mit diesen beiden einen 
Vogel aus der Sarpasteppe. J' ad. 4. 3. 1911. Schwarz; Kopf 
und Rücken mit stumpfblauem Schimmer, Wangen und Ohrdecken 
bräunlich, jede Rückenfeder mit lichterem Schaftstrich, der sich 
gegen das Ende der Feder zu etwas verbreitert; die ganze 
Unterseite vom Kinn an braunschwarz, an den Seiten mit ganz 
geringem bläulichen Schimmer; Flügel und Schwanz dunkelbronze- 
braun mit ganz geringem grünlichen Schimmer; Federbasis 
bräunlichweils. Schnabel 74 mm, höchste Höhe desselben 26 mm, 


Einige kritische Bemerkungen zu den paläarktischen Corviden. 219 


Schnabelborsten 35 mm, Flügel 440 mm, Schwanz 230 mm, Lauf 
68 mm. 

Auch dieser Rabe stimmt mit den beiden vorhergehenden 
absolut nicht überein. Folgende kleine Tabelle wird den Unter- 
schied der drei Raben noch besser hervorheben. 


Graubünden Koselsk Sarpasteppe 
Allgemeinfärbung Schwarz Schwarz Schwarz 
Kopf a schwarz, blauschimmernd stumpfblau 
bräunlicher Schimmer schimmernd 
Rücken violettblau blauschimmernd stumpfblau 
: schimmernd 
Flügel violettblau dunkelviolettbraun dunkelbronzebraun 
Unterseite bläulichbraun braunschwatz braunschwarz 
Schwanz grün schimmernd dunkelviolettbraun dunkelbronzebraun 
Federbasis grau bräunlichweils bräunlichweils 


Nun möchte ich auch noch eine Malstabelle anfügen, um 
insbesondere die Schnabelform der einzelnen Raben aus den ver- 
schiedenen Landstrichen zu zeigen und auch die Flügellänge. 
Mir liegt es hier hauptsächlich daran, die Höhe und Länge des 
Schnabels zu vergleichen, denn die Flügellänge pendelt doch 
vielmehr als diese. 


Schnabel Höchste Höhe Flügel 


Graubünden 76 30 443 
Koselsk 77 26 432 
Sarpasteppe 74 26 440 mm. 


Corvus coraz tingitanus Irby aus den Atlasländern kommt 
bei diesen Untersuchungen nicht in Betracht. | 

Die Zwergform der Kolkraben bleibt die Inselform Corvus 
corax canariensis Hart. et Kl., denn Corvus umbrinus steht 
zweifellos mit Unrecht im Formenkreis corax. Er bildet vielmehr 
einen eigenen Formenkreis, der sich eng an corax anschlielst. 
Denn der Schnabel zeigt eine schlankere Form, der Wuchs ist 
schlanker, langgezogener, die Färbung eigenartig. Auch ist um- 
brinus schon deshalb nicht zum Formenkreis corax zu ziehen, 
weil seine Verbreitung mit einer echten corax- Form teilweise 
zusammenfällt, denn Zawrencei und umbrinus sind in Belutschistan 
und Ostpersien sowie in einzelnen Gegenden von Palästina be- 
heimatet. Es ist aber, abgesehen von allen anderen Tatsachen, 
wissenschaftlich unlogisch, dafs ein und dieselbe geographische 
Gegend eine grofse und eine kleine Form desselben Formenkreises 
hervorbringen und erhalten kann. Daher schliefst sich an den 
Formenkreis Corvus corax an der Formenkreis 

Corvus umbrinus Sund. 

mit seinen geographischen Formen 


220 J. Gengler: 


a. Corvus umbrinus umbrinus Sund. 
b. Corvus umbrinus ruficollis Less. usw. 

Es kann mir hier allerdings entgegengehalten werden, dafs 
nach den neuesten Forschungen wumbrinus und lawrencei nicht 
dieselben Gegenden bewohnen, sondern der letztere eine Gebirgs- 
form, der erstere eine Wüstenform ist!). Trotzdem glaube ich 
aber doch, dafs umbrinus einen eigenen Formenkreis darzustellen 
berechtigt ist ?). j 

Nun käme ich zu dem Formenkreis Corvus cornixz L. Mit 
der vortrefllichen Arbeit Laubmanns über die Nebelkrähen ®) bin 
ich vollkommen einverstanden, doch möchte ich in der Trennung 
der einzelnen geographischen Formen noch weiter geben. Denn 
ich glaube, dafs der nordische und der mitteleuropäische Brut- 
vogel unbedingt, was ja auch Laubmann schon andeutet, zu 
trennen sind. Es ergeben sich dann 

a. Corvus cornixz cornix L. 
Corvus cornix Linnaeus, Syst. Nat. X. I. S. 105 (1758 — Europa). 
ad. Rein blaugrau, die Schaftstriche schwarz, aber spärlich 
und nicht sehr hervortretend; Federbasis weils. 
Der ganze Norden mit Rufsland und Polen. 
b. Corvus cornix subcornix Brehm. 
Corvus subeornix Brehm, Handb. Vög. Deutschl. S. 168 (1831 — 
nordöstl, Deutschl.). 

ad. Grau, ohne den blauen Schimmer, mehr ins Bräunliche 
ziehend; die Schaftstriche am Rücken und Bauch schwarz, zahl- 
reich, kräftig hervortretend. Federbasis hellgrau. 

Die mitteleuropäischen Brutgebiete. 

Nun zählt Laubmann auch die Kaukasusvögel zu valachus. 
Dem kann ich nun nicht beistimmen. Diese bilden zweifellos 
eine eigene Form. Radde sagt zwar von ihnen „weicht in keiner 
Hinsicht von europäischen Vögeln ab“, gibt aber dann doch zu 
„sie ist ein geringes heller“). Ich gebe im folgenden die genaue 
Beschreibung des Kaukasusvogels. 

ad. Grau mit stark graubraunem Ton, besonders am Rücken, 
die Schaftstriche sind dunkelgrau, nicht sehr hervorstechend, auch 
die Flügel haben starken braunen Ton; am Hals leichter Blau- 
glanz; Federbasis hellgrau. Schnabel 46 mm, Flügel 310 mm, 
Schwanz 150 mm, Lauf 60 mm. 

Für diese Form würde ich den Namen 

Corvus cornix kaukasicus nov. form. 
vorschlagen. 

Dadurch würde sich jetzt der Formenkreis Corvus corniz L. 
1758 in folgende geographische Formen einteilen lassen. 


!) Abh. d. K. B. Akad. der Wissensch. Bd. XXVI. 9. Abh. 8. 9, 
2) Zool. Jahrb. Bd. XXIII. 8. 285. 

®») Verh. Orn. Ges. in Bayern Bd. XIII. S. 211. 

*) Orn. caucas. 8. 124. 


Einige kritische Bemerkungen zu den paläarktischen Corviden. 221 


. Corvus cornix cornix L. Norden und Nordosten. 
Corvus cornix subeornix Br. Mitteleuropa. 
Corvus cornix sardonius Kl. Korsika, Sardinien. 
. Corvus cornix valachus v. Tsch. Balkan. 

Corvus cornix pallescens Mad. Cypern. 

Corvus cornix kaukasicus Gengler. Kaukasus. 

. Corvus cornix sharpii Dates. Westsibirien. 

. Corvus cornix capellans Scl. Persischer Golf. 

Nun gibt es aber auch eine Nebelkrähe in Palästina. Ueber 
diese finde ich nirgends etwas Stichhaltiges und gerade sie scheint 
mir sehr abweichend zu sein. Daher möchte ich hier einiges 
über die Färbung der Nebelkrähe aus der Umgebung von Jeru- 
salem anführen. 

1. Ein frisch vermauserter Herbstvogel von Jerusalem: Q ad. 
Grau mit leicht bräunlichem Überton, Schaftstriche fein graubraun, 
am Rücken mehr hervortretend als am Bauch; Kopf und Brust- 
schild schwarz mit leichtem Blaustahlglanz; Flügel schwarz mit 
blaugrünem Glanz, Schwingen mit bläulichem Ton; Schwanz 
schwarz, mit dunkleren Binden und leicht bläulichem Schimmer, 
die Unterseite der Schwanzfedern etwas bräunlich; Federbasis 
weils. Schnabel 42 mm, Flügel 300 mm, Schwanz 150 mm, Lauf 
56 mm. 

2. © ad. vom Frühjahr aus Jerusalem. Grau mit stark 
ausgeprägtem braunen Schimmer; Schaftstriche braun, wenig auf- 
fallend; Kopf und Brustschild schwarz mit leichtem violettstahl- 
blauem Schimmer; Flügel blauschwarz mit stark rotbraunem 
Überton, der auf den Schwingen in rotbraunen Hauptton über- 
geht; Schwanz rotbrauu mit bläulichem Stahlglanz; Federbasis weils. 
Schnabel 51 mm, Flügel 324 mm, Schwanz 168 mm, Lauf 60 mm. 

3. Q' ad. vom Sommer aus Jerusalem. Hellgrau, vollkommen 
rostbraun übertüncht; Schaftstriche am Rücken nicht zu sehen, 
an Brust und Bauch dunkelrostbraun, mehr hervortretend; Kopf 
und Brustschild schwarz: Kopf violettbraun, Kehle bräunlich, 
Brust braun überlaufen ; Flügel und Schwanz rotbraun, hie und 
da mit leichtem schwarzblauem Schimmer. Schnabel 48 mm, 
Flügel 300 mm, Schwanz 153 mm, Lauf 60 mm. 

Wohin ist diese Form zu ziehen? Hartert sagt auch schon, 
dafs diese in Ägypten und Syrien brütenden Nebelkrähen einige 
Schwierigkeiten böten, wagt sie aber vorläufig nicht zu trennen !!). 
Laubmann zieht sie zu valachus. Diesem Vorgehen kann ich 
mich nun absolut nicht anschliefsen, denn valachus verändert 
während des Sommers das Federkleid nie und wird ganz braun 
wie die Krähen aus Palästina. Daher würde ich für diese Form 
den Namen 


camonnmp 


Corvus cornixz syriacus 
vorschlagen. 


1) Vög. pal. Fauna Bd, IS. 11. 


222 J. Gengler: 


Nun zum Schlufs noch einige Worte über die Dohlen und 
zwarüber dieHalsbanddohlen des Ostens und Südostens von Europa. 

Die mazedonische, oder besser gesagt, die Balkandohle 
wurde von Drummond als eigene geographische Form erkannt 
und 1846 collarıs benannt. Dieser Name wurde bisher auf alle 
östlichen Dohlen überhaupt angewendet. Nun hat Hellmayr in 
einer ganz vorzüglichen Arbeit!) nachgewiesen, dafs die östliche, 
mit dem weifsen Halsfleck versehene Dohle schon 1811 von 
G. Fischer erkannt und soemmeringii benannt worden war. In- 
folge dessen müfsten nun die östlichen Dohlen in ihrer Gesamtheit 
so benannt werden. 

Fischer entdeckte die neue Dohlenform in Moskau in Rulsland. 
Daher stiegen mir Zweifel auf, ob die Balkanvögel denn auch 
wirklich mit dieser russischen Form unbedingt identisch seien. 
Das Resultat der infolge dieses Zweifels angestellten Unter- 
suchungen ist nun folgendes. 

Est besteht tatsächlich ein Unterschied zwischen den östlichen 
und den südöstlichen Halsbanddohlen. Schon die Dohlen der 
Dobrudscha sind im allgemeinen Gefiederton viel dunkler als die 
von Serbien und Mazedonien, noch dunkler aber, sowohl was die 
schwarzen wie was die grauen Partien anlangt, sind die Dohlen 
aus Ostrufsland, aus den Gouvernements Grodno bis Kaluga. Und 
ganz auffallend ist bei diesen die ganz schwarz schimmernde 
Kehle und Oberbrust, die den anderen Dohlen fehlt. Es läfst 
sich hier also mit Recht eine Trennung der Halsbanddohlen in 
zwei Formen vornehmen, nämlich in 


a. Coloeus monedula soemmeringüi (Fisch.) 


Corvus Soemmeringii G. Fischer, M&m. Soc. Imp. Nat. Moscou 1. 
S. 3 Tfl. 1 (1811 — Moskau, Rufsland). 


Osteuropa. 
b. Coloeus monedula collaris (Drumm.) 


Corvus collaris Drummond, Ann. et Mag. Nat. Hist. XVII. S. 11 
(1846 — Macedonien). 

Balkanländer. 

Als Mittelmafse der von mir untersuchten Dohlen, d. h. 
Halsbanddohlen habe ich folgende gefunden. 


Schnabel Flügel Schwanz Lauf 


Ostrufsland 32 245 140 44 
Dobrudscha 31,5 232 141 44 
Rumänien 28 230 135 42 
Serbien-Mazedonien 35 242 131 44 mm. 


Es sind hierbei nur die Malse alter Männchen in Betracht 
gezogen worden. 


1) Verh. Orn. Ges. in Bayern Bd. XIII S. 184. 


PA 


Einige kritische Bemerkungen zu den paläarktischen Corviden. 228 


In der Gröfse nähern sich die ostrussischen Vögel mehr 
den Balkanvögeln, während die von der Dobrudscha und Rumänien 
dazwischen stehen. 

Dafs der weilse Fleck an den Halsseiten der östlichen 
Dohlen ein Alterszeichen sei, ist eine irrige Ansicht, denn, 
wenigstens bei den mazedonischen Dohlen, er ist bereits im 
Jugendkleid vorhanden. — 

Dies wären meine Ausstellungen an der bisherigen Kenntnis 
der schwarzen Corviden, über die ich gerne die Ansichten der 
Fachgenossen vernehmen möchte. 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


Bericht über die Dezembersitzung 1918. 


Verhandelt Berlin, Montag, den 2. Dezember 1918, abends 
7 Uhr im Konferenzzimmer der Landwirtschaftlichen Hochschule, 
Invalidenstr. 42. 


Anwesend die Herren Schalow, Reichenow, v. 
Stralendorff, F. v Lucanus, Heck, Neumann, 
Graf v. Zedlitz, Hesse, Grote, Reichling, Haase 
und Heinroth. 


Als Gäste die Herren Fr. v. Falz-Fein, H.v. Lucanus, 
G. Schulz, P. Kothe, Hülsmann, Stornstein, 
Sbaudineer,„O. Bock,»E. Bock, P. Spatz,;:Hilz- 
heimer, M. Neumann, Seilkopf, sowie Frau Spatz, 
Frau Neumann, Frau Heinroth, Frl. Rempen, Frl. 
Ch. Bock und Frl. E. Beele. 


Vorsitzender Herr Schalow, Schriftführer Herr Heinroth. 


Der Vorsitzende macht die betrübende Mitteilung von dem 
Hinscheiden eines langjährigen Mitgliedes unserer Gesellschaft, 
des Herrn Oberstleutnants Schiller, der vor wenigen Tagen in 
Schlachtensee bei Berlin einer tückischen Krankheit erlag. 
Georg Schiller wurde am 2i. Juli 1858 zu Leipzig geboren. 
Nach Absolvierung des dortigen Gymnasiums widmete er sich der 
militärischen Laufbahn. In Leipzig, Marienburg, Plagwitz und 
Döbeln war er in Garnison. Als Major wurde er zur Disposition 
gestellt. Nach dem Ausbruch des Krieges trat er wieder in den 
Heeresdienst. Schiller hat sich besonders um die Stubenvogel- 
pflege verdient gemacht. Er war in dieser Hinsicht ein aus- 
gezeichneter Kenner der selteneren Grasmücken des Mittelmeer- 
gebietes. Auch um die Einfuhr des wilden Kanarienvogels hat er 
sich verdient gemacht. Die Anwesenden ehren sein Hinscheiden 
durch Erheben von den Sitzen. 


224 Bericht über die Dezembersitzung 1918. 


Herr Reichenow legt die eingegangenen Bücher und 
Zeitschriften vor. 

Herr Reichling berichtet hierauf unter Vorlage zahl- 
reicher photographischer Aufnahmen über den Krammetsvogel- 
Fang auf Herden. Er wird nur in Westfalen ausgeübt und liefert 
verhältnismäfsig geringen Ertrag. Der Vortragende erklärt im 
Einzelnen die Technik und Wirkungsweise dieser Fangvorrichtung. 
Ferner macht er Angaben über das Vorkommen der westfälischen 
Heidvogelarten. Limosa melanura ist ein häufiger Charaktervogel, 
jedoch scheinen bei Weitem nicht alle Stücke zur Brut zu schreiten. 
Ferner sind der Kampfläufer und die Trauerseeschwalbe anzu- 
treffen; der Alpenstrandläufer ist jedoch nicht mehr Brutvogel. 
Herr Reichling schildert einen Ausflug nach Fehmarn, Rittergut 
Wallnau bei Petersdorf. Zwischen den dortigen Karpfenteichen 
und der Nordsee sind mehrere Kolonien der Lachmöwe und 
Trauerseeschwalbe, ferner etwa 120 Nester des Rothals-, etwa 
100 des Schwarzhals-, 80 des Hauben- und einige des Zwerg- 
tauchers anzutreffen. Ferner zählen alle heimischen Entenarten, 
auch Reiherenten, als Brutvögel, und er stellte etwa 100—150 
Kampfläuferpaare, Säbelschnäbler-, Schinz-und Alpenstrandläufer-, 
4 Höckerschwan- und etwa 30 Grauganspaare fest. Zahlreiche 
Rohrweihen trieben ihr Unwesen. Eine grofse Anzahl geradezu 
klassischer Nest- und Nestplatz- Aufnahmen veranschaulichen 
die Ausführungen des Vortragenden. 

Herr Spatz hält hierauf einen Vortrag über seine mit 
Herrn Freiherrn Hans Geyr von Schweppenburg ausgeführte 
Reise in die südlichen Teile der Sahara. Da er sich bei der 
Rückkehr noch am Fetzarasee aufhielt, geriet er zu Kriegsbeginn 
in französische Gefangenschaft, aus der er nach unsäglichen 
Leiden erst in diesen Tagen zurückgekehrt ist. Die Reise hat 
vom. 24. 12. 13 bis 3. 6. 14 gedauert und bis nach Ideles in 
das Gebiet der Tuareg, dicht am Wendekreis, geführt. 


Auf eine Bemerkung des Vortragenden, dafs im Gegensatz 
zu andern Flughühnern, die stets am späteren Vormittag zur 
Tränke kommen, Pterocles lichtensteini targius immer nur in später 
Abenddämmerung zum Trinken erscheine, erwidern die Herren 
Graf v. Zedlitz und OÖ. Neumann, dafs Pt. 1. lichtensteini 
sowie Pt. exustus in Erythrea und Abessinien sowie in Südarabien 
stets nur abends zum Wasser fliegen, dafs die ersterwähnte Art 
aber in Nordafrika auch am Vormittag und Pi. variegatus und 
decoratus zu bestimmten Zeiten die Tränke aufsuchen. Auf eine 
Frage des Vorsitzenden, wo die von Herrn Spatz gesammelten 
Geier-Eier sich befinden, erwidert letzterer, dafs sie der Er- 
langer’schen Sammlung einverleibt seien, die jetzt an das Sencken- 
berg - Museum in Frankfurt a./Main gekommen ist. 


Heinroth, 


BTREE 


225 


Bericht über die Januarsitzung 1919. 


/ Verhandelt Berlin, Montag, den 6. Januar abends 7 Uhr 
im Konferenzzimmer der Landwirtschaftlichen Hochschule, In- 
validenstr. 42. 


Anwesend die Herren Georg Schulz, v. Versen, 
v. Lucanus, Neumann, Hesse, Reichenow, Schalow 
und Heinroth. 


Als Gäste die Herren. Matschie, Ungewitter, 
Ohnesorge, Lamprecht, Gottschlag, Kracht, 
Germershausen, Seilkopf, Fangard, Fr.v. Falz- 
Fein, sowie Frau Heinroth und Frl. Beele. 

Vorsitzender Herr Schalow, Schriftführer Herr Heinroth. 


Der Vorsitzende hat die Mitteilung erhalten, dafs Baron 
v. Loudon auf der Flucht aus seiner livländischen Heimat nach 
Königsberg begriffen sei und wohl den Verlust aller seiner 
Sammlungen befürchten müsse. Baron Geyr von Schweppen- 
burg sendet Grülse aus Arosa. 

Herr Schalow legt eine prächtig gelungene Photographie 
des Herrn Georg Schulz, die den Horst eines Schwarzstorches 
mit jungen Vögeln darstellt, vor. 

Von Herrn Reichenow werden zugleich mit dem Vor- 
sitzenden die eingegangenen Bücher und Zeitschriften besprochen. 

Herr Reichen ow legt eine Anzahl von ihm neu benannter 
Arten vor: 

Puffinns heinrothi Rchw. 


Oberseits braunschwarz, Wangen und Kehle graubraun, 
übrige Unterseite dunkelbraun, die Federn der Bauchmitte weils 
mit dunkelbraunem Saum, kleine Unterflügeldecken dunkelbraun, 
mittlere und grofse weils, am Ende braun, Achselfedern und 
Armschwingen au der Wurzel weils. Schnabel braun, im frischen 
Zustand nach Heinroth grauschwarz, Fülse am Balge braun, 
frisch nach Heinroth fleischfarben, auf Rücken und Aulfsen- 
seite schwärzlich. Länge 190, Fl. 185 (frisch gemessen 193), 
Schwanz 84, Schn. 31, L. 35 mm. 

Das Flügelmafs mufs etwas höher angenommen werden, da 
es sich um einen jungen, noch nicht ganz entwickelten, indessen 
vollständig flugfähigen Vogel handelt. (Vergl. ©. Heinroth, J. f. 

O0. 1902, 396). — Blanchebucht, Neupommern. 
Die Art steht P. tenuirostris und nativitatis am nächsten, 
unterscheidet sich von beiden aber schon durch die viel geringere 
Gröfse. 
Limnobaenus tsingtauensis Rchw. 

Von L. paykulli durch grauere, ins Schiefergraue ziehende 
Färbung der Oberseite, die sich auch über den ganzen Oberkopf 
bis zum Schnabel erstreckt, unterschieden. Stirn nicht rotbraun. 
Kopfseiten, Unterhals mit Ausnahme der weifsen Kehle und Brust 


Journ. f. Orn. LXVII. Jahrg. April 1919. : 15 


226 Bericht über die Januarsitzung 1919. 


blass rostisabellfarben, nicht rotbraun, wie bei paykulk, diese 
Färbung auch nicht so weit auf den Bauch ausgedehnt wie bei letzt- 
genannter Art. Bauch und Unterschwanzdecken schwarz und weils 
gebändert. Das Weils der Kehle viel weiter ausgedehnt. — Tsingtau. 

Der Vermutung, dafs es sich um jüngere Vögel der Art 
handeln könnte, steht der Umstaud entgegen, dafs die vorliegenden 
Stücke zu verschiedenen Zeiten gesammelt und untereinander 
ganz gleich gefärbt sind. 


Caccabis hwanghoensis Rchw. 


Wie ©. chukar mit rein weilser Zügelgegend und von diesem 
durch dunklere braunere Oberseite, durch dunklere ockerfarbene 
Bauchmitte und noch dunklere, ins Zimtbraune ziehende Färbung 
der Unterschwanzdecken und besonders durch zahlreiche breite 
kastanienrotbraune Querbinden auf den Körperseiten, die die 
schwarzen Querbinden überwiegen, unterschieden. Gröfse nicht 
abweichend. Flügellänge 160 mm. 

Das voriiegende Stück stammt aus der Sammlung des Herrn 
Filchner aus dem östlichen Tibet und hat leider keinen genauen 
Fundort. Jedenfalls ist es im Gebiet des oberen Hwangho 
zwischen der Gegend von Hsining und dem Oringnor gesammelt. 


Pierocles gutturalis tanganjicae Rchw. 


Von P. gutturalis und P. g. saturatior dadurch unterschieden, 
dafs die rotbraune Färbung der Unterseite nicht auf der Brust, 
sondern erst auf dem hinteren Bauch beginnt und aufserdem viel 
dunkler ist. Aueh sind die Unterschwanzdecken etwas dunkler 
kastanienrotbraun, und die Kropf- und Brustfärbung ist blasser 
und grauer als bei P. saturatior, etwa wie beim typischen P. 
gutturalis. Beim © sind die hellbraunen Flecke der Oberseite 
auffallend blass. 

Aus der Gegend östlich des Tanganjika: Ufipa, Utinta, 
Mkambafluß. 

Pteroclurus exustus emini Rchw. 


Q: Durch blassere sandfarbene Grundfärbung der Oberseite 
von den Weibchen des typischen P. exustus und der Form 
olivascens unterschieden, von dem der typischen Form aufserdem 
durch dichtere schwarze Bänderung der Oberseite und schmalere 
rostbraune Bänderung des Bauches. 

Aus dem Gebiet im Nordwesten des Victoria Niansa, von 
Emin Pascha gesammelt. 


Hyliota affınis Rchw. 
Mit H. nehrkorni im allgemeinen übereinstimmend, nur der 
Bauch, der bei jener Art fast rein weils mit schwachem rahm- 
farbenen Anflug ist, ockergelb, nach dem Steifs zu blasser werdend; 


bisweilen auch die Unterschwanzdecken ockergelblich verwaschen. 
Kamerun, 


Bericht über die Januarsitzung 1919. 227 


Pytilia melba angolensis Rchw. 


Wie P. m. belli, Kropf aber stärker rot verwaschen, die 
Bänderung des Unterkörpers dunkler und Unterschwanzdecken 
eintönig blaflsockergelb. Angola, Loango. 


Pytilia melba grotei Rehw. 


An P. m. angolensis am nächsten sich anschliefsend, mit 
eintönig blafsockergelben Unterschwanzdecken, aber Kropf noch 
lebhafter rot (das Rot der Kehle über den ganzen Kropf aus- 
gedehnt) und das Rot der Stirn bis zum Scheitel sich erstreckend, 
Bänderung des Unterkörpers blasser. Küstengebiet Deutsch-Ost- 
afrikas (Kionga, Mikindani, Useguha). 

Nach Abtrennung der Form P. m. angolensis muls die Ver- 
breitungsangabe für die typische P. melba in „Wissensch. Erg. d. 
D. Zentral-Afr. Exped. 1910, 331“, die als „Südafrika nordwärts 
bis Loango“ angegeben war, berichtigt werden. Sie scheint sich 
nur bis zum Kunene nordwärts zu erstrecken. 

Herr Heinroth zeigt einen Balg von Chaetusia gregaria 
im Winterkleide. Dieser Vogel ist 1916 von Herrn Kracht an 
der Wolga jung aufgezogen worden, legte im Frübjahr 1917 sein 
erstes Prachtkleid an, vermauserte es im Sommer in das un- 
scheinbare Gefieder und kam im Prachtkleid im Frühjahr 1918 
in den Zoologischen Garten zu Berlin. Hier mauserte er dann in 
das Winterkleid, wie es der Balg zeigt. Hiermit ist erwiesen, dafs 
nicht nur die jungen Vögel, wie in der Literatur meist angegeben 
wird, im Winter unscheinbar gefärbt sind. 

Herr F. v. Falz-Fein hält einen längeren Vortrag über 
die Vogelwelt von Askania-Nova (Taurien). Er beschreibt die 
nogaische Steppe, in der dieses Gebiet liegt, mit ihrem Festuca- 
und Stypa-Graswuchs, der weiter südlich nach der Krimm hin 
einer Artemisia-Vegetation Platz macht. In dieser ‚Steppe, die 
jetzt zum grofsen Teil zum Getreidebau verwendet wird und nur 
noch an wenigen Stellen bei besonderm Schutze ihren natürlichen 
Pflanzenwuchs trägt, stellt Askania-Nova eine Waldinsel dar, 
die durch künstliche Bewässerung geschaffen wurde. Aufserdem 
sind hier sehr grofse Teichflächen angelegt worden. 354 Vogel- 
arten wurden in Askania-Nova bisher beobachtet, davon 71 Brut- 
vögel, 252 häufigere und 19 seltenere Durchzügler, wozu noch 
12 Arten als Irrgäste kommen, die verschiedenen Gebieten 
angehören. Ein Überwintern von Kleinvögeln kann deshalb nicht 
stattfinden, weil sie durch die sehr zahlreichen Sperber und 
Merlinfalken völlig aufgerieben würden. Die früher häufige Mohren- 
lerche, bei der schwarze alte Männchen völlig fehlten, ist seit dem 
Verschwinden des Stypagrases ausgeblieben. Vom Schneeammer, 
der sich oft einstellt, erscheinen nie alte, wirklich weilse Stücke. 
Der Sprosser ist dadurch heimisch gemacht worden, dafs man 
durchziehende Stücke fing und ihnen die ersten Schwingen kürzte. 

15* 


228 Bericht über die Januarsitzung 1919. 


Sie schritten dann. zur Brut und nisten jetzt regelmäßsig in 
grofser Zahl. Ähnliches gilt auch für die rote Kasarka (Casarca 
casarca). Diese Art verbreitete sich früher nicht so weit westlich. 
Als sich jedoch die Jungen mehrerer dort in flugunfähigem Zu- 
stande gehaltener Paare in der Umgebung zu verbreiten begannen, 
erfolgte sehr grofser Zuzug von Artgenossen, so dafs diese schöne 
Anatide jetzt geradezu einen Charaktervogel der Gegend darstellt. 
Auch Buchfink, Hänfling und Amsel wurden künstlich in Askania- 
Nova angesiedelt. Sehr viele eingehende Schilderungen über die 
Lebensgewohnheiten einer Anzahl von Arten vervollständigten das 
Bild, das der Vortragende über die von ihm selbst geschaffene 
Vogelkolonie gab. 

Über von ihm vorgenommene Beringungen berichtete der 
Vortragende wie folgt: 


In Askania beringte und an anderen Stellen 
wiedergefangene Vögel: 


Asio accipitrinus beringt als Nestvogel am 4. (17.) Mai 1914 in 
Ask.- Nova, erbeutet am 23. Januar 1915 auf einer Jagd im 
Walde etwa 35 km westlich von Budapest (Ungarn). Ring 
getragen: 8 Monate, 19 Tage. Beringter Fufs im Besitze der 
Vogelwarte Rossitten. Entfernung vom Neste: ca. 1150 km 
nach Westen. (Ein interessanter Fall, der die Wanderlust der 
Sumpfohreulen im Gegensatz zu den Stammesgenossen zeigt. 
Diese junge Sumpfohreule hat gleich im ersten Herbste eine 
weite Reise nach dem Westen unternommen.) 

Casarca casarca. Beringt 1913 oder 1914 in Askania-Nova; er- 
beutet Ende Januar 1916 am Flusse Gediz-Tschai in der Nähe 
von Smyrna. Wenn dieser Vogel nicht das Schwarze Meer 
überflogen hat, so ist der Reiseweg ohne Zweifel an der West- 
küste entlang nach Süden gegangen. 

Tinnunculus tinnunculus. Die Taurischen Turmfalken unter- 
nehmen keine weiten Winterwanderungen. Die weiteste bis 
jetzt nachgewiesene Entfernung beträgt 400 Kilometer. 
Teilweise sind die Turmfalken in Askania-Nova Standvögel, die 
an dem Orte ihrer Geburt selbst wieder zur Brut schreiten. 
Die Turmfalken sind in dem auf die Geburt folgenden Jahre 
fortpflanzungsfähig und brüten auch schon. 

Grus virgo. Der in Askania s. Zt. mit einem Ring um den Hals(!) 
markierte Jungfernkranich wurde von Sudan-Arabern des Mahdi 
an Slatin-Pascha übergeben. 


In Askania beringte und ebendort wiedergefangene Vögel: 


Sturnus vulgaris tauricus. Die hiesigen Stare kehren in ibre Brut- 
heimat zurück, wie 2 oder 3 Stare bezeugen, die den Ring 1, 
resp. 2 Jahre lang getragen haben. 

Motacilla flava melanocephala. Eine in Askania-Nova 1914 be- 
ringte Schafstelze wurde 1915 ebendort wiedergefangen. 


Aue 0.4 


Bericht über die Februarsitzung 1919. 229 


Nicht in Askania beringt, in der Nähe von Askania wiedererbeutet: 


Fuligula clangula Q. Beringt von Prof. Palmen bei Helsingfors 
(Ring No. 479), geschossen auf der Schwarzmeerinsel Dscharyl- 
gatsch am 30. Januar 1917 russischen Stils. Balg im Museum 
von Askania-Nova. O. Heinroth. 


Bericht über die Februarsitzung 1919. 


Verhandelt Berlin, Montag, den 3. Februar abends 7 Uhr 
im Konferenzzimmer der Landwirtschaftlichen Hochschule, In- 
validenstr. 42. 


Anwesend die Herren v. Stralendorff, Baerwald 
G. Schulz, Germershausen, Heck, Strahl, Bünger, 
Steinmetz, Hesse, v. Lucanus, Schalow, Reichenow 
und Heinroth. 

Als Gäste die Herren Gottschlag, E. Lau-Riga, 
Moewes,L. Heck, Schatte, Fr. v. Falz-Fein, O.Bock, 
Hilzheimer, Seilkopf, Spatz, Hörter, Fr. Bock, 
sowie Frau Heinroth, Frl. Beele und Frl. Rempen. 

Vorsitzender Herr Schalow, Schriftführer Herr Heinroth. 


Der Vorsitzende übermittelt Grüfse des Herrn Bacmeister 
aus Heilbronn und des Herrn Oberstabsarztes Dr. Gengler. 
Baron v. Loudon ist mit seiner Familie in Swinemünde ein- 
getroffen. Die eingegangenen Bücher und Zeitschriften werden 
von den Herren Reichenow und Heinroth vorgelegt. 

Herr v. Falz-Fein legt zwei ausgezeichnete Photographien 
eines auf dem Boden balzenden Auerhahns vor. Er hat ein Paar 
dieser Vögel längere Zeit in seinem Tierpark gehalten, wobei der 
Hahn im Frühjahr nicht nur zahm, sondern sogar zudringlich wurde. 

Herr Schalow hält einen längeren Vortrag über die 
Lebensgeschichte von Carl August Bolle, dessen hundertjähriger 
Geburtstag 1919 wiederkehrt. Er war der erste deutsche orni- 
thologische Erforscher der kanarischen Inseln, der erste, der das 
Leben des Kanarienvogels schilderte, und ein ausgezeichneter 
Faunist unserer Mark Brandenburg. 

Herr Reichenow dankt für die den Verstorbenen ehren- 
den Ausführungen. Herr Hilzheimer weist darauf hin, dals 
zahlreiche Manuskripte von Carl Bolle im Märkischen Museum 
vorhanden seien. R 

Herr Schalow gibt eine Übersicht über die ornitholo- 
gischen Forschungen während des Weltkrieges in den von den 
Deutschen besetzten Gebieten des Westens und Ostens. 

Herr 0. Bock macht die Mitteilung, dals er vor 14 Tagen 
in Kremmen trotz strenger Kälte etwa 80—100 Stare beobachtet 
habe. Die Herren Schalow und v. Lucanus bemerken hierzu, 
dafs in Berlin an geeigneten Orten jedes Jahr mehrere hundert 
Stare zu überwintern pflegen. 


230 Bericht über die Februarsitzung 1919. 


Im Anschlufs an die Ausführungen des Herrn v. Falz- 
Fein in der vorigen Sitzung, dafs im Winter in Askania-Nova 
niemals alte Schneeammern vorkommen, sondern nur jugendliche, 
stark brau gefärbte Stücke, legt Herr Reichenow eine grofse 
Anzahl Bälge dieser Art der Versammlung vor. Er führt den 
Nachweis, dafs diese Vögel erst nach mehreren Jahren ihr end- 
gültiges Gefieder anlegen. Herr v. Falz-Fein weist darauf 
hin, dafs in denselben Monaten in Moskau und Petersburg fast 
rein schwarzweilse Stücke auf den Markt kommen, in denen sich 
in Askania-Nova nur stark bräunliche Stücke finden. Aus dem 
Meinungsaustausch geht hervor, dafs wirklich alte Stücke niemals 
bis Südrufsland vordringen, sondern viel weiter nördlich über- 
wintern. Dasselbe gilt vom Leinzeisig, Steinadler, Merlin und 
Sperber, sowie für die Mohrenlerche, von der allerdings 2%, 
alter Männchen aus dem Wolga-Gebiet bis nach Askania-Nova 
kommen. Herr Schulz bemerkt hierzu, dafs er auch an den 
Brutplätzen in Lappland nur sehr wenige schwarzweifse Schnee- 
ammern gefunden habe. 

Herr v. Falz-Fein gibt eine Schilderung des Moskauer 
Vogelmarktes, der mit seiner reichen und je nach der Jahreszeit 
sich ändernden Beschickung stets eine Menge Interessantes bietet, 
Es finden sich dort etwa ein Dutzend ständiger Buden, in denen 
aufser Stubenvögeln auch Aquarientiere, Kaninchen, Meerschwein- 
chen und anderes verkauft werden. Sonntags kommen dazu eine 
Menge fliegender Händler, von denen der Liebhaber billiger kauft. 

Zur Abnahme der Störche, über die wiederholt berichtet 
wurde, bemerkt Herr Schalow: Aus der Schweiz schreibt 
kürzlich Dr. P. Nüesch-Sigrist (Zeitschr. d. Schweiz. Ver. f. 
Heimatschutz, 1918, Heft 8), dafs die Zahl der Störche in den 
letzten 20 Jahren um mehr denn die Hälfte abgenommen habe. 
Während man noch vor 15 Jahren auf Solothurner Boden Orte 
mit 3 und mehr Storchnestern finden konnte, trifft man heute in 
einem Dorfe höchstens noch ein Nest; aus vielen Ortschaften aber 
sind die Störche ganz verschwunden. 

Im Anschlufs an eine Anzahl von Bildern aus Askania-Nova, 
die vorgelegt werden, macht Herr Heck auf eine Beobachtung 
aufmerksam, die im dortigen Tierpark an einem Nandu-Hahn ge- 
macht wurde. Dieser sehr zahme Vogel nahm das Gesinde und 
alle Bauern wütend an, während er sich gegen herrschaftlichen 
Besuch sehr zutraulich zeigte. Wenn sich Heck nun in Bauern- 
kleidung steckte, wurde er trotzdem sofort erkannt und von dem 
Vogel freundlichst begrüfst.‘ Es war vergeblich, einen Anhalts- 
punkt dafür zu gewinnen, wie dieser Nanduhahn die Personen 
unterschied und würdigte. Herr v. Lucanus bemerkt hierzu, dafs 
sich Papageien beim Wiedererkennen von Personen durch Ver- 
änderung des Anzugs nicht irre machen lassen. Nur die den 
Gelbhauben-Kakadus innewobnende Blauscheu macht sich dann 
noch bemerkbar. O. Heinroth. 


231 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


L. F. de Beaufort en L. P. de Bussy. Vogels van de 
Oostkust van Sumatra. (Abdruck aus: Bijdragen tot de Dier- 
kunde, „Natura artis magistra“, Amsterdam, Aflevering XXI.) 


G. Dennler, Ornithologische Beobachtungen in den Pripjet- 
sümpfen. (In: „Natur“, 1918/19, Heft 5/6, Dezemb. 1918.) 


H. Granvik, Acrocephalus urundinaceus L. (der Drosselsänger) 
in Schweden. (Abdruck aus: Ornith. Monatsschr. XLIII, Nr. 11.) 


— Die Variationsfähigkeit beim Nestbau der Dohle (Colaeus 
monedula). (Abdruck aus: Ornith. Monatsschr. XLII, Nr. 11.) 


W. Knopfli, Vogelschutzbestrebungen der S. O0. G. in den 
Jahren 1915 bis Mai 1917. (Abdruck aus: „Tierwelt“, 
Jahrg. 1918, Nr. 32/39.) 

Beiträge zur Morphologie und Entwicklungsgeschichte des 

Brustschulterskelettes bei den Vögeln. (Abdruck aus: Jena- 

ische Zeitschr. f. Naturwissensch., 55. Bd., Neue Folge, 

48. Bd., 1918.) | 

F. Lindner, Die Vogelwelt der Pommerschen Inseln Riems, 
Reffbrinks, Gr. Werder, (im Gristower Wieck), Hiddensöe, 
Fährinsel, Kuhriff und Gänsewerder im Juni und Juli 1918. 
(Abdruck aus: Orn. Monatsschr. XLIII, Nr. 12.) 

E. Löunnberg, Loxia hordeacea Linne 1758 is identical with 
Euplectes fammiceps Swaison 1837. (In: Arkiv för Zoologi, 
Bd. 12, Nr. 3.) | 

— Hybrid Gulls. (In: Arkiv för Zoologi, Bd. 12, Nr. 7, 1919.) 

P.Rosenius, Sveriges Fäglar och Fägelbon. Lund, Heft 16—21. 


E. P. Tratz, Der Ausbau der ornithologischen Station, Institut 
für Vogelkunde und Vogelschutz in Salzburg. 1919. En 
öffentlichung des Institutes.) 

— Entwurf für ein internationales Naturschutzgesetz und ein 
neuesinternationales Vogelschutzgesetz anläfslich der Friedens- 
verhandlungen im Jahre 1919. 1919. (Veröffentlichung des 
Institutes.) 

V. Ritter vv Tschusi zuSchmidhoffen, Ornithologische 
Literatur Österreich - Ungarns 1916. (Abdruck aus: Verhandl. 
k. k. zoolog.-botan. Gesellsch. Wien, Jahrg. 1918.) 


O. v. Wettstein, Wissenschaftl. Ergebnisse der von F. Werner 
unternommenen zoologischen Expedition nach dem Anglo- 
Ägyptischen Sudan. II. Bearbeitung der gesammelten Vögel 
und Säugetiere. (Abdruck aus: Denkschr. Ak. Wiss. Wien 
Math. Naturw. Kl. 94. Bd. 1917.) 


Bund für Vogelschutz. Jahresbericht 1917. Stuttgart. 


j* 


232 


Verhandlungen 


des 


V. Internationalen Ornithologen-Kongresses 
in Berlin 
30. Mai bis 4. Juni 1910. 
Herausgegeben 
von 
Herman Schalow. 
Der starke Band umfafst 1185 Seiten mit 41 Textabbildungen, 
10 Karten, 16 farbigen und 15 schwarzen Tafeln. 
Preis 40 Mark 
(für Mitglieder der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 
30 Mark, zu beziehen durch die D. O. Gesellschaft), 


Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. 


Reichenow, Geh. Rat Prof. Dr. A., Die Vögel. 


Handbuch der systematischen Ornithologie. Zwei Bände. 1. Band. 
Mit einer Karte und 185 Textbildern. 1913. geh. M. 15,—, in Leinw. 


geb. M. 16.60. Il. Band. Mit 273 Textbildern. 1914. geh. M. 18.40, 
in Leinw. geb. M. 20.—. 


Alle für die Schriftleitung des Journal für Ornithologie 
und für die Deutsche Ornithologische Gesellschaft be- 
stimmten Zusendungen sind an den Generalsekretär der D. Orn. 
Ges., Prof. Dr. Reichenow Berlin N. 4, Invalidenstr. 43 erbeten, 
alle den Buchhandel betreffenden Angelegenheiten an die Verlags- 
handlung von L. A. Kittler in Leipzig zu richten. 


Druck von Otto Dornblüth Nachf, in Bernburg. 


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JOURNAL 
ORNITHOLO 


Siebenundsechzigster Jahrgang. 


No. 3. Juli. 1919. 


Ornithologische Beobachtungen 
in der Muss-Alla-G6ruppe (Rila-Gebirge) 1916—19. 


Von Hans von Boetticher. 


. Ein günstiges Geschick führte mich im Januar 1916 nach 
Bulgarien, u. zw. in die schönen Wälder und herrlichen Berge 
der Mussallagruppe, welche von vielen Geographen zum Rila- 
gebirge, von anderen aber noch zur West-Rhodope gerechnet 
wird. Aus der Samokower Ebene, die im Mittel etwa zwischen 
700 und 1100 m Seehöhe gelegen ist, erhebt sich im Süden der Stadt 
Samokow ziemlich steil aufragend das im Muss-Alla bis zu etwa 
2930 m hoch emporragende Gebirge. Der Muss-Alla und seine 
Ausläufer bilden eine für die Verbreitung der Tiere nicht un- 
wichtige Wasserscheide, in dem einereits hier der Isker mit seinen 
Zuflüssen entspringt, welcher seinen Lauf in die Donau nimmt, 
andererseits aber auch die Maritza und ebenso auch die Mesta, 
sowie viele Nebengewässer der Struma in diesem Gebirge ihre 
Quellen haben, welche sämtlich in das Agäische Meer abwässern. 
Für die Verbreitung der Vögel ist eine Wasserscheide nicht von 
so erheblicher Bedeutung, wie etwa für die der Säuger u.s. w. 
Dagegen birgt das Gebirge, das von der Ebene so steil über 1800 m 
hoch ansteigt, in der Frage der vertikalen Verbreitung der 
einzelnen Arten viel Interessantes. Hierüber konnte ich, da ich 
die Zeit über in der Höhe von rund 1745 m mitten im Walde 
leben und von dort manche schöne Exkursion nach „oben“ und 
nach unten unternehmen durfte, manche Beobachtung anstellen. 
Die Samokower Ebene habe ich nur ungenau kennen gelernt, da 
ich mich dort immer nur vorübergehend und flüchtig aufgehalten 
habe, und ist jedenfalls gar manche dort wohl noch vorkommende 
Art nicht beobachtet worden. Die Ebene gehört ja eigentlich 
auch nicht mehr in das spezielle Beobachtungsgebiet, das eigent- 
liche Gebirge; im Folgenden habe ich aber die dort beobachteten 
Vögel mit aufgenommen, um das Bild der vertikalen Verbreitung 


Journ, £. Orn. LXVII, Jahrg. Juli 1919. 16 


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234 Hans von Boetticher: 


zu vervollständigen. Da dem Charakter des Gebietes, als eines 
grofsen Naturschutzreservates entsprechend, jegliche Jagdausübung 
untersagt war, beschränkte sich die Arbeit auf das Beobachten 
am lebenden Vogel, sodafs manche subtile Con- resp. Subspecies- 
bestimmung unterbleiben mufste, es sei denn, dafs einzelne tot 
aufgefundene Stücke hierzu Verwendung finden konnten. Auf 
diese Weise festgestellte Formen sind im Folgenden durch ein 
Kreuz } kenntlich gemacht worden. Seine Majestät den 
Zaren Ferdinand I. von Bulgarien, in dessen Besitz das 
Beobachtungsgebiet zum gröfsten Teil sich befindet, bitte ich auch 
an dieser Stelle meinen untertänigsten, tiefstgefühlten Dank dafür 
aussprechen zu dürfen, dafs ich die Zeit.über in diesem ebenso 
schönen wie interessanten Gebiete leben und forschen durfte! — 
Ebenso spreche ich Herrn Geheimrat Reichenow-Berlin, Herrn Dr. 
med. Klein-Sofa und Herrn Direktor Kurzius-Sofia meinen wärm- 
sten Dank für vielfach erteilte Ratschläge und Auskünfte aus! — 

Nach Adamovic‘ „Die Vegetationsverhältnisse der Balkan- 
länder“ (Band XI der „Vegetation der Erde“ von Engler und 
Drude) Leipzig 1909, lassen sich in der Muss-Alla-Gruppe, ein- 
schliefslich der Ebene von Samokow sechs Vegetationsstufen in 
vertikaler Richtung unterscheiden. Dieses sind: 


I. Die submontane Stufe (etwa 600-1100 m) 
II. Die montane Stufe (etwa 1100—1600 m) 
/ III. Die voralpine Stufe (etwa 1600--2000 m) 
IV. Die subalbine Stufe (etwa 2000-2300 m) 
V. Die alpine Stufe (etwa 2300—2700 m) 
VI. Die subnivale Stufe (etwa 2700—2930 m) 

Diese Einteilung legen wir unseren Untersuchunge über 
die vertikale Verbreitung der Vögel zu Grunde, da sie der na- 
türlichen Gliederung in die einzelnen Lebensbezirke der Vogel- 
welt wohl am besten entspricht. 


Die submontane Stufe. 


In dieser Stufe, welche sich etwa von 600—1100 m Seehöhe 
erstreckt, befindet sich die Ebene von Samokow und auch, durch 
das Witoschgebirge getrennt, diejenige der bulgarischen Lan- 
deshauptstadt Sofia. Zum gröfsten Teil Kulturland, wird die 
Stufe durch das Vorkommen von sommergrünen Quercus-Arten, 


Carpinus duinensis, Fraxinus ornus, Tilia argentea, Juglans regia. 


u. a. m. floristisch charakterisiert. Wie bereits oben erwähnt, 
habe ich diese Stufe ornithologisch nicht durchgreifend erforschen 
können, nur die charakteristischesten und häufigsten Gestalten 
seien erwähnt! Im Bereich der Stadt Samokow ist jedenfalls die 
Dohle, und zwar Colaeus collaris, die häufigste Erscheinung. 
Sie belebt hier in grofser Zahl die Dächer, Kirchtürme und Mi- 
naretts, wenn auch nicht in der überraschenden und gradezu 


re ee ua 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916 -19. 235 


überwältigenden Menge wie in Sofia, wo sie buchstäblich durch 
ihr Geschrei und Geschwatze jeglichen anderen Stralsenlärm über- 
tönen und abends die Giebel und Gesimse der Häuser dichtge- 
drängt sitzend gleichsam mit schwarzen Guirlanden umgeben. 
Der in Sofia ebenfalls in sehr grofsen Scharen lebende Star ist 
auch in Samokow ein sehr häufiger Vogel, der aufser natürlichen 
Baumhöhlungen auch die vielfach von den Einwohnern für ihn 
in die Gartenbäume gehängten grofsen irdenen Flaschen zum 
Nisten benutzt. Aufser dem Haussperlingsind noch Mehl- 
und Rauchschwalbe im ländlichen Samokow, wie in den 
anderen Ortschaften der Ebene häufig anzutreffen. In den Gär- 
ten sind Stieglitze und Gartenrötel gewöhnliche Er- 
scheinungen. Auf den weitausgedehnten Wiesen- und Weiden- 
flächen, welche sich um Samokow ausbreiten, findetsich der Storch 
in sehr grofser Zahl, Kibitz und Wiedehopf sind hier 
ganz gewöhnliche Erscheinungen. Goldammern,Ortolane, 
Buchfinken, Feldsperlinge, Bluthänflinge, 
Haubenlerchen,weilseundschwarzköpfigeBach- 
stelzen sind typische Erscheinungen dieser Ebene. Auf Stein- 
haufen und Wegesteinen längs der grofsen Strafsen findet sich. 
recht zahlreich der graue Steinschmätzer, und auf den 
Telegrafendrähten sitzt gern der ebenfalls sehr häufige r.ot- 
rückige Würger. Aus dem bebauten Ackerfeld tönt viel- 
fach das Pickwerpick der Wachtelundauchdie Feldlerche. 
läfst hier ihre Lieder fleilsig hören. In dem aus mannigfachem 
Laubholz bestehenden Augebüsch des Isker und seines Neben- 
flüfschens der Bistriza wurde verschiedentlich die Nachtigall 
gehört, Blau- und Schwanzmeisen, Rotkehlchen, 
Zaunkönige, Heckenbraunellen, Weidenlaub- 
sänger u.a. m. treiben hier in grofser Zahl ihr Wesen. Am 
Isker wurde der Eisvogel, an der Maritza in dieser 
Stufe die Wasseramsel beobachtet. Sehr häufige Erschei- 
nungen in der ganzen Ebene sind die Elster und der Eichel- 
häher, gemein ist hier ferner die Nebelkrähe und aus dem 
Gebirge kommen häufig Gänse- und auch Kuttengeier 
herab, um an gefallenem Vieh u. 8. w. ihren Hunger zu stillen. 
Mäusebussard und Kaiseradler werden ebenfalls nicht allzu selten 
beobachtet. Im ganzen wurden in dieser Stufe 66 Arten an- 
getroffen. 


Die montane Stufe. 


Diese Stufe, welche sich von etwa 1100—1600 m erhebt, 
wird in tieferen Lagen hauptsächlich durch die Rotbuche, 
Fagus silvatica, in den höheren durch die Edeltanne, Abies 
alba, charakterisiert. Ahorn, Espe, Hasel u. s. w. sind vielfach 
eingesprengt. Diese Stufe bildet so recht den Uebergang von der 
vorigen zu der folgenden Stufe: Im tieferen Buchengebüsch, 
sowie im Angehölz an den Wasserläufen sind Buchfinken, 

16* 


236 ‘Hans von Boetticher : 


Kernbeifser,Kleiber,Ko hl- undBlaumeisen, auch 
noch zum Teil Schwanzmeisen, Weidenlaubsänger, 
Waldlaubsänger, Rotkehlchen, Zaunkönige, 
Braunellen, Dorn- und Zaungrasmücken in grofser 
Zahl zu Hause. Singdrossel und Schwarzamselu.a. 
finden sich hier schon häufiger ein; neben der weilsen 
tritt auch schon vereinzelt die Gebirgsbachstelze auf, 
ebenso in den höher gelegenen Tannenbeständen der Gimpel 
und der Kreuzschnabel. Der Kuckuck ist hier sehr 
häufig. Raubwürger, ferner Mäuse- und Wespen- 
bussard, sowie ein leider nicht genauer festzustellen ge- 
wesener Weih wurden hier beobachtet. Ferner wurden Uhu, 
Wald- und Steinkauz und Waldohreule festgestellt. 
Im ganzen wurden hier 53 Arten beobachtet. 


Die voralpine Stufe. 


In dieser Stufe, (etwa 1600—2000 m) ist die Rotfichte, 
Picea excelsa, dominierend, hier schöne grolse, völlig in Urwald- 
zustand belassene geschlossene Bestände bildend. Nur stellen- 
weise und vereinzelt finden sich eingestreut einige Kiefern, 
Pinus silvestris, sowie die seltene schöne Mura, FPinus peuce. 
Hier sind die typischen Gestalten des Schwarzhochwaldes erst so 
recht eigentlich zu Hause und ‘treten in einer ganz erstaunlich 
grofsen Individuenzahl auf, Vor allen Dingen gilt dieses vom 
Fichtenkreuzschnabel und der Tannenmeise, aber 
auch Rotgimpel,Buchfinken, Erlenzeisige, Hauben- 
u. Graumeisen,beideG@oldhähnchen, Baumläufer 
finden hier die ihnen zusagenden Lebensbedingungen und sind 
sehr häufig. Mehr im Unterholz an den Waldrändern finden 
sich Heckenbraunellen und Rotkehlchen, sowie 
der häufige Waldlaubsänger. Von Drosseln sind Sing- 
und Misteldrossel, Schwarz- und auch schon Alpen- 
ringamselgemein. FitislaubsängerundBlaumeise 
wurden nicht beobachtet und scheinen hier nicht vorzukommen; 
Kohlmeisen wurden nur im Winter auf dem Strich angetroffen. 
Sperlingeund Starefehlen gänzlich. An den Bergbächen 
ist die Gebirgsstelze eine gewöhnliche Erscheinung, die 
weifse Bachstelze tritt nur noch vereinzelt auf. Der all- 
gegenwärtige Zaunkönig ist auch hier recht häufig, ebenso 
wieder Baumpieper. Würger wurden ebenfalls beobachtet, 
ferner bemerkenswerter Weise der sonst den dunkelen Nadel- 
hochwald meidende graue Fliegenfänger. Von Schwalben 
ist die Mehlschwalbe, besonders Ende August und Anfang 
September in grofser Anzahl, über den Waldgründen Insekten 
jagend oder Flugübungen zum Zuge veranstaltend, anzutreffen. 
Von den Corviden kommt vereinzelt der Kolkrabe, recht 
häufig der Eichelhäher und sehr häufigder Tannen- 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916-19. 237 


häher vor. Kuckuck und Nachtschwalbe sind ge- 
wöhnliche Erscheinungen. Von den Spechten ist derSchwarz- 
specht der häufigste; es kommen ferner der grofse und 
mittelere Buntspecht, der Grün- und der Alpen- 
dreizehenspecht vor, letzterer mit Alpenringamsel, 
TannenhäherundRauhfufskauz interessante Relikte 
aus der Eiszeit darstellend. Aufser letzterem ist von Eulen 
noch der Uhu, Waldkauz und Steinkauz festgestellt worden, 
doch dürften noch andere Arten hier vorkommen, die sich dem 
Beobachter entzogen haben. Auerhuhn und Haselhuhn sind 
gemein, ebenso die Ringeltaube. Von Raubvögeln wurden 
Steinadler, Mäusebussard, Wander-, Baum- und Turm- 
falke, Habicht und Sperber sicher festgestellt, andere 
z. B. ein grauer Weih auf die Entfernung jedoch nicht 
genau in ihrer Artzugehörigkeit erkannt. Einmal wurde ein 
Aasgeier über einem Grund schwebend gesichtet. — Eine 
häufige Erscheinung in dieser Stufe ist schliefslich noch die 
Waldschnepfe, die hier auch als Brutvogel festgestellt wurde. — 
Im ganzen wurden in dieser Stufe 57 Arten beobachtet, wobei 
jedoch zu beachten ist, dafs diese Stufe am genauesten kennen 
gelernt wurde. 


Die subalpine Stufe. 


Für diese Stufe, welche von etwa 2000—2300 m Seehöhe 
reicht, ist besonders die sogenannte Latsche oder Krumm- 
kiefer, Pinus montana, typisch. Die Mura geht, höher als die 
Fichte steigend, vereinzelt in diese Stufe hinein. Aufserdem 
findet sich hier die Grünerle, Alnobetula viridis, und der 
Zwergwachholder, Juniperus nana, sowie die Vaccinnium- 
arten, In diesem dichten Gestrüpp der Latschen, welche stellen- 
weise 4—5 m hoch und noch höher werden, scheint sich namentlich 
die Heckenbraunelle wohlzubefinden, welche hier in über- 
raschender Anzahl lebt. Sehr häufig sind hier ferner noch Kreuz- 
schnabel, Rotkehlchen, Tannenmeise und Alpenring- 
amsel, etwas weniger die Graumeisen, Goldhähnchen und 
Gimpel. Zaunkönig, Waldlaubsänger und Hausrötel 
sind hier auch nicht selten. Viele andere Gestalten der vorigen 
Stufe, mit Ausnahme der den Hochwald liebenden, finden sich 
auch hier vereinzelt noch vor, ohne jedoch den Charakter der 
Vogelwelt dieser Stufe irgendwie besonders zu beeinflussen, so 
wurde z. B. hier auch der Steinkauz noch beobachtet. Im 
ganzen wurden in dieser Stufe 22 Arten festgestellt. 


Die alpine Stufe. 


Wie die Vegetation dieser Stufe, welche man mit etwa 2300 
und 2700 m Seehöhe begrenzen kann, gegen die unteren bedeutend 


238 Hans von Boetticher: 


ärmer erscheint, so nimmt auch die Anzahl der hier oben vor- 
kommenden Vogelarten gegen diejenige in den tieferen Teilen 
des Gebirges merklich ab. Deswegen ist aber die Ornis hier 
nicht uninteressanter. Die ausgedehnten Matten und Stein- 
halden, unterbrochen von niedrig bleibenden Latschen- und 
Zwergwachholdernestern beherbergen verschiedene interes- 
sante Gebirgsformen, so die balkanische Alpenlerche und 
einen Alpenpieper, welch’ letzterer sich mit Vorliebe an den 
Rändern der Bäche, Quellseen und Moorstellen aufhält. In ein- 
zelnen Paaren tritt der graue Steinschmätzer, den wir als 
charakteristische Erscheinung der submontanen Ebene kennen 
lernten, hier auf. Die Alpenringamsel geht bis hier hinauf, 
sogar der Waldlaubsänger und die Rauchschwalbe wur- 
den in der Höhe von etwa 2500 m beobachtet und vereinzelt 
auch die Felsenschwalbe festgestellt; ebenso wurde die 
Bachamsel auf einem der Mussallaseen schwimmend gesehen 
(vergl. unten unter Oinclus). Hier ist auch die eigentliche Heimat 
des Steinhuhnes. Der Wanderfalke dehnt seine Jagdflüge 
bis hier hinauf aus, während sich Steinadler und Geier, 
sowie Kolkraben hier öfter sehen lassen als in tieferen Lagen. 
Mit Sicherheit werden in dieser Stufe 18 Arten beobachtet. 


Die subnivale Stufe. 


Die höchsten Spitzen derGebirgsgruppe, Muss-Alla,Studen 
Tschal, Tschedir Tepe, Mantschow Tschal, 
Jurutschki Tschal u. s. w. ragen bereits in die sub- 
nivale Stufe (etwa 2700—2930 m) hinauf. Auf den von 
Felsentriften, Steinhalden und auch Firnflecken 
unterbrochenen Wiesenmatten finden sich nur noch höchstens 
einige ganz geringe Zwergwachholderbüsche. In dem 
steinigen Geröllmeer der Kare fühlt sich der häufige, 
aber stets paarweise ein bestimmtes Gebiet einhaltende Haus- 
rötel erst richtig wohl und daheim. Hier singt der Alpen- 
flüevogel sein anmutiges Lied, hier klettert der ungemein lieb- 
liche Mauerläufer, die „fliegende Rose der Alpen“, in seiner 
eigenartigen Weise an den steilen Felswänden umher, hier um- 
flattert die gelbschnäbelige Alpendohle.in gewandtem Fluge 
laut rufend die Felszacken. Der Kolkrabe findet sich häufig, 
und Gänse-und Kuttengeierziehen hoch über den höchsten Er- 
hebungen des Gebirges ihre Kreise. Hier hat auch der auf Be- 
treiben Seiner Majestät des Zaren Ferdinand durch Landes- 
gesetz geschützte Bartgeier, der stolze „König der Alpen“ eine 
sichere Stätte und läfst sich des öfteren blicken. Nur 9 Arten 
wurden alles in allem in dieser Stufe festgestellt. 


Die im Folgenden aufgezählten Arten sind nur solche, welche 
ich beobachtet habe und einwandfrei feststellen konnte, 


2 2.0 ser 


Ornitb. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 239 


Es ist also keine erschöpfende Liste der vorkommenden 
Arten, denn manche Art (z. B. Eulen!) mag sich der Beobachtung 
entzogen haben, manche (Raubvögel z. B.) konnte der grofsen 
Entfernung wegen oder aus anderen Gründen nicht der Art nach 
erkannt werden. Ebenso ist es möglich, dafs die Bezeichnungen 
der Arten nicht immer den Ergebnissen der subtilen Forschung 
der neuesten Zeit entsprechen, da es ja fast immer gradezu un- 
möglich sein dürfte, die Zugehörigkeit zu einer geographischen 
Form, Subspecies oder Conspecis, lediglich nach dem beobachte- 
ten, freilebenden Vogel festzustellen. Die angeführten bulgari- 
schen Namen sind zumeist solche, welche ich in jener Gegend 
von den Eingeborenen gehört habe; sie weichen deshalb in eini- 
gen wenigen Punkten etwas von den Namen ab, welche Dr. E. 
Klein inseiner „Ornis bulgarica‘“ (Naschi ptizi) Sofia 1909, gibt, 
Was die wissenschaftlichen Benennungen anbetrifit, so habe 
ich mich nicht auf den Standpunkt der extremsten Anhänger 
des Prioritätsgesetzes gestellt, sondern habe dort, wo sich die 
Bezeichnungen seit alters her fest eingebürgert haben, an diesen 
festgehalten, so bei Turdus musicus = Singdrossel, Addon luscinia 
— Nachtigall, Phoenicurus titys —=Hausrötel, Graculus graculus = 
gelbschnäblige Alpendohle (im Gegensatz zu Pyrrhocorax pyrrho- 
corax — rotschnäblige Alpenkrähe) u. s. w. Doch habe ich z. T. 
die abweichenden, neueingeführten Bezeichnungen in runden 
Klammern ( ) beigefügt, während die Bezeichnung einer nicht 
sicher festgestellten Conspeciesin eckigen Klammern [? consp.] 
hinzugesetzt wurde. | 


1. Scolopax rusticola L. 


(bulg.: gorski bekass). Die Waldschnepfe ist ein im Ge- 
birge, so namentlich in der voralpinen Stufe recht häufiger 
Sommervogel. Ende März treten die ersten auf. Wurde bier 
brütend festgestellt. Auch in der subalpinen Stufe angetroffen. 


2. Vanellus vanellus (L.). 

(bulg.: kalugeriza [Nonne]). Der Kiebitz ist auf den Gras- 
flächen der Samokover Ebene (submontane Stufe) ein häufiger 
Sommervogel. 

3. Helodromas ochropus (L.). 

(bulg.: gorski wodobegatsch). Der Waldwasserläufer wurde 
auf den Sandbänken des Isker bei Samokow (submontane Stufe) 
beobachtet. 

4. Grus grus (L.). 

(bulg.: sheraw). Der Kranich wurde auf dem Zuge (so z. B. 
am 19. X. 16. und am 28. X. 17.) in nicht sehr grofser Höhe 
über das Gebirge fliegend gesichtet. 


240 Hans von Boetticher; 


5. Ardea cinerea L. 


(bulg.: tschapla). Der Fischreiher wurde einmalim Frühjahr 
1916 an einer sumpfigen Stelle an der sog. Ssucha Maritza in 
der voralpinen Stufe angetroffen 


6. Ciconia ciconia (L.). 


(bulg.: Schtrkl). Der weifse Storch ist ein sehr häufiger 


Sommervogel in der ganzen Ebene der submontanen Stufe. 


7. Mareca penelope (L). 


(bulg.: pluwka sswiratschka). Die Pfeifente wurde im 
September 1918 auf den Quellseen der Maritza in der subnivalen 
Zone von einem Jäger gesehen und in einem Stück auch erlegt. 


8. Anser anser (L). 


(bulg.: diwa gäska). Die Graugans wurde auf dem Zuge 
(z. B. 31. I. 17, 1. II. 17) über das Gebirge fliegend gesehen. 


9. Caccabis saxatılis L. 


(bulg.: kamenarka). Das Steinhuhn wurde, wenn auch nicht 
gerade häufig, in deralpinen und auch supalpinen Stufe angetroffen. 


10. Coturnix coturnix (L.). 
(bulg.: pädpädäk). Die Wachtel ist ein häufiger Brutvogel 
auf den Feldern und Wiesen in der submontanen Stufe. 


t11. y Bonasa bonasia (L.). 


(bulg.: leschtarka). Das Haselhuhn ist ein sehr häufiger 
Jahresvogel besonders in den Wäldern der montanen und voralpi- 
nen Stufe, stellenweise bis in die subalpine Stufe hinaufsteigend. 


12. Teirao urogallus (L.). 


(bulg.: diw petel [wilder Hahn]). Der Auerhahn ist be- 
sonders in der voralpinen Stufe recht häufig, kommt aber auch 
in der montanen und stellenweise noch in der subalpinen Stufe vor. 


13. Lyrurus tetrix (L.). 


.. Das Birkhuhn ist hier nicht autochtbon, sondern künstlich 
eingeführt. Es hält sich auf den Wiesenmatten und im Latschen- 
gestrüpp der subalpinen bis alpinen Stufe auf. 


14. Columba oenas (L.). 


(bulg.: diw gäläb). Die Hohltaube wurde einmal in einem 
Paar in der voralpinen Stufe beobachtet. Im September 1918 


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Ornitb. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 241 


wurden an der Südseite der Gebirgsgruppe, im Gebiet d. Mesta, 
grofse Flüge dieser Taube angetroffen. 


15. Columba palumbus (L.). 


.. (bulg.: griwjak.) Die Ringeltaube ist namentlich in den 
Fichtenwaldungen der voralpinen Stufe sehr häufig. 


16. Turtur turtur (L.). 


(bulg.: gurguliza.) Die 'Turteltaube, in der submontanen, 
stellenweise auch wohl in der montanen Stufe nicht selten, wurde 
einmal in der voralpinen Stufe beobachtet, ein anderes Mal 
wenigstens verhört. 


17. + Streptopelia risoria decaocto (Friv). 

(bulg.: gugutka.) Zwar kommt die Tempel- oder bulgarische 
Lachtaube im eigentlichen Beobachtungsgebiet nicht vor, soll hier 
aber als ungemein häufige und auffallende Erscheinung in den 
Gärten von Sofia miterwähnt werden. Deutlich gröfser und in 
der Färbung fahler, grauer als die bekannte, häufig in der Ge- 
fangenschaft gehaltene gewöhnlische Lachtaube, Str. risoria (L.) 
läfst unsere Taube auch im Benehmen und besonders in der 
Stimme deutliche Unterschiede von risoria erkennen. Während 
der Ruf von risoria etwa so klingt: kükrrrrrüüh kükrrrrrüüh, 
ist der Ruf von decaocto im ganzen tiefer, etwa mit: „ Küükü— 
üku, küükü—üku“ wiederzugeben. Auch das „Kichern“ von 
decaocto ist viel kräftiger, rauher und „meckernder“ als das be- 
kannte sanfte chi chi chi von risoria. In Sofia soll unsere Taube 
auch erst aus ihrer Heimat bei Plowdiw (Philippopel) eingeführt 
worden sein. 

18. Circus spec. 

(bulg.: blatarr.) Ein Weih mit bräunlichem Gefieder und 
deutlich weilsen Ober- und Unterschwanzdecken wurde in der 
montanen Stufe auf gröfsere Entfernung gesehen. Ein anderes 
Stück mit hellblaugrauer Ober- und weilser Unterseite wurde in 
der voralpinen Stufe beobachtet, ohne dafs es gelingen konnte, 
die Arten festzustellen. 


19. Accipiter nisus (L.). 
(bulg.: wrabtschar.) Der Sperber ist im Gebirge, besonders 
in der montanen und voralpinen Stufe häufig, wahrscheinlich auch 
in der submontanen Ebene. 


20. Astur palumbarius (L.). 
(bulg.: jastrjäb) Der Habicht ist in der montanen und 
voralpinen und wohl auch in der submontanen Stufe eine recht 
häufige Erscheinung. 


242 Hans von Boetticher: 


21. + Pernis apworus (L.). 
(bulg.: ossojad.) Der Wespenbussard wurde in der monta- 
nen Stufe festgestellt. 


22. Buteo desertorum Daud. 


23. Buteo buteo (L.). 

(bulg.: mischolow.) Der Mäusebussard ist in der submon- 
tanen, montanen und voralpinen Stufe, stellenweise bis in die 
subalpine Stufe dringend, sehr häufig. Ein von einem Jäger 
geschossenes und mir überlassenes Stück erwies sich als echter 
Steppenbussard (desertorum). Ob auch der typische mitteleurop. 
Buteo buteo (L) hier vorkommt, bleibe dahingestellt, ist aber 


nicht unmöglich. 
24. Aquila chrysaetus L. 


(bulg-: orel.) Der Steinadler kommt in der alpinen und 
subnivalen Stufe, seine Jagdzüge bis in die montane und sogar 
submontane Stufe ausdehnend, noch ziemlich häufig vor. 


25. T Aquila pomarina, Brehm. 

(bulg.: kresliw orel.) Der Schreiadler wurde verschiedent- 
lich, so z. B. im April 1918 in der montanen und auch in den 
tieferen Lagen der voralpinen Stufe bemerkt, dürfte jedoch in 
der submontanen Stufe häufiger vorkommen. 


N 26. Aguila imperialis Bechst. 
(bulg.: Krjastat orel.) Der Kaiseradler wurde verschiedent- 
lich in der submontanen Ebene, so z. B. auf den Chausseebäumen 
bei Samokow, beobachtet. 


27. Cerchneis tinnunculus (L.). 
(bulg.: Wjätruschka.) Der Turmfalk ist in der submontanen 
Stufe und im Gebirge bis in die subalpine Stufe hinein eine 
häufige Erscheinung. 


28. Oerchneis naumanni (Fleisch.). 


Der Rötelfalk wurde besonders am Südabhange, im Gebiet 
der Mesta, aber auch in der Ebene von Samokow und Sofia an- 


getroffen. 
29. Falco aesalon Tunst. 


(bulg.: ssokol tschutschuligar.) Der Merlin wurde auf der 
Südseite der Gebirgsgruppe, im Gebiet der Mesta, häufig beobachtet. 


30. Falco subbuteo L. 
(bulg.: orko.) Der Baumfalk wurde in der montanen und 
voralpinen Stufe beobachtet. 


FE re TE ni 


e' 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 243 


31. Falco peregrinus L. 


(bulg.: ssokol.) Der Wanderfalk kommt im Gebirge, seine 
Jagdzüge bis in die alpine Stufe ausdehnend, noch regelmälsig vor. 


32. Neophron percnopterus (L.). 

(bulg.: egipetski leschojad.) Der Aasgeier wurde einige 
Male beobachtet u. a. auch in der montanen und der voralpinen 
Stufe. 

33. Vultur monachus L. 

(bulg.: leschojad kaluger.) Der Mönchsgeier wurde ein paar 

Mal in der alpinen und subnivalen Stufe angetroffen. 


34. Gyps fulwus (L.). 
 (bulg.: beloglaw leschojad.) Der Gänsegeier ist der häufigste 
Geier des Gebietes. In der alpinen und subnivalen Stufe ist er 
regelmäfsig anzutreffen, aber auch in der Ebene der submontanen 
Stufe kann manihn oftanden Resten eines Viehkadavers beobachten. 


35. Gypaetus barbatus (L.). 


(bulg.: bradat leschojad.) Der Bartgeier ist dank des ihm 
gewährten gesetzlichen Schutzes in der alpinen und subnivalen 
Stufe des Gebirges eine regelmäfsige Erscheinung. In den Jahren 
1916 und 1918 wurden im Kgl. Zool. Garten in Sofia junge 
Bartgeier im Käfig ausgebrütet. 


36. F Bubo bubo hungaricus Rchw. 


(bulg.: buchl.) Der Uhu scheint im Gebirge noch ziemlich 
regelmäfsig vorzukommen. Dicht am Königlichen Jagdschlofs 
Sitnjakowo in der voralpinen Stufe konnte er oft verhört werden. 


37. Syrnium aluco (L.). 


(bulg.: gorska ululiza.) Der Waldkauz wurde sowohl in 
der montanen als auch in der voralpinen Stufe recht häufig be- 
obachtet. Sein Ruf wurde im März und April auch bei Tage 
vernommen. 

38. Asio otus (L.). 

(bulg.: digoucha gorska ssowa.) Die Waldohreule wurde 
einige Male in den Wäldern der montanen und voralpinen Stufe 
festgestellt. » 

39. Athene noctua L. 


(bulg.: kukumjawka.) Der Steinkauz wurde in der vor- 
und subalpinen Stufe festgestellt. kommt wohl aber auch in den 
niederen Stufen vor. 


244 Hans von Boetticher : 


40. Nyctala tengmalmi (Gm.). 
(bulg.: kukumjawka.) Der Rauhfufskauz, ein Relikt der 
Eiszeit, ist besonders in der voralpinen Stufe häufig. Ruft im 
März und April auch bei Tage. 


41.  Caprimulgus europaeus L. 
(bulg.: noschtna ljastowiza.) Diese Form der Nachtschwalbe 
ist in der montanen, voralpinen und auch noch subalpinen Stufe 
ein recht häufiger Sommervogel. Besonders lebhaft ist er im Juni. 


42. Cuculus canorus L. 

(bulg.: kukuwiza.) Der Kuckuck ist bis in die subalpine 
Stufe ein sehr häufiger Sommervogel. Im Jahre 1916 ertönte 
sein Ruf schon am 30. März, um dann allerdings bis Ende April 
zu verstummen. 1917 wurde der Kuckuck erst in der zweiten 
Hälfte des April gehört. 1918 vom 16. April ab. 


43. Upupa epops L. 
(bulg.: pupunjok.) Der Wiedehopf ist auf den ausgedehn- 
ten Weideflächen der Samokower Ebene in der submontanen 
Stufe ein sehr häufiger Sommervogel. 


44. Alcedo ispida L. 


(bulg.: ribartsche.) Der Eisvogel wurde am Isker bei Sa- 
mokow in der submontanen Stufe beobachtet. 


45. 7 Picoides tridactylus alpinus. 
(bulg.: triprst kylwatsch.) Der Alpen-Dreizehenspecht, ein 
Relikt der Eiszeit, ist in den Wäldern der voralpinen Stufe eine 
häufige Erscheinung. 


46. Dendrocopus medius (L.). 


(bulg.: ssreden scharen kylwatsch.) Der Mittelspecht wurde 
nur einmal in der voralpinen Stufe beobachtet. 


47. j Dendrocopus major major (L.). 


48. Dendrocopus major pinetornm Br. 


(bulg.: golem scharen kylwatsch.) Der grofse Buntspecht 
ist besonders in der voralpinen Stufe recht häufig. Ein tot auf- 
gefundenes Stück erwies sich als’ typischer major, der in Skan- 
dinavien lebt, und nicht, wie nach Hartert zu erwarten war, als 
der auch in Deutschland vorkommende pinetorum Br. Es handelt 
sich allerdings um einen Wintervogel, der vielleicht nur auf dem 
Strich hierhergekommen war. Es bleibt festzustellen, ob die 
dortigen Buntvögel alle pinelorum oder major sind. Einige von 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 245 


Dr. Klein-Sofia dem Kgl. Zool. Museum in Berlin geschenkte 
Bälge aus der Sofioter Gegend gehören der Form D. m. pine- 
torum Br. an. 

49. Picus viridis pinetorum Br. 


(bulg.: selen kylwatsch.) Der Grünspecht wurde in der 
voralpinen Stufe häufig beobachtet. Er ist im September am 
lautesten und lebhaftesten (1916, 1917). 


50. Picus canus L. 
(bulg.: selenossiw kylwatsch.) Ebenso ist auch der Grau- 
specht in der voralpinen Stufe verschiedentlich beobachtet worden 
Er scheint im Gebirge etwas höher hinaufzugehen als der vorige 


51. $ Dryocopus martius (L.). 


(bulg.: tscheren kylwatsch.) Der typische Schwarzspecht 
ist besonders in den Fichtenwäldern der voralpinen Stufe eine 
sehr häufige, auffallende Erscheinung, ist aber auch in der mon- 
tanen Stufe nicht selten. 


52. Chelidonaria urbica (L.). 

(bulg.: gradska oder bulgarska ljastowiza.) Die Mehlschwalbe 
ist in den Ortschaften der Ebene in der submontanen Stufe ein 
häufiger Brutvogel. Sie hält sich auch namentlich in den Monaten 
August bis September, in grofsen Scharen über den Waldgründen 
der voralpinen Stufe jagend, im Gebirge auf. Am 18. IX. 1917 
abends um 6%/, Uhr wurde ein grofser Schwarm beobachtet, der 
auf einer etwa 1790 m hohen Waldwiese in dichtgedrängter Masse 
Flugübungen abhielt. Auch im April sind regelmäfsig einzelne 
noch auf dem Zug befindliche Stücke im Gebirge zu beobachten. 


53. Hlirundo rustica L. 


(bulg. : sselska oder turska ljastowiza.) Die Rauchschwalbe 
ist ebenfalls ein häufiger Brutvogel in den Ortschaften der zur 
submontanen Stufe gehörenden Ebene. Im Gebirge sonst nicht 
beobachtet, wurde ein Exemplar noch in der alpinen Stufe, 
etwa 2600 m hoch angetroffen, und zwar im Anfang September. 
1918 wurde in Sofia die erste Rauchschwalbe am 16. IV. beob- 
achtet. In Samokow fiel ein im März 1918 beobachtetes Exem- 
plar durch sehr dunkle Tönung der roströtlichen Unterseite auf. 


54. Biblis rupestris Scop. 


(bulg.: skalista ljastowiza.) Die Felsenschwalbe wurde ver- 
schiedentlich an den steilen Felsen des sog. Markodshik, in der 
subalpinen bis alpinen Stufe angetroffen. Hier scheinen im 
Sommer 1917 ein bis zwei Pärchen gebrütet zu haben. Am 
22, 4. 1918 wurden an derselben Stelle etwa 8—10 Stück 


246 Hans von Boetticher: 


beobachtet, welche die steilen Felswände, wohl nach passenden 
Nistgelegenheiten suchend, umflogen. Auch in dem Iskerdefil& 
zwischen Sofia und Samokow (montane Stufe) wurde der Vogel 
vielfach beobachtet. 

55. Butalis grisola (L.). 

(bulg.: ssiwa mucholowka.) Der in der Ebene wohl recht 
häufige graue Fliegenschnäpper wurde bemerkenswerter Weise 
auch im Fichtenhochwald der voralpinen Stufe angetroffen, wo 
er auch beim Schlofs Sitnjakowo als Brutvogel festgestellt wurde. 
Der Vogel meidet sonst doch meistens ausgedehntere Nadelholz- 
hochwälder! 

56. Muscicapa collaris (Bechst.). 


(bulg.: bjalowrata mucholowka.) Scheint in der Sophioter 
und auch Samokower Ebene regelmäfsiger Sommervogel zu sein, 
welche Mitte April (1918: 16. 4.) eintreffen. Im Gebirge wurde 
er nicht angetroffen. 


57. Enneoctonus collurio (L.). 


(bulg.: tscherwenogyrba sswratschka.) Der Neuntöter ist 
in der submontanen Stufe und den tieferen Lagen der montanen 
eine häufige Erscheinung, wo er: mit Vorliebe auf Telegraphen- 
drähten sitzend Ausschau hält. Im Jahre 1918 brütete der 
Neuntöter auch an einer Wiese in der voralpinen Stufe. Das 
eine Stück wurde hier einmal beim Verzehren eines halbwüchsigen 
Goldhähnchens angetroffen. Die Hauptnahrung bestand jedoch 
vorwiegend in Heuschrecken, Käfern u. a. Insekten, die der 
Vogel auf die Stacheln des, eine kleine Lärchenschonung um- 
gebenden Stacheldrahtes säuberlich in einer Reihe aufspielfste. 


58. Lanius minor Gm. 


(bulg.: tscherwenotschela sswratschka.) Der Grauwürger 
wurde im Juni in der submontanen Stufe angetroffen. In der 


Ebene von Sofia ist er recht häufig. i 


59. Lanius excubitor homeyeri Cab. 


(bulg.: ssiwa sswratschka.) Dieser Raubwürger wurde auch 
einmal im Winter (Februar) in der montanen Stufe beobachtet. 


60. Corvus cornix [valachus Tsch.?]. 


(bulg.: ssiw garwan, ssiwa wrana.) Die Nebelkrähe ist in 
der Ebene (submontane Stufe) ein gemeiner Jahresvogel. Ins 
Gebirge steigt sie nicht hinauf. Ob es sich hier um Tschusi’s 
Form ©. ce. valachus handelt, konnte nicht mit Sicherheit fest- 
gestellt werden. Einzelne Stücke, aber doch wohl nicht alle, 
schienen in der Tat bedeutend hellere graue Färbungstöne zu 
haben als mitteleuropäische Vögel. 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 247 


61. Corvus corax L. 

(bulg.: garwan.) Wenn auch wohl der Kolkrabe auf allen 
Höhenstufen vorkommt, so ist er doch am häufigsten in der 
alpinen und subnivalen Stufe anzutreffen. An einem schroffen 
Felsen an der Grenze der vor- und subalpinen Stufe wurde im 
Sommer 1916 regelmäfsig ein Paar dieses schönen Vogels beob- 
achtet, das wahrscheinlich dort horstete. 1918 hielt sich wieder 
ein Pärchen (dasselbe?) in derselben Gegend ständig auf. 


62. j Colaeus monedula collaris (Drummond). 


(bulg.: tschawka.) Diese östliche Form der Dohle ist in 
den Ortschaften der submontanen Stufe, so in Samokow und 
ganz besonders in Sofia, wie überhaupt im ganzen Osten (z. B. 
Moskau!), auffallend zahlreich. Im Gebirge fehlt sie. 


63. Pica pica (L.). 
(bulg.: sswraka.) Die Elster ist in der Ebene der sub- 
montanen Stufe sehr häufig; sie fehlt im Gebirge. 


64. j Garrulus glandarius (L.). 

(bulg.: scharena ssoika.) Der Eichelhäher ist besonders 
in der submontanen und montanen, dann auch noch, wenn auch 
weniger, in der voralpinen Stufe recht häufig. Seine Nester- 
räubereien scheinen nicht erheblich zu sein, denn gerade dort, 
wo er am häufigsten vorkommt, in dem Radoiler Grund, ist die 
Kleinvogelwelt sehr reich. 


65. 7 Nueifraga caryocatactes relicta Rehw. 


(bulg-: tscherna ssoika.) Diese Form des Tannenhähers, ein 
Relikt aus der Eiszeit, ist in den Fichtenwaldungen der vor- 
alpinen Stufe ungemein häufig und kommt stellenweise auch in 
den benachbarten Stufen vor. Er hält sich im Sommer paarweise 
und schlägt sich im Winter zu Flügen von 10, 16, 20 und mehr 
Stück zusammen. Seine Lautäufserungen sind sehr mannigfaltig; 
am häufigsten hört man ein etwas nasales Kreh-kreh-kreh-kreh-kreh, 
dann wieder ähnlich dem Wanderfalkenruf: käjäk, das durch Be- 
tonung der zweiten Silbe auch wieder mit dem Dohlenruf „jak“ 
Änlichkeit bekam. In seiner Nahrung ist er absolut nicht etwa 
an die Peuce-Kiefer (bulg. Mura) gebunden, sondern ist gerade 
in der Fichtenregion besonders häufig. Ich konnte u. a. auch 
die interessante Beobachtung machen, dafs der Tannenhäher auch 
Wespennester plündert und ihren Inhalt, ungeachtet der wild um 
ihn fliegenden Hymenopteren, mit Behagen verzehrt. 


66. Graculus graculus L. 


(bulg.: garga.) Die gelb schnäbelige Alpendohle be- 
wohnt ziemlich zahlreich die höchsten Felsengipfel des Gebirges 


248 Hans von Boetticher: 


(alpine und subnivale Stufe). Im Wesen dohlenähnlich, erinnert 
sie in der Stimme mehr an die asiatischen Mainastare. Dierot- 
schnäbelige Alpenkrähe wurde nicht beobachtet. 


67. Oriolus galbula (L.). 
(bulg.: awliga.) Der Pirol läfst sich in den Gärten von 
Sofia im Sommer viel hören. Bei Samokow wurde er nicht beob- 
achtet, und geht auch nicht ins Gebirge hinauf. 


68. Sturnus vulgaris |purpurascens Gould.? balcanicus Härms. ?]. 


(bulg.: skorez.) Der Star ist in den Ortschaften in der 
Ebene der submontanen Stufe, so besonders in Samokow und 
noch mehr in Sofia ungemein häufig. In Samokow und in den 
Dörfern werden in die Gartenbäume grofse irdene Flaschen ge- 
hängt, in denen der Star gern nistet. 


69. Pastor roseus (L.). 


(bulg.: skakalezojad.) Der Rosenstar wurde am 30. und 
31. Mai 1918 in grofsen Schwärmen von ca. 200 resp. 100 Stück 
etwa 12 km von Sofia in der Richtung nach Banki angetroffen. 
Am 3. Juni 1918 wurden ferner einzelne Rosenstare inmitten von 
gewöhnlichen Staren in den Weiden an der Chaussee zwischen 
dem Iskerd£file und Samokow beobachtet. 


70. 7 Passer domesticus (L.). 

(bulg.: domaschno wrabtsche) Der Haussperling ist in 
den Ortschaften der Ebene in der submontanen Stufe gemein. 
Im Gebirge, auch in den Wirtschaftshöfen der Königlichen Jagd- 
schlösser, fehlt er gänzlich. 


71. Basser montanus (L.). 

(bulg.: polsko wrabtsche.) Der Feldsperling ist ebenfalls 
nur in der Ebene der submontanen Stufe häufig, während er im 
Gebirge fehlt. 

72. Fringilla coelebs L. 

(bulg.: tschinka.) Der Buchfink ist in der submontanen, 
montanen und voralpinen Stufe ein gemeiner Jahresvogel, der 
aber auch in der Ebene vorkommt und stellenweise bis in die 
subalpine Stufe dringt. 


73. Fringilla montifringilla (L.). 
(bulg.: planinska tschinka.) Ende Oktober 1917 erschienen in 
der montanen und voralpinen Stufe viele Bergfinken, die auch im 
Winter 1916/17 bei Sofia in grofser Zahl gefangen wurden. Ende 
März 1918 waren sie wieder alle verschwunden. 


Örnith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 249 


74. Chloris chloris (L.). 
(bulg.: selena tscherescharka.) Der Grünling wurde nur 
ganz vereinzelt in der submontanen Stufe, so z. B. in den Gärten 
von Samokow, häufiger in Sofia angetroffen. 


75. Linota cannabina (L.). 


(bulg.: konnopljänka.) Der Bluthänfling ist in der Ebene 
der submontanen Stufe recht häufig. 


76. Spinus spinus (L.). 

(bulg.: skatija) Der Erlenzeisig ist in der-montanen und 
besonders in der voralpinen Stufe ein sehr häufiger Brut- und 
Jahresvogel. 

77. Serinus serinus (L.). 

(bulg.: italiansko kanartsche [Klein].) Der Girlitz ist in der 

submontanen Stufe in Gärten und Feldbüschen recht häufig. 


78. Carduelis carduelis (L.). 

(bulg.: Stiglik.) Der Stieglitz kommt in den Gärten und 
Feldgebüschen in der submontanen Ebene sehr häufig vor. An 
den oft bis zu 2m hohen Disteln sind hier im Herbst stets eine 
grolse Anzahl dieser Vögel anzutreffen. — 


79. 7 Coccothraustes coccothraustes (L.). 

(bulg.: debelokljun.) Der Kernbeilser ist in der submontanen 
und der montanen Stufe vielfach anzutreffen, wo er sich besonders 
in den Buchen und Ahornen gern aufhält. Im Herbst scharen sich 
diese Vögel zu stärkeren Trupps zusammen und streifen gemeinsam 
durch die Waldungen, in welchen ihnen mit Bucheln und Ahorn- 
samen dann ein reicher Tisch gedeckt ist. 


80. Pyrrhula »pyrrhula europaea Vieill. 

(bulg.: tscherwenuschka.) Der Gimpel ist besonders in der 
voralpinen Stufe ein sehr häufiger Brut- und Jahresvogel, wurde 
aber auch in der submontanen, montanen und subalpinen Stufe 
öfters beobachtet. 


81. Pyrrhula pyrrhula (L.). 


(bulg.: wie voriger.) Der östliche Gimpel ist im Winter 
scheinbar häufiger Zuzügler. Mit Sicherheit wurde die Art 
rekognosciert, als im Winter 1916—17 bei Sofia viele grofse 
Gimpel, Pyrrhula pyrrhula (L.) gefangen wurden. — 


82. j Loxia curvirostra L. 


(bulg.: kriwokljun.) In den ausgedehnten Fichtenwäldern 
der voralpinen Stufe ist die typische Form des Fichtenkreuz- 
schnabels so recht zu Hause und tritt hier in einer geradezu 


Journ. f, Orn. LXVII, Jahrg. Juli 1919, 17 


250 Hans von Boetticher: 


überraschenden Menge auf. Auch in den Tannen der montanen 
und in dem Latschengehölz der subalpinen Stufe ist er sehr zahl- 
reich. Hier wurde auch ein interessantes halb-albinotisches Stück 
beobachtet. Rücken und Schultern sowie Flügel waren undeutlich 
gestrichelt, während Scheitel und Brust des sonst weifslichen 
Vogels zart rosenrot überflogen waren. Die Färbung erinnerte 
entfernt an die der hellen nordischen Leinfinken, z. B. Acanthis 
holboelli. — Das Stück befand sich in einem Flug von acht 
normal gefärbten Vögeln. — Auch hier brüten viele Kreuzschnäbel 
im Winter, flügge Junge wurden schon im März beobachtet. 


83. Emberiza cirlus (L.). 

(Selenoguscha owessarka.) Der Zaunammer wurde auf der 
Südseite der Gebirgsgruppe, im Gebiet der Mesta häufig an- 
getroffen, auf der Nordseite, in der Samokower Ebene jedoch 
nicht mit Sicherheit festgestellt. 


84. Emberiza hortulana (L). 


(bulg.: gradinska owessarka.) Der Ortolan wurde gelegentlich 
in der Ebene der submontanen Stufe beobachtet. 


85. Emberiza citrinella (L.). 


(bulg.: owessarka shelturka.) Der Goldammer ist in der 
submontanen und stellenweise in niederen Lagen der montanen 
Stufe ein sehr gemeiner Jahresvogel. 


86. Emberiza miliaria (L.). 


(bulg.: ssiwa owessarka.) Der Grauammer ist auf den 
Feldern der submontanen Stufe ein häufiger Vogel. 


87. Motacilla alba L. 


(bulg.: bela pototscharka.) Die weifse Bachstelze ist ein 
sehr häufiger Sommervogel in der submontanen und montanen 
Stufe, kommt aber stellenweise auch noch in der voralpinen 
Stufe vor. 

88. Motacilla boarula L. 


(bulg.: planinska pototscharka.) Die Gebirgsbachstelze ist 
in der montanen, besonders aber in der voralpinen und stellen- 
weise auch noch in der subalpinen Stufe ein häufiger Sommervogel. 


89. Budytes melanocephala (L.). 


(bulg.: tschernoglawa pototscharka.) Die schwarzköpfige 
Schafstelze ist in der Ebene von Samokow in der submontanen 
Stufe ein recht häufiger Sommervogel. Im Gebirge fehlt sie. — 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 251 


90. Anthus trivialis (L.). 

(bulg.: gorska bibriza.) Der Baumpieper ist besonders in 
der montanen und voralpinen Stufe ein häufiger Sommervogel. 
An den buschbewachsenen Hängen der tieferen Lagen der mon- 
tanen Stufe ist er besonders zahlreich anzutreffen; wurde aber 
andererseits auch noch in den tieferen Lagen der subalpinen 
Stufe vereinzelt beobachtet. 


91. Anthus spinoletta (L.) (= aquaticus Bechst.). 

(bulg.: wodna bibriza.) Der Alpen- oder Wasserpieper ist 
in der subalpinen und namentlich der alpinen Stufe ein recht 
häufiger Sommervogel, der sich besonders an den Bächen, den 
Karseen und sumpfigen Moorstellen dieser Region nach Art der 
Bachstelzen gern aufhält. 


92. Alauda arvensis cantarella (Bp.). 
(bulg.: polska tschutschuliga.) Die Feldlerche ist in der 
Ebene der submontanen Stufe gemein. Jedenfalls handelt es sich 
hier um die Form A. a. cantarella (Bp.). 


93. Lullula arborea (L.). 

(bulg.: gorska tschutschuliga.) Die Heidelerche wurde ein- 
mal auf einer Waldblöfse in einer tieferen Lage der voralpinen 
Stufe festgestellt, sonst in der submontanen Stufe vereinzelt 
beobachtet. Auf den. Heiden und Waldblöfsen der Südseite der 
Gebirgsgruppe, im Gebiet der Mesta wurde sie in grolser Zahl 
angetroffen. 

94. Galerida cristata meridionalis Brehm. 

(bulg.: katschulata tschutschuliga.) Diese Form der Hauben- 
lerche ist in der submontanen Stufe, besonders an Wegen und 
auch in Ortschaften ein sehr häufiger ‘Jahresvogel. 


95. + Eremophila alpestris balcanica (Rchw.). 
(bulg.: balkanska tschutschuliga.) Diese Alpenlerche wurde 
wiederholt, z. T. in Flügen von 8 bis 12 Stück (Ende September!) 
in der alpinen Stufe angetroffen. 


96. Sitta caesia Wolf. [consp.: ? affinus Blyth.]. 

(bulg.: sidarka.) Der Kleiber ist besonders in den Laub- 
und gemischten Beständen der montanen Stufe, dann auch stellen- 
weise in der submontanen Stufe häufig. In den höheren Stufen 
fehlt er dagegen fast ganz. Im September 1918 trat plötzlich 
ein Schwarm bei Sitnjakowo in der voralpinen Stufe auf. Um 
welche Form es sich hier bei den unterseits recht fahlen Vögeln 
handelt, müfste noch festgestellt werden. Vermutlich handelt es 
sich hier um $. s. intermedia Blyth. 

17* 


252 Hans von Boetticher: 


97. Tichodroma muraria (L.). 


(bulg.: skalolaska.) An den Felswänden der höchsten Er- 
hebungen des Gebirges, also in der subnivalen und z. T. auch 
schon alpinen Stufe wurde der Mauerläufer regelmälsig beobachtet. 


98. + Certhia familiaris (L.). 


(bulg.: derwolaska.) Dieser Baumläufer ist in den Nadel- 
wäldern der montanen und besonders der voralpinen Stufe ein 
sehr häufiger Brut- und Jahresvogel. Das feine Liedchen dieses 
Vogels erinnert mich sehr an die Weise eines eritreischen 
Nektarvogels, Cinnyris falkensteini. — Versuchte in Samokow 
zweimal hinter einem zurückgeschlagenen Fensterladen zu brüten, 
wozu es jedoch schliefslich nicht kam. 


99. Aegithalus caudatus (L.). 


(bulg.: digoopasch ssiniger.) Die Schwanzmeise wurde in 
gröfseren Gesellschaften besonders in dem Augebüsch des Isker 
und der Bistriza und im Weidengebüsch längs der Radoiler 
Landstrafse in der submontanen und auch noch der montanen 
Stufe vielfach angetroffen. — Auch in diesem Falle wäre es sehr 
wünschenswert, die geographische Form des Vogels genau fest- 
zustellen. Vielleicht handelt es sich um Ae. c. macedonicus Dress. 


100. r Parus major (L.). 


(bulg.: golem ssiniger.) Die typische Kohlmeise ist in der 
submontanen und auch noch montanen Stufe in grofser Zahl 
daheim. In der voralpinen Stufe wurde sie nur vereinzelt im 
Herbst und Winter streichend angetroffen. 


101. Parus (Oyanistes) coeruleus (L.). 


(bulg.: ssinj ssiniger.) Die Blaumeise ist in der submontanen 
und den tieferen Lagen der montanen Stufe, so z. B. in dem Au- 
gebüsch der Bistriza und dem Buchengebüsch des Hügellandes 
ein recht häufiger Jahresvogel. Höher im Gebirge wurde sie 
nicht angetroffen. 


102. } Parus (Periparus) ater (L.). 


(bulg.: mushik.) Die typische Form der Tannenmeise be- 
wohnt als Jahresvogel in einer auffallend grofsen Zahl sowohl 
die Tannenbestände der montanen, als auch besonders die Fichten- 
waldungen der voralpinen und das Latschendickicht der sub- 
alpinen Stufe. Im Winter scheinen die Coniferensamen, die sie 
mit grofsem Geschick aus den Zapfen herausklaubt, die Haupt- 
nahrung dieser und der folgenden Art zu sein. 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 253 


103.  Parus [ Poecile] salicarius montunus (Baldenst.). 

(bulg.: Ssiw ssiniger oder tscherna schapka.) Diese Grau- 
meise ist in der montanen, voralpinen und in der subalpinen 
Stufe ein häufiger Jahresvogel, wenn auch nicht in derselben 
Menge wie die vorige Art auftretend. Dieser sonst nur noch in 
den Alpen und Karpathen zu findende Vogel ist wohl auch zu 
der sog. Reliktenfauna zu rechnen. — In seinem Wesen ist er 
viel ruhiger und behäbiger als andere Meisen. Sein Lockton ist 
recht auffallend tzi tzi tschö, tzi tzi tschö. Hierbei ist das „tzi“ 
recht stark, das „tschö“ laut und etwas kreischend mit offenem 
ö (wie z. B. in öffnen), manchesmal auch in ein dumpfes „tschä“ 
übergehend. Dieses „tschö“ oder „tschä“* hört man oft auch 
ohne „tzi tzi“ ein paarmal hinter einander gerufen. Auch die 
kurze Gesangstrophe ist recht eigenartig und klingt etwa wie 
„plül plül plülljälljülljülljülljüllj* mit weichem wohlklingenden 
ü-Laut, von anderen Meisengesängen sehr abweichend — tzi tzi 
tschö tschö „plülj plülj plüllüllüllüllülüllüllj*. 


104. Parus [Lophophanes] ceristatus mitratus (Br.). 


(bulg.: katschulat ssiniger.) Die Haubenmeise ist in der 
montanen und besonders in der voralpinen Stufe ein regelmälsig 
angetroffener Jahresvogel. Ihr Lockton ,‚Ssi ssi ssürrrrr“ ist 
sehr bäufig zu hören. 


105. j Begulus regulus (L.). 


(bulg.: kraltsche= Königlein.) Das Wintergoldhähnchen ist 
ia der montanen, voralpinen und auch noch in der subalpinen 
Stufe ein sehr häufiger Brut- und Jahresvogel. Auch in der sub- 
montanen Stufe wurde es vereinzelt gesehen. 


106. j Regulus ignicapillus (Br.). 


(bulg.: wie voriger.) Das sog. Feuerköpfchen wurde recht 
oft in den Fichtenwäldern der voralpinen Stufe beobachtet. 


107. + Cinclus cinclus meridionalis Brehm. 


(bulg.: gurlju.) Diese Form der Wasseramsel wurde sowohl 
an der Maritza in der submontanen Stufe, als auch im Gebirge 
bis in die alpine Stufe hinein beobachtet. Nachdem Seine 
Majestät der Zar im Herbst 1916 eine Bachamsel auf dem Quellsee 
der weilsen Mesta schwimmend angetroffen hatte, konnte auch 
ich im September 1917 einen Vogel dieser Art auf dem untersten 
der sieben Stufenseen des Mussalla (etwa 2400 m) beim Schwimmen 
beobachten. Der Vogel schwamm wie ein kleines Wasserhuhn 
mutig auf der spiegelglatten Wasserfläche umher und tauchte 
dazwischen immer wieder unter, um eine kleine Strecke unter 
Wasser „laufend“ zurückzulegen. 


254 Hans von Boetticher: 


108. Anorthura troglodytes (L.). 

(bulg.: orechtsche [Nüfschen!].) Der Zaunkönig ist von der 
submontanen bis zur subalpinen Stufe einschliefslich ein häufiger 
„allgegenwärtiger“ Jahresvogel, der aber doch scheinbar die Nähe 
des Wassers bevorzugt. 


109. Sylvia atricapilla (L.). 
(bulg.: tschernoglavo kopriwartsche.) Der Mönch wurde ver- 
schiedentlich in dem Gebüsch der submontanen und den tieferen 
Lagen der montanen Stufe angetroffen. 


110. Sylvia sylvia (L.). 

(bulg.: beloguscho kopriwartsche.) Die Dorngrasmücke wurde 
in der submontanen und auch in der montanen Stufe recht 
häufig beobachtet, besonders in dem gestrüppreichen Triften- 
gelände der ersteren Stufe ist sie sehr häufig. 


111. Sylvia simplex (Lath.). 


(bulg.: ssivo kopr.) Wurde ebenfalls in der submontanen 
und montanen Stufe verschiedentlich beobachtet. 


112. Sylvia curruca (L.). 


(bulg.: malko kopr.) Die Zaungrasmücke wurde ebenfalls 
in der submontanen und montanen Stufe beobachtet. 


113. Hypolais hypolais (L.). 
(bulg.: presmechulnik.) Der Gartenspötter wurde nur ganz 
vereinzelt einmal in Sofia beobachtet. Bei Samokow kommt er 
scheinbar nicht oder.nur sehr selten vor, im Gebirge fehlt er ganz. 


114. Phylloscopus rufus [consp.: ? abietinus (Nilss.)]. 

(bulg.: elow pewez.) Der Weidenlaubsänger oder Zilpzalp 
ist in der submontanen und montanen, stellenweise auch noch in 
der voralpinen Stufe ziemlich häufig. Die bulgarischen Stücke 
gehören vielleicht zu der Form abietinus, was ohne den Vogel in 
der Hand zu haben und ohne Vergleichsmaterial lediglich durch 
Beobachten des lebenden Vogels nicht festzustellen war. 


115. Phylloscopus sibilator (Bechst.). 


(bulg.: selen pewez.) Der Waldlaubsänger oder Wald- 
schwirrvogel ist in der submontanen bis zur subalpinen Stufe ein- 
schliefslich ein sehr häufiger Sommer- und Brutvogel. Ein 
Pärchen wurde im Oktober sogar noch ziemlich hoch in der 
alpinen Stufe angetroffen (2600 m). — 

Der Fitis, Ph. trochilus (L.) wurde kein einziges Mal ge- 
sehen, noch wurde jemals sein allbekannter feiner Sang gehört. — 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 255 


116. 7 Merula merula aterrima (Mad.). 


(bulg.: tscheren kjos.) Diese Form der Schwarzamsel ist in 
der submontanen, montanen und auch noch voralpinen Stufe ein 
recht häufiger Sommer- und Brutvogel. 


117. j Merula torquata alpestris (Br.). 


(bulg.: belogusch kjos.) Die Alpenringamsel ist in der vor- 
alpinen und besonders in der subalpinen Stufe ein sehr häufiger 
Sommer- und Brutvogel, der stellenweise bis in die alpine Stufe 
hinaufdringt. Der Gesang dieser Art ist stärker und rauher als 
der der vorigen Art. Der Warnruf ist auffallend „meckernd“, 
erinnert entfernt an den der Wacholderdrossel. Auch sie gehört 
zu den Relikten aus der Eiszeit. — 


118. Turdus pilarıs L. 


(bulg.: chwoinow drosd.) Während sich 1916 keine Wacholder- 
drosseln blicken liefsen, erschien Ende Oktober 1917 eine grölsere 
Anzahl dieser auffallenden Vögel in der voralpinen Stufe, wo 
sich diese durch ihre „scha scha schak“ klingenden Locktöne sehr 
bemerkbar machend bis Mitte oder Ende März des folgenden 
Jahres aufhielten. 


119. + Turdus viscworus L. 


(bulg.: imelow drosd.) Die Misteldrossel ist in der vor- 
alpinen Stufe ein gewöhnlicher Sommer- und Brutvogel. 


120. T Turdus musicus (L.) (= philomelos Br.). 


(bulg.: po@n drosd.) Die Sindrossel ist in der montanen 
und voralpinen, z. T. auch noch in der subalpinen Stufe ein sehr 
häufiger Sommer- und Brutvogel. 


121. Monticola saxatilis (L.). 


(bulg.: skalist drosd.) Der Steinrötel wurde an den Felsen 
des Iskerdefil&t (montane Stufe) zwischen Sofia und Samokow 
einige Male beobachtet. Im den Gebirgszügen der Muss-Alla- 
Gruppe scheint er jedoch zu fehlen. 


122. Acrocephalus spec. 


(bulg.: trstikow pewez.) Im Augebüsch der Bistriza (sub- 
montane Stufe) wurde ein Rohrsänger beobachtet, ohne dafs es 
gelingen konnte, die Art sicher festzustellen. Der Ruf war dem 
bekannten „kärre — kärre — kiek“ der Rohrdrossel (A. turdoides 
Meyer) sehr ähnlich, nur dafs das charakteristische hohe „Kiek“ 
fehlte; es war nur ein „kärre — kärre — kärre“ zu vernehmen. — 


256 Hans von Boetticher: 


123. Pratincola rubicola (L.). 


(bulg.: tschernoguscho liwadartsche.) Das Schwarzkehlchen 
ist in der- submontanen Stufe, so z. B. auf den Wiesen bei 
Samokow eine nicht allzu seltene Erscheinung. — 


124. Pratincola rubetra (L.). 


(bulg.: reshdiwoguscho liwadartsche) Das Braunkehlchen 
wurde verschiedentlich bei Samokow in der submontanen Stufe 
beobachtet. Bei Sofia ist er recht häufig. 


125. Sawicola oenanthe (L.). 


(bulg.: belogaska.) Der graue Steinschmätzer ist in der 
Ebene der submontanen Stufe eine charakteristische Erscheinung, 
die im Sommer besonders auf Steinhaufen und Meilensteinen an 
den Wegen anzutreffen ist. Einzelne Pärchen wurden auch in 
der alpinen Stufe des Gebirges beobachtet. 


126. Accentor collaris subalpinus (Brehm). 


(bulg.: balkanska sawiruschka.) Der Alpenflüevogel ist auf 
den höchsten Gipfeln des Gebirges, in der alpinen und subnivalen 
Stufe sehr häufig. Im Wesen erinnert er entfernt an Lerchen 
und auch wohl an Sperlinge. — 


127. j Accentor (Prunella) modularis (L.). 


(bulg.: sawiruschka.) Die Heckenbraunelle ist sowohl im 
Augebüsch der submontanen und dem Buchenbestand der montanen 
Stufe, als auch im Fichtenwald der voralpinen und ganz besonders 
im Latschendickicht der subalpinen Stufe gemein. Letztere 
Örtlichkeit scheint ihr besonders zu behagen, hier ist sie ungemein 
zahlreich und erinnert in ihrem geradezu hexenhaften Benehmen 
etwas an den Zaunkönig, welcher ebenso wie sie stets „überall 
und nirgends“ ist. 


128. Ruticilla phoenicurus (L.). 


(bulg.: gradinska tscherwenoopaschka.) Der Gartenrot- 
schwanz ist in den Gärten der Ortschaften in der submontanen 
Stufe eine gewöhnliche Erscheinung. 


129. Rutieilla titys (Scop.) [= ochruros gibraltanensis (Gm.) ]. 
(bulg.: domaschna tscherwenoopaschka.) Der Hausrötel ist 
in der submontanen Stufe häufig auf Häusern u. s. w. anzutreffen. 
Seine wahre Heimat sind aber die Felsen und Steinhalden des 
Gebirges, wo er in der subalpinen, alpinen und subnivalen Stufe, 
wenigstens im Sommer ungemein zahlreich vorkommt, wenn auch 
jedes Pärchen ein bestimmt begrenztes Gebiet für sich allein be- 
ansprucht. Schwarze Männchen wurden nicht beobachtet, dagegen 
viele lichtaschgraue, mit leuchtend ziegelroten Schwänzen. 


Ornith. Beobachtungen in der Muss-Alla-Gruppe 1916—19. 257 


130. Erithacus rubeculus (L.). 


(bulg.: tscherwenoguschka.) Das Rotkehlchen ist sowohl in 
der submontanen und montanen, als auch in der vor- und sub- 
alpinen Stufe ein ungemein häufiger Brutvogel, der in tieferen 
Lagen vielleicht auch im Winter dableibt. 


131. Aödon luscinia (L.) (= megarhynchus Br.). 

(bulg.: sslawei.) Die Nachtigall wurde in dem Augebüsch 
des Isker und der Bistriza in der submontanen Stufe öfters ge- 
hört. Auch in Sofia, z. B. in dem Borisgarten ist sie häufig. Im 
Frübjahr 1918 wurde im Königlichen Schlofspark in Wrana 
(15km von Sofia) der erste Nachtigallenschlag am 15. 1V. vernommen. 


XVIII. Jahresbericht (1918) der Vogelwarte Rossitten 
der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. 


Von Prof. Dr. J. Thienemann. 


Man nimmt im Leben gern das Schlechte vornweg, um 
dann schnell zu etwas Besserem übergehen zu können. So will 
auch ich zunächst von recht unerfreulichen Dingen berichten. Der 
Geist des „neuen freien Deutschlands“ hat bei seinem Vorwärts- . 
schreiten auch vor der preufsischen Wüste nicht Halt gemacht 
und ist leider in reichlichem Mafse auch in unser entlegenes 
Nehrungsdörfchen eingeströmt, seinetraurigen Spuren aufzeichnend. 
Die Ulmenhorsthütte ist eine Stätte der Ver- 
wüstung. Ruchlose Hände haben da in unglaublicher Weise 
gewütet. Fenster und Türen zerschlagen und durchschossen, die 
Wände aufgehackt, die innere Ausstattung, auf die ich so viel 
Liebe verwandt hatte, vollständig zertrümmert und besudelt. 
Kein Diebstahl, reine Zerstörungswut. Man steht sprachlos vor 
solcher Rohheit. 

Die Sache liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Ob etwas 
herauskommen wird? Aufserdem hat das Vogelwartenkuratorium 
einen Bericht über dieses verübte Verbrechen an das Ministerium 
für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung abgehen lassen. Es ist 
das Schlimme, dafs eine Handvoll junger Radaubrüder die hiesige 
Bevölkerung durch Schrecken vergewaltigt, dafs Niemand etwas 
anzugeben wagt aus Furcht vor Brandstiftung, Anschiefsen und 
andern schönen Sachen. Man soll hier in Rossitten überhaupt 
kein Unrecht anzeigen und verfolgen. Das ist unschicklich und 
störend. Ja, so sind wir hier. 

Ich mufs wohl eine Vorahnung von diesem Unheil gehabt 
haben. Am 4. November 1918 verliefs ich die Hütte nach voll- 
endeter Zugzeit. Vier interessante Wochen hatte ich wieder da- 
selbst zugebracht. Da finde ich in meinem Tagebuche die Worte 
eingezeichnet: „Ade liebes Ulmenhorst! Hoffentlich sehe ich dich 


% 


258 J. Thienemann: 


unversehrt und in bessern Zeiten wieder“. Und wie war das 
Wiedersehen! Die traurige Genugtuung will ich diesen rohen 
Menschen gern lassen; sie haben mich furchtbar getroffen. 

Und noch ein zweites unerfreuliches Bild. Der südliche 
Teil der Kurischen Nehrung mit Rossitten als Mittelpunkt war 
im Sommer und Herbst 1918 der Schauplatz grofser militärischer 
Unternehmungen. Die Artillerie hielt ausgedehnte Schiefsübungen 
hier ab. Ein Millionenentwurf war, wie es hiefs, im Gange. Wo 
sonst ländliche Ruhe herrschte, wimmelte es von Soldaten. Die 
alten stillen Wanderdünen mit Telephondrähten überspannt, und 
oben salsen die Beobachtungsposten. Auf der Vogelwiese, die 
wegen ihres Vogelreichtums schon eine Art klassische Berühmtheit 
erlangt haben mag, wo man die intimsten Vorgänge im Strand- 
vogelleben beobachten konnte, standen die Geschütze. Eine Art 
Barackendorf ist dort entstanden. Munitionsschuppen, Ballon- 
hallen, Autoschuppen, meteorologische Beobachtungshäuser, Feld- 
bahnen und dergleichen. Und fortwährend sausten die Geschosse 
durch die Luft, um in’s Haff oder in die See einzuschlagen, eine 
geregelte Fischerei unterbindend. Ungezählte aufgelassene Piloten 
flogen mit den Zugvögeln um die Wette. Ja, es war geplant, 
die Nehrung überhaupt dauernd als Schiefsplatz einzurichten. 
Dörfer sollten verschwinden. Die Bahn Cranz—Rossitten ist 
bereits abgesteckt. 

Und wie waren die Soldaten. Die Disziplin schon damals 
recht gelockert. Da wurde denn arg gehaust und gewüstet und 
abends fest getanzt, und unsere Nehrunger haben von dem 
Guten, was in ihnen steckte, mancherlei vergessen und nichts 
Gutes dazugelernt. So bin ich fest überzeugt, dafs bei den Ein- 
brüchen in Ulmenhorst Soldaten mit beteiligt sind. Ich habe 
bestimmte Anhaltspunkte dafür. Unsern armen Elchen aber ist’s 
auch übel ergangen. Noch jetzt werden Decken von gewilderten 
Stücken im Walde gefunden. Ja, es war wenig schön. 

Nun kann und darf ich mir kein Urteil erlauben über die 
Notwendigkeit dieses Schiefsens gerade in der damaligen kritischen 
Zeit, denn ich verstehe nichts von der Sache. Es entzieht sich 
auch meiner Beurteilung, ob es in ganz Deutschland wirklich 
keinen zweiten geeigneten, weniger reizvollen Platz zum Schiefsen 
gibt, wo nicht so viel ethische und ästhetische Werte zerstört worden 
wären. 

Aber das eine darf ich, nämlich meinem tiefsten Bedauern 
darüber Ausdruck geben, dafs man mit rauher, zerstörender Hand 
in ein ländliches Idyll hineingegriffen hat, wie es ein zweites 
ähnliches in Deutschland nicht mehr gibt; dafs man ein Stückchen 
unverfälschte, urwüchsige Natur austilgt, die in jedem Jahre so 
vielen feinsinnigen Naturfreunden Erholung und ein Emporheben 
aus dem Gehetze des modernen Kulturlebens schafft, dafs man 
ein in seiner Art einzig dastehendes Landschaftsbild einfach 
wegwischen will, \ 


XVII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 259 


Da hört und liest man so viel davon, dafs es unsere 
„beiligste Pflicht sei, unseren Nachkommen die Natur in möglichst 
unverfälschter Form zu hinterlassen“. Da soll jene Baumgruppe 
unbedingt stehen bleiben, jene Felsecke soll keine Veränderung 
erfahren, weil das Landschaftsbild sonst gestört würde, „und das 
Volk soll doch dazu erzogen werden, die Reize des deutschen 
Vaterlandes kennen zu lernen, um Heimatliebe und Boden- 
ständigkeit in sich aufzunehmen, es soll erfähren, dafs es neben 
materiellen Werten auch noch ethische und ästhetische Werte 
gibt, die nicht hoch genug eingeschätzt werden können“, und so 
weiter. Was sollen diese Worte, wenn in einer so grofszügigen 
Sache gerade entgegengesetzt gearbeitet wird! 

Noch im März 1918 fanden in Königsberg mehrere Sitzungen 
der „Vereinigung zum Schutze der Naturdenkmäler in Ostpreufsen‘“ 
statt, um über die Frage zu verhandeln, ob es nicht geraten er- 
scheinen möchte, die Kurische Nehrung in ein Naturschutzgebiet 
umzuwandeln, um die zersetzenden Wirkungen der Kultur davon 
fernzuhalten. Der unterzeichnete Berichterstatter war zu diesen 
Sitzungen hinzugezogen worden. Und ein paar Monate später 
springt man mit diesem Hauptjuwel in dem Schatze der heimat- 
lichen Landschaftsbilder in so rücksichtsloser Weise um! Was 
sollen dann die Worte?! 

Ob die Gefahr bereits vorüber ist — ich weifs es nicht. 
Ich weils aber, dafs ich erst aufatmen werde, wenn ich keine 
Uniform mehr hier in Rossitten sehe, keinen Leutnant, kein 
- Auto, keinen Trainwagen, keine Kanonen. Die passen nicht 
hierher. Sie sind ein störender Fremdkörper in dieser ur- 
wüchsigen Umgebung. Man lasse doch wenigstens ein paar 
Fleckchen in: Deutschland frei von dieser elenden, übertünchten 
sogenannten Kultur. 

Es dürfte interessieren zu erfahren, wie sich die Vögel bei 
dem Schiefsen verhielten. Ich werde auf diesen Punkt später 
noch ausführlich zu sprechen kommen, wenn ich die Ulmenhorst- 
beobachtungen zusammenstelle, jetzt nur die kurze Bemerkung, 
dafs das Schiefsen an und für sich, also das Knallen und das 
Sausen der Geschosse in der Luft, wenig oder gar nicht störte, 
aber das laute, unruhige, oben geschilderte Beiwerk, das stört 
natürlich gewaltig und wäre wohl im Stande die Vögel nach und 
nach von der Kurischen Nehrung zu vertreiben, und die Nehrung 
würde dann aufhören das zu sein, was sie ist, eine Vogelzug- 
stralse allerersten Ranges, wo sich die Vogelzugerscheinungen 
so günstig”beobachten lassen wie wohl sonst nirgends. Ein un- 
ersetzlicher Verlust für die ornithologische Wissenschaft. — 

Es macht den Eindruck, als ob jetzt wieder mehr Lust zu 
wissenschaftlicher Betätigung im Volke erwacht. Man merkt das 
an der auf der Vogelwarte einlaufenden Korrespondenz, die jetzt 
wieder viel zahlreicher ist wie früher. Man wird auch wieder 
mehr zur Mitarbeit an Zeitschriften aufgefordert, zu Vorträgen 


260 J. Thienemann : 


und dergleichen. Auch der Besuch auf der Vogelwarte war im 
verflossenen Jahre recht rege. Am 6. August war Herr Ober- 
präsidialrat von Hassell mit Gemahlin aus Königsberg hier 
anwesend. Wir besuchten die Sammlung, fuhren nach Ulmen- 
horst, ‚stiegen auf die Wanderdünen. Man konnte noch die 
Nehrung in ihrer Unberührtheit zeigen. Dann kam’s anders! 

Von Ornithologen und Vogelzugsbeobachtern sind als Be- 
sucher der Station aufzuführen die Herren Amtsrichter Tisch- 
ler, Paul Gottschalk aus Cöthen, Studienrat Prof. 
Günther, Dr. von Lengerken, Leutnant Wefelscheid, 
weiter der „Verein zur Förderung der Landwirtschaft in Königs- 
berg“, Herren vom „Entomologischen Kränzchen“ in Königsberg, 
mehrere andere Vereine und schliefslich die grofse Zahl der täg- 
lichen Besucher. Auch der Wissenschaftliche Leiter der Lichtbild- 
Abteilung der Neuen Photographischen Gesellschaft in Berlin war 
hier, um Erkundigungen über anzufertigende kinematographische 
Aufnahmen einzuziehen. 

Zur Hilfeleistung auf der Vogelwarte wurden Frl. Beckmann 
und nachher Herr cand. rer. nat. Glasewald angenommen. 
Ein Student der Zoologie, Herr Ploneit, hatte die Absicht, 
das ganze Sommersemester an der Vogelwarte zuzubringen, 
mufste aber nach zweimonatigem Aufenthalte Rossitten „wegen 
Nahrungsmangel“ verlassen. ! 

Vom 18. bis 21. Mai wurde wieder der übliche Pfingstkursus 
abgehalten, der sehr gut besucht war. Der im Oktober zur 
Zugzeit in Ulmenhorst angesetzte Kursus konnte sich nicht 
offiziell gestalten, auch der leidigen Verpflegungs- und Verkehrs- 
schwierigkeiten wegen. Aber einige begeisterte Naturfreunde 
waren trotz Hunger und Strapazen doch gekommen, um die 
Vogelzugsherrlichkeit aus eigener Anschauung kennen zu lernen. 

An die Bibliothek haben folgende Autoren Schriften ein- 
gesandt: 

Vereinigung für ostdeutsche Wirtschaft, Königsberg i./Pr. 

Ornithologische Zentrale Agram (Prof. Dr. Röfsler). 

Dr. Hermann Reichling, Münster i./W. 

Dr. med. Richard Hilbert, Sensburg, z. Zt. im Felde. 

Dr. Fr. Lindner, Quedlinburg. 

Bund für Vogelschutz, Stuttgart. 

Dr. H. Fischer-Sigwart. 

A. Klengel, Meifsen. 

Prof. Dr. C. Brick, Hamburg. 

Ungar. ornithol. Zentrale, Budapest. 

Wilhelm Rüdiger. 

Dr. Otto v. Wettstein, Wien. 

Werner Sunkel. 

E. Stresemann. 

Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Reichenow. 

Ornith. Gesellschaft in Bayern (C. E. Hellmayr). 


XVII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 361 


Naturhistorische Gesellschaft zu Nürnberg. 

Dr. Waldemar Lenz. 

J. A. Palmen, Helsingfors. 

Alfred Richard, Neuchatel. 

Dr. H. Lüttschwager, Elbing, Sonnenstr. 79. 

Vogelwarte Helgoland (P. Krüss). 

F. Tischler, Heilsberg. 

Prof. Dr. A. Gruber. 

Albert Hess, Bern. 

Landgerichtsrat a. D. Kayser, Lissa. 

Dr. Ernst Schäff. 

G. von Burg. 

Ornithol. Station des „Lotos“, Liboch a./E. (Kurt Loos). 

H. Mayhoft. 

W. Knopfli, Zürich. 

Eduard Paul Tratz. 

Dansk ornithologisk Forenings Tidsskrift (O. Helms). 

Pfarrer W. Schuster, Rastatt. 

Vietor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen. 

Prof. Dr. A. Voigt stiftete die neue Auflage seines be- 
kannten „Exkursionsbuches zum Studium der Vogelstimmen“. 
Prof. C. G. Schillings schickte ein grofses Paket Netze, 
Amtsrichter Tischler stiftete bei seinem Hiersein 35 M. 
Allen freundlichen Gebern herzlichsten Dank. 

Im Sommer 1914 war ein Neu- und Erweiterungsbau für 
die Vogelwarte in Aussicht genommen worden, da die vorhandenen 
Räume den Anforderungen nicht mehr genügten. Die Sammlungs- 
objekte standen viel zu eng, die Beschauer ‘konnten keine klare 
Übersicht gewinnen. Auch die Arbeitsräume waren viel zu be- 
schränkt. Der Ausbruch des Krieges hat die Ausführung dieser 
Baupläne vereitelt. Da sich nun jetzt während der Teuerung 
der Inangriffnahme von Neubauten sehr grofse Schwierigkeiten 
entgegenstellen, so wurde von der Vogelwarte ein im Dorfe ge- 
legenes villenartiges Haus hinzugemietet, das schöne passende 
Räume besitzt. 

Nun mufs ich leider noch von 2 Todesfällen berichten, die 
in das verflossene Jahr fallen und die Vogelwarte besonders be- 
rühren. Der ApothekerTheodorZimmermann ausDanzig 
ist in hohem Alter verstorben, dieser alte Nehrungs- und Vogel- 
wartenfreund. Früher konnte man sich eine Herbst-Vogelzugzeit 
in Rossitten ohne Zimmermann gar nicht denken. Und wie eifrig 
und begeistert beobachtete, sammelte und präparierte er, um dann 
seine Aufzeichnungen der Vogelwarte für die Jahresberichte zur 
Verfügung zu stellen. Zum Frühjahrszuge siedelte er nach Hela 
über und richtete dort eine Art Ergänzungs-Beobachtungsstation 
zu Rossitten ein. Ihm verdanken wir die Nachrichten über die 
grofsartigen Raubvogelzüge auf Hela, besonders über die inte- 
ressanten Wanderungen der Rotfufsfalken. In früheren Jahres- 


262 J. Thienemann: 

berichten der Vogelwarte ist darüber ausführlich gesprochen 
worden. Zimmermann hatte im Laufe der Zeit eine bemerkens- 
werte Vogelsammlung zusammengebracht, besonders in Dunen- 
kleidern. Sein Wunsch war es, dafs die auf der Kurischen 
Nehrung gesammelten Sachen nach seinem Tode alle in den 
Besitz der Vogelwarte Rossitten übergehen sollten. Sehr oft 
sprach er nicht nur zu mir über diesen Punkt, sondern auch zu 
anderen Freunden und Bekannten. Leider hat er keine schriftlichen 
Bestimmungen darüber hinterlassen, und so ist die ganze Sammlung 
in das westpreufsische Provinzialmuseum überführt worden. Ich 
hoffe aber doch noch manches zu bekommen. Vor allem den 
berühmten Numenius tenuirostris, den Zimmermann bei Rossitten 
geschossen hat. 

In den letzten Jahren war Zimmermann sehr hinfällig ge- 
worden. 

Der zweite Fall betrifft einen jungen Mann, der ein Opfer 
des Weltkrieges geworden ist: Herrn Matsko. Er war es, der 
mir seiner Zeit persönlich Nachricht brachte von der Erbeutung 
der beringten Lachmöwe am Golf von Mexiko. Von der Zeit an 
blieb die Vogelwarte in steter Verbindung mit diesem eifrigen, 
verständnisvollen Beobachter und Sammler und hätte noch viel 
Gewinn von ihm haben können. Seine Präparierkunst war über 
alles Lob erhaben. Mir persönlich war Herr Matsko mit seinem 
freundlichen, bescheidenen, natürlichen Wesen ein äufserst lieber 
Mensch. Er ist im November 1918 in Bukarest verstorben. — 

Dann kam die Revolution. Dafs sie leider auch an der 
Vogelwarte nicht spurlos vorübergegangen ist, wurde schon oben 
gezeigt. Die Welt stand auf dem Kopfe. Und mitten in den 
aufregenden und aufgeregten Novembertagen kam eine Königs- 
berger Dame zu mir und verlangte Lichtbilder, um einen Vortrag 
über die Tätigkeit der Vogelwarte Rossitten, im besonderen über 
den Beringungsversuch in Königsberg zu halten. Der Vortrag 
ist auch vom Stapel gelaufen und mufste bald darauf wiederholt 
werden. Ich mufs sagen, dafs dieser kleine Zwischenfall von 
recht beruhigender Wirkung war, und ich denke noch jetzt öfter 
daran zurück. 

Über das Massensterben von Vögeln in der Ostsee im März 
1918, das als ein besonderes Ereignis innerhalb der Vogelwelt 
bezeichnet werden kann, habe ich bereits in den Orn. Monats- 
berichten (September/Oktoberheft 1918) ausführlich berichtet. 
Es sei hier nochmals darauf hingewiesen. 

Nun soll auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Heraus- 
gebers der Jahresbericht diesmal ganz besonders kurz gehalten 
werden. Ich kann demnach nur den Bericht über den Beringungs- 
versuch im Jahre 1918 bringen und mufs alles andere zurück- 
stellen. Ich möchte den Bericht nicht beginnen, ohne auf die 
ausgezeichnete zusammenfassende Arbeit von Friedrich von 
Lucanus aufmerksam zu machen, die vor kurzem in dem 


XVII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 268 


ersten Hefte 1919, des „Journals für Ornithologie“ erschienen 
ist: „Zug und Wanderung der Vögel Europas 
nach den Ergebnissen des Ringversuches.“ Sie 
gibt einen Überblick über das, was bisher durch den Beringungs- 
versuch erreicht worden ist. 


Bericht über den Vogelberingungsversuch im Jahre 1918, 


In den folgenden Zusammenstellungen müssen vor allem 
die vielen bejahrten Vögel auffallen. Früher war es so, dafs der 
beringte Jungvogel gewöhnlich schon in dem auf die Geburt 
folgenden Herbste oder Winter wieder erbeutet wurde. Nun hat 
der Krieg N eu markierungen mehr oder weniger verhindert, und 
da sind die übriggebliebenen alten Vögel mit der Erbeutung 
an die Reihe gekommen. Der älteste im vorliegenden Jahres- 
berichte aufgeführte Vogel ist ein Storch von 11 Jahren. 
Gewils ein hübscher Beweis für die Dauerhaftigkeit der Ringe 
und ihre Unschädlichkeit für die Träger. Neben diesem Senior 
kamen noch Artgenossen von 3, 5 und 7 Jahren vor. 


Die aufgeführten Nebelkrähen sind 4, 5 und 6 Jahre alt 
Unter den 25 Lachmöwen sind 4 dreilährige, 3 vier- 
jährige, 2 fünfjährige, 2 sechsjährige, 2 siebenjährige, 1 achtjährige. 
Die Silbermöwen zählen 5, 8 und 9 Jahre; eine 
Mantelmöwe ist 5 Jahre alt; eine Sturmmöwe 6 Jahre. 
Schliefslich seien noch erwähnt ein vierjähriges Bläfshuhn, 
ein fünfjähriger Fischreiher, eine vierjährige Ringel- 
taube, ein sechsjähriger Hühnerhabicht, ein dreijähriger 
Mauersegler, eine fünfjährige Mehlschwalbe. 

Noch kein Jahresbericht hat bisher mit so vielen bejahrten 
Vögeln aufwarten können. 

Auf der Vogelwarte Rossitten selbst wurden im vergangenen 
Jahre nur wenig Vögel markiert. Die Ringe sind knapp, und es 
sollten vor allem die auswärtigen Mitarbeiter befriedigt werden 
Folgende Markierungen liegen vor: 


1 Haubentaucher (Colymbus ceristatus) 
4 Heringsmöwen (Larus fuscus) 

8 Kiebitze (Vanellus vanellus) 

1 Sperber (Accipiter nisus) 

1 Turmfalke (Cerchneis tinnunculus) 

1 Mauersegler (Apus apus) 

5 Rotrückige Würger (Lanius collurio) 
1 Star (Sturnus vulgaris) 

4 Karmingimpel (Corpodacus erythrinus) 
1 Goldammer (Emberiza citrinella) 

5 Feldlerchen (Alauda arvensis) 

2 Gartengrasmücken (Sylvia simplex) 


"Summa 34 Vögel. 


264 


J. Thienemann: 


Nach auswärts wurden folgende Ringe abgegeben: 


Grölse A: 14 Stück. 
% B!.12708 1 °,; 
»0:u.D2. 78977, 
> E:'-952. 5 
„ E71974. 95 
.70,21963, 1, 

5965 Stück. 


Im Ganzen wurden also im Jahre 1918 5999 Ringe ge- 


braucht. 


Zurückgeliefert oder zurückgemeldet wurden im Jahre 1918 
folgende Vögel: 


4 
5 


Nebelkrähen (Corvus cornix) 
Störche (Oiconia ciconia) 


25 Lachmöwen (Larus ridibundus) 


— 
Dad dd jnd CD ID pet ed CD ID bei CI eh IND end CT Dh be punk IND CI) Feed dei de bed CN de dead OD 


Silbermöwen (Larus argentatus) 
Heringsmöwe (Larus fuscus) ? 
Mantelmöwe (Larus marinus) 
Sturmmöwen (Larus canus) 
Flulsseeschwalbe (Sterna hirundo) 
Löffelente (Spatula celypeata) 
Pfeifente (Anas penelope) 
Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula) 
Bläfshühner (Fulica atra) 
Fischreiher (Ardea cinerea) 
Ringeltaube (Columba pulumbus) 
Brieftaube 

Fasan (Phasianus colchicus) 
Hühnerhabichte (Astur palumbarius) 
Mäusebussarde (.Buteo buteo) 
Rauhfufsbussard (Archibuteo lagopus) 
Waldkäuze (Syrnium aluco) 
Mauersegler (Apus apus) 
Mehlschwalben (Delichon urbica) 
Dohle (Colaeus monedula) 

Stare (Sturnus vulgaris) 

Buchfinken (Fringilla coelebs) 
Grünling (Chloris chloris) 
Kohlmeisen (Parus major) 
Blaumeisen (Parus eoeruleus) 
Sumpfmeisen 

Meise (spec.) 

Wachbolderdrossel (Turdus pilaris) 
Amsel (Turdus merula) 


Summa 99 Vögel in 32 Arten. 


XVII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 265 


Zunächst einige Ergänzungen zu den letzten Jahres- 
berichten: 

Im XVI. Berichte Seite 337 ist ein „gröfserer Enten- 
vogel‘“ genannt (Nr. 14961), der in Askania-Nova beringt war 
und Ende Januar 1916 am Flusse Gediz-Tschai in Lydien er- 
beutet wurde Wie mir Herr Hermann Grote, der nach 
vierjähriger russischer Gefangenschaft glücklich heimgekehrt ist, 
jetzt-mitteilt, handelt es sich um eine Rostgans (Casarca casarca). 

Auch über die im XV. Jahresberichte Seite 577 erwähnte 
„Drossel“, die von Tomsk in Sibirien nach Norwegen geflogen 
war, verdanke ich Herrn Grote näheren Aufschluls. Es ist 
eine Weindrossel (Turdus iliacus). Herr Grote weils es 
aus einem Aufsatze, den Johansen, der Beringer der Drossel, 
darüber in russischer Sprache veröffentlicht hat. So ist also dieser 
bemerkenswerte Fall nun vollständig geklärt. 


Nebelkrähen (Corvus cornix). 


a) Als Zugkrähen bei Rossitten gefangen 
und beringt aufgelassen. 

1) Nr. 21980 D. Gezeichnet mit 22 Artgenossen am 
26. März 1914 in Kunzen bei Rossitten. War wie alle in 
Rossitten markierten Nebelkrähen auf dem Zuge gefangen worden. 

Tot aufgefunden am 21. März 1918 auf dem Renn- 
platz Carolinenhof bei Königsberg i.Pr. Der Kadaver war 
frisch. Meldung und Ring durch Herrn Sekretär Müller. 

Zeit: 4 Jahre. 

Entfernung: 50 km nach SW. 

Die Krähe war ohne Zweifel auf dem Rückzuge in ihre 
Brutheimat. 


2) Nr. 21740 D. Gezeichnet am 12. Oktober 1913 in 
Ulmenhorst bei Rossitten. 

Verwundet aufgefunden am 14. Dezember 1918 
bei Prenzlau, Uckermark. 

Meldung und Ring durch Herrn Paul Krüger. Der Ring 
sehr dünn geschliffen. 

Zeit: 5 Jahre, 2 Monate. 

Entfernung: 500 km nach SW. 

In der Winterherberge erbeutet, und zwar in einer von den 
Krähen sehr viel besuchten, denn gerade aus jener Gegend liegen 
bereits recht viel Meldungen vor. 


b) Als Jungvögelim Neste markiert. 

8) Nr. 3147. Der Ring wurde am 26. März 1912 an Herrn 
Martin Nawenitzky, Gesinde Nowik, Gemeinde Weesen, 
Poststation Lievenhof, Gouvernement Witebsk in Kur- 
land geschickt und ohne Zweifel dort verwendet, denn von den 
gleichzeitig mitgeschickten Ringen wurde die Verwendung von 


Journ, f. Orn. LXVII, Jahrg. Juli 1919. 18 


266 J. Thienemans: 


dort gemeldet. Unter den jetzigen Umständen ist nichts Näheres 
zu erfahren. 

Geschossen am 10. März 1918 bei Berlin. 

Die Krähe, die „auffallend stark, kräftig und sehr feist“ war, 
sollte gegessen werden. 

Nachricht und Ring durch Herrn A. Mews, Berlin N. 37, 
Schwedlerstr. 36a. 

Der Ring ist sehr abgeschliffen, und zwar nicht nur in der 
Blechstärke, sondern auch in der Breite, die fast bis auf die 
Hälfte geschwunden ist. Der Ring mufs also schon sehr lange 
getragen worden sein und ist jedenfalls schon gleich im Jahre 
1912 angelegt worden, und zwar voraussichtlich einer jungen 
in Kurland erbrüteten Nebelkrähe, da Krähenfang in der 
Weise wie auf der Kurischen Nehrung in Kurland nicht getrieben 
wird. Auch sind die übrigen Ringe nach den von Herrn Nawe- 
nitzky eingelaufenen Meldungen Nestjungen umgelegt worden, 
nämlich jungen Staren, Störchen, Bachstelzen, Schwalben, Stein- 
schmätzern u. a. 

So gestaltet sich der vorliegende Fall recht interessant: in 
Kurland erbrütete Nebelkrähen wandern zur Zugzeit nach SW. 
bis nach Berlin. Für eingeborene ostpreufsische Nebel- 
krähen war solches Verhalten durch den Beringungsversuch bereits 
nachgewiesen. 

Zeit: unbestimmt. (6 Jahre.) 

Entfernung: etwa 1000 km nach SW. 

Die Krähe war zum sechsten Male in ihrer Winterherberge. 

Es folgt noch eine Meldung über Beobachtung einer Ring- 
krähe in der freien Natur: 


4) Unterm 25. April 1919 schreibt Herr Harald Baron 
Loudon, der sich auf der Rückreise von Deutschland nach 
Kurland befand, dafs er bei Murajewo in Kurland aus nächster 
Nähe eine beringte Krähe beobachtet habe. Die Krähe wurde zwei- 
mal zum Aufstehen veranlafst. Der Ring war gar nicht zu übersehen. 


Die aufgezeichneten Krähen bieten keine neuen Gesichts- 
punkte. Es ist zu bewundern, wie konstant der Krähenzug ver- 
läuft, vor allem mit welch eiserner Konsequenz die Krähen immer 
wieder in ihre alte Heimat zurückkehren. Noch nie ist es ge- 
lungen eine Ringkrähe anderwärts als in den Ostseeprovinzen 
als Brutvogel nachzuweisen. 


Störche (Ciconia ciconia). 


Über den Zug nach Afrika liegt keine Meldung vor. Nur 
über die Frage: 
Rückkehr der Störcheinihr Heimatgebiet. 


Recht alte Exemplare sind zu verzeichnen. Das älteste 
zählt 11 Jahre. 


XVII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 267 


1) Nr. 9279. Gezeichnet am 16. Juli 1913 in War- 
gienen Kreis Königsberg i. Pr. durch Herrn Freytag. 

Tot aufgefunden am 29. Mai 1918 auf einer Wiese in 
Bärwalde bei Methgethen bei Königsberg i. Pr. Kadaver 
vom Raubzeug zerrissen. Ring und Meldung durch Herrn Joost. 

Zeit: Fast 5 Jahre. 

Entfernung: Etwa 25 km nach SW. 

In die Nähe seines Heimatortes zurückgekehrt. 


2) Nr. 2220. Gezeichnet am 6. Juli 1909 bei Herrn 
Besitzer Mordasch in Jeblausken, Kreis Goldap, Ost- 
preufsen durch Herrn Kreisarzt Dr. Schüler. 

Geschossen im Frühjahr 1916 in Podzuhnen bei Szillen 
Kreis Ragnit Ostpreufsen. Belästigte fortgesetzt ein brütendes 
Storchenpaar. 

Nachricht und Ring durch Herrn Gutsbesitzer Huntrieser. 

An der Stelle, wo der Ring auf der Hinterzehe aufliegt, ist 
ein tiefer Einschnitt ausgeschliffen. Der Ring hätte aber trotzdem 
noch jahrelang gehalten. 

Zeit: fast 7 Jahre. 

Entfernung: ungefähr 70 km nach N. 

Ist in die weitere Umgebung seines Heimatsortes zurück- 
gekehrt. Da er sich um ein Nest bemühte, ist vielleicht anzu- 
nehmen, dals er in dem Jahre dort gebrütet hat. 

3) Nr. 10098. Gezeichnet im Sommer 1915 in dem 
Gehöft des Gutsbesitzers Welz in Kodersdorf Oberlausitz 
durch Herrn Dr. Hübner. i 

Geschossen am 23. Juli 1918 früh 6 Uhr in Volmer- 
stein bei Kraschnitz in Schlesien. 

Meldung durch Herrn Joachim Graf von der Recke. 

Zeit: 3 Jahre. 

Entfernung: 170 km nach ©. 

In die Heimatprovinz zurückgekehrt. 


4) Nr. 217. Gezeichnet im Sommer 1907 in Strufsow 
bei Kathkow, Kreis Bütow, Pommern von Herrn Lehrer 
Zaddach. 

Geschossen Anfang Mai 1918 auf dem Rittergute Adl, 
Wusseken, Kreis Bütow, Pommern. Der Storch hielt für sich 
allein ein Nest besetzt und kämpfte ein neu ankommendes Paar 
beständig ab. Deshalb wurde er geschossen. Seit 5—6 Jahren 
ist dieser Storch, der den Leuten durch seinen Ring längst be- 
kannt war, immer wieder zu demselben Neste zurückgekehrt, um 
mit einer Genossin zu brüten. 

Der ganze Storch wird an die Vogelwarte eingeschickt, leider 
* fehlen aber Kopf und Flügelfedern. Die Hoden sind schwach 
entwickelt. Brüten ist für das betreffende Jahr nicht anzunehmen. 
Sonst pflegen aber die nichtbrütenden Störche als sogenannte 
„Raubstörche“ draufsen auf den Feldern ihr Wesen zu treiben. 


18* 


268 J. Thienemann: 


Der Ring, der vom Erleger als Schmuck für den zu einer Zigarren- 
spitze umgearbeiteten Beinknochen verwandt worden ist, war 
sehr abgeschliffen, besonders am Verschlufs. Beine ganz gesund. 
Alle Meldungen verdanke ich Herrn Administrator Aug. 
Schneider in Adl. Wusseken. 

Zeit: 11 Jahre. 

Der Storch ist 11 Jahre hindurch immer in seine engste 
Heimat zurückgekehrt und hat da gebrütet. 

Das ist der älteste Ringstorch bis jetzt. Achtjährige liegen 
bereits mehrere vor. 


5) Es folgt noch die Meldung über Beobachtung eines 
beringten Brutstorches am Neste, und zwar aus Pe- 
trellen Kreis Heydekrug, Ostpreulsen vom Gehöft des 
Herrn Balschus vom 12. Mai 1918. Dort sind früher zahlreiche 
Markierungen von Jungstörchen vorgenommen worden. Ring- 
nummer nicht festgestellt. Das Nest wurde leider bei einer Neu- 
deckung vom Dachdecker zerstört. Die Störche irrten dann auf 
den Feldern umher. 

Meldung durch Herrn Uszpurwis, der den beringten 
Storch für das Männchen hält. 


Lachmöwen (Larus ridibundus). 


1. Aufdem Rossittener Möwenbrucheals Halb- 
dunenjunge markiert. 


a) Die Stücke, die auswärts auf dem Zuge oder 
inder Winterherbergeerbeutet wurden. 


1) Nr. 20265 E. Gezeichnet am 8. Juli 1913 mit noch 
182 Artgenossen zusammen. 

Geschossen am 13. Oktober 1918 morgens 6 Uhr auf 
der Westerplatte bei Danzig-Neufahrwasser. 

Meldung unter Einsendung des ganzen Vogels durch Herrn 
Baurat Fändrich. Die Möwe kam leider verfault an. Der 
nicht beringte Fufs verkrüppelt; jedenfalls durch einen alten 
Schufs. Die Zehen und Schwimmhäute fehlen. Alles gut verheilt. 

Zeit: 5 Jahre, 3 Monate. 

Entfernung: 170 km nach SW. 


Die Möwe ist nach beendetem Brutgeschäft auf der Reise 
nach dem Westen gewesen. 


2%) Nr. 6732. Gezeichnet am 14. Juli 1911. 

Tot aufgefunden am 4. März 1918 in den Schützen- 
parkanlagen in Kiel. 

Nachricht und Ring durch die Stadtgärtnerei Kiel. Ring 
sehr dünn geschliffen. Aufschrift schwer leserlich. 

Zeit: 6 Jahre, 8 Monate. 

Entfernung: 700 km nach W. 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 269 


3) Nr. 26386. Gezeichnet am 21. Juli 1914. 

Erbeutet am 8. Februar 1917 bei Pallice, bei la 
Rochelle an der Westküste Frankreichs. 

Notiz über diesen Fall in la Revue f. d’ornithologie Nr. 105 
vom 7. Januar 1918. Meldung durch Herrn Prof. R. Poncy 
in Genf. 

Zeit: 2 Jahre, 7 Monate. 

Entfernung: ca. 1800 km nach SW. 

Eine beliebte Winterherberge. 


4) Nr. 26319. Gezeichnet am 21. Juli 1914. 

Tot aufgefunden am 20. Februar 1918 am Elbufer 
bei Magdeburg. Wahrscheinlich von einem Raubvogel ge- 
schlagen. Eingeweide frisch herausgerissen. 

Meldung und Ring durch Herrn H. Eck. 

Zeit: 3 Jahre, 7 Monate. 

Entfernung: 700 km nach SW. 

Das ist eine von den Möwen, deren Erbeutungsstelle aus 
den üblichen Zugbahnen herausfällt. Binnenlandflug. Vielleicht 
von der Küste die Elbe aufwärts. 


b) Ein Stück, das zum Brütenin seine alte 
Stammkolonie zurückgekehrtist. 


5) Am 22. Mai 1918 wurde auf dem Möwenbruche bei 
Rossitten eine beringte Lachmöwe gefunden. Ein altes aus- 
gefärbtes Männchen. Die Ringaufschrift ist total abgeschliffen. 
Nur ein paar Buchstaben sind zu erkennen, die deutlich zeigen, 
dafs es ein Rossittener Ring ist. Die Zeit der Markierung kann 
demnach nicht festgestellt werden, und der Fall bekräftigt nur 
aufs Neue die Tatsache, dafs sich eine Lachmöwenkolonie aus 
den darin erbrüteten Jungen ergänzt. 

Im Anschlufs an die Rossittener Möwen soll eine Möwe 
genannt werden, deren Akten nicht vollständig geklärt sind. 
Jedenfalls aber handelt es sich um eine ostpreufsische 
Lachmöwe. 


6) Nr. 15869 E. Ring am 31. Januar 1913 an Herrn Major 
v. Lucanus-Berlin zur Verteilung an die preufsischen Ober- 
förstereien gegeben. Der Ring ist an die Oberförsterei Sadlowo 
in OÖstpreufsen gekommen. Über Art und Zeit der Verwendung 
war nichts zu ermitteln. — 

Unterm 30. Juli 1918 meldet Herr C. A, Dominicus 
aus Amsterdam, Holland, dafs eine Möwe mit diesem 
Ringe dort geschossen sei. Der Ring wird beigefügt. Er ist 
sehr dünn geschliffen, mufs also lange getragen sein. 

Der Zug weist keine Besonderheiten auf. Die übliche 
westliche Zugstralse. 


270 | J. Thienemann: 


Die Fundstellen für die ostpreufsischen Lachmöwen sind 
also diesmal: Danzig, Kiel, Amsterdam, Westküste Frankreichs, 
Magdeburg und Rossitten. 


2. Die auf derInselHiddensee, aufden Werderinseln 
bei Zingst und auf der Insel Riems im Greifswalder 
Bodden erbrüteten und markierten Lachmöwen. 


Das Kennzeichen ist vom „Deutschen Bund für Vogel- 
schutz“ und vom „Anhaltischen Bund für Vogel- 
schutz“ in dankenswerter Weise weiter besorgt worden. 


7) Nr. 7998. Gezeichnet am 6. Juni 1912 südlich von 
Vitte auf Hiddensee. 

Verwundet aufgefunden am 26. Juni 1918 bei 
Poggenhof auf Rügen. Kadaver ganz frisch. 

Zeit: 6 Jahre. 

Entfernung: 41), km nach ©. 

Meldung durch Dr. Fr. Lindner, in dessen Besitz sich 
der beringte Fuls befindet. 

Die Möwe ist zum Brüten in ihre alte Stammkolonie zurück- 
gekehrt. 


8) Nr. 8851. Gezeichnet am 3. Juli 1912 auf den 
Werderinseln. 

Erbeutet am 18. Februar 1917 bei Angoulins an der 
Westküste Frankreichs. 

Notiz über diesen Fall in la Revue d’ornithologie Nr. 105 
vom 7. Januar 1918. Mitgeteilt durch Herrn Prof. R. Poncy 
in Genf. 

Zeit: 4 Jahre, 7 Monate. 

Entfernung: Etwa 1350 km nach SW. 

Die übliche Strafse nach SW. gezogen. Der Fundort ist 
fast genau derselbe wie bei der obigen Rossittener Möwe Nr. 26386. 
Rossittener und Werder- Lachmöwen sind in der Winterherberge 
vereinigt gewesen. 


9) Nr. 17969. Gezeichnet am 17. Juni 1916 auf den 
Werderinseln. 

Erbeutet am 20. März 1917 bei Charron an der 
Westküste Frankreichs. 

Meldung ebenso wie bei der en Möwe Nr. 8851. 

Zeit: 9 Monate. 

Entfernung: ca. 1350 km nach SW. 

Ein junges noch nicht fortpflanzungsfähiges Stück. 

Die Winterherberge fast genau dieselbe wie bei der vorher- 
gehenden alten Möwe Nr. 8851. 


10) Nr. 25441. Gezeichnet am 23. Juni 1916 auf den 
Werderinseln. 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten, 271 


Geschossen am 20. Februar 1919 bei St. i 
Ufer des Genfer Sees. RU an 

Nachricht durch Herrn Präparator J. En gel in Lausanne. 

Zeit: 2 Jahre, 8 Monate. 

Entfernung: etwa 1000 km nach SW. 

Bekannte Strafsen gezogen. 

11) Nr. 29527 E. Gezeichnet Ende Juni 1918 auf der 
Insel Riems durch Dr. F. Lindner. 

Erbeutet am 17. September 1918 bei Osternothafen 
bei Swinemünde. 

Meldung und Ring durch Herrn Kanonier A. Manth ay. 

Zeit: 3 Monate. 

Entfernung: ca. 60 km nach W. 

Hat sich nach dem Ausfliegen in der Umgebung des Brut- 
platzes umhergetrieben. 

12) Nr. 29501. Gezeichnet im Sommer 1918 auf der 
Insel Riems. 

Geschossen am 20. Oktober 1918 di Revier Boden- 
berg bei Stettin. 

Nachricht durch Herrn Stadtförster P. Mahnkopf. 

Zeit: 4 Monate. 

Entfernung: ca. 110 km nach 8. 

War jedenfalls auf dem Abzuge nach Süden. 

13) Nr. 29512. Gezeichnet Ende Juni oder Anfang 
Juli 1918 bei der Insel Riem s im Greifswalder Bodden (Pommern) 
auf Veranlassung von Dr. Fr. Lindner. Geschossen am 
2. August 1918 im Revier Krengelbach bei Wels in 
Ober-Österreich auf einem Felde. 

Mitteilung durch Herrn Präparator Joh. Haberl in Wels 

Zeit: ca. 1 Monat. 

Entfernung: etwa 660 km direkt nach S. 

Das ist wieder mal eine von den pommerschen Möwen, die 
direkt nach Süden übers Festland geflogen sind, um vielleicht 
den Weg über die Alpen fortzusetzen. Schon mehrere solcher 
Fälle liegen vor. Diese Möwe hat’s mit dem Wegzuge viel 
eiliger gehabt, wie die beiden vorhergehenden gleichalterigen 
Stücke, die nach 3 und 4 Monaten noch in der Umgebung des 
Brutplatzes waren. 

Man möchte wissen, ob diese Möwe die Eigentümlichkeit 
früber und schneller zu ziehen wie ihre Artgenossen, und dabei 
einen Ausnahmeweg zu wählen, dauernd beibehalten hätte? Das 
heifst mit andern Worten, ob man eine individuelle Veranlagung 
bei den Tieren stark betonen darf. Ich möchte das bejahen. 
Beim Aufziehen und Dressieren von Hunden macht man doch 
recht oft Beobachtungen, die einem zu solcher Annahme bestimmen. 

Ist der Zufall mal günstig, so kann der Beringungsversuch 
auch nach der Richtung bin noch manche Aufklärung schaffen. Es 
sind mir schon öfter Fälle gemeldet worden, dafs eingefangene 


272 J. Thienemann: 


beringte Versuchsobjekte nach Feststellung der Nummer wieder 
aufgelassen worden sind. Dann ist Gelegenheit geboten den 
Lebenslauf dieser Tiere weiter zu beobachten, nachdem die Ver- 
hältnisse bis zum erstmaligen Einfangen zunächst mal akten- 
mäfsig festgelegt worden sind. Das ist überhaupt ein feiner 
Gedanke, die Ringvögel nicht zu töten, sondern einzufangen, um 
sie immer weiter beobachten zu können. Der Zufall spielt dabei 
natürlich eine grofse Rolle, aber der ist bisher dem Ringversuche 
so überaus hold gewesen. Warum nicht auch weiter!? 

Die Fundstellen der von Hiddensee, von den Werderinseln 
und von der Insel Riems stammenden Lachmöwen sind also dies- 
mal: Rügen, Westküste Frankreichs, Genfer See, Swinemünde, 
Stettin und Wels in Oberösterreich. 


3. Diein Lübeck, Schleswig und Oldenburg 
markierten Lachmöwen. 


14) Nr. 23910. Gezeichnet am 7. Juni 1914 durch 
Herrn Wilh. Blohm. 

Am 27. August 1918 flügellahm in Bad Schwartau bei 
Lübeck durch Herrn Töpfermeister W. Kulow gefangen und 
nach Feststellung der Ringnummer wieder auf’s Wasser gesetzt. 

Zeit: 4 Jahre, 2 Monate. 

Entfernung: 10 km. 

Die Möwe ist zum Brüten in ihre alte Stammkolonie zurück- 
gekehrt. 3 

15) Nr. 2239. Gezeichnet am 6. Juli 1910 in Schleswig. 

Gefangen am 16. Januar 1918 in Cuxhaven von Herrn 
H. Rusch, der den Ring leider abnimmt und einschickt, den 
Vogel aber unberingt wieder fliegen läfst. Ring dünn geschliffen, 
aber noch recht gut erhalten. 

Zeit: 7 Jahre, 6 Monate. 

Entfernung: ca. 90 km nach SW. 

Fast acht Jahre lang ist dieser Vogel als Versuchsobjekt 
in der Welt umhergeflogen, jetzt ist er wieder in der Masse der 
Artgenossen unerkannt untergetaucht. 

Der Vogel ist im Winter nicht fortgezogen. 


16) Nr. 7720. Gezeichnet am 6. Juli 1912 auf Mellum 
durch den Vogelwärter Heinrich Weihhusen. 

Erbeutetam 30. Juni 1918 auf einer Werft in Hamburg. 

Wurde mit zwei Artgenossen zusammen in einer kleinen 
Sandvertiefung verendet aufgefunden. 

Meldung und Ring durch Herrn Karl Warmke Ham- 
burg 31. Lutterothstr. 92. 

Zeit: 6 Jahre. 

Entfernung: ca. 130 km nach O. 

Ring auffallenderweise trotz sechsjährigen Tragens fast gar 
nicht abgenutzt. 


XVII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 278 


Die Möwe hat sich in der alten Stammkolonie selbst, oder 
in deren Nähe angesiedelt. Das Erbeutungsdatum fällt in die 
Brutzeit. 

Die Fundstellen der in Lübeck, Schleswig und 
Oldenburg markierten Lachmöwen fallen diesmal sämtlich in 
die alte Heimat zurück. 


4. Die auf dem Wörthsee bei München 
markierten Lachmöwen. 


17) Nr. 4334. Gezeichnet am 12. Juni 1911. 

Erlegt am 20. August 1918 früh 71/, Uhr in Lindau am 
Bodensee durch Herrn Bootsführer H. Lindner. 

Ring sehr dünn geschliffen. An den Rändern tiefe Buchten. 

Zeit: 7 Jahre, 2 Monate. ' 

Entfernung: 150 km nach SW. 

Die alte beliebte Strafse gezogen. 


18) Nr. 8270. Gezeichnet am 10. Juni 1912. 

Erbeutet am 27. März 1915 bei Colmata d’Arnino in 
Tombolo (Pisa) in Italien von Guido Fescalo. Notiz darüber 
steht in der italienischen „Diana“ Aprilheft 1915 p. 81. 

Nachricht durch die Ungarische Ornithologische Zentrale 
in Budapest. 

Zeit: 2 Jahre, 9 Monate. 

Entfernung: ca. 470 km nach 8. 


19) Nr. 22056. Gezeichnet am 17. Juni 1914. 

Erbeutet am 4. April 1918 auf einer kleinen Insel des 
AmmerseeszwischenSchondorfund Stegen in Bayern. 
Frisch verendet aufgefunden. Mochte einen Tag gelegen haben. 
Linke Brustseite angefressen. 

Meldung und Ring durch Herrn Reallehrer Koller in 
Schondorf. Aufschrift des Ringes ziemlich abgeschliffen aber noch 
deutlich zu lesen. Auf dem Ammersee befanden sich zur Zeit 
sehr viel Möwen. 

Zeit: 3 Jahre, 10 Monate. 

Entfernung: etwa 5 km. 

Die Möwe hat in ihrer alten Stammkolonie oder dicht dabei 
gebrütet. 

Die Fundstellen der vom Wörthsee stammenden Lachmöwen 
sind also diesmal: der Bodensee, Pisa in Italien und 
die Heimat, 


5. Eine beiSchwandorfin der Oberpfalz 
beringte Lachmöwe. 


20) Nr. 27007. Gezeichnet am 4. Juni 1915 auf dem 
Löchelweiher bei Fronberge durch Herrn Erwin Gebhardt. 


274 J. Thienemann: 


Erbeutet Ende Juni 1918 bei Altfalter Post Schwarzen- 
feld, Bezirksamt Nabburg in der Oberpfalz. 

Meldung durch die Herren Braun-Fronberg, Erwin 
Gebhardt und Dr. Stadler. 

Zeit: 3 Jahre. 

Entfernung: 7 km. 

Die Möwe ist an ihren Geburtsort zurückgekehrt und hat 
da gebrütet. 


21 u. 22) Zum Schlufs folgen einige briefliche Mitteilungen 
von Herrn Prof. R. Poncy über Beobachtung von beringten 
Lachmöwen bei Genf. Die Nummern konnten nicht festgestellt 
werden, aber die Ringe waren ganz deutlich zu sehen, da die 
Möwen in Genf aufserordentlich vertraut sind, denn sie werden 
von den Menschen ständig gefüttert. Herr Prof. Poncy hat 
schon sehr schöne Bilder davon an die Vogelwarte eingeschickt. 
Zunächst meldet der Herr, dafs er im Winter 1917/18 zwei be- 
ringte Lachmöwen ständig beobachtet habe, die eine vom 
15. Oktober 1917 bis 15. März 1918. Beides alte Stücke. 


23 u. 24) Ferner schreibt Herr Prof. Poncy unterm 
2. März 1919, dafs am Tage vorher ein guter Lachmöwenzug 
bei Genf gewesen sei. Unter den beobachteten Scharen wurden 
auch 2 beringte Exemplare mit fertig ausgebildeten schwarzen 
Köpfen gesehen. Von 4—6 Uhr waren 1367 Individuen zu zählen. 


25) Weiter wird unterm 23. Februar 1919 folgendes ge- 
meldet: Im Winter 1917/18, und zwar vom 15. Oktober bis 
15. März, hielt sich eine beringte Lachmöwe (mit einem Ringe 
der Rossittener Form, wie Herr Prof. Poncy schreibt) dauernd 
auf dem Maste eines im Hafen liegenden Dampfbootes auf. 

Am 3. November 1918 erschien dieselbe Möwe wieder und 
nahm ihren alten Posten auf dem Maste wieder ein, den sie 
gegen Artgenossen eifrig verteitigte. Sie wartete bis die Inhaberin 
eines in der Nähe stehenden Zeitungsverkaufshäuschens Nahrungs- 
brocken auf die gegenüberliegende Hafenmauer legte, die sie 
dann fast aus der Hand nahm. Die Möwe wurde noch am 
23. Februar 1919, wo der Brief abging, beobachtet. Sie ver- 
schwand am 25. März. Dem interessanten Berichte sind Skizzen 
beigefügt. — So ist also ein Zugvogel in zwei aufeinanderfolgenden 
Jahren an genau dieselbe Stelle in seine Winterherberge 
zurückgekehrt und hat dieselben Gewohnheiten sofort wieder an- 
genommen. Dazu bedenke man, ein wie gewaltiger Unterschied 
zwischen dem Sommer- und Winterleben dieser Möwe bestand. 
Im Sommer in der freien Natur draufsen über einem See umher- 
fliegen, Junge grofs ziehen, den Menschen als ärgsten Feind be- 
trachten und von oben bespeien und dann plötzlich in die Grofs- 
stadt einziehen, den Menschen als besten Freund und Nahrungs- 
spender ansehen und bei einer Zeitungsfrau zu Gaste gehen! 
Diese Anpassungsfähigkeit! 


XVIll. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 275 


Es mag noch erwähnt werden, dafs der braune Kopf dieser 
Möwe vom 23. Februar fast vollständig ausgebildet war. 


Silbermöwen (Larus argentatus). 


Zunächst ein paar ganz alte Stücke, die noch aus der Zeit 
der ersten Silbermöwenkennzeichnungen auf dem Memmert her- 
stammen. 


1) Nr. 2457. Gezeichnet am 13. oder 14. Juli 1909 auf 
dem Memmert bei Juist von O. Leege. 

Erbeutet in der Zeit zwischen dem 1. April und 1. Juli 
1918 bei Helgoland. 

Meldung durch die Königl. Biologische Anstalt auf Helgoland, 
die unterm 3. Februar 1919 den beringten Fufs einschickt. Die 
Krallen dieses 9jährigen Vogels sehr abgenutzt. Fufs tadellos 
gesund. Ring und Aufschrift noch recht gut erhalten. 

Zeit: 9 Jahre. 

Entfernung: ca. 85 km nach NO. 


2) 4376. Gezeichnet im Juli 1910 auf dem Memmert 
bei Juist durch Herrn O. Leege. 

Erbeutet: Bei Sturm am Spanndraht angeflogen am 
9. Juni 1918 auf Borkum. 

Meldung und Ring durch Herrn Jagdaufseher Gefreiten 
Knipers. Ring gut erhalten. 

Zeit: fast 8 Jahre. 

Entfernung: ca. 10 km. 

Diese beiden vorliegenden Fälle bestätigen wieder die alte 
Erfahrung, dafs die Silbermöwen jahraus jahrein in der Nähe 
ibrer alten Brutstelle verbleiben. \ 

Im Sommer 1918 hat Herr Oberleutnant Schünemann In 
dankenswerter Weise das Zeichnen von Silbermöwen sehr eifrig 
auf Langeoog betrieben. Die nachfolgenden Stücke sind also 
alle auf dieser Insel im Jugendstadium markiert und zwar im Juni 
oder Juli 1918: 


3) 27451 C. Erbeutet am 9. Oktober 1918 am Südwall 
auf der Insel Wangeroog. 

Meldung und Ring durch Herrn Obermatrosen Nieghorn. 

Zeit: ca. 4 Monate. 

Entfernung: etwa 23 km nach ©. 


4) Nr. 27417. An einem Schrotschufs verendet auf- 
gefunden am 8. September 1918 in der Nordsee bei 
Wilhelmshaven. 

Nachricht und Ring durch Herrn Obermatrosen Hoffmann. 
Der Ring zeigt deutlich den Abdruck eines Schrotkorpes. 

Zeit: 3 Monate. 

Entfernung: ca. 35 km nach SO. 


276 J. Thienemann: 


5) 27420 C. Erbeutet am 2. Oktober 1918 auf dem Watt 
bei Schilling in Oldenburg. 

Mitteilung und Ring durch Herrn Kapitänleutnant d. R. 
Sagmüller. 

Zeit: ca. 4 Monate. 

Entfernung: etwa 25 km. 


6) Nr. 27433 C. Erbeutet am 15. Januar 1919 bei 
Harboöre (Westküste Jütlands) von dem Fischer Ole 
Mollerup. 

Nachricht und „Ring durch den Deutschen Seefischerei- 
Verein Berlin an Herrn Geh.-Rat. Fetschrien in Königsbergi. Pr., 
der den Fall an die Vogelwarte weiter meldet. 

Zeit: 7 Monate. 

Entfernung: 400 km nach NO. 


@) 27414 C. Geschossen am 12. Oktober 1918 in Kiel- 
Wellingdorf durch Fischer Vollstedt. Meldung durch den- 
selben Herrn. s 

Zeit: ca. 4 Monate. 

Entfernung: ca. 350 km nach O. 


8) Nr. 26418. 

Geschossen am 9. Oktober 1918 bei Puttgarten 
a. Rügen von Fischer Artur Quaas. Zwei dieser Möwen 
hielten sich seit zwei Wochen in dieser Gegend auf. 

Zeit: ca. 4 Monate. 

Entfernung: ca. 550 km nach ©. 

Die vorliegenden 6 Silbermöwen von Langeoog sind alle in 
der näheren und weiteren Umgebung ihrer Heimatkolonie ver- 
blieben. Die Entfernungsziffern sind: 23, 25, 35, 350 und 400 km. 


Silbermöwe (Larus argentatus) oder Heringsmöwe 
(Larus fuscus). 


Nr. 7406. Gezeichnet am 27. Juli 1912 als junger 
Vogel in der Brutkolonie auf Strömö, Faroer, durch 
Dr. Dampf. In dem damaligen Berichte wird folgendes be- 
merkt: Die Brutstätten der Silber- und Heringsmöwen befanden 
sich an den Stein- und Rasenhalden des Inselabfalls. Die halb- 
erwachsenen Jungen safsen halb oder ganz verborgen an den 
kleinen Wasserrinnsalen unter der überhängenden Rasendecke, 
zum Teil in Höhlen, einzelne auch unter Steinen. Die 
beiden Arten konnten in diesen jugendlichen 
Kleidern nicht genau auseinandergehalten 
werden. — 

Herr Dr. Hans Rudolphi aus Leipzig meldet, dafs 
nach einer Notiz in der färischen Zeitung „Dimmaloetting“ 
Nr. 102 vom 29. Dezember 1917 im Juli 1917 auf den Faröer 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 277 


ein Herr Mejnuhard Simonsen in Straender auf Österö 
eine Möwe mit diesem Ringe gefangen habe. 

Zeit: 5 Jahre. 

Entfernung: etwa 20 km nach O. 


Silber- und Heringsmöwen müssen nach ihren Zugverhält- 
nissen ganz verschieden bewertet werden. Ist das vorliegende 
Stück eine Silbermöwe, so ist sie jahraus jahrein in der Um- 
gebung ihres Brutplatzes geblieben. Ist es aber eine Herings- 
möwe, so kann sie in der Zwischenzeit weite Reisen unternommen 
haben, da Faroer-Stücke dieser Art schon von. Portugal und 
Marrokko zurückgemeldet worden sind. Diese Möwe wäre dann 
an ihren Brutplatz zurückgekehrt. 


Mantelmöwe (Larus marinus). 


Nr. 22425. Gezeichnet am 22. November 1913 auf 
dem Hofe der Vogelwarte Rossitten. Jugendkleid. 


An der Angel gefangen am 24. Juni 1918 bei 
Granö, Oxhallsö, nördlicher Schärengarten von Stock- 
holm in Schweden. Ein vollkommen ausgewachsenes und aus- 
gefärbtes Exemplar. Länge 60 cm. Flügelspannung 165 cm. 
Wurde der deutschen Gesandtschaft in Stockholm eingeschickt, 
die Nachricht mit Ring nach Rossitten gelangen läfst. Ring 
sehr gut erhalten. 

Zeit: 4 Jahre, 7 Monate. 

Entfernung: ca. 500 km nach N. 


Der Fall ist von besonderem Interesse. Das erste Mal, 
dafs eine auf dem Zuge bei Rossitten gefangene und markierte 
Mantelmöwe als fortpflanzungsfähiges Stück auswärts zurBrut- 
zeit erbeutet worden ist. 

Jedenfalls hat dieses Stück an der schwedischen Küste bei 
Stockholm gebrütet. Als sie vor 5 Jahren als junger Vogel bei 
Rossitten gefangen wurde, zog Sie, wie das bei diesen Möwen 
üblich ist, an den Gestaden der Ostsee umher. 


Sturmmöwen (Larus canus). 


1) Nr. 8780. Gezeichnet als Halbdunenjunges am 
28. Juni 1912 auf den Werderinseln bei Zingst in Pommern. 

Tot aufgefunden ebenda Anfang Juni 1918 an 
dem Orte ihrer Geburt. Ring ziemlich gut erhalten. Zum Prä- 
parieren war der Vogel leider nicht mehr tauglich wie Herr 
Boerner aus Cöthen schreibt. 

Zeit: 6 Jahre. 

Entfernung: 0 km. 

Die Möwe ist in ihre alte Stammkolonie zum Brüten zurück- 
gekehrt. Ebenso wie die Lachmöwen. 


278 J. Thienemann : 


2) Nr. 29108. Gezeichnet am 1. Juli 1917 auf der 
Insel Riems im Greifswalder Bodden in Pommern. 

Erlegt am 6. September 1918 im grofsen Jasmunder 
Bodden bei Rügen. Nachricht und Ring durch Herrn Gutspächter 
A. Schütt in Drigge bei Altefähr, Rügen. 

Zeit: 1 Jahr, 2 Monate. 

Entfernung: ca.70kmnachN. Ein nichtfortpflanzungs- 
fähiges Stück, das sich in seiner engeren Heimat umhergetrieben hat. 


3) Nr. 20353. Gezeichnet am 11. Juli 1914 auf der 
kleinen Insel Liebes durch Dr. Fr. Lindner. 

Tot aufgefunden am 9. April 1918 am Strande von 
Linschow bei Gingst auf der Insel Rügen von Herrn 
Kanonier Dols. Beringtes Bein eingeschickt. Ring fast gar 
nicht abgenutzt trotz vierjährigen Tragens. 

Zeit: 3 Jahre, 9 Monate. 

Entfernung: 31/, km. 

Zum Brüten in ihre Heimat zurückgekehrt. Die Sturmmöwen 
zeigen also in dieser Hinsicht dieselben Gewohnheiten wie die 
Lachmöwen. 


Flufsseeschwalbe (Sterna hirundo). 


Nr. 4960 F. Ring am 4. Oktober 1911 an Freiherrn 
v. Berlepsch gesandt und jedenfalls auf dem Memmert 
verwendet. 

Tot aufgefunden am 26. Juni 1918 auf einer Wiese 
nahe der Stadt Elmshorn in Holstein von Herrn Oberbahn- 
assistent Ludwig Herms. Spuren von Verletzung waren, wie 
der Herr schreibt, nicht zu sehen. 

Zweite Meldung durch Herrn Zeichenlehrer Henke. Es 
wurden gleichzeitig mehrere verendete Flufsseeschwalben gefunden. 

Ferner schreibt der Herr unterm 14. Juli 1918: „Während 
des Unwetters im letzten Monat sind hier viele Vögel, besonders 
Schwalben aller Art verendet. Drei Flufsseeschwalben, eine 
Zwergseeschwalbe haben Schüler mir gebracht. Auch Mauersegler 
und Rauchschwalben sind verendet gefunden.“ 

Zeit: Unbestimmt; aber der eingeschickte Ring mufs sehr 
lange getragen sein, denn er ist sehr abgeschliffen. 

Entfernung: 190 km nach O. 

Der fortpflanzungsfäbige Vogel ist zur Brutzeit in der 
weiteren Umgebung seiner Heimat wieder angetroffen worden. 
Also zurückgekehrt. 


Löffelente (Spaiula clypeata). 


Nr. 25329 D. Gezeichnet als altes auf dem Neste ge- 
fangenes Weibchen am 20. Juni 1917 auf der Insel Riems im 
Greifswalder Bodden durch Herrn Dr. Turowski. 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 279 


Erbeutet in einer Entenkoje am 4. September 1918 in 
der Nähe von Deil, Provinz Gelderland, Niederlande. Die 
Ente ist wieder freigelassen worden. 

Meldung durch Herrn Dr. van Oort vom Museum in Leiden. 

Zeit: 1 Jahr, 3 Monate. 

Entfernung: 600 km. nach SW. 

Die Ente hat sich nach vollendeter Brut auf die Wander- 
schaft nach SW begeben. 


Pfeifente (Anas »enelope). 


Nr. 26646. Ring am 3. Oktober 1914 an Herrn Haupt- 
lehrer Michaels nach Oldsum auf Föhr geschickt. Zeit der 
Verwendung nicht gemeldet. 

Am1.April1918 wird eine Pfeifente, die diesen Ring 
trug, ebenda gefangen. Die Ente war in der Vogelkoje als Lock- 
ente verwendet worden. Meldung und Ring durch Herrn Sanitäts- 
rat Dr. Ketelsen in Oldsum. 

Zeit: 31/, Jahre. 

Entfernung: An Ort und Stelle geblieben, oder immer 
wieder dahin zurückgekehrt. 


Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula). 


Nr. 4301 F. Gezeichnet in Rukks(?) in Estland am 
26. Juni 1914. 

Erlegt in Tunis im März 1915. Nach einer Notiz, die 
von Harald Baron Loudon aus Lisden in Livland auf der Vogel- 
warte einläuft. Näheres konnte bis jetzt noch nicht ermittelt 
werden. 

Zeit: 9 Monate. 

Entfernung: etwa 2700 km. nach SSW. 

Der Weg weicht von der üblichen Zugstralse der über die 
Nehrung wandernden Strandvögel ab. Er hat eine südliche 
Richtung; sonst südwestlich an der Küste entlang. 


Bläfshuhn (Fulica utra). 


1) Nr. 23280. Gezeichnet am 24. Juli 1914 auf 
Wallnau bei Petersdorf (Fehmarn) durch Herrn W. Blohm, 
Lübeck. 

Geschossen ebenda im Juli 1918 bei einer Entenjagd von 
dem Herrn Besitzer Franck. 

Meldung und beringten Fufs durch Herrn W. Blohm. Der 
Herr schreibt, dafs im Winter kein Bläfshuhn auf Wallnau, wo 
hunderte dieser Vögel brüten, bleibt, da alle Teiche zugefroren 
sind. Der Vogel ist also aus der Winterherberge in seine Brut- 
heimat zurückgekehrt. Ring sehr abgeschliffen. 

Zeit: 4 Jahre. 

Entfernung: Zurückgekehrt. 


280 J. Thienemann: 


2) Nr. 17373. Ring am 13. Februar 1913 an Herrn 
v. Lucanus nach Berlin geschickt. Verwendung nicht gemeldet. 

Am 20. März 1918 wird ein mit diesem Ringe gezeich- 
netes Wasserhuhn in dem Überschwemmungsgebiet von Dix- 
muiden in Belgien von Herrn Leutnant d. R. Neupahr ge- 
schossen. Ring eingeschickt. 

Zeit und Entfernung unbestimmt. 

Dem Fundorte nach mufs der Ring in Norddeutschland ver- 
wendet sein, denn die dortigen Bläfshühner wandern an der Küste 
entlang nach SW. 


3) Nr. 25005 D. Gezeichnet am 7. Juli 1917 als alter in 
der Mauser gefangener Vogel auf dem Gansaarteiche bei Bärs- 
dorf Trach Bezirk Liegnitz, Schlesien, durch Herrn Förster 
Schaifler. 

Erbeutet ebenda auf einem Teiche, der etwa tausend 
Meter von der Beringungsstelle abliegt, am 20. September 1918 
von demselben Herren. 

Zeit: 1 Jahr, 2 Monate. 

Entfernung: In die Heimat zurückgekehrt. Diese Ge- 
wohnheit ist auch für die norddeutschen Bläfshühner schon mehr- 
fach nachgewiesen. 


Fischreiher (Ardea cinerea). 


1) Nr. 8767. Gezeichnet als junger Horstvogel am 
24. Mai 1913 in Liebemühl im südwestlichen Ostpreufsen 
im Schutzbezirk Schneiderswalde Jagen 15 durch Herrn 
Forstreferentar Baumann. 

Unterm 11. Juni 1918 meldet Herr Lehrer Bruno Mai aus 
Zielkau, Kreis Löbau Westpreufsen, dafs in der Schneiders- 
walder Forst ein toter Reiher aufgefunden sei, der diesen Ring 
trug. Ring eingeschickt. 

Zeit: fast 5 Jahre. 

Entfernung: ca. 30 km nach S$. 

Der Ring ist ganz braun, wie lackiert so glänzend. Das 
ist eine Eigentümlichkeit der Ringe, die von Fischreihern ge- 
tragen worden sind. Nie ist ein Storchring so gefärbt, und mag 
er noch so lange getragen sein. Das erklärt sich aus der ver- 
tchiedenen Lebensweise dieser beiden Vögel. Der Reiher steht 
stundenlang im seichten, oft eisenhaltigen Wasser, während der 
Storch mehr im nassen Grase und auf Feldern umherschreitet. 

Der obige Reiher ist in seine Heimat zurückgekehrt und 
hat da gebrütet. Erbeutungsdatum fällt in die Brutzeit. 

2) 8411. Ring am 11. März 1913 für die preufsischen Ober- 


förstereien an Herrn von Lucanus nach Berlin geschickt. Ver- 
wendung nicht gemeldet. 


Am 4. Oktober 1914 wurde in Cordingen bei Walsrode 
Provinz Hannover ein Fischreiher geschosssen, der diesen Ring trug. 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 281 


Meldung und Ring durch Herrn C. Hogrefe in Cordingen. 
Da über Ort und Zeit der Markierung nichts bekannt ist, 
läfst sich mit diesem Falle nichts anfangen. 


Ringeltaube (Columba palumbus). 


Nr. 25807 Db Gezeichnet als junger Nestvogel im 
„Grofsen Garten“ in Dresden am 14. Juli 1914 durch Herrn 
Stresemann. 

Erbeutet ebenda (im „Grofsen Garten“) am 1. November 
1918. Die Taube wurde in ermattetem Zustande von einer Frau 
gegriffen und bei der herrschenden, Fleischnot durch Kopfabreissen 
sofort geschlachtet. Durch Aufnahme zu grofser Eicheln soll 
sich das Tier eine innere Verletzung zugezogen haben. 

Meldung und Ring durch Herrn Karl Schreiber- Dresden. 


Zeit: 4 Jahre, 4 Monate. 

Entfernung: Die Taube ist jahraus jahrein in ihre 
Heimat, wo sie das Licht der Welt erblickt hat, zurückgekehrt, 
um da zu brüten. 


Brieftaube, 


Am 16. Juni 1918 ging Herrn Präparator Hugo Schmidt 
in Giefsen, Öberhessen, Bleichstr. 8 bei einem Vorfluge von 
ca. 75 km eine mit einem Brieftaubenringe gekennzeichnete 
Brieftaube verloren. Die Taube wurde am 21. Juni 1918 
Herrn Förster Holzbach in Forsthaus „Auf der Heide“ Post 
Seifen, Westerwald in vollkommen ermattetem Zustande 
von Kindern gebracht. Der Herr legte ihr den Vogelwartenring 
E 16305 um. Am 23. Juni flog die Taube wieder fort, und am 
30. Juni kam sie wohlbehalten in ihrem Heimatschlage wieder an. 

Meldung durch die betreffenden Herren. Die Strecke 
Giefsen—Seifen beträgt 81 km. Die Taube hat zum Zurücklegen 
dieser Strecke das erstemal 5 Tage gebraucht, das zweitemal 
7 Tage. 


Fasan (Phasianus colchicus). 


Nr. 22501. Am 10. Februar 1914 mit 57 Artgenossen frei 
gefangen und beringt durch die Freiheerlich von Schrötter’sche 
Forstverwaltung Gr. Wohnsdorf, Kr. Wehlau, Ostpreufsen. 

Herr Lehrer PaulSiegmund ausGeidau beiFisch- 
hausen, Ostpreufsen, meldet, dafs im Frühjahr 1918 auf der 
dortigen Feldflur ein mit diesem Ringe behefteter Fasanenständer 
gefunden sei. Ring wird eingeschickt. Gut erhalten. 


Entfernung: 75 km. 

Zeit: 4 Jahre. 

In früheren Jahren sind nach Mitteilung von Freiherrn von 
Schrötter Fasanen von Gr. Wohnsdorf nach dem südlichen Teile 
des Kreises Fischhausen verkauft worden. Der beringte Fasan 


Journ, f, Orn. LXVII. Jahrg. Juli 1919. 19 


282 J. Thienemann : 


ist also ohne Zweifel in dem entfernten Standorte künstlich 
eingeführt worden. 


Hühnerhabicht (Astur palumbarius). 


1) Nr. 11254. Der Ring ist im Jahre 1912 durch Herrn 
v.Lucanus an die Königliche Oberförsterei Wilhelmsberg 
inWestpreufsen eingeschickt und wahrscheinlich dort ver- 
wendet worden. Näheres konnte über die Markierung nicht 
ermittelt werden. 

Am 4. Juni 1918 meldet die Polizeiverwaltung aus 
Schönsee, Westpreufsen, dafs der Ansiedler Theophil 
Becker einen großen Habicht lebend gefangen habe, der 
diesen Ring trug. Der Vogel ist in Gefangenschaft gehalten 
und dann „wegen Fleischmangel“ am 7. Juni 1918 wieder frei- 
gelassen worden. Nach längerem Hin- und Herschreiben konnte 
er sicher als Hühnerhabicht bestimmt werden. 

Zeit: unbestimmt (6 Jahre?). 

Entfernung: 37 km nach SW. 


Der Hühnerhabicht ist in seiner Heimat geblieben, oder 
immer wieder dahin zurückgekehrt. Erbeutungsdatum fällt in 
die Brutzeit. 


2) Nr. 16981. Gezeichnet als junger Horstvogel am 
10. Juni 1914 in der Öberförsterei Uetze, Kreis Burgdorf, 
Hannover. 

Geschossen am 15. Juni 1918, also während der Brut- 
zeit, bei Bokersdorf, Kreis Gifhorn, Hannover von 
Herrn W. Peckmann. 

Ring eingeschickt, der trotz vierjährigen Tragens fast wie 
neu ist. Wasservögel nutzen ihre Ringe durch die Schwimm- 
bewegungen und durch den Aufenthalt in der Schälung, wobei 
Sand aufgewirbelt wird, viel mehr ab wie Raubvögel. 

Zeit: 4 Jahre. 

Entfernung: etwa 38 km nach O. 


Der Hühnerhabicht ist in seiner Heimat geblieben, oder 
immer wieder dahin zurückgekehrt. Hühnerhabichte zeigen 
grofse Anhänglichkeit an ihren Brutort. 


Mäusebussard (Buteo buteo). 


1) Nr. 27613 C. Gezeichnet mit noch 2 Nestgeschwistern 
am 13. Juni 1918 in Mecklenbeck sechs km südöstlich von 
Münster in Westfalen (an der Bahnstrecke Münster — 
Wanne) von Herrn R. Kuhk. 

Als Gerippe aufgefunden beiBorghorst, Kreis Stein- 


furt, Westfalen um den 16. September 1918 durch Frau 
Scheibler, Haus Hörsten. 


XVII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 283 


Zeit: 3 Monate. 

Entfernung: 27 km nach NW. 

Bald nach dem Ausfliegen verunglückt. Hatte sich in der 
Umgebung seines Heimatnestes umhergetrieben. 


2) Nr. 24357. Gezeichnet als junger Horstvogel am 
10. Juni 1915 in Freihalden, Schwaben durch Herrn Ober- 
förster Schäffer. 

Verendet aufgefunden am 15. Mai 1918 im Def- 
finger Walde. 

Meldung durch Herrn k. Eisenbahn -Sekretär Reichs- 
berger in Günzburg, Donau, Bayern. 

Zeit: fast 3 Jahre. 

Entfernung: ca. 25 km nach NW. 

Das Funddatum fällt in die Brutzeit.e. Der Bussard hat 
also in seiner Heimat gehorstet. 


3) Nr. 24361. Gezeichnet am 5. Juni 1915 als junger 
Horstvogel in Freihalden, Schwaben, Abt. Rouderberg durch 
Herrn Oberförster Schäffer. 

Gefangen in einer Falle am 30. April 1918 im Revier 
Tiefenbach, Bezirksamt lllerstissen, Schwaben. 

Meldung und beringter Fang durch Herrn Simon Hart- 
mann aus Weifsenhorn. 

Zeit: 2 Jahre, 10 Monate. 

Entfernung: ca. 40 km nach W. 

Der Erbeutungstermin fällt in die Brutzeit. Der Bussard 
ist jedenfalls sefshaft geblieben. 

Derselbe Herr hat am 10. August 1916 fast genau an der- 
selben Stelle einen Mäusebussard erbeutet, der ebenfalls in Frei- 
halden als Jungvogel markiert war (s. XVI. Jahresbericht der 
Vogelwarte Rossitten Seite 343). 


4) Nr. 24364 C. Gezeichnet als junger Horstvogel 
am 8. Juni 1915 in Freihalden, Schwaben, Bayern durch 
Herrn Oberförster Schäffer. R 

Geschossen am 19. Februar 1919 im Jagdrevier 
Gemeinde Kleinaitingen bei Lager—Lechfeld. 

Nachricht durch Herrn Jäger und Präparator Georg Heifs, 
Augsburg, Ober Hunoldsgraben A. 88. 

Zeit: 3 Jahre, 8 Monate. 

Entfernung: 30 km nach SO. | 

Mitten im Winter geschossen. Also sefshaft geblieben. 
Es liegen nunmehr bereits 5 erbeutete Bussarde vor, die in 
Freihalden als junge Horstvögel markiert waren. Eine Winter- 
wanderung ergibt sich nicht aus diesen Fällen. Sämtliche 
Stücke sind in ihrer Heimat geblieben und haben auch da ge- 
brütet. Die Entfernungsziffern sind 25 km; 30 km; 40 km; 
40 km und 120 km. Die Zeitdauer von der Markierung bis zur 

19* 


284 J. Thienemänn: 


Erbeutung: 3 Monate; 2 Jahre; 3 Jahre; fast 3 Jahre und fast 
4 Jahre. 


5) Nr. 20146. Gezeichnet am 19. Mai 1917, und 
zwar als alt eingefangener Vogel, von Herrn Carl Stemmler 
bei Schaffhausen, Schweiz. 

Erbeutet am 1. Dezember 1917 in der Gemeinde la 
Teste de Buch Arrondissement de Bordeux, (Gironde) 
im südwestlichen Frankreich. Notiz stand in der „Revue fran- 
caise d’Ornithologie“ 1918 p. 232. Daraufhin liefen Meldungen 
ein von den Herren G. v. Burg aus Olten, Prof. Mathey- 
Dupraz aus Colombier, Prof. Poncy aus Genf und Baron 
R. Snouckaert van Schauburg aus Doorn. 

Der Bussard flog, als er geschossen wurde, in grofser Eile 
nach NO. ungefähr 40 m hoch. 

Zeit: 7 Monate. 

Entfernung: ca. 800 km nach SW. 

Der Bussard hat eine Südwestwanderung von einiger Aus- 
dehnung unternommen im Gegensatz zu den meisten markierten 
deutschen Bussarden, die sich mehr sefshaft zeigten. Im vorigen 
Jahresberichte lag ein Bussard aus Schaffhausen vor, der im 
Winter nur 78 km den Rhein abwärts geflogen war. 


Rauhfufsbussard (Archibuteo lagopus). 


Nr. 24795 C. Gezeichnet am 23. Dezember 1917 in 
Stobben bei Steinort Kreis Angerburg in Östpreufsen 
durch Herrn Lehrer Quednau. Der Vogel war frei gefangen, 
ein Fang beschädigt. 

Erbeutet am 8. Februar 1919 in Machern bei 
Breitenstein, Neumark. 

Meldung und Ring durch Herrn Rittergutsbesitzer Heyde- 
mann. Der Bussard wurde vergiftet im Parke aufgefunden. 

Die Krallen an einem Fange fehlen. Sind nachträglich ab- 
gefallen. Man sollte meinen, dafs ein Raubvogel durch den Ver- 
ust eines Fanges aufser Stand gesetzt sei, sich weiter zu ernähren: 
aber nein! Nicht nur dieser Rauhfufs hat sich als Krüppel sehr 
gut durchs Leben geholfen, sondern es liegt mir noch ein eben- 
solcher Fall vor. 

Zeit: 1 Jahr, 2 Monate. 

Entfernung: ca. 440 km nach SW. 

Dieser nordische Rauhfufs hat bei seinen Winterreisen das 
einemal das südliche Ostpreufsen, das andere Mal die Provinz 


Brandenburg passiert. Es können immer dieselben Wege ge- 
wesen sein. 


Waldkauz (Syrnium aluco). 


1) Nr. 20410 C. Gezeichnet als fast flügger junger 
Vogel auf dem Gute Lindenberg bei Neustrelitz, 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 285 


Mecklenburg am 14. Mai 1918 durch Herrn Major a. D. 
Küster. 

Geschossen am 18. Oktober 1918 in Kl. Luk ow bei 
Marin in Mecklenburg. 

Nachricht durch Frau von Schröder und Herrn Konser- 
vator C. Knuth in Schwerin, Mecklenburg. Der Waldkauz ist 
ausgestopft worden. Ich hofle ihn noch für die Sammlung zu 
bekommen. 

Zeit: 5 Monate. 

Entfernung: etwa 20 km nach N. 

Der Waldkauz ist in der Umgebung seines Heimatnestes 
geblieben. 


2) Nr. 21168. Am 3. Mai 1918 von Herrn Oberförster 
E. Schäffer in Freihalden, Schwaben (Bayern) aus 
einem im Taubenschlage befindlichen Neste genommen und auf- 
gezogen. Der Vogel flog frei umher und wurde früh und abends 
gefüttert. Am 18. September 1918 verschwand er. 

Erbeutet wurde der Kauz am 11. Dezember 1918 in 
Gabelbach bei Augsburg. 

Meldung durch Herrn Revierjäger Georg Heifs. 

Zeit: 4 Monate. 

Entfernung: Ganz in der Nähe geblieben. 


Mauersegler (Apus apus). 


Nr. 21982. Gezeichnet als alter Vogel im Frübjahr 
1915 in einem Starkasten in Heilbronn a. Neckar von 
Herrn Bacmeister. 

Am 8. Juni 1918 in demselben Kasten wieder angetroffen. 

Zeit: 3 Jahre. . 

Die Notizen, die Herr Bacmeister dazu gibt, sind von grofsem 
Interesse. Sie mögen daher dem Inhalt nach wiedergegeben 
werden. 

Im Frühjahr 1918 war der betreffende Starkasten, dessen 
Deckel sich bei der Besichtigung leicht abheben liefs, von einem 
Starpaar besetzt worden. Das Weibchen brütete auf 5 Eiern. 
Diese 5 Eier wurden von dem Seglerpaar, das den Kasten wieder 
räuberisch in Besitz genommen batte, restlos und spurlos entfernt. 

Beim Nachschauen am 8. Juni safs ein Segler im Nest. Ohne 
Scheu zu bezeigen liels er sich greifen. Er hatte auf einem Eie 
und einem eben ausgefallenen Jungen gesessen. An seinem Lauf 
befand sich der Ring, der ihm vor 3 Jahren angelegt war. Ring 
wie neu. Buchstaben und Zahlen so deutlich, wie wenn der Ring 
vor 3 Tagen, und nicht vor 3 Jahren angelegt worden wäre. 
Während der Vogel, offenbar das Weibchen, noch in der Hand 
gehalten wurde, kam plötzlich der andere Teil des Paares ins 
Nest und bedeckte Ei und Nestjunges. Wenn ein Ring bei der 
Hand gewesen wäre, so hätte auch dieses Stück mit Leichtigkeit 


286 J. Thienemann: 


markiert werden können. Das beringte Weibchen wurde dann in 

den Kasten zurückgesetzt, wo beide Gatten ruhig sitzen blieben. 

Am nächsten Tage (9. Juni) war auch das andere Ei ausgeschlüpft, 

und das beringte Weibchen safs auf den beiden nackten Jungen. 
Jahraus, jabrein in demselben Kasten gebrütet. 


Mehlschwalbe (Delichon urbica). 


1) Nr. 15041. Gezeichnet am 10. Juni 1915 in Neu- 
Rahden, Kreis Bauske, Kurland von Herrn Baron Ha- 
rald von der Ropp. 

Wiedergefangen als brütender Vogel ebenda am 
24. Juni 1918. 

Zeit: 3 Jahre. 


2) Nr. 21324. Gezeichnet als alter Vogel am 20. Juli 
1917 in Neu-Rahden, Kreis Bauske, Kurland von Herrn 
Baron Harald von der Ropp. 

Wiedergefangen am 29. Juni 1918 an derselben 
Stelle, jedoch in einem andern Neste und mit einem andern 
Gatten. 

Zeit: 1 Jahr. 


3) Nr. 18689. Gezeichnet als junger Nestvogel am 
12. Juli 1916 in Piktaszen bei Aglohnen, Kreis Memel 
von Herrn M. Berte. 

Wiedergefangen im Sommer 1918 ebenda etwa 100 m 
vom Beringungsorte entfernt von Herrn Skwirblies. Die 
Schwalbe wurde wieder freigelassen. Meldung durch Herrn 
Berte. 

Zeit: 2 Jahre. 


Dohle (Colaeus monedula). 


Nr. 18339E. Gezeichnet als alter Vogel am 3. April 
1914 in Heilsberg, Ostpr. durch Amtsrichter Tischler. 
Die Dohle war beim Suchen nach Nisthöhlen in den Schornstein 
gefallen. 

Geschossen am 13. Dezember 1918 in Borcherts- 
dorfbei Reddenau, Ostpr. Meldung durch Herrn Lehrer 
F. Lunau. | 

Zeit: 4 Jahre, 8 Monate. \ 

Entfernung: etwa 12 km nach N. 

Der Erbeutungstermin fällt in den Winter. Die Dohle ist 
also dageblieben. 


Star (Siturnus vulgaris). 
1) Nr. 27420 F. Gezeichnet im Frühjahr 1918 in 


Iggen, Kreis Talsen, Kurland durch Herrn Harald 
von der Brüggen. 


. 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 287 


Geschossen am 11. Oktober 1918 in Lindenau, 
Landkreis Graudenz, Westpreufsen. 

Fufs mit Ring durch Herrn Prof. Zours in Graudenz, 
Schwerinstr. 10. 

Zeit: etwa 5 Monate. 

Entfernung: etwa 450 km nach SW. 

Die betreffenden Starschwärme sind von den baltischen 
Provinzen den üblichen Weg nach Südwesten gezogen, nur etwas 
mehr in das Binnenland hinein wie sonst. 

Interessant ist es, die Erbeutungsdaten einiger anderer 
baltischen Stare zum Vergleich heranzuziehen. Livländische 
Jungstare, die im Juni markiert waren, wurden schon am 
26. Juni bei Elbing, am 5. Juli in Holland, am 16. Juli in 
Schleswig-Holstein, am 6. August bei Fischhausen, Ostpreulsen, 
angetroffen, und der vorliegende Kurländer befindet sich am 
11. Oktober noch in Westpreufsen. Der Star kann durch Krank- 
heit verhindert worden sein, er kann sich auch in Westpreufsen 
schon zum Überwintern angeschickt haben. Übrigens liegt schon 
ein kurländischer Star vor, der sich ebenfalls verspätet hatte. 
Er war am 7. September bei Stralsund in Pommern anzutreffen. 


2) Nr. 7560. Gezeichnet am 2. Juni 1913 inLisden 
bei Wolmar, Livland durch Harald Baron Loudon. 

Geschossen ebenda aus einem großen Schwarme 
heraus am 12. September 1914. Ring am untern Rande ab- 
geschliffen. 

Zeit: 1 Jahr, 3 Monate. 

In die Heimat zurückgekehrt. 


Buchfink (Fringilla coelebs). 


1) Herr Garnier meldet aus Homburg v. d. Höhe 
unterm 24. Mai 1918, dafs in der Nähe des Elisabethbrunnens 
ein markiertes Buchfinkenmännchen öfter zu beobachten sei. 
Nummer konnte nicht festgestellt werden. Buchfinken sind dort 
mehrfach beringt worden. 

Herr Garnier bemerkt dazu, dafs durch den Fall aber- 
mals bewiesen sei, dafs die Buchfinken in der Taunusgegend im 
Herbste fortziehen, um im Frühjahr zurückzukehren. 


2) Ein altes Buchfinkenmännchen, das Herr 
Lehrer A. Müller im Jabre 1917 auf dem Neste in Ebers- 
walde beringt hatte, wurde im Jahre 1918 im gleichen Garten 
als Nistvogel festgestellt. 


Grünling (Chloris chloris). 


Nr. 16302. Gezeichnet am 25. Januar 1916 von Herrn 
B. Volz in Hermsdorf bei Berlin. 


288 | J. Thienemann : 


Wiedergefangen ebenda am 20. Januar 1918 von 
Ing. Dluczewski in Hermsdorf. 

Zeit: 2 Jahre. 

Entfernung:O km. 

Der Vogel, der drei und fünf Tage nach dem ersten Ein- 
fangen, von Herrn Volz schon zweimal wiedergefangen worden 
war (s. XVI. Jahresbericht S. 352) ist also jahraus, jahrein an 
Ort und Stelle verblieben. 


Kohlmeise (Parus major). 


1) Nr. 22619 G. Am 30. August 1918 in Göttingen 
im Zimmer gefangen und von Herrn B. Quantz beringt. Ein 
alter Vogel. 

Wiedergefangen am 24. September 1918 von dem- 
selben Herrn in einem andern Zimmer, ferner am 9. Dezember 
1918 in Schlaggarn am Fenster und schliefslich nochmals am 
11. Dezember 1918 im Gartenhause. 


Zeit: 25 Tage, 100 Tage, 102 Tage. 


2%) Nr. 199066. Gezeichnet am 14. November 1916 im 
Garten von Herrn Neunzig in Hermsdorf b. Berlin. 

Wiedergefangen am 19. Dezember 1917 im Garten 
des Herrn Ing. Dluczewski in Hermsdorf. 

Zeit: 1 Jahr, 1 Monat. 

Entfernung: 500 m. 


8) Nr. 16153. 9 ad. Gezeichnet am 1. November 
1918 von Herrn Erwin Gebhardt in Nürnberg. 

Wiedergefangen ebenda am 26. Dezember 1918, also 
nach 56 Tagen. 


4) Nr. 16172 G. Gezeichnet am 28. Januar 1917 in 
Tann bei Pfarrkirchen, Niederbayern, durch Herrn Apotheker 
Haefner. Am Futterplatze frei gefangen. 

Wiedergefangen ebenda am 29. Dezember 1918 durch 
Herrn Karl Lamperstorfer. Die Meise war „frisch und 
munter“. 


Zeit: 1 Jahr, 11 Monat. 


Blaumeise (Parus caeruleus). 


Nr. 16100. Gezeichnet am 27. November 1915 von 
Herrn Erwin Gebhardt in Nürnberg. 

Wiedergefangen ebenda am 11. Januar 1919 nach 
3 Jahren, 1 Monat. 

Ring und Fufs tadellos. 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 289 


Sumpfmeisen. 


1) Nr. 23594 ad. Gezeichnet am 26. Dezember 1918 
von Herrn Erwin Gebhardt in Nürnberg. 

Wiedergefangen ebenda am Fr. Februar 1919, also 
nach 36 Tagen. 


2) Nr. 23595 ad. Gezeichnet am 3. Januar 1919. 
Wiedergefangen ebenda am 9. Januar 1919, also 
nach 6 Tagen. 


Meise (spec.). 


Nr. 1893. Der Ring wurde am 8. März 1913 an Kammer- 
herrn Baron Joh. von Maydell auf Kl. Ruhde bei Leal, 
Estland geschickt und ist ohne Zweifel dort einer Meise an- 
gelegt worden. Näheres konnte nicht ermittelt werden, da der 
betreffende Herr inzwischen gestorben ist, ebenso sein ein- 
ziger Sohn. 

Unterm 14. Mai 1918 meldet Herr Dr. M. von Midden- 
dorf iin Reval, Gr. Rosenkranzstr. 2, dafs nach einer Notiz 
in der in Reval in estnischer Sprache erscheinenden Zeitung 
„Paewaleht“ eine „Meise“ mit diesem Ringe in Martna Lay- 
küll gefangen worden sei. Der betreffende Zeitungsausschnitt 
wird beigefügt. 

Zeit unbestimmt. 

Entfernung: 4 km. 

Die Meise ist ansässig geblieben. 

Die Art ist nicht zu bestimmen. 


Wachholderdrossel (Turdus pilaris). 


Nr. 16012 F. Gezeichnet in Udenküll in Est- 
land. (Nach vorläufiger Mitteilung von Harald Baron 
Loudon.) 

Erbeutet Ende Oktober 1914 in Norwegen. 

Zeit unbestimmt. 

Über die Ostsee nach Westen gezogen. 


Amsel (Turdus merul«). 


Nr. 21455. Ring am 18. Juni 1914 an Herrn stud. chem. 
Georg Schudel nach Schaffhausen Puppergasse 40 ge- 
schickt. 

Ein Amselweibchen mit diesem Ringe wurde am 
13. Juni 1918 in Zürich im Garten des Herrn Oskar Hannart 
Bergstrafse 55 gefangen. 

Zeit unbestimmt, da Beringungstermin unbekannt. 

Entfernung: etwa 37 km nach 9. 


290 J. Thienemann: 


Kleinvögel, 


die von Herrn Leutnant Rutkowsky im Offiziergefangenen- 
lager Berxen bei Vilsen in Hannover gezeichnet und ebenda 
wiedergefangen wurden. 

Siehe dazu die Bemerkungen im vorigen Jahresberichte 
Seite 379. 

Es sollen nur die bemerkenswertesten Fälle aufgeführt 
werden, die eine lange Sefshaftigkeit der betreffenden Vögel be- 
weisen; denn die vielen Meisen, namentlich Kohlmeisen, aufzu- 
zählen, die entweder sogleich oder sehr bald nach dem Markieren 
immer und immer wieder eingefangen wurden, hat keinen Zweck. 
Es mag genügen auf diese Tatsache hinzuweisen. 

Zunächst sollen 4 Kohlmeisen genannt werden: 


1) Nr. 19837. 9. Gezeichnet am 23. Februar 1917. 

Wiedergefaängen am 8. März 1917 nach 13 Tagen; 
am 21. März nach 26 Tagen; am 26. März nach 31 Tagen und 
am 3. Januar 1918 nach 10 Monaten, 10 Tagen. 


2) Nr. 19848 9. Gezeichnet 11. April 197”. 

Wiedergefangenam 17. Januar 1918 nach 9 Monaten, 
6 Tagen. | 

3) Nr. 19864 9. Gezeichnet am 19. Oktober 1917. 

Wiedergefangen am 17. Januar 1918 nach 90 Tagen. 


4) Nr. 19865 9. Gezeichnet am 20. Oktober 1917. 
Wiedergefangen am 7. Januar 1918 nach 79 Tagen, 


Es folgt ein Buch fink (Fringilla coelebs): 

Nr. 19849 9 Gezeichnet am 22. April 1917. 

Wiedergefangen am 24. April 1917 nach 2 Tagen; 
am 25. Dezember 1917 nach 8 Monaten, 3 Tagen; am 8. Januar 1918 
nach 8 Monaten, 17 Tagen; zweimal am 11. Januar 1918 nach 
8 Monaten, 19 Tagen; am 22. Januar 1918 nach 9 Monaten; 
am 2. Februar 1918 nach 9 Monaten, 11 Tagen und schliefslich 
am 1. März 1918 nach 10 Monaten, 6 Tagen. Der Vogel ist also 
8 mal windergefangen worden. 


Kleinvögel, 


die durch Herrn Pfarrer a. D. Wilhelm Schuster in Heil- 
bronn a./Neckar gezeichnet und ebenda wieder gefangen wurden: 


a) Kohlmeisen, 


1) Nr. 21268. Gezeichnet am 12. Oktober 1917. 
Wiedergefangen am 15. November und 31. Dezember 
1917 nach 33 und 80 Tagen. 


2) Nr. 21265. Gezeichnet am 13. Oktober 1917. 
Wiedergefangen am 2. November 1917 nach 20 Tagen. 


XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 291 


3) Nr. 21250. Gezeichnet am 8. November 1917. 
Wiedergefangen am 25. Dezember 1917 nach 47 Tagen. 


b) Blaumeise, 


Nr. 21260. Gezeichnet am 16. Oktober 1917. 
Wiedergefangen am 24. Dezember 1917, 2. Januar 1918 
und 4. Januar 1918 nach 69, 78 und 80 Tagen. | 


c) Sumpfmeise, 


Nr. 20900. Gezeichnet am 30. Dezember 1917. 
Wiedergefangen am 3. Januar 1918 nach 4 Tagen. 


Sollen Subtilformen benannt werden ? 
Von Erwin Stresemann. 


Die neueste Arbeit Kleinschmidts!) zeigt, dals ihr Verfasser 
auf dem Wege, den er seit Jahren in der Bewertung geogra- 
phischer Variation eingeschlagen hat, rüstig weiter schreitet, 
unbeirrt durch die Kritik, die sein Vorgehen von seiten der 
meisten Systematiker erfahren hat. 

Er milst selbst den kleinsten Abweichungen in der geogra- 
phischen Variation Bedeutung bei, auch dann, wenn sie nicht 
konstant sind, sondern nur bei einem geringen Bruchteil der 
Individuen in die Erscheinung treten. „Wenn man nicht begreift, 
dals Rassen mit variablen Merkmalen die interessantesten sind, 
dafs nicht das Einzelstück, sondern die verschiedene Pendelweite 
der Variationsreihe unterscheidet, so huldigt man veralteten 
Ansichten über das Wesen der geographischen Variation.“ Der 
Kritik an seiner Strix flammea rhenana begegnet er mit der 
Bemerkung: „Man kann natürlich zahlreiche ganz gleichgefärbte 
Stücke aus Frankreich und Mitteldeutschland finden, aber sie 
stehen jedes auf einer anderen Stufe der Variationsskala ihrer 
Rasse. A, gleicht nicht B,, sondern vielleicht B,, A, gleicht B, etc.“ 

Kleinschmidt wehrt sich hier gegen einen Einwand, den 
kein fortschrittlicher Systematiker gegen seine Gedankengänge 
erheben wird. Die theoretische Möglichkeit, ja die Wahrschein- 
lichkeit, dafs — um bei diesem Beispiel zu bleiben — die rhei- 
nischen und nordfranzösischen Schleiereulen auf einer Zwischen- 
stufe zwischen den mitteldeutschen (gutiata) und den italienischen 
(alba) stehen, wird ohne weiteres zugegeben werden, ‚wenn eS 
auch bei der ungewöhnlich grofsen individuellen Variabilität der 
Schleiereulen, welche in der Richtung der geographischen Variation 


1) W. Bacmeister und O. Kleinschmidt, Zur Ornithologie von Nord- 
ost-Frankreich. J. f. O. 1918, p. 245 —284. 


292 Erwin Stresemann: 


pendelt, sehr schwer fällt, diesen Beweis zu liefern. Kleinschmidt 
glaubt hierfür ein hinreichendes Material zu besitzen; geben 
wir zu, dafs es ihm tatsächlich in genügendem Umfang vorliegt 
und er den Nachweis führen kann, dafs A, nicht B,, sondern B, 
entspricht: so kommen wir doch sogleich an einen Punkt, in 
dem wir nicht mehr mit Kleinschmidt gehen können. Dieser 
betrifft die Bezeichnung solcher Übergangsformen (oder, wie 
Kleinschmidt sie nennt, Zwischenformen, nämlich der zwischen 
zwei benannten Formen vermittelnden Rassen). 

Wollten wir in jedem Falle, in dem wir minutiöse geogra- 
phische Abweichungen auf Grund grofser Serien feststellen 
können, diese Tatsache durch einen Subspeziesnamen festlegen, 
so würde in einigen Jahren oder Jahrzehnten unsere Nomen- 
klatur mit einem Wust von Namen überbürdet sein, der uns zu 
ihrer völligen Neugestaltung zwingen würde: die quaternäre 
Nomenklatur, dieses Schreckgespenst aller Systematiker, wäre 
die unausbleibliche Folge. 

Kleinschmidt findet, dafs der schlesische Kleinspecht in der 
Serie weder dem schwedischen minor, noch dem mitteldeutschen 
hortorum völlig gleicht, sondern zwischen beiden steht. Die 
Unterschiede sind jedoch nach beiden Seiten hin sehr gering und 
ohne gröfseres Material nicht feststellbar. Er nennt ihn Den- 
drocopus minor silesiacus. Hat Kleinschmidt den Kleinspecht 
Posens, Westpreufsens, Schleswig-Holsteins schon in einer langen 
Serie mit Schlesiern und Schweden vergleichen können? Ist 
die Wahrscheinlichkeit nicht sehr beträchtlich, dafs die Posener 
zwischen Schlesiern und Westpreufsen, die Westpreufsen zwischen 
Pommern und Schweden vermitteln? Ja dafs schliefslich die 
Vögel aus dem nördlichen Teil Posens zwischen Westpreufsen 
und Südposener stehen? Wohin soll es führen, wenn alle diese 
Subtilformen, deren Existenz vielleicht an Reihen von 500 Bälgen 
wird nachgewiesen werden können, einen Namen erhalten? 

Der moderne Ornithologe teilt Kleinschmidts Freude an 
den „zusammenhängenden Formenketten“ durchaus. Die geistige 
Herrschaft der „engherzigen Systematiker“, welche „nur auf 
scharfe Abgrenzung ihrer Formen bedacht“ sind, ist vorüber — 
nicht zum wenigsten infolge der neuen Ideen, welche Klein- 
schmidt in die Rassenforschung hineingetragen hat. Dennoch 
müssen wir, soll unsere Namengebung nicht verwildern, auf dem 
Standpunkt stehen bleiben und, wo nötig, zu ihm zurückkehren: 

Ein eigener ternärer Name gebührt nur 
einer Form, die so gut ausgeprägt ist, dafs 
mindestens die Hälfte der Individuen von 
der nächstverwandten benannten Form unter- 
scheidbar ist. Bei räumlich gesonderten (z. B: auf Inseln 
beschränkten) Formen und Endgliedern einer Formenkette wird 
auch ein geringerer Unterschied die ternäre Benennung recht- 
fertigen. 


Sollen Subtilformen benannt werden? 293 


Soll man nun die Bindeglieder, welche von einer dieser Formen 
zur anderen überleiten, unter diese beiden Namen zwängen, und die 
A ähnlicheren zu A, die B ähnlicheren zu B stellen? Nein! Dies 
hiefse, um mit Kleinschmidt zu reden, die Natur vergewaltigen. 

Zum Ausdruck der Tatsache, dafs eine Formengruppe sich 
nicht allein aus zwei Extremen zusammensetzt, sondern dals 
vielmehr feinste Abstufungen von einem Ende zum anderen 
führen, gibt es ein weit klareres Hilfsmittel als ternäre Be- 
nennung der Subtilformen. Es sind dies die ohne weiteres ver- 
ständlichen Zeichen > und <, welche zuerst von A. B. Meyer 
in die ornithologische Nomenklatur eingeführt wurden mit fol- 
gender Begründung: 

„Vielleicht wird künftig — wenn das Bedürfnis nach 
diesem Schritt grols genug geworden ist — eine ziemlich be- 
trächtliche Änderung in der gegenwärtigen Nomenklatur ein- 
treten, und zwar in folgender Weise: Species, wie sie gegen- 
wärtig definiert werden, werden ihre ursprüngliche binäre, 
Subspecies ihre ternäre Benennung behalten; der Grad der 
Verwandtschaft jedoch zwischen den diese Subspecies verbindenden 
Formen wird mit Hilfe von Zahlen ausgedrückt werden — etwa 
nach Art chemischer Formeln. | 

So wird im Falle von Haliastur indus — wenn wir vier Ver- 
wandtschaftsgrade berücksichtigen — die typische Subspecies 
Haliastur indus typicus, die Form von Neuguinea H. indus 
girrenera heilsen; die Form von Celebes, von der man vermuten 
darf, dafs sie girrenera um drei mal näher steht als Zypicus, 
wird bezeichnet werden als H. indus, gürrenera;; die javanische 
Form, die hinsichtlich ihrer Kennzeichen gerade in der Mitte 
steht, als H. indus, girrenera,, die Form von Malacca als 
H. indus,; girrenera,. Diese Methode könnte bis zu jedem be- 
liebigen Grad der Verfeinerung durchgeführt werden und ist 
gewils weniger kompliziert als der Gebrauch einer quaternären 
Benennung wie Haliastur indus girrenera ambiguus. 

Geeigneter für die ornithologischen Bedürfnisse der Gegen- 
wart, so lange als mathematische, zahlenmäfsig wiederzugebende 
Genauigkeit gemeinhin unmöglich ist, sind die Zeichen > und <, 
welche wir in folgender Weise anwenden: 

Haliastur indus > girrenera bedeutet, dafs das so be- 
zeichnete Exemplar dem typischen indus mehr gleicht als 
girrenera (z. B. normale Vögel von Ceylon, Sumatra etc.). 

Haliastur indus < girrenera bedeutet: ähnlicher görrenera 
als indus (Celebes etec.). 

Haliastur indus — girrenera besagt, dafs der Vogel zu 
gleichen Teilen Kennzeichen von indus und girrenera in sich 
vereinigt, also in der Mitte stebt (Java etc.)“ }). 


1) Meyer & Wiglesworth, The Birds of Celebes. Vol. I, 1898, 
p. 58—54 (englisch). 


294 Erwin Stresemann: 


Ich habe diese Formeln bereits mehrfach angewendet?) mit 
der Änderung, dafs ich zur Bezeichnung der genau intermediären 


Form das zweideutige Zeichen = durch das Zeichen = ersetzte ; 


bald darauf wurden sie auch durch Hartert benutzt, und zwar 
bei den Schleiereulen 2). Wenn Hartert die natürliche Stellung 
der süd- und westfranzösischen Schleiereulen mit Zyto alba alba 
> guttata andeutet, so will er damit keineswegs (wie Kleinschmidt 
irrtümlich annimmt®) ) zum Ausdruck bringen, dafs er sie für 
eine Mischrasse hält, sondern er betrachtet sie mit Kleinschmidt 
als eine Übergangsform „näher alba als guttata‘‘. 


Wir sind also der Meinung, dafs eine entschlossene Reform 
unserer Namengebung unter Anwendung der Formeln dringend 
nottut. Gewifs, der Name Dendrocopus minor silesiacus ist nun 
einmal gegeben; und dennoch, fort mit ihm ohne bureaukratische 
Bedenken, auch wenn Kleinschmidts Angaben sich bestätigen 
(was ich nicht bezweifle)! Ersetzen wir ihn durch die bezeichnende 


Formel Dryobates minor minor = hortorum! Später wird sich 


vielleicht erweisen, dafs er dem mitteldeutschen Kleinspecht im 
Verhältnis 5:3 näher steht als dem schwedischen, wir werden 
ihn dann Dryobates minor minor, hortorum, nennen (woneben 
es anderwärts D. m. m. hr, D. m. m. Rz, D. m. m. h., D. m. 
M.; ha, D. m. m.; h.., D. m. m, h, geben würde). Es ist aber 
sehr zu bezweifeln, dafs dieser Grad der Verfeinerung unserer 
Benennungsmöglichkeit je erreicht werden wird; über die Nach- 
weisung der drei Verwandtschaftsgrade D. m. minor > hortorum, 


D. m. minor = hortorum und D. m. minor < hortorum werden 


wir wohl nie hinauskommen‘.) 


1) Novit. Zoolog. XIX, 1912, p. 333; XX, 1913, p. 307, 810, 
376 etc. 


2) Die Vögel der paläarktischen Fauna Heft VIII, 1913, p. 1034. 

3) Glaubt Kleinschmidt wirklich, Hartert des „eingefleischten Vor- 
urteils“ bezichtigen zu müssen, „eine Rasse müsse ganz einförmig sein 
und dürfe nicht in Farbenvariationen spielen“? Hat Hartert nicht un- 
zählige Male gezeigt — erinnert sei hier nur an die Variationsbreite, die 
er seiner Billa europaea homeyeri zuerkennt — dals er von diesem Vor- 
urteil gänzlich frei ist? 

*) In dieser Weise könnten viele der neuerdings aufgestellten 
Namen wieder aus dem Gebrauch verschwinden, obne in die Synonymie 
von Formen gestellt werden müssen, mit denen ihre Träger nicht völlig 
identisch sind. Dryobates minor bacmeisteri ist vielleicht wiederzu- 
geben durch D. m. hortorum > buturlini, Lanius excubitor galliae 


durch L. e. excubitor E meridionalis, Dryobates major arduennus 


Sollen Subtilformen benannt werden? 295 


Eine Formel ist kein Name im Sinne der Nomenklaturgesetze. 
Sie belastet daher die Synonymie nicht, auch wenn sich später 
herausstellt, dafs sie falsch ist und durch eine genauere Formel 
ersetzt werden kann, oder dafs die zunächst vermutete Zwischen- 
form gar nicht besteht. 

Nach seinem eigenen Bekenntnis ist Kleinschmidt „‚keines- 
wegs erpicht Jarauf, neue Namen aufzustellen“. Wird sich auch 
auf anderer Seite die Eitelkeit der Einführung der Formeln nicht 
entgegenstellen ? 

Man wird dem Vorschlag, Formeln zur Bezeichnung schwach 
gekennzeichneter Vermittlungsformen anzuwenden, entgegenhalten, 
dafs häufig nicht die beiden Extreme benannt worden sind, 
sondern gerade das Bindeglied einen Namen trägt. Auch dieser 
Fall ist von Meyer und Wiglesworth bereits in Erwägung gezogen 
und die Schwierigkeit in völlig befriedigender Weise gelöst worden. 

„Eine kurze Überlegung wird begreiflich machen, dafs der 
Sache wenig gedient ist, wenn man zwischen zwei Rassen 
stehende intermediäre Formen ternär benennt. Solche Namen 
sind nicht nur ein zweckloser Ballast, sondern auch irreführend, 
da sich mit ihnen die Vorstellung verbindet, die Art habe sich 
hier zu einer ausgeprägten Rasse entwickelt. Nur dort kann ter- 
näre Nomenklatur ohne Schaden angewendet werden, wo die 
Rassenvariation ihr Extrem erreicht.“!) Die Autoren scheuen 
sich daher nicht, den Namen Tinnunculus moluecensis, der für 
einen Vogel aus Ambon aufgestellt worden war, als Subspecies- 
bezeichnung ganz fallen zu lassen und dafür die beiden bisher 
namenlosen Variationsextreme zu benennen, woraus sich nun er- 
gibt: Tinnunculus moluccensis orientalis (Nord-Molukken), 7. 


moluecensis orientalis = occidentalis (Süd-Molukken), Z. moluc- 


censis occidentalis (Sunda-Bogen und Celebes). 

Es ist durchaus wünschenswert, dafs dieser gesunde Gedanke 
auch in die Nomenklatur paläarktischer Vögel seinen Einzug 
hält. Wie viel ist früher aus Unwissenheit in diesem Punkte 
gesündigt worden, wie oft trägt noch heute Gedankenlosigkeit 
dazu bei, unserer Nomenklatur neue Mängel hinzuzufügen. Wir 
dürfen uns beglückwünschen, dafs Linne ein Schwede und kein 
Schlesier war und die von ihm beschriebenen europaeischen 
Vögel darum grofsenteils ein Variationsextrem darstellen. Zu 
bedauern ist dagegen, dafs Vater Brehm in Renthendorf und 


durch D. m. pinetorum = anglieus, „D. major prope arduennus“ 


(Darmstadt) durch D. m. pinetorum > anglicus. 

1) Meyer und Wiglesworth, I. c. p. 79. Damit soll jedoch nicht 
bestritten werden, dafs innerhalb derselben Formenreihe mehrmals ein 
Stadium erreicht werden kann, welches eine ternäre Benennung rechtfertigt. 
Vgl. die Kleinspecht-Kette von immaculatus bis ledouci, 


296 Erwin Stresemann: 


nicht am Rhein sals; wäre dies der Fall gewesen, so sähe die 
Nomenklatur deutscher Vögel ganz anders aus und wäre weit 
befriedigender. 

Gar häufig ist die „typische Lokalität“ recht unglücklich 
gewählt worden. Erst jüngst hat Jourdain die italienische Schwanz- 
meise als Aegithalus caudatus italiae von irbii abgetrennt und 
als Typus einen Vogel von Cremona bestimmt. Nun stellt es sich 
heraus, dafs es bei Cremona gar keine reinblütigen Schwanz- 
meisen, sondern nur eine Mischrasse zwischen graurückigen 
„italiae“ und schwarzrückigen caudatus gibt (Mischungsverhältnis 
etwa 1:1), und dafs man die graurückigen Cremonavögel mit 
ebenso geringem Recht als typische Italiener betrachten kann 
wie etwa weilsköpfige Bayern als typische caudatus. Es sind 
lediglich spaltende Bastarde! Wäre es hier nicht am Platze, 
den Namen ifaliae zu verwerfen und die italische Form neu zu 
benennen nach einem mittel- oder vielleicht besser noch süd- 
italienischen Vogel? 

Ist es nicht in gleicher Weise bedauerlich, dafs der mittel- 
europäische Waldbaumläufer aus Mitteldeutschland und nicht 
von seiner Verbreitungsgrenze am Rhein (rhenana Kleinschm.) 
beschrieben wurde? Zahllose Beispiele dieser Art werden sich 
jedem aufdrängen, der „an zusammenhängenden Formenketten 
seine Freude hat“. Sie mahnen dazu, bei der Wahl der typischen 
Lokalität für eine neue Form darauf Bedacht zu nehmen, dafs 
sie so weit wie möglich vom Verbreitungsgebiet der Nachbar- 
formen entfernt liegt. 

Das wird sich freilich nicht immer ermöglichen lassen. 
Noch sind wir zu häufig auf den Zufall angewiesen, der dem 
Sammler ein Exemplar einer unterscheidbaren Form gar zu gern 
an einem höchst unglücklich gelegenen Punkt in die Hände spielt. 
Soll aber unser Namensystem etwas anderes darstellen als eine 
Chronik der Entdeckungen, soll es dereinst ein getreuer Aus- 
druck der zoogeographischen Verhältnisse sein, welche die Natur 
offenbart, so müssen wir uns entschliefsen können, die typischen 
Lokalitäten mit Hilfe von Neubenennungen in die Gipfelpunkte 
der Formenketten zu verrücken. 

Nicht immer sind übrigens zwei benachbarte Subspezies 
durch Übergänge verbunden, auch auf dem Kontinent nicht. 
Gebirgszüge trennen mitunter scharf (so scheinen in mehreren 
Fällen Übergänge zwischen den Brutformen Griechenlands und 
Mazedoniens nicht zu bestehen). Noch häufiger fehlen Binde- 
glieder zwischen Inselformen und denen des benachbarten Kon- 
tinents. Kleinschmidt scheint uns durch theoretische Erwägungen 
vom sicheren Boden empirischer Forschung entführt worden zu 
sein, wenn er z. B. nach einem 9, im Februar in Frankreich 
erlegt, den „französischen“ Sperber benennt, „um endlich einmal 
zum Ausdruck zu bringen, dafs zwischen Aceipiter nisus L. von 
Schweden und der sardinischen Form wolterstorffi Zwischenformen 


Sollen Subtilformen. benannt werden? 297 


existieren“. Uns vermag dieser Beweis keineswegs zu über- 
zeugen; ja wir halten es für sehr wohl möglich, dafs zwischen 
nisus und wolierstorffi keinerlei Bindeglieder eingeschaltet sind! 
Es wäre sehr zum Schaden für unsere Wissenschaft, wenn sie 
die meisten der neuen „Subspezies“ Kleinschmidts als etwas 
anderes betrachtete als den Ausfluls geistvoller Arbeitshypothesen, 
welche unseren Blick schärfen und leiten sollen. Inwieweit 
Kleinschmidt Recht hat, kann erst die Zukunft lehren; dafs er 
vielfach Recht behalten wird, ist jedoch kaum zweifelhaft. 


Ergänzung zu meiner Arbeit: „Zug und Wanderung der 
Vögel Europas nach den Ergebnissen des Ringversuchs“ 


(Journal für Ornithologie 1919). 
Von Friedrich von Lucanus. 


Die Einleitung genannter Arbeit enthält einen Ueberblick 
über die historische Entwicklung des Ringversuchs. Die hier von 
mir gemachte Angabe, dafs die erste Anregung, den Zug der 
Vögel auf experimentellem Wege zu erforschen, von Millet im 
Jahre 1866 gegeben wurde, beruht auf einen Irrtum. Seilkopf 
weist in seiner Arbeit „ein Beitrag zur Geschichte des Beringungs- 
versuches an Zugvögeln“ (Ornith. Monatsberichte 1915 p. 11) 
darauf hin, dafs bereits im achtzehnten Jahrhundert Johann Leo- 
nard Frisch Schwalben mit roten Fäden, die er nach Art eines 
Ringes um den Fufs legte, gezeichnet hat. Frisch wollte hierdurch 
die damals allgemein verbreitete Ansicht, dafs die Schwalben in 
Teichen und Sümpfen einen Winterschlaf halten, kontrollieren. Er 
meinte, die rote Farbe der Fäden müsse durch die lange Ein- 
wirkung des Wassers aufgelöst werden. Die Schwalben kehrten 
jedoch im folgenden Frühjahr mit roten Fäden zurück, woraus 
Frisch schlofs, dafs sie nicht im Wasser überwintert haben konnten, 
sondern offenbar wie andere Zugvögel nach dem Süden gezogen 
waren. Mit Recht weist Seilkopf darauf hin, dafs hierdurch 
zum ersten Male die Rückkehr der Schwalben in ihre Heimat 
wissenschaftlich nachgewiesen sei, wie es später durch das Ring- 
experiment erfolgt ist. — 

Frisch schildert seinen Versuch in seinem Werke „Vorstellung 
der Vögel in Teutschland,“ Berlin 1763. Der Teil, welcher die 
Schwalben enthält, erschien bereits 1740. Falls sich also keine 
andere ähnliche Mitteilung in noch älterer Literatur befindet, so 
mufs der Anfang der experimentellen Vogelzugforschung auf das 
Jahr 1740 zurückgeführt werden. — a 

Eine zweite Angabe über Vogelberingung aus älterer Zeit, 
die ich ebenfalls in meiner Arbeit nicht angeführt habe, befindet 
sich in dem „Taschenbuch der deutschen Vögelkunde‘ von Meyer 


Journ, f. Orn. LXVIT, Ja'rg. Juli 1919, 20 


298 Friedrich von Lucanus: Zug und Wanderung der Vögel Europas. 


und Wolf aus dem Jahre 1810. In Teil 2, Seite 348 schreibt 
Meyer: „ Herr Professor Brugmanns in Leyden versicherte mich, 
dafs er die ganze Brut junger Störche, welche auf seinem Gar- 
tenhaus 1804 -geheckt worden seyen, mit einem Zeichen an dem 
Fufs vor ihrem Wegzug versehen habe, sie seinen ohngefähr in 
derselben Anzahl im Frühjahr 1805 auf derselben Stelle wieder 
erschienen, aber keiner habe das Zeichen mehr an dem Fulse 
gehabt.“ 

Leider wird nicht näher angegeben, auf welche Weise die 
Störche kenntlich gemacht waren. Das Zeichen war offenbar von 
den Vögeln selbst entfernt worden, oder auf andere Weise ver- 
loren gegangen. — 

Diese beiden Angaben über Vogelberingung aus älterer Zeit, 
die von mir bei der Anfertigung meiner Arbeit leider übersehen 
worden sind, sind für die Geschichte des Ringversuchs von ganz 
besonderer Bedeutung. Da sie in „Zug und Wanderung der 
Vögel Europas nach den Ergebnissen des Ringversuchs“ von mir 
nicht erwähnt worden sind, so möchte ich nicht versäumen, zur 
Berichtigung und Ergänzung meiner Arbeit nachträglich darauf 
hinzuweisen. 


Über einige Vögel der deutschostafrikanischen Südküste. 
Von Hermann Grote. 


Die nachfolgenden Bemerkungen sind eine Ergänzung meiner 
im Journal für Ornithologie 1912/13 veröffentlichten Arbeit 
„Beitrag zur Ornis des südöstlichen Deutsch-Ostafrika“. — Herr 
Geheimrat Reichenow hatte wiederum die grofse Freundlichkeit, 
mir zu Vergleichszwecken das riesige Material des berliner 
Museums in uneingeschränktestem Malfse zur Verfügung zu stellen, 
wofür ihm auch an dieser Stelle noch einmal verbindlichst ge- 
dankt sei. 

Rynchops flavirostris Vieill. 

Den Scherenschnabel hat Ludwig Schuster am unteren Ro- 
wuma angetroffen (cfr. Ornith, Monatsber. 1913, pag. 138); dieser 
Vogel fehlt in meiner Liste der Ornis des südöstlichen Deutsch- 
Ostafrika (l. c.). 


Rhinoptilus chalcopterus obscurus O. Neum. 

In meiner cit. Arbeit als Khinoptilus chalcopterus (Tem.) auf- 
geführt. 

Pternistes nudicollis subsp. 

Der von mir 1. c. als Piernistes humboldti (Peters) ? auf- 
geführte nackthalsige Frankolin gehört vermutlich — wie die an 
der südostafrikanischen Küste lebenden zur Gruppe nudicollis 
gehörigen Frankoline überhaupt — nicht zu der von Peters be- 
schriebenen Form humboldti. Diese ist auf ein vom Autor bei Tette 


Über einige Vögel der deutschostafrikanischen Südküste. 299 


in Portugiesisch-Ostafrika, südwestlich vom Niassasee, gesammeltes 
ganz junges Q begründet, das zu grofsem Teil noch das Jugend- 
kleid trägt und in folgedessen nur in sehr bedingtem Malse zu 
Vergleichszwecken herangezogen werden kann. Immerhin läfst 
sich ein von den Küstenvögeln etwas verschiedener Färbungston 
der Brust feststellen. Eine gröfsere Reihe von westlich vom 
Niassa gesammelten Stücken wird wohl die Verschiedenheit dieser 
echten humboldti von den Vögeln der Südküste Deutsch-Ostafrikas 
und der Mossambikküste erweisen. Übrigens variieren die Küsten- 
vögel im graueren resp. brauneren Ton der Rückenfärbung und 
in der breiteren resp. schmäleren Ausbildung der Schaftflecke 
resp. -streifen der Rückenfedern. Vermutlich sind die Hähne 
im allgemeinen (doch durchaus nicht immer) grauer, die Weibchen 
brauner; letztere mögen in der Regel auch mehr Schwarz auf 
dem Rücken zeigen. Die starke Ausbildung der weifsen Färbung 
an den Kopfseiten ist offenbar rein individuell. 

Betreffs des in diese Gruppe gehörigen Piernistes leucopa- 
raeus Fschr. u. Rchw., den Reichenow in seinem Kapitalwerke 
„Die Vögel Afrikas“ mit Piernistes humboldti vereinigt hat, bin 
ich der Ansicht Prof. OÖ. Neumann’s (Journ. f. Ornith. 1898, 8. 
299—300), dafs diese beiden Formen nicht zusammengeworfen 
werden dürfen (andere Brustzeichnung!),. — Ein endgültiges 
Urteil über die Vertreter der nudicollis-Gruppe in Ostafrika wird 
erst auf grund einer reichen, mit genauen Fundortsangaben ver- 
sehenen Reihe dieser Vögel abgegeben werden können. 


Milvus aegyptius parasiticus Daud. 
Nach E. Hartert (Bull. Brit. Orn. Cl. 33, 1914, 90) ist der 


Schmarotzermilan des tropischen und südlichen Afrikas vom 
egyptischen Milvus aegyptius Gm. zu trennen. 


Lybius sombae Shell. 


Meine beiden Stücke von Mikindani stehen in der Entwick- 
lung der bräunlichweifsen Spizenflecke der Federn des Vorder- 
halses und der Kopfseiten zwischen dem typischen zombae und 
der von Prof. O. Neumann abgetrennten Rasse ZL. 2. albigularis. 
Ob Lybius zombae albigularis vielleicht nur ein typischer L. 
zombae in frischvermausertem Gefieder ist? 


Dendromus nubicus scriptoricauda Rehw: 


Ein von mir gesammeltes @ (No. 169) hat goldgelbe Spitzen 
der äufseren Schwanzfedern und dürfte somit einen Übergang 
zur jüngst von Reichenow aufgestellten Form aureicuspis bilden. 


Coracias caudatus suahelicus O. Neum. 


In meiner eit. Arbeit als Coracias caudatus L. aufgeführt. 
20* 


300 Hermann Grote: 


Irrisor erythrorhynchos marwitzi Rchw. 
Das (einzige) junge Stück meiner Sammlung mufs ich zu 
dieser Form rechnen. In meiner cit. Arbeit als Irrisor erythro- 
rhynchos (Lath.) aufgeführt. 


Muscicapa grisola neumanni Poche. 


Der von mir bei Mikindani gesammelte Graue Fliegen- 
schnäpper gehört der lichten sibirischen Rasse an. 


Chlorophoneus quadricolor intercedens Rchw. 
Meine beiden Stücke (0'0') haben kürzere Flügel als der 
im Berliner Zoolog. Museum befindliche Typus (aus Morogoro, 
Useguha, D. O. Afr.), auch ist das schwarze Brustband breiter, 
doch mag der Unterschied vielleicht an der Präparation liegen. — 
In meiner cit. Arbeit als Chlorophoneus quadricolor Cass. aufgeführt. 


Laniarius aethiopicus hybridus O. Neum. 


Das von mir in meiner cit. Arbeit vorbehaltlich zu Lani- 
arius maior mossambicus Rehw. gestellte junge Stück (No. 78 
vom 18. VI) mit schwärzlichgrauer Oberseite und blafsbraun- 
gelblicher Unterseite gehört zu Laniarius aethiopicus hybridus 
O0. Neum. 

Oriolus larvatus subsp. 


... Es ist dies offenbar die vom Grafen O0. Zedlitz in seiner 
Übersicht über die Rassen von Oriolus larvatus (Cfr. Journ. f. 
Ornith. 1916, p. 1—4) unbenannt gelassene Form „vom Niassa 
und Tanganjika bis zentralafrikanisches Seengebiet und Uganda, 
ostwärts bis Brit. O.-Afrika“. Meine beiden Stücke (J'0') von 
Mikindani haben 127 resp. 135 mm. Flügellänge, sie können 
also nicht gut zur kleinflügeligen Rasse Oriolus larvatus 
reichenowi Zedlitz gestellt werden. 

In meiner cit. Arbeit war der Maskenpirol des Mikindani- 
gebiets irrtümlich als Oriolus larvatus rolleti Salvad. aufgeführt 
worden. 


Amadına fasciata alexanderi O. Neum. 
In meiner cit. Arbeit als Amadina fasciata (Gm.) aufgeführt. 


Pytilia melba grotei Rehw. 

Pytilia melba grotei Rehw. unterscheidet sich leicht von 
den anderen bekannten Rassen der Pytilia melba mit ungebän- 
derten Unterschwanzdecken dadurch, dafs beim g' das Rot der 
Stirn bis auf den Scheitel ausgedehnt ist, auch erstreckt sich 
die rote Färbung der Kehle bis auf den Kropf und die Vorder- 
brust. Die grüne Färbung des Rückens ist wie bei Pytilia 
melba angolensis Rchw. satter und leuchtender, als bei südafri- 
kanischen melba. Das Verbreitungsgebiet von grotei erstreckt 


‘“ 


Über einige Vögel der deutschostafrikanischen Südküste. 801 


sich nach Norden ungefähr bis Useguha (woher im Berliner 
Museum ein von Fischer gesammeltes Stück vorhanden ist, das 
zwar etwas weniger weit ausgedehntes Rot auf dem Oberkopfe 
zeigt, als meine Mikindanivögel und ein von Stuhlmann bei 
Kionga gesammeltes Stück, aber immerhin zur genannten Form 
zu stellen ist). 


Estrilda astrild \toris nov. subsp. 


Die Küstenvögel Deutsch-Ostafrikas und Sansibars stehen 
in ihren Flügelmafsen zwischen der typischen minor Cab. von 
Taita (Brit. Ostafr.) und den grofsflügeligen Rassen massaica 
Neum. und nyassae Neum; ihre Wangenfärbung ist gleichfalls 
reinweifs. Die Malse von minor sind 39—43 ıhım, die der grofs- 
flügeligen Massai- resp. Niassavögel 46—49 mm. Die Küstenvögel 
Deutsch-Ostafrikas haben 43— 45, seltener 46 nm Flügellänge. Bei- 
läufig gesagt, hat übrigens der Typus von minor keine schwarzen 
Unterschwanzdecken, sondern dunkelbraun gewellte. Wie das 
einzige von mir bei Mikindani — wo der Wellenastrild recht 
häufig ist — gesammelte Exemplar, das ich in meiner eit. Arbeit 
zu minor gerechnet hatte, beweist, reicht das Verbreitungsgebiet 
der von mir aufgestellten Rasse bis zur deutschostafrikanischen 
Südküste einschliefslich hinunter. 

Wie bei allen®Subtilformen kommen in den Randgebieten 
der Verbreitung der verschiedenen Rassen nach der oder jener 
Richtung hin Übergänge vor. 

Ich konnte eine ziemlich grofse Reihe von Küstenvögeln 
untersuchen. Als Typen wähle ich zwei von Hofmann am un- 
teren Ruvu, im Küstengebiet, gesammelte Stücke (im Museum 
Berlin). 


Lagonoslicta senegala rendalli Hart. 


Meine Vögel gehören ihren kleinen Flügelmafsen nach 
(46—47 mm) zu dieser Form und nicht, wie ich in meiner cit. 
Arbeit irrtümlich angegeben habe, zu L. 5. brunneiceps Sharpe. 


Lagonostieta rubricata reichenowi nov. subsp. 


Der Lagonosticta rubricata haematocephala O. Neum. vom 
Niassagebiet sehr ähnlich, aber das Rot heller und trüber, ins- 
besondere auf dem Bürzel und den oberen Schwanzdecken. Auch 
ist der Rücken anscheinend etwas brauner und heller. 

Mikindani, Grote S., Typen im Zoolog. Museum zu Berlin. 
Herrn Geheimrat Dr. A. Reichenow zu Ehren benannt. 

In meiner eit. Arbeit im Journ. f. Ornith. 1913 hatte ich 
den Vogel als Lagonostieta rubricata haematocephala Neum. auf- 
geführt, aber bereits auf die heller rot gefärbten Oberschwanz- 
decken hingewiesen. 


302 Herm. Grote: Über einige Vögel d. dentschostafrik, Südküste. 


Serinus teterus madaraszi Rchw. 


Das einzige von mir-mitgebrachte Exemplar des Mossambik- 
sirlitzes weicht in der Intensität der gelben Färbung nicht von 
typischen madaraszi ab. Man hätte für das Mikindanigebiet das 
Vorkommen der schwach differenzierten Rasse songeae Rchw. ver- 
muten sollen. 

Pyenonotus layardi Gurn. 


Eins von meinen Mikindanistücken könnte man seinen 
kleinen Flügelmafsen nach (86 mm) zu FPycenonotus layardi 
micrus Oberh. stellen. 


Chalcomitra verreauxi fischeri Rchw. 


Die beiden von mir bei Mikindani gesammelten Exemplare 
haben gröfsere Flügelmafse (61 mm) als sie Reichenow („Die 
Vögel Afrikas“ III, p. 453) für diese Form angibt (55—58 mm). 


Anthreptes collaris zumbesianus Shell. 


Zwei Q'9' von Mikindani messen 5l resp. 50, ein Q 48 min 
Flügellänge. In. meiner cit. Arbeit irrtümlich als Anthreptes 
collaris hypodilus (Jard.) aufgeführt. 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 
Von Rud, Zimmermann, 


Nachdem ich bis dahin nur Garnisondienst getan hatte, trat 
im Januar 1917 durch meine Versetzung nach Sedan in meiner 
späten militärischen Laufbahn eine mir nicht unwillkommene 
Wendung ein. Meine Hoffnungen auf eine reichere naturwissen- 
schaftliche Betätigung an meiner neuen militärischen Wirkungs- 
stätte allerdings sollten sich nur zum Teil erfüllen. Ein aus- 
gedehnter und manchesmal auch recht anstrengender Dienst, der 
mich nicht nur vom frühen Morgen bis zum späten Abend an 
meine Dienststelle fesselte, sondern der häufig genug auch noch 
die Sonn- und Feiertage in Anspruch nahm, liefs wenig freie 
Zeit für persönliche Neigungen und Wünsche übrig und das be- 
sonders in der späteren Zeit meines Aufenthaltes in Sedan stark 
verschärfte Verbot des Ueberschreitens der Stadtgrenze ohne 
besonderen Ausweis erschwerten Ausflüge zu Beobachtungszwecken 
selbst in die nächste Umgebung der Stadt ungemein. Den 
Wunsch gar, die Beobachtungen durch eine Sammeltätigkeit zu 
ergänzen, mufste ich von vornherein aufgeben. 

Ehe ich nun mit der Aufzählung meiner vogelkundlichen 
Beobachtungen beginne, möchte ich diesen noch einige kürzere, 
allgemeine Bemerknngen vor allem auch über den Charakter 
meines Beobachtungsgebietes vorausschicken. 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 303 


Die Stadt Sedan liegt in einer reich gegliederten und land- 
schaftlich recht wechselvollen Gegend. Von den Ufern der Maas 
steigt das Land bald sanfter, bald aber auch wieder steiler 
empor zu Höhen, zwischen die sich oft tief eingeschnittene Täler 
und Tälchen drängen, und die südlich der Stadt in der Hoch- 
fläche von Noyers mit etwa 350 m Meereshöhe ihre gröfste Er- 
hebung in unmittelbarster Ortsnähe erreichen. Die Maas hat 
sich in das leicht zerstörbare, im wesentlichen wohl aus Kalk- 
und Sandsteinen aufgebaute Gebirge — an verschiedenen Auf- 
schlüssen in Stadtnähe wechsellagern in ununterbrochener Folge 
dünne Kalkbänke mit Sandsteinschichten von gleich geringer 
Mächtigkeit — ein fast überall eine ziemliche Breite erreichendes 
Tal eingenagt und auf seinem Grunde (in etwa 160 m Meeres- 
höhe) weite und flache, fast immer wiesenbestandene Auen ge- 
schaffen, in denen sich nach einem Hochwasser der Maas in aus- 
gedehnten Tümpeln und Pfützen die zurückgebliebenen Ueber- 
schwemmungswässer oft noch wochenlang erhalten. Wiesen, die 
für die Maasauen so charakteristisch sind, und von allerlei Un- 
kräutern reich bestandene Brachen ziehen sich auch an den 
Hängen empor und erreichen eine grofse Ausdehnung vor allem 
auch auf der einsamen, von einem eigenen Reiz umgebenen Hoch- 
fläche von Noyers. Im August 1914 war sie der Schauplatz 
heitigster Kämpfe und in grofsen Massengräbern schlummern 
heute auf ihrer Höhe friedlich nebeneinander die, die sich damals 
in zähem Ringen gegenüber gestanden haben. Zwischen Wiesen 
und Brachland schieben sich überall die stark zurücktretenden 
Felder ein. Die Feldwirtschaft ist für das Bild der Landschaft 
bei weitem kein so bestimmender Faktor wie etwa in deutschen 
Gegenden ähnlichen Charakters. Eine grofse Vernachlässigung 
der Felder, die sich dem kundigen Beobachter überall auf- 
drängt und die nicht allein als eine Folge des Krieges ge- 
deutet werden kann, sondern bereits vor ihm bestanden haben 
muls, läfst auf ein wenig intimes Wechselverhältnis der zu 
Bequemlichkeit und Trägheit neigenden ländlichen Bevölkerung 
zur angestammten Scholle schliefsen. Dichtes Dorngestrüpp an 
Rainen und an den tief ausgefahrenen und an Löchern reichen, 
seit undenklichen Zeiten nicht mehr ausgebesserten Wirtschafts- 
wegen, das oft selbst weit in das Ackerland hineinragt und 
reiche Unkrautherde in dieses vorschickt, regellos in die Land- 
schaft eingestreute Hecken, grüne Baumgruppen oder von der 
Fülle in ihnen wuchernder Schlingpflanzen fast undurchdringliche 
Buschhölzer, die hier und da in gröfsere Wälder übergehen, in 
denen die reich entwickelte und gleichfalls mit Schliuggewächsen 
auf das üppigste gesegnete Unterwaldflora ebenfalls das Ein- 
dringen erschweren, verleihen der Landschaft ganz eigenartige 
Reize und sind namentlich auch dem Naturfreund als ausschlag- 
gebende Faktoren eines reichen Naturlebens willkommen. 
Umgekehrt spricht ihre Überfülle und die beispielslose 


304 Rud. Zimmermann: 


Verwahrlosung aber gleichfalls wieder von der Trägheit der Be- 
wohner und ist ein weiteres Zeugnis für das Fehlen jener Liebe zum 
Boden, der Freude an der Scholle, wie sie bei uns in der liebe- 
vollen Pflege des Landes und seiner verständigen Bearbeitung 
einen so vollkommenen Ausdruck finden. Sie muten gerade in 
einem Kulturland uns Deutschen recht fremd an und lassen auch 
eine reine ungetrübte Freude an den sonstigen Schönheiten des 
Landes nicht recht aufkommen. Ausgedehnte baumreiche Gärten 
und Parks, die sich bald an die Ortschaften anlehnen, bald aber 
auch wieder freier im Lande liegen und in denen sich meistens 
versteckt im Dunkel alter Bäume ein „Chateau“ erhebt, sind 
reich an intimen Reizen, wurzeln in ihrer Schönheit aber in einer 
längst vergangenen Zeit. Gröfsere stehende Gewässer fehlen der 
Gegend, einige kleinere, z. T. stark mit Rohr und Schilf be- 
standene Teiche nur liegen hier und da an der Stadtgrenze. 

Es erscheint ohne weiteres als ganz selbstverständlich, dafs 
eine an so verschiedenen Landschaftsformen reiche, wirtschaftlich 
nur recht mäfsig ausgenutzte und daher vielerorts auch noch 
recht ursprünglich anmutende Gegend ein reiches und von den 
Einflüssen der Kultur weniger als an vielen anderen Orten be- 
rührtes Vogelleben aufweisen mufs. Und in der Tat zeichnet sich 
dasselbe auch durch einen grofsen Individuenreichtum aus. Ein 
Beobachter, der mehr Zeit auf seine Tätigkeit hätte verwenden 
können, als wie mir dies leider vergönnt war, und auch schon 
ein besserer Vogelstimmenkenner, als wie ich dies bei meinem ge- 
ringen musikalischem Empfinden bin, hätte sicherlich die immerhin 
noch bescheidene Liste der von mir beobachteten Vogelarten 
wesentlich erweitern können. So dürften beispielsweise Sumpf- 
und Wasservögel die weiten Maasauen in gröfserer Arten- und 
Stückzahl durchwandern, als wie ich es gesehen habe. Dafür 
spricht schon der Umstand, dafs in den letzten Wochen des 
Jahres 1916, als die Maas über die Ufer getreten war und die 
flachen Auen, auf denen die Überschwemmungswässer wochen- 
lang standen, weite Seen-bildeten, es bis zum Eintritt strengeren 
Frostes auf diesen von Wassergeflügel geradezu „gewimmelt“ haben 
soll. Aber auch manche die Gegend bewohnende Art mag mir 
entgangen sein. Gerade in den Frühjahrs- und Frübhsommermonaten 
hatte ich sehr wenig Gelegenheit zu Ausflügen in die Umgebung 
der Stadt, meine meistens in die Abendstunden fallenden Gänge 
fanden ihr Ende in der Regel an oder kurz über der Stadtgrenze. 
Weitere Ausflüge gar, von denen ich einst geträumt hatte, liefsen 
sich überhaupt nicht ermöglichen. Nur während der Pfingsttage 
1917 erhielt ich einen kurzen Urlaub für eine Fahrt auch einmal 
in eine etwas gröfsere Ferne, nämlich nach dem südlich in der 
Nähe von Le Chesne gelegenen Bois du Mont Dieu, dessen Ent- 
fernung von Sedan in der Luftlinie etwa 20 km beträgt. Auch 
hier war der landschaftliche Charakter der Gegend ein ähnlicher 
wie in der unmittelbarsten Umgebung Sedans. Und auch das’ 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 805 


Bois du Mont Dieu bot sich ganz so dar, wie die schon ge- 
schilderten Wälder in Stadtnähe; dichtes Unterholz und Gestrüpp 
mit überall raukenden Schlinggewächsen verliehen ihm einen ur- 
waldähnlichen Charakter. Die Vogelwelt war eine überaus reiche 
und die ihrer Beobachtung gewidmeten und in dem fast märchen- 
haft anmutenden Waldeszauber verlebten Stunden liefsen wenig- 
stens für einige Zeit das niederdrückende Gefühl des Krieges 
vergessen. 

Meine Ankunft in Sedan im letzten Monatsdrittel des Januar 
1917 fiel in jene Periode strengster Winterkälte, die wohl noch 
in aller Erinnerung ist und die sich auch in ‘dem im allgemeinen 
ja wärmeren Frankreich in einer Weise fühlbar machte, wie sie 
den Einwohnern aus vergangenen Zeite kaum in der Erinnerung 
war. Unter ihrem Einflusse standen die ersten ornithologischen 
Eindrücke: in fast unglaublichen Massen bevölkerten Spatzen — 
Passer domesticus wie auch monztanus — und der Buchfink die 
Strafsen der Stadt, die Winterstrenge hatte sie ihr in Scharen 
zuziehen lassen. Als das Wetter wieder milder wurde, lichteten 
sich ihre Gesellschaften zusehends und namentlich Fringilla coelebs 
wanderte zahlreich wieder dem Freien zu. Im weit milderen 
Winter 1917/18 waren in der Stadt bei weitem nicht jene Mengen 
zu sehen, wie im vorhergegangenen. Auch der Aufenthalt der 
Gebirgsstelze inmitten der Stadt, in der sie sich ganz nach 
Spatzenart auf den Strafsen umhertrieb, mag seine Ursache in 
der Winterstrenge gehabt haben. Im Gegensatz zu diesen der 
Stadt zugezogenen Arten scheint auflallenderweise die Dohle in 
der Winterkälte die Stadt verlassen zu haben. Sie war in der 
ersten Zeit meines Hierseins zweifellos nicht vorhanden, erst am 
8. II. sah ich sie um einem Kirchtum hart an meinem Quartier 
ihr Wesen treiben. Ihr Fehlen in der Stadt während der Zeit 
der strenugsten Winterkälte — 1917/18 war sie ununterbrochen 
an ihren üblichen Aufenthaltsorten in der Stadt zu beobachten — 
wurde mir auch von anderer Seite bestätigt. Auch die Beob- 
achtung einer Anzahl Wasservögel auf der Maas inmitten der 
Stadt war wohl eine unmittelbare Folge der strengen Kälte. 
Grofs war die Zahl der überwinternden Arten: neben den eben 
erwähnten Wasservögeln — Colymbus cristatus, nigricollis und 
nigricans, Nyroca fuligula, Anas boschas, Fulica atra und Gall- 
nula chloropus — sah ich als solche die Ringeltaube, die oft in 
häuserumgebenen Gärten inmitten der Stadt allerlei Unkraut- 
sämereien nachging, den ja auch bei uns sich immer mehr als 
Wintervogel gefallenden Star, die schon erwähnte Gebirgsstelze, 
.die Feldlerche und das Rotkehlchen, zu welchen Arten nach mir 
gemachten Mitteilungen in grofser Zahl zugezogene Drosseln, 
Tagraubvögel u. a. kamen. 

Die zahlreich vorhandenen Brachländereien und unbestellten 
Felder mit ihrem ungewöhnlich grofsen Reichtum an samen- 
tragenden Unkräutern übten besondersim Herbst eineungewöhnlich 


°’ 


306 Rud. Zimmermann: 


grofse Anziehungskraft auf Finkenvögel aus, in grofsen Flügen 
sah man Hänflinge, Stieglitze, Zeisige u. a. m. in ihrem Nahrungs- 
reichtum schwelgen. Der Reichtum der Landschaft an Wiesen 
bedingt besonders die Häufigkeit der Schafstelze in den Maas- 
auen und des braunkehligen Wiesenschmätzers, der aus den 
Auenlandschaften auch auf die Hochflächen emporsteigt und der 
mich ganz besonders in der Einsamkeit der von Noyers recht 
anzog, während die auffallende Spärlichkeit der Haubenlerche und 
auch eine geringere Häufigkeit der Feldlerche, als wie sie mir 
aus der Heimat in Erinnerung stand, vielleicht auf das gröfsere 
Zurücktreten des Feldbaues zurückzuführen ist. Die überall in 
reichstem Mafse vorhandenen Hecken, die dichten Buschhölzer 
und die unterholzreichen Wälder sind Anziehungspunkte für eine 
grofse Anzahl mehr oder weniger geübter Sänger; die Hecken 
besonders bieten der noch zahlreichen, sich auch in den Stadt- 
gärten einstellenden Nachtigall die günstigsten Aufenthaltsbe- 
dingungen. Der Reichtum der Kleinvogelwelt mag nicht ohne 
Einflufs auch auf die nach allen mir gemachten Mitteilungen noch 
grofse Häufigkeit der Tagraubvögel sein, deren hier wohnhaftes 
Volk im Winter sich durch nördliche Zuzügler noch verstärkt. 
Die Amsel, obwohl in den Stadtgärten vorhanden, ist hier doch 
noch nicht in dem Malse Stadtvogel, wie bei uns, und ihre Bürger- 
rechte in der Stadt scheinen, wenn man aus ihrer gröfseren Scheu 
einen darauf hindeutenden_Schlufs ziehen darf, auch noch jüngere 
zu sein. Der parkähnliche Charakter der freien Landschaft läfst 
sie dieser wohl noch den Vorzug vor der Stadt geben. Auffallend 
ist auch die Spärlichkeit der Meisen, auf die für andere Gegenden 
des Westens ja auch schon Dr. Gengler hingewiesen hat. 

Nach diesen einleitenden Bemerkungen lasse ich im folgenden 
nun die gemachten Beobachtungen im speziellen folgen. 


1. Colymbus cristatus L. 
2. Colymbus nigricollis Brehm. 
3. Colymbus nigricans Scop. 


Je einen Hauben- und Schwarzhals- sowie 2 Zwergtaucher 
sah ich am 9. bezw. 11. Februar 1917 an eisfreien Stellen der Maas 
inmitten der Stadt. Der Haubentaucher hatte sich 4 Bläfshühnern 
angeschlossen, der Schwarzhals hielt sich in einer Gesellschaft 
von Reiherenten auf und nur die beiden Zwergtaucher zeigten 
sich der Geselligkeit abhold und tummelten sich allein. 


4. Nyroca fuligula L. 


An einer eisfreien Stelle der damals auf weite Strecken zu- 
gefrorenen Maas inmitten der Stadt Sedan traf ich in der Abend- 
dämmerung des 8. Februar 1917 etwa 20—25 Wasservögel an, 
die ich der Dunkelheit wegen nicht bestimmen konnte, unter 
denen ich aber Reiherenten sicher zu erkennen glaubte. Am 
folgenden Tage ging ich zur Mittagszeit nochmals nach der 


Orvithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 807 


gleichen Stelle und konnte nunmehr unter anderen Wasservögeln 
5 'Q' und ebensoviel Q2 von Nyroca fuligula feststellen. Die 
Vögel, von denen besonders die Q'Q' in dem klaren Sonnenschein 
sich in all ihrer Schönheit darboten und denen sich auch ein 
Schwarzhalstaucher angeschlossen hatte, bildeten eine kleine, 
innig zusammenhaltende Gesellschaft und waren überaus munter 
und beweglich; sie tauchten ununterbrochen und blieben dabei, 
wie ich mit der Uhr feststellte, bis zu 1/; Minute unter Wasser. 
Der überaus lebhafte Verkehr an der Maas störte sie in keiner 
Weise. 

5. Anas boschas 1.. 

6. Anas acuta L. 


Gelegentlich eines Ausfluges nach Donchery am 25. März 
1917 sah ich auf überschwemmt gewesenen Maaswiesen etwa 
50 Enten. Infolge der weiten Entfernung aber liefs sich nur 
feststellen, dafs die überwiegende Mehrzahl Stockenten waren und 
sich unter diesen neben einigen zweifelhaften Arten auch einige 
sicher bestimmbare Spiefsenten (2 Q'Q' und I 9) befanden. — 
Zuvor hatte ich am 8. II. 1917 bereits ein einzelnes Stockenten Q' 
auf der Maas innerhalb der Stadt Sedan festgestellt und später 
traf ich diese Art im Bereiche der Maas noch mehrfach, aber 
niemals häufig. Ebenso beobachtete ich sie auf einem kleinen 
Teiche am Bois du Mon Dieu. 


7. Tringoides hypoleuc' s L. 

Den Flufsuferlävier notierte ich am 8. Mai 1917 in einem 
Fluge von etwa 20 Vögeln an der Maas oberhalb Sedans, am 
13. und 15. begeguete ich der Art am gleichen Orte von neuem, 
diesmal aber nur noch einzeln oder in Gesellschaften bis zu 
3 Stück. 


8. Numenius arquatus L. 


Am 22. IV. 1917 rief ein wohl noch (dann aber recht spät) 
ziehender Brachvogel in den Maasauen unterhalb Sedans. 


9. Orex crex L. 

In den wiesenreichen Maasauen um Sedan- ist der Wachtel- 
könig keine Seltenheit; zum erstenmale hörte ich ihn am 13. V. 
1917 schnarren. Anfang Juni wurde vor mir 1 Vogel, der sich 
in bekannter Weise flügellahm stellte und daher wohl ein Nest 
oder bereits Junge in der Nähe hatte, flüchtig. 


10. Fulica atra L. 

Am 9.11. 1917 an einer eisfreien Stelle der Maas innerhalb 
der Stadt 4 Bläfshühner, denen sich auch ein Haubentaucher zu- 
gesellt hatte. — Ebenso trieben sich am gleichen Tage auf einem 
nur wenige Meter breiten Feldstreifen zwischen der Macdonald- 
Kaserne und der Maas 6, 


308 Rud. Zimmermannn: 


11. Gallinula chloropus L. 


nahrungssuchend umher und schritten auffallend häufig einzeln 
über einen breiten Ufereisstreifen nach der Mitte des 
Flusses, um bier zu trinken. — Während ich später das Bläfs- 
huhn nicht wieder zu Gesicht bekam, beobachtete ich das Teich- 
huhn, das Brutvogel auf kleinen verschilften Teicheu an der 
Stadtgrenze ist, im Frühjahr regelmälsig und erhielt Nachrichten 
über sein häufiges Vorkommen auch in der weiteren Umgebung 
der Stadt. Ebenso war es auch auf einem Teiche am Bois du 
Mon Dieu vorhanden. 


12. Ardea cinerea L. 


Ein einzelner Fischreiher am 13. V. 1917 in der Maasaue 
oberhalb der Stadt sowie am 27. V. 1917 auf einem kleinen 
Teich anı Bois du Mon Dieu, wo er regelmäfsig zur Beobachtung 
gekommen ist. 


13. Phasianus colchieus L. 


Von mir bei Sedan nicht beobachtet, soll der Fasan in der 
weiteren Umgebung stellenweise nicht selten sein. Als häufig 
wurde er mir aus dem Bois du Mon Dieu gemeldet. 


14. Perdix perdix L. 


Mir gemachte Angaben über das Rebhuhn sprechen bald 
von einem nicht seltenen, bald wieder von einem spärlichen Vor- 
kommen. Ich möchte das letztere annehmen, da ich ihm am 
25. V. 1917 in einem Paare nur ein einziges Mal begegnet bin. 


15. Coturnix coturnix L. 


Die Meldungen von einer ungewöhnlich häufigen Beobachtung 
der Wachtel im Frühjahr 1917 trefien auch für die Umgebung 
Sedans zu; nachdem man mir Mitte Mai ihren ersten Schlag ge- 
meldet hatte, hörte auch ich sie für die Folge regelmäfsig. Am 
30. V. 1917 schlugen auf einem engbegrenzten Gebiete südlich 
der Stadt 4—5 und ausgangs Juli nördlich der Stadt auf einem 
recht kleinen Raum 8 Vögel. 


16, Columba palumbus L. 


Die Ringeltaube überwintert; trotz der starken Kälte im 
Februar begegnete ich ihr wiederholt in Stadtgärten sowie im 
zerstörten Donchery, wo sie in brachliegenden Hausgärten den 
Unkrautsämereien nachging. Um den 10. X. 1917 wurden noch 
2 junge, fast erwachsene Tauben zur Bereicherung des Küchen- 
zettels aus einem Nest, das in einem parkähnlichen Garten in 
Balan auf einer alten Fichte stand, herabgeholt. Der Baum 
wurde schon einmal bestiegen, als die Jungen noch ziemlich _ 
klein waren; bei der zweiten Besteigung dann lagen diese — ich 
erwähne den Vorfall, da er mir von verschiedenen Personen und 
vor allem auch von einem gut beobachtenden Naturfreund als 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 309 


unbedingt sicher bestätigt worden ist — in einem neuen, mehrere 
_ Meter höher errichteten Nest. Eigene Bemerkungen mag ich an 
ihm zunächst aber nicht knüpfen, möchte aber erwähnen, dafs 
ich 1916 bei photograph. Aufnahmen an einem Heckenbraunellen- 
Nest auch auf die Vermutung eines Wegschleppens der Jungen 
durch die Eltern kommen mufste. Mitteilungen hierüber behalte 
ich mir für später vor. 


17. Columba oenas L. 
18. Turtur turtur L. 


Die Hohltaube sah ich am 28. V. 1917 in einem Vogel im 
Bois du Mon Dieu, in dem ich neben der hier gleichfalls häufigen 
Ringeltaube auch die Turteltaube mehrfach hörte. 


19. Circus aeruginosus L. 
Am 29. IV.'1917 kreuzte eine Rohrweihe längere Zeit über 
der Maas nördlich Sedans. — 


20. Astur palumbarius L. 


Im Bois du Mon Dieu und nach anderen Mitteilungen auch 
an anderen Orten der weiteren Umgebung Sedans mehrfach er- 
‘ legt, dürfte der Hühnerhabicht in dem an Tagraubvögeln noch 
nicht armen Nordostfrankreich keine seltene Erscheinung sein. 


21. Accipiter nisus L. 


Der Sperber ist Jahresvogel und nach den übereinstimmenden 
Mitteilungen der Jagd huldigender Herren recht häufig. — Am 
22. IV. 1917 stiefs in der Stadt ein @ nach Spatzen. 


22. Buteo buteo L. 


Auch der Mäusebussard ist ein noch häufiger (Jahres-?) 
Vogel. Ich begegnete ihn mehrfach, erstmals am 4. Ill. 1917 in 
der Umgebung der Stadt sowohl wie auch im Bois du Mon Dieu, 


23. Milvus milvus L. 


Nach Mitteilungen jagdbeflissener Herren nicht besonders 
selten, beobachtete ich den Milan am 29. IV. 1917 in der näheren 
Umgebung der Stadt und am 27. V. 1917 in einem Paar im Bois 
du Mon Dieu. 


24. Cerchneis tinnunculus L. 

In den ersten, noch ziemlich kalten Februartagen 1917 trieb 
sich ein Turmfalk im Bereiche der Stadt umher. Später traf 
ich ihn öfters im Freien an und erhielt auch von dritter Seite 
Bestätigungen seines häufigen Vorkommens. Ich möchte ihn als 
Jahresvogel bezeichnen, wenn ich auf Grund erhaltener Angaben 
von jagenden Herren auch annehme, dafs im Winter ein Zuzug 
stattfindet. 


810 Rud. Zimmermann : 


25. Asio otus L. 
26. Syrnium aluco L. 

Im Bois du Mon Dieu nicht selten, dürften die Waldohr- 
eule sowohl wie auch der Waldkauz in keinem für sie geeignetem 
Walde fehlen. 

27. Athene noctua Scop. 

Den Steinkauz hörte ich am 29. IV. 1917 an der Stadtgrenze 
Sedans rufen; die Gegend erscheint für ihn wie geschaffen und 
ich halte ihn trotz der nur einmaligen Beobachtung daher auch 
nicht für selten. 


28. Strix alba (guitata Br.?). 


Auch die mehrfach beobachtete Schleiereule halte ich für 
einen nicht seltenen Jahresvogel. 


29. Cuculus canorus L. 

Den ersten Kuckucksruf meldete man mir Ende April; ich 
traf ihn in der*nächsten Umgebung der Stadt aber nicht besonders 
häufig, wohl aber zahlreich im Bois du Mont Dieu an. 


30. Jynz torquilla L. 

In der näheren Umgebung Sedans begegnete ich den Wende- 
hals nicht, nehme aber an, dafs er mir hier nur entgangen ist, da 
ich ihn weiter südlich in den gelegentlich des Ausfluges nach 
dem Bois du Mont Dieu in berührten Ortschaften allenthalben 
antraf. 


31. Dendrocopus major L. 


In der Umgebung Sedans hörte ich den Grofsen Buntspecht 
nur einmal in dem am Nordhange der Hochfläche von Noyus 
sich aufwärts ziehenden Bois la Marfee. Im Bois du Mont Dieu 
dagegen war er häufiger. 


32. Picus viridis L. 

Häufiger als die vorige Art traf ich den Grünspecht an, er 
ist kein seltener Jahresvogel, wennschon er mir seltener dünkt 
als in meiner sächsischen Heimat. 

33. Alcedo ispida L. 

Von mir selbst nicht beobachtet, soll der Eisvogel nach zu- 
verlässigen Mitteilungen an den fliefsenden Gewässern der Um- 
gebung ein noch keineswegs seltener Jahresvogel sein. 

34. Caprimulgus europaeus L. 

Im Bois du Mont Dieu recht häufig, in der näheren Um- 
gebung der Stadt aber nicht beobachtet. 
35. Cypselus apus L. 


Zahlreich, sah ich die ersten Mauersegler am 28. IV. 17 über 
der Stadt kreuzend. 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. sil 


36. Hirundo rustica L. 
Gleich der vorigen Art recht häufig, wurden mir die ersten 
Rauchschwalben um Mitte April gemeldet. Ich selbst sah sie erst 


einige Tage später, traf sie dann Ende Mai überall bauend und 
von Mitte Juni bis Ende August fütternd an. 


37. Riparia riparia L. 
Einige Vögel Anfang Juli über der Maas unterhalb der Stadt. 
38. Delichon urbica L. 


Seltener als die Rauchschwalbe, traf ich die Mehlschwalbe 
nur zweimal (im Juni und anfangs Juli) in einigen wenigen 
Vögeln an. 

39. Muscicapa grisola L. 


Am 26. V. 1917 gelegentlich meines Ausfluges nach dem 
Bois du Mont Dieu in Oches nnd Le Berliere je 1 Vogel. 


40. Muscicapa atricapilla L. 


Einen Flug von etwa 10 (noch ziehender?) und in Pausen 
lebhaft singender Trauerfliegenfänger sah ich am 6. V. 17 an 
einem dicht mit Hecken bestandenen Bach südlich der Stadt. 


41, Lanius collurio L. 


Sommervogel, aber trotz der vielen Dornenhecken — wie 
mir scheinen will — in nächster Stadtnähe nicht übermäfsig häufig, 
begegnete ich den Rotrückigen Würger zahlreicher gelegentlich 
des Ausfluges nach dem Bois du Mont Dieu in dem gebüsch- 
reichen freien Lande. 


42. Lanius senator L. 

Ein ©‘ am 13. V. 1917. — 
43. Corvus corone L. 

Die Rabenkrähe konnte ich nur zweimal unter frugilegus- 
Flügen am 11. II. und 17. III. 1917 feststellen. Später sah ich 
sie nie wieder, nehme aber an, dafs mir die Art nur entgangen ist. 
44. Corvus cornix L. 

Einige — 3 bis 4 — Nebelkrähen sah ich am 25. und 31. 


Jan., sowie am 5. Februar 1917 unter einer Anzahl frugilegus an 
einer Schuttablagerungsstätte im Stadtbereich an der Maas. 


45. Corvus frugilegus L. 


Winters über bildet die Saatkrähe die bekannten, nach Hun- 
derten zählenden Flüge, die sich mit Beginn des Frühlings in 
gewohnter Weise auflösen und verlieren, so dafs man dann die 
Vögel nur noch einzeln oder paarweise, seltener in kleinen Ge- 
sellschaften von nur wenigen Stücken sieht. Obwohl mir über 
Brutkolonien nichts bekannt geworden ist, möchte ich aus der 


812 Rud. Zimmermann: 


regelmäfsigen Beobachtung der Art während des ganzen Jahres 
doch auf ihren Charakter als Brutvogel schliefsen. 


46. Lycos monedula Vieill. 

Die Dohlen vermifste ich auffallenderweise in den ersten 
Wochen meiner Anwesenheit in Sedan. — Erst am 8. II. 1917 sah 
ich sie um den Turm einer in der Nähe meines Quartiers ge- 
legenen Kirche, wo sie aber anderen Tags bereits wieder ver- 
schwunden und erst vom 25. Il. 1917 an wieder regelmälsig zu 
beobachten waren’ Diese Tatsache deutet jedenfalls auf eine — 
durch die Strenge des Winters bedingte? — Abwanderung der 
Vögel aus der Stadt wohl ins Freie zu reicheren Nahrungsquellen. 
Im milderen Winter 1917/18 waren die Vögel, die sonst nicht 
selten sind, regelmäfsig im Stadtgebiet zu hören und zu sehen. 


47. Pica pica L. 

Wie für andere Gebiete des besetzten Frankreichs ist die 
Elster auch für Sedan eine charakteristische Erscheinung sowohl 
aller baumbestandenen Stadtgärten wie auch des freien Landes, 
wo man auf freistehenden Bäumen und Baumgruppen wie auch 
in den Feld- und anderen Gehölzen in grofser Zahl ihre Nester 
findet. In Buschhölzern ist der Neststandort oft ein recht tiefer, 
in ein Nest sogar konnte ich bequem hineinsehen. — Am 22. IV. 
1917 beobachtete ich die Art beim Nestbau, am 29. traf ich sie 
brütend an, und sah am gleichen Tage auch ein Paar bei der 
Begattung, die auf dem Neste vollzogen wurde, wobei das Q' 
lebhaft mit dem Schwanze wippte und leise schackerte. 


48. Garrulus glandarius L. 
Nicht seltener Jahresvogel in allen Wäldern und Feldgehölzen. 


49. Oriolus oriolus L. 

Nicht seltener Sommervogel auch in baumreichen Stadt- 
gärten, kam der Pirol von Mitte Mai an regelmäfsig zur Beob- 
achtung. Am 4. VI. 1917 bebrütete in einem Stadtgarten ein 
Paar seine 4 Eier., Das Nest befand sich in nur Mannshöhe in 
einem mit seinen Asten fast den Boden berührenden Kastanien- 
baum. 


50. Sturnus vulgaris L. 


Überwinternd, sah ich Ende Januar 1917 auf einer zwischen 
Sedan und der Vorstadt Torcy gelegenen Wiese Flüge von 
mindestens 2—-300 Vögeln, von denen aber schon in den ersten 
Februartagen nur noch wenige vorhanden waren. Im letzten 
Drittel des Februar hörte man den Star überall schon lebhaft 
singen, in der Stadt salsen die Vögel dabei mit. Vorliebe auf 
Dachfirsten und Schornsteinen. In den vielen von alten Bäumen 
bestandenen Gärten findet er überall zusagende Aufenthaltsorte 
und wohl auch reichliche Nistgelegenheiten, die ihm in gleicher 


Ornitbologische Aufzeichnungen aus Sedan. 813 


Fülle auch noch in Schornsteinen, unter Dächern, in Rüst- und 

anderen Löchern der vielfach unverputzten Hauswände zur 
Verfügung stehen, sodafs er das Fehlen von Nistkästen kaum 
empfindet. Seit Mitte Mai beobachtete ich ihn überall fütternd. 
2: aus er auf das lebhafteste ebenfalls vom letzten Februar- 
rittel ab. 


51. Passer domesticus L. 

Massenhaft in der Stadt und den Ortschaften der Umgebung, 
sah ich am 24. Il. 1917 im Hofe unseres Magazins ein Sperlings- 
männchen eifrig Hühnerfedern in eine Dachrinne tragen. Am 
17. 1II. beobachtete ich ein Paar beim Liebeswerben, von Anfang 
Mai bis ausgangs Juli überall fütternde Vögel und ebenso zahl- 
reich ausgeflogene Junge. 


52. Passer montanus L. 

Der Feldsperling ist überaus häufig und scheint an Zahl 
hinter domesticus, unter dessen Scharen er sich in den Ort- 
schaften winters über mischt, kaum zurückzubleiben. Von Mai 
bis Juli überall fütternd. 


53. Coccothraustes coccothraustes L. 

5 Kirschkernbeifser notierte ich am 26. Mai 1917 in Le 
Berliere, etwa 20 km südlich von Sedan. Nach Mitteilungen 
eines zuverlässigen Beobachters ist die Art ein hier nicht seltener 
Jahresvogel. 


54. Fringilla coelebs L. 

In auffallend grofser Zahl trieb sich der Buchfink während 
der Schnee- und kalten Tage im Januar. und Februar 1917 in 
der Stadt umher und mischte sich, wenig Scheu auch vor den 
Menschen bekundend, unter die die Strafsen belebenden Spatzen- 
scharen. Die Zahl der 2Q blieb dabei nur um ein weniges hinter 
der der Q'Q' zurück. Als Ende Februar die Temperatur milder 
wurde, nahm die Zahl der Vögel in der Stadt auffallend ab — 
sie verteilten sich wohl wieder über das freie Land, für das sie 
eine der gewöhnlichsten Erscheinungen bilden —, traten im Ge- 
biet der Stadt aber nochmals häufiger auf, als ein Wettersturz 
am 8. III. vorübergehend starken Schneefall brachte. — Am 17. 
‚III. beobachtete ich die Art im Freien besonders zahlreich und 
vielfach in kleinen Gesellschaften bis zu 10 Vögeln auf Strafsen- 
bäumen. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um durchziehende 
Flüge. 
55. Fringilla montifringilla L. 

Eine kleine Gesellschaft von etwa 10 Bergfinken beobachtete 
ich am 17. II. 1918. 
56. Chloris chloris L. 

Der Grünfink ist ein nicht seltener Jahresvogel. 

Journ, f. Ora, LXVIL, Jahrg. Juli 1919, 21 


814 Rud. Zimmermann: 


57. Acanthis cannabina L. 


Gleich vorigen ein nicht seltener Jahresvogel, der sich mit 
anderen Finkenvögeln, wie dem Stieglitz, dem Erlenzeisig u. s. w. 
zur Zeit der Samenreife oft in grofser Zahl auf den vielen un- 
krautbestandenen Brachländereien umhertreibt. 


58. Chrysomitris spinus L. 


Der Erlenzeisig ist in den Herbst- und Wintermonaten keine 
seltene Erscheinung und mit anderen Finkenvögeln besonders auf 
den unkrautbestandenen Brachen und verwahrlosten Feldern zu 
beobachten. Der Mitteilung eines sonst guten Singvogelkenners 
von der Beobachtung eines brütenden Pärchens in einem Stadt- 
garten dürfte vielleicht eine Verwechslung mit Serinus canarius 
zugrunde liegen. 


59, Carduelis carduelis L. 


Häufiger Jahresvogel; im Herbst und Winter in grofsen 
Flügen auf den an samentragenden Unkräutern reichen Brach- 
ländereien. Am 13. V. 1917 ein Nest auf einem Kastanienbaum 
vor unseren Geschäftszimmer in Sedan. 


60. Serinus canarius serinus 1.? 


Obwohl ich den Girlitz bei Sedan selbst nur einmal sah, 
halte ich ihn hier für häufiger, als wie aus dieser nur einmaligen 
Beobachtung hervorzugehen scheint. In der weiteren Umgebung 
beobachtete ich gelegentlich meines Ausfluges nach dem Bois du 
Mont Dieu 3 Vögel der Art in einem baumbestandenen Garten. 


61. Pyrrhula pyrrhula europaea Vieill. 


Im Februar und März 1917 gelangte der Gimpel oft, auch 
in den baumbestandenen Stadtgärten, zur Beobachtung und mulfs 
danach in einer ziemlichen Zahl vorhanden gewesen sein. Im 
Juli sah ich dann nochmals 1 OS“ in den bewaldeten Ardennen 
nördlich von Sedan. Im Bois du Mont Dieu beobachtete ich den 
Vogel nicht, doch soll er hier im Winter sowohl wie auch im 
Sommer nicht selten sein und dürfte daher wohl auch als Brut- 
vogel zu bezeichnen sein. 


62. Emberiza citrinella L. 


Überall vorbandener Standvogel, sah ich die Goldammer 
während der Wintermonate — Februar und März 1917 sowohl 
wie auch 1917/18 — spärlicher als sommers über. 1917 wurde 
sie erst ausgangs März häufiger und stellte sich dann auch in 
kleinen Gesellschaften im Bereiche des Bahnhofes ein, wo ich sie 
anfangs nicht sah und ihr auch im Winter 1917/18 nicht be- 
gegnete. Es scheint fast, als ob sie hier weit umher streicht 
und winters über die Stadt und Stadtnähe meidet. Die Vögel 
schienen mir nach Zeichnung und Färbung oft recht voneinander 
„bzuweichen. Am 22. 1V. 1917 trug ein Pärchen Material zu Neste. 


Örnithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 815 


63. Emberiza cirlus L. 

Den an den verschiedensten Stellen des besetzten Frankreichs 
beobachteten Zaunammer konnte ich auch für die Umgebung 
Sedans festellen. Nachdem mir einige Tage seine mir unbekanute 
Stimme aufgefallen war, ohne dafs ich den Urheber zu Gesicht 
bekommen hätte, sah ich am 30. I. 17. einen Cirlus auf den 
höchsten Zweigspitzen eines kleineren Obstbaumes. Zwei weitere 
Vögel traf ich am 21. Oktbr. 1917 an. 


64. Anthus pratensis L. 

Gelegentlich eines Ausfluges nach den Höhen südlich der 
Stadt am 20. V. 1917 flog vor mir ein Wiesenpieper anscheinend 
von seinem Neste auf. Obwohl die wiesen- und brachenreiche 
Landschaft ihn die denkbar günstigsten Aufenhaltsbedingungen 
bietet, begegnete ich ihm sonst nicht wieder und mufs daher an- 
nehmen, dafs er nicht besonders häufig ist. 


65. Anthus trivialis L. 

Bei Sedan am 6. V. 1917 nur einmal im Bois la Marfee 
am Nordhang der Hochfläche von Noyers, häufiger Ende Mai 
im Bois du Mont Dieu. 


66. Motacilla alba L. 

Häufig, beobachtete ich die Bachstelze erstmalig am 8. 1l. 
1917 bei einer etwa 10 cm hohen Schneedecke auf einer Stralse 
in der Stadt. Anfang Juli fütterte ein Paar seine ausgeflogenen 
Jungen. 


67. Motacilla boarula L. 

Die Gebirgsstelze ist auch im Winter in einzelnen Vögeln 
anwesender Brutvogel, der sich in der grofsen Kälteperiode 1917, 
wie ich dies am 24. und 31. Jan., sowie am 6. Febr. beobachtete, 
sogar auf den Strafsen des Stadtinnern umhertrieb, im milderen 
Winter 1917/18 in der Stadt selbst aber nicht beobachtet wurde. — 
Am 20. V. 17. Vögel vom Nest im Mauerwerk einer gesprengten 
Eisenbahnbrücke abfliegend. 


68. Budytes flavus L. 

Häufiger Sommervogel, den man auf allen Niederungswiesen 
auf Schritt und Tritt begegnet. Die erste Beobachtung machte 
ich am 29. IV. 1917, ein Paar bei der Begattung sah ich am 13. V. 


69. Alauda arvensis L. 

Die Feldlerche ist auch überwinternder Brutvogel, bleibt in 
ihrer Häufigkeit aber hinter der in landschaftlich ganz ähnlichen 
deutschen Gegenden zurück. Im März 1917 vermifste ich sie, 
obwohl ich sie bereits in den ersten Februartagen unter Galerida 
eristata auf Stadtwiesen sah, auf kleinen Ausflügen in die Umge- 
bung völlig. Vom April an war sie aber wieder überall, wenn 

21* 


816 Rud. Zimmermani: 


auch stellenweise ganz auffallend spärlich, vorhanden. Anfang 
Juni beobachtete ich fütternde Vögel, -Ende Juni sah ich ausge- 
flogene Jungvögel. 

70. Galerida cristata L. 

Die Haubenlerche ist auch im Winter anwesender Jahres- 
vogel, in der Umgebung der Stadt aber doch recht spärlich. Auf 
kurzen Ausflügen im März 1917 vermifste ich sie oft ganz und 
auch auf dem ausgedehnten Bahnhofsgelände sah ich sie, trotz 


eines regen Ladeverkehrs besonders auch von Futtermitteln, 
niemals. 


71. Sitta caesia Wolf. 

Jahresvogel; bei Sedan nicht besonders häufig, soll der 
Kleiber aber im Bois du Mont Dieu zahlreicher vorkommen. 
72. Parus major L. 

Sowohl in den baumreichen Gärten als auch im Freien, aber 
nirgends besonders häufig. Auf alle Fälle bleibt der Bestand 
der Kohlmeise wie auch die Zahl der übrigen Meisenarten 
auffallend hinter denen in Deutschland zurück. 

73. Parus caeruleus L. 

Recht spärlicher Jahresvogel. 

74. Parus alter L. 


Nur ein einziges Mal beobachtete ich die Tannenmeise; am 
10. X. 1917 trieb sich eine einzelne in einem Stadtgarten umher. 
Sie flog auffallend schlecht und schien krank zu sein. 
75. Parus palustris L. (subsp.?). 

4—5, am 21. Oktbr. in einem kleinen bachdurchflossenen 
Tälchen beobachtete, recht schweigsame Graumeisen möchte ich 
palustris zuzählen, während eine einzelne am 17. 1I. 18. in einem 


gebüschbestandenen Hohlweg beobachtete sich durch ihr „däh-däh“ 
als 


76. Parus salicarius Brehm (subsp.?). 
legitimierte. 
77. Aegithalus spec. 

Im Bois du Mont Dieu sollen winters über Schwanzmeisen 
recht häufig sein, um welche Art es sich aber handelt, konnte 
mir mein Gewährsmann nicht angeben. 

78. Sylvia borin Bodd. 
79. Sylvia communis Lath. 
80. Sylvia curruca L. 

81. Sylvia atricapilla L. 

Die Grasmücken sind in der wie für siegeschaffenen Landschaft 
recht häufig. Ich notierte erstmalig curruca am 29. IV. 1917, 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 817 


borin und communis am 6. V. und traf diese drei Arten dann 
häufig auch wieder im Bois du Mont Dieu an. Nur atricapilla ist 
mir selbst hier wie dort entgangen, doch berichteten mir vogel- 
kundige Kameraden von einem häufigen Vorkommen auch des 
Plattmönchs. 

82. Phylloscopus sibilator Bchst. 

83. Phylloscopus trochilus L. 

84. Phylloscopus collybita Vieill. 


Den Zilp-Zalp hörte ich erstmalig am 17. III. 1917 im Schlofs- 
park von Bellevue und begegnete ihm für die Folge regelmäßig; 
den Waldlaubsänger notierte ich erstmalig am 29. IV. 1917. 
Im Bois du Mont Dieu waren beide Arten ziemlich häufig, während 
der von mir bei Sedan nicht beobachtete, mir hier aber vielleicht 
nur entgangene Fitis etwas spärlicher als sibilator und collybita 
zu sein schien. 


85. Hippolais icterina Vieill. 


Erstmalig notierte ich den Spötter am 29. IV. 1917. Später 
kam er mir um Sedan noch mehrfach zu Gesicht und auch auf 
dem Ausflug nach dem Bois du Mont Dieu sah ich ihn wiederholt. 


86. Acrocephalus arundinaceus L. 


Nachdem ich an der Maas seit dem 6. V. 1917 gröfsere 
Mengen noch ziehender palustris und schoenobaenus und am 13. 
auch sireperus beobachtet hatte, konnte ich am 15. V. zu diesen 
drei Arten auch noch den Drosselrohrsänger in einer Anzahl 
Vögel notieren. Sie machten sich sofort durch ihre Lebhaftig- 
keit und die lauten Stimmen bemerkbar, in der sie sich aber 
ziemlich von allen von mir bisber gehörten unterschieden. 
Das schnarrende „Karre-karre‘“ klang auffallend froschähnlich 
und wurde recht oft für sich, ohne den zweiten Teil der Strophe, 
das „kiet-kiet‘‘ vorgetragen, sodafs man, hätte man den Vogel 
nicht vor sich gesehen, überhaupt auf keinen Acrocephalus ge- 
schlossen hätte. Auch ‘das „Kiet-kiet‘‘ erreichte, wenn es vorge- 
tragen wurde, eine von mir noch nie gehörte Höhe. Am 29. V. 
hörte ich die Vögel, die an rohrreichen Stellen der Maas Brut- 
vögel sein dürften und die brütend auch auf einen kleinen Teich 
am Bois du Mont Dieu vorkommen, ganz normal rufen, wie auch 
die Stimmen der am zuletzt genannten Orte beobachteten durch- 
aus normale waren. 


87. Acrocephalus streperus Vieill. 
88. Acrocephalus palustris Bcehst. 
89. Acrocephalus schoenobuenus L. 


Am 6. V. 1917 unternahm ich mit Kameraden einen kleinen 
Abendbummel längs der Maas, deren Ufer hier Weidengebüsch 
und anderes Strauchwerk sowie bald locker, bald dichter stehendes 
Roht säumen. Dieses Ufergebüsch sowohl wie auch eine ebenfalls 


3183 Rud. Zimmermann: 


von Weiden und Rohr bestandene kleine Insel in dem Flusse 
wurden von zahlreichen Rohrsängern belebt — auf der letzteren, 
die nur wenige Meter breit und etwa 50 m lang war, mochte 
die Zahl der Vögel etwa 25-30 betragen, — die durch ihr 
lautes Stimmengewirr auch das Interesse anderer, an dem Flusse 
sich ergehender Kameraden erregten. Die vorgetragenen Lieder aber 
waren vielfach noch nicht vollund manchesmal recht stümperhaft 
und wechselten bei den verschiedenen Vögeln auch ganz auffallend 
in ihren Motiven, sodafs ich mir, namentlich auch infolge meines 
geringen musikalischen Empfindens, über die Artzugehörigkeit 
des einen oder anderen Sängers stark im Zweifel war. Im wesent- 
lichen aber liefsen sich die Stimmen auf palustris und schoeno- 
baenus zurückführen. A. palustris belebte vor allem die Insel, 
schoenobaenus dagegen, der der zahlreichere zu sein schien und 
den ich oft auch aus allernächster Nähe vor die Augen bekommen 
und daher auch durch Augenstreif und weifse Kehle leicht und 
und sicher bestimmen konnte, bevorzugte vor allem das Ufer- 
gebüsch. Die bekannte Woid-woid-Strophe war in seinem 

Liede noch schwach ausgeprägt, wirklich deutlich und laut hörte 
ich sie nur von einem einzigen Vogel. Am 8. V. fand ich die 
Verhältnisse ganz ähnlich, am 10. dagegen schien mir die Zahl 
der palustris geringer geworden zu sein, während schoenobaenus 
an Häufigkeit eher zugenommen hatte. Am 13. und 15. hatte 
palustris weiterhin an Zahl auffallend abgenommen und auch die 
Menge der Schilfrohrsänger — an diesen beiden Tagen bekam 
ich beide Vögel wiederholt aus allernächster Nähe deutlich vor 
Augen — war eine kleinere geworden. Dagegen hatte sich nun 
Acrocephalus streperus eingestellt, in einigen Vögeln hielt er sich 
auf der Insel auf und sang noch auffallend leise. Am 20. konnte 
ich ihn an der Maas nicht feststellen, wohl aber sah und hörte 
ich einige Vögel an einem nahen, wenig wasserreichen und stark 
verschilften Teiche, an dem ich ihnen auch später wieder begegnete 
und für den die Art, wie vielleicht auch für die Maas, wo ich 
sireperus am 25. von neuem sah, Brutvogel sein dürfte — 4. 
palustris beobachtete ich vom 25. V.ab an der Maas nicht mehr, 
traf dafür die Art aber an gebüsch- und heckenreichen Talland- 
schaften an. Auch sie dürfteBrutvogelsein. Acr.schoenobaenus war 
bis zum 20. V. zwar nicht mehr so zahlreich wie in der ersten 
Hälfte des Monats, aber doch noch immer häufig vorhanden, liefs 
sich am 25. hier aber gleichfalls nicht mehr feststellen. 

. Jedenfalls handelt es sich bei diesen Beobachtungen zu 
einem grolsen Teile um einen ungewöhnlich starken und lang- 
anhaltenden Durchzug, auf dessen Beobachtung, da er einige recht 
auffallende Erscheinungen zeigte, ich gern mehr Zeit verwendet 
hätte, als mir dies möglich war und die mir bald erschwert wurde 
auch noch dadurch, dafs uns infolge unberechtigten Fischens seitens 
der „Feldgrauen“ gerade das Betreten des gebüschbestandenen 
Maasufers verboten wurde. Auffallend an diesen Zugserscheinungen 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 319 


ist vor allem der so ungewöhnlich späte und so langanhaltende 
Zug von Acrocephalus schoenobaenus, der bei uns als erster ja 
schon im April seinen Einzug hält und von dem ich in Frohburg 
im Mai bereits vollbelegte Nester gefunden habe, der hier aber 
noch am 20. V. in zweifelsfreien Durchzüglern vorhanden war, 
auffallend weiter aber auch die Beobachtung von palustris vor 
streperus und arundinaceus, die beide bei uns ja auch vor 
palustris eintreffen. 


90. Acrocephalus aquaticus Gm. 


Nachdem ich dem Binsenrohrsänger an der Maas in einem 
Vogel erstmalig am 15. Mai sah, traf ich ihn 10 Tage später in 
einer Anzahl Vögel an und möchte aus deren Betragen schliefsen, 
dafs die Art hier Brutvogel ist. 


91. Troglodytes troglodytes L. 


Der Zaunkönig ist ein häufiger, von mir überall beobachteter 
Jahresvogel. 


92. Turdus musicus. 


Spärlicher als der Amsel begegnete ich im Freien wie auch 
vereinzelt in Stadtgärten der Singdrossel, die ich am 17. V. 1917 
überhaupt erstmalig notieren konnte. Ein Nest war wie die 
von mir gefundenen 7. merula-Nester äufserlich gleichfalls völlig 
aus Moos errichtet, zeigte im Innern aber die bekannte glatte 
Ausmauerung durch Erde u. s. w. — Im Bois du Mont Dieu 
traf ich die Art zahlreich an und ebenso mag sie, wie ich auf 
Grund mir gemachter Mitteilungen schliefsen mufs, auch in der 
sonstigen weiteren Umgebung der Stadt zahlreicher sein als in 
direkter Stadtnähe. — 


93, Turdus merula. 


Die Amsel ist auch in Sedan Stadtvogel und winters über 
anwesend, bevölkert daneben auch die Wälder, kommt aber, vor 
allem in der Stadt, weniger häufig vor, als bei uns und bekundet 
in der Stadt auch eine gröfsere Scheu, als sie unsere stadt- 
bewohnenden Amseln zeigen. Nester, die ich aufserhalb der 
Stadt mehrfach fand, waren vollständig aus Moos errichtet und 
ähnelten dadurch ins Grofse übertragenen Braunellen-Nestern. 
Nur innerlich wiesen sie ein dichtes Polster aus Halmen auf. 


94. Turdus iliacus, 
95. Turdus viscivorus und 
96. Turdus pilaris 


wurden nach Mitteilungen eines der Jagd huldigenden und mit 
der Vogelwelt recht gut vertrauten Herrn im Herbst 1916 und 
dem darauffolgenden Winter zahlreich in der weiteren Umgebung 
beobachtet. Auch 


320 Rud. Zimmermann: 


97. Turdus torquatus 


soll unter diesen winterlichen Drosselscharen mehrfach fest- 
gestellt worden sein. — Eine schackernde T. visciworus wurde 
mir noch am 14. IV. 1917 aus einem Stadtgarten gemeldet, sie 
dürfte vielleicht Brutvogel sein. 


98. Pratincola rubetra L. 


Der Braunkehlige Wiesenschmätzer, von mir zum ersten 
Male am 6. V. 1917 notiert, ist sowohl in den Maasauen wie 
auch auf allen wiesenbestandenen Hügel- und Bergbängen eine 
recht häufige Erscheinung. Von Mitte Juni ab beobachtete ich 
ihn überall fütternd, in der ersten Juni-Hälfte sah ich ausgeflogene 
Junge. 


99, Pratincola rubicola L. 


Obwohl die Gegend auch für den Schwarzkehligen Wiesen- 
schmätzer wie geschaffen erscheint und er an vielen Stellen des 
besetzten Frankreich eine recht zahlreiche Erscheinung ist — 
u. a. bezeichnet ihn Heyder in einer briefl. Mitteilung an mich 
für die Gegenden von Verdun als häufig — kam er mir nur 
zweimal im Juli 1917 unter die Augen. 


100. Cinclus aquaticus Bchst. 


Ein recht guter Vogelkenner bezeichnete mir die Wasser- 
amsel als einen nicht seltenen Standvogel an den fliefseuden Ge- 
wässern der Umgebung. Ich selbst sah sie nur einmal (am 6. V. 
17) an einem gebüschbestandenen Bache, der von dem Nordhange 
der Höhe von Noyers herabfliefst. 


101. Erithacus titys L. 


Der Hausrotschwanz ist in Sedan sowohl wie auch in den 
Orten der Umgebung ein recht häufiger Brutvogel, der, nachdem 
ich ihn erstmalig am 6. April notierte (am Morgen an unserem 
Quartier ein Q, am Abend ebendaselbst auf einem Giebel ein 
lebhaft singendes O'), regelmälsig zur Beobachtung kam und 
ausgangs Mai mehrfach beim Füttern der Brut angetroffen wurde. 
Das an unserem Quartier beobachtete Paar fütterte am. 4. VL, 
sein Nest stand in einem Rüstloch an der unverputzten Giebel- 
wand des Nachbarhauses. 


102. Erithacus phoenicura L. 

Weit seltener als der Hausrotschwanz ist der Gartenrot- 
schwanz. Ich sah je ein singendes Q' am 22. IV. und 6. V. und 
beobachtete die Art erst wieder im Herbst, wo im Bois la Marfee 
südlich der Stadt auf einer abgeholzten Fläche 2 noch wenig 
ausgefärbte 0'O' von einem Holzklafter zum anderen flogen. 
103. Erithacus rubecula L. 

Das Rotkehlchen ist ein recht häufiger, auch im Winter 
zahlreich zu beobachtender Standvogel, der in kalten Januartagen 


Ornithologische Aufzeichnungen aus Sedan. 821 


1917 bei Sonnenschein schon recht lebhaft sang. In dem 
Ausgabeschuppen des Etappen-Magazins war in den Winter- 
monaten ein Rotkehlchen Stammgast, es flog am Morgen in den 
Schuppen ein und verstand es hier ohne sonderlich grofse Scheu 
manchen leckeren Bissen zu erhaschen. Besonders die Butter 
oder ein Krümchen Käse hatten es ihm in dieser fettlosen Zeit 
angetan, und wenn bei der Ausgabe von Verpflegung Butter offen 
dalag oder Käsekrumen abfielen, kümmerten es auch die um- 
stehenden Feldgrauen nicht: es flog ungeachtet dieser auf den 
Tisch und holte sich seinen Tribut. Einen ähnlichen Fall 
wufste mir ein Bekannter zu erzählen. In diesen hatte sich ein 
Rotkehlchen ein als Küche und Vorratsraum eingerichtetes Ge- 
wächshaus als Wintersitz erkoren und nahm, fast wie ein zahmer 
Stubenvogel ohne alle Scheu vor den Menschen, die ihm darge- 
botenen Bissen dankbar in Empfang. 


104. Erithacus luscinia L. 


Die Nachtigall ist ein recht‘ häufiger, gegen Ende April ein- 
treffender Sommervogel, deren reich modulierten Gesang man sowohl 
in Stadtgärten wie auch überall im Freien hören kann. Am 29. 
IV. 17 sang ein Q‘ in einem noch unbelaubten Weifsdornbusch 
und war dabei so in seine Tätigkeit vertieft, dafs nicht nur ich 
mich ihm bis auf etwa 3 m nähern, sondern auch eine Anzahl 
vorüberkommender Kameraden dem Gesang aus der gleich kurzen 
Entfernung lauschen konuten. 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


Bericht über die Aprilsitzung 1919. 


Verhandelt Berlin, Montag den 7. April 1919 abends 7 Uhr 
im Konferenzzimmer der Landwirtschaftlichen Hochschule, In- 
validenstr. 42. 


Anwesend die Herren G. Schulz, von Lucanus,Heck, 
v. Stralendorff, Neumann, Grafv. Zedlitz, Germers- 
hausen, Hesse, Bünger, v. Falz-Fein, Haase, 
Schalow, Reichenow, v. Versen und Heinroth. 


Als Gäste die Herren H. v. Lucanus, L. Heck, 
W. Kracht, H. Gottschlag, sowie Frau Heinroth, 
Frl. Beele und Frl. Rempen. 

Vorsitzender Herr Schalow, Schriftführer Herr Heinroth. 


Der Vorsitzende begrüfst Herrn Kracht, der nach langer 
russischer Gefangenschaft heute zum ersten Male wieder im Kreise 
der Gesellschaft weilt. Die eingegangene Literatur wird von den 
Herren Reichenow und Schalo w vorgelegt und besprochen. 


322 Bericht über die Aprilsitzung 1919. 


Herr Kracht hält hierauf einen längeren Vortrag über 
das Vogelleben und den Vogelzug von Tschornpy-Jar an der 
unteren Wolga. 

Die Ausführungen des Vortragenden stützen sich auf die 
Beobachtungen, die derselbe während seiner 31/, jährigen Inter- 
nierung in Tschorny-Jar, einem kleinen Städtchen ca. 180 km 
südlich von Zarizyn, anstelien konnte. 

Tschorny-Jar liegt auf dem rechten Wolgaufer, unmittelbar 
am Flufs am Rande der Kalmückensteppe. Die eigentliche Wolga 
hat an dieser Stelle eine Breite von ca. 2 km, die gesamte 
Wolganiederung jedoch eine solche von fast 30 km. Aufser der 
eigentlichen Wolga durchfliefst diese Niederung ein Hauptparallel- 
arm die Acktaba. Beide Ströme verbinden eine ganze Anzahl 
schmaler Arme, wodurch die ganze Niederung zu einem grofsen 
Inselreich wird. Diese Inseln sind stellenweise von prächtigen, 
grofsen Wiesen bedeckt, auf denen hier und da mächtige Pappeln 
stehen, stellen weise finden sich Sümpfe, stellenweise gröfsere tote Ge- 
wässer, und viele kleine Tümpel, die von Schildkröten, Fischen und 
Ringelnattern wimmeln, stellenweise Wald. Letzterer ist entweder 
reiner Weidenwald, der dann nur vereinzelte Weidensträucher als 
Unterholz aufweist, oder gemischter Wald — Pappeln, Weiden, 
Ulmen, Erlen, Maulbeeren — mit aufserordentlich dichtem Unter- 
holz und üppigem Krautwuchs. Von den ersten Tagen des April 
an bis Mitte Mai herrscht aufserordentliches Hochwasser, sämtliches 
Gelände der Niederung und mit ihm alles Gesträuch ist von den 
Fluten begraben, nur die Baumkronen schauen noch aus dem 
Wasser hervor. Das Wasser steigt um ca. 7-8 m. Die Stämme 
der Bäume treiben während der Überschwemmung lange Wurzeln 
und sehen nachher wie in ein dickes (ca. 20 cm) Moospolster ein- 
gehüllt aus. Diese Frühjahrs-Überschwemmung ist auch der 
Grund, dafs in der Niederung fast gar keine Kleinvögel wie 
Rohrsänger, Sprosser etc. anzutreffen sind, da denselben bis 
Ende Mai, sei es die Brutstätten, sei es die Möglichkeit Nahrung 
auf dem Boden zu suchen, entzogen sind. Sämtliche Vierfüfsler 
sind genötigt dem Festland zuzuschwimmen; das Vieh wird 
mittels grofser Kähne zur Steppe gebracht. Die Gehöfte oder 
Dörfer liegen an den höchsten Stellen der Niederung, sodafs sie 
vom Hochwasser nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die 
Insassen verlassen sie jedoch während der Überschwemmungszeit 
und wohnen in primitiven Hütten aus Weidengeflecht und Lehm 
in der Steppe. Das linke Ufer, d. h. von der Kirgisensteppe 
her, steigt sanft an, das rechte dagegen fällt fast senkrecht ca. 
30 :m hoch ab. An einigen Stellen wird die steile Uferwand von 
grofsen Einsenkungen von mehreren Kilometern Länge unter- 
brochen und bier finden sich dann Felder, Wiesen und Gärten. 
.Ca. 5 km unterhalb Tschorny-Jars war auch eine solche, und hier 
stellte Vortragender den gröfsten Teil seiner Vogelzugbeobachtungen 
an, da er die wenigen Gartenbesitzer gut kannte und ungestört 


Bericht über die Aprilsitzung 1919. 923 


Fallen aufstellen konnte. Recht charakteristisch sind auch die 
zahlreichen, weitverzweigten Regenrinnen, die das Regenwasser 
von der hochgelegenen Steppe zum Flufs hinabführen. Die 
Breite und Tiefe dieser Rinnen überschreitet oft 15 m, ihre 
Länge 3 km. Ihre senkrechten Wände sind von Bienenfressern 
und Blauraken ganz besonders zur Anlage ihrer Niströhren be- 
vorzugt. Die Steppe ist vollkommen baum- und strauchlos, durch- 
weg von Wermutkraut bedeckt. Blühende Kräuter oder Stauden 
trifft man nur selten an, am häufigsten da, wo einstmals Ziege- 
leien oder Felder waren. Ackerbau wird steppeinwärts nur wenig 
betrieben, häufiger sieht man Felder mit Arbusen oder einem 
anderen, schwarze Beeren tragendem Kraut. An gröfseren Ein- 
senkungen in der Steppe bleibt im Frühjahr lange Zeit das 
Regen- und Schmelzwasser stehen, und hier bilden sich dann 
Wiesen mit leidlich üppigem Gras- und Blumenwuchs. In der 
Nähe Tschorny-Jars war eine solche Senkung von ca. 2—3 km 
Breite und 15 km Länge. Der Boden bestebt aus sandigem Lehm. 
Weiter südlich, ca. 40 km, beginnt reine Wüstenformation, Sand- 
hügel reiht sich an Sandbügel, und nur vereinzelte Stauden bilden 
die einzige Flora. Das Klima ist reines Steppenklima, d. h. im 
Sommer sehr heifs, im Winter sehr kalt bis 30°R. Schnee fällt 
in ziemlicher Menge, Regen in manchen Jahren sehr wenig, dann 
ist an eine Ernte nicht zu denken, da dann schon Ende Mai der 
Boden unzählige Risse aufweist und hart wie Stein wird. Un- 
angenehm ist der ewige Wind, der im Sommer dichte Staubwolken 
und im Winter bisweilen entsetzlichen Staubschnee mit sich 
bringt. Letzterem fällt stets viel Vieh zum Opfer, da die Rinder, 
die nicht rechtzeitig in Hürden getrieben werden können, ent- 
setzt von dannen rennen, schlicfslich erschöpft sich hinlegen und 
erfrieren. 

Der grofsen Verschiedenheit des Steppen- und Niederungs- 
geländes entsprechend ist auch die Vogelwelt ganz verschieden. 
Betrachten wir. zunächst die Wintergäste, so finden wir in der 
Wolganiederung nur Blau- und Kohlmeisen, den mittleren Bunt- 
specht, den Feldsperling, Elstern und ganz vereinzelt den See- 
adler. In den Städtchen und Dörfern auf der Steppenseite ist 
die Vogelwelt zahlreicher; da fehlt schon auf keinem Gehöft der 
Hausspatz und die Nebelkrähe, die die Abfälle von den Dünger- 
stätten fortsuchen. Alsdann treiben sich auf den Strafsen Dohlen, 
Haubenlerchen, Elstern und vereinzelte Saatkräben herum. Abends 
vernahmen wir den Ruf des Steinkauzes. In der Steppe, allerdings 
nicht in dem grofsen, ebenen Teil derselben, sondern da, wo sich 
kleine Hügel befinden, von denen der scharfe Wind den Schnee 
fortgefegt hat, sammeln sich Ende Dezember bis Anfang März 
Mohren-, Spiegel- und Alpenlerchen. Letztere in geringerer Zahl, 
erstere in sehr grofsen Schwärmen. Kurz nach dem Eintreffen 
befanden sich unter den Mohrenlerchen auch eine ganze Anzahl 
weiblicher und junger Vögel (fast die Hälfte); beim Wegzug 


324 Bericht über die Aprilsitzung 1919, 


dagegen Anfang März beobachtete Vortragender einen sehr starken 
Zug von vielen, vielen hunderttausend Lerchen, der ausschliefslich 
aus ausgefärbten, schwarzen Männchen bestand, Es scheinen 
sich also Weibchen und Junge von den alten Männchen zu 
trennen, und erstere weiter westlich zu ziehen, was mit den Beob- 
achtungen des Herrn von Falz-Fein übereinstimmen würde, der 
im taurischen Gouvernement fast nur weibliche und junge Stücke 
beobachtete. Die Alpenlerchen halten sich in kleinen Flügen 
beisammen und stets etwas abseits vom Gros der anderen Lerchen. 

Sommergäste, d. h. Brutvögel sind folgende: 

In der Wolganiederung: See- und Fischadler, schwarzer 
Milan, Robr- und Wiesenweihe, Baumfalk, Rotfulsfalk, Waldkauz, 
Waldohreule, Nebelkrähe, Elster, Pirol, Schwarzstirnwürger, 
Sperber- und Dorngrasmücke, Blau-, Kohl- und Beutelmeise, 
mittlerer Buntspecht, Grünfink, Austernfischer, Stock-, Pfeif-, 
Spiefs-, Tafel- und Löffelente, Ringeltaube. 

In den Ortschaften und deren unmittelbarer Nähe auf der 
Steppenseite: Haussperling, Star, Nonnen- und gemeiner Stein- 
schmätzer, Dohle, Wiedehopf, Rauchschwalbe, weilse Bachstelze, 
rotrückiger Würger und Steinkauz. 

Im Umkreis von ca. 3 km von der Stadt, an den Ufern 
der Wolga und Regenrinnen: Isabellfarbener Steinschmätzer, 
Haubenlerche, Feldsperling, Uferschwalbe, Bienenfresser, Dohle, 
Blaurake, Steinkauz, Turm- und Rötelfalk, Nonnensteinschmätzer, 
. Rostgans, Star. { 

Weiter entferut in der Steppe: Feld-, Kalander- und Kurz- 
zehenlerche, Steppen- und gemeiner Kiebitz, Zwerg- und Grofs- 
trappe, Steppenbrachschwalbe, Jungfernkranich, Steppenadler, 
Adlerbussard, Würgfalk, Steppenweihe. 

In den Gärten der Einsenkungen des Wolgaufers: Sperber- 
und Dorngrasmücke, Pirol, Schwarzstirn- und rotrückiger Würger, 
Feldsperling, Steinkauz, Schwarzer Milan, Nebelkrähe, Elster, 
Wiedehopf, Bienenfresser, mittlerer Buntspecht, Turteltaube. 

Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dafs sich ca. 40 km weiter 
südlich bei dem grofsen Dorfe Nikolsk Kolonien von Kormoranen, 
Saatkrähen und Fischreihern befinden. Dort kommt auch der 
Pelikan regelmäfsig und der Flamingo vereinzelt vor. Ferner 
befindet sich ca. 120 km steppeinwärts ein ehemaliger Wolgaarm, 
die sogen. Sarpa, die jetzt einen ungeheuren Rohrwald mit 
Weidendickichten darstellt und ein überaus reiches Schwimm- 
und Sumpfvogelleben aufweist. Schwäne, Gänse, Enten, Möwen, 
Uferläufer, Kormorane, Reiher, Kraniche etc. sollen in grofßsen, 
grofsen Mengen vorhanden sein. 

Im Folgenden sei der Vogelzug näher erörtert: 

Wenn Ende Februar der Schnee schwindet stellen sich an 
allen Tümpeln in der Steppe ungezählte Scharen von Enten ein. 
Bald vernehmen wir auch den Sang des Stars, für den auf jedem 
Hof Nistkästen aufgehängt sind. Vom blauen Himmel herab 


Bericht über die Aprilsitzung 1919. 825 


vernehmen wir wohlbekanntes Trillern und Jubilieren, in end- 
losem Zuge kehren die Lerchen in ihre Heimat zurück. Noch 
vor Mitte März folgen den Entenschwärmen die Raubvögel, denen 
die erwachenden kleinen Nager (Ziesel, Pferdespringer) aber doch 
besser zu munden scheinen, als das Federwild. Gleichzeitig mit 
ihnen kommen die isabeilfarbenen Steinschmätzer, bald darauf 
die weilsen Bachstelzen und Wiedehopfe. Am 1. April grünt die 

Steppe schon, und es erscheinen die Rauchschwalben, und nun 

folgt mehr und mehr das Heer der übrigen Zugvögel. 
Bekannterweise führt eine der grofsen östlichen Vogelzug- 

stralsen die Wolga entlang. So bedeutend wie die des Ural- 
flusses ist sie allerdings nicht. 

1. Haliaetus albicilla. Ankunft in den ersten Tagen des März. 
Flügge Junge 5.—15. VI. Nistet auf toten Pappeln. Ein- 
mal stand ein Horst nur 4 m hoch auf einer alten Ulme. 
Fast stets 3 Junge. Fliegen täglich steppeeinwärts. 

2. Pandion haliaetus. Ank. in den ersten Tagen des März. 
Nistet auf hohen Bäumen. Lange nicht so zahlreich wie voriger. 

3. Aquila imperialis. Ank. Mitte März bis Anfang April. In 
wenigen Stücken auf dem Frühjahrszuge. 

4. Aguila orientalis.. Ank. 20. Ill. bis 4. V. Flügge Junge 
25. VI. Nistet stets auf der Erde. Horst aus Knüppeln, 
Auspolsterung ein paar Lappen, Fellstücke. 2—3 Junge. 
Abzug September. 

5. Aquidla fulva. Erhalten am 22. II. 

6. Aquila clanga. Erhalten im April und Juli. 

7. Circaetus gallicus. Ank. im April. 

8. Circus pygargus. Ank.8.Ill. Brutvogel in der Wolganiederung. 

9. Circus aeruginosus. Ank. 8. III. Brutvogel in der Wolga- 
niederung. 

10. Circus macrourus. Ank. 23. III. Brutvogel in der Steppe. 

11. Aceipiter nisus. Erhalten im Frühjahr und Herbst. 

12. Buteo ferox. Eier am 15. IV. Flügge Junge 23. VI. Nest 
auf der Erde. Anfangs mit 4, später nur mit 2 Jungen im 
Nest. 

13. Buteo buteo. Ank. März bis Anf. April. Nur auf dem Zuge. 

14. Archibuteo lagopus. Ank. Anfang bis Mitte März. Nur auf 
dem Zuge. 3 

15. Milvus migrans. Ank. 15. IIL, 17. III. Eier Anf. April. 
Flügge Junge 1. VI. Gemeinster dortiger Raubvogel. Horstet 
auf Pappeln, meistens unmittelbar am Stamm. Man sieht 
manchmal gleichzeitig 50 Stück dieses Vogels. Fortwährend 
fliegen sie unmittelbar am Wolgaufer auf und ab oder unter- 
suchen die Dungstätten der Höfe. Wegzug Mitte August. 

16. Falco cherrug. Eier Ende April. Häufig in der Steppe. 
Horstet auf Heuschobern. Kirgisen richten ihn zur Jagd ab. 

17. Falco subbuteo. Ank. Mitte März. Nistet häufig in den 
Wolgawäldern. 


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Bericht über die Aprilsitzung 1919. 


Cerchneis tinnunculus. Ank. Mitte März. Eier 15. IV. bis 
10. V. Flügge Junge 21. V. Nistet häufig am Wolgaufer. 


Bee cenchris. Ank. Mitte März. Eier und Junge wie 
vorher. 

Cerchneis vespertina. Ank. Mitte März. Nistet in Krähen- 
und Elsternnestern. Häufig. 

Athene noctua. Eier 15. IV. bis 10. V, Sehr häufiger Brut- 
vogel. Nest in den Uferwänden. 

Asio otus. Brutvogel in der Wolganiederung. 

Asio accipitrinus. Brutvogel. 

Syrnium aluco. Brutvogel in der Wolganiederung. 

Turdus viscivorus. Ank. Ende März. 

Turdus musicus. Ank. 25. III. Ziemlich zahlreich auf dem 
Zuge. Nicht Brutvogel. Wegzug Ende September. 

Turdus pilaris. Wie voriger. Ank. Mitte März. Wegzug 11.X. 


Turdus merula. Ank. 25. III. Nicht Brutvogel. Wegzug’ 
25.IX: 

Erithacus phoenicurus. Ank. 25. III. bis 22. IV. Häufigster 
Zugvogel. Lange Zugzeit. Zuerst kommen og. Nicht 
Brutvogel. Wegzug 10. X. 

Pratincola rubetra. Ank. 8. 1V:—18. IV. Nicht Brutvogel. 
Sazxicola leucomela. Ank. 8.—11. IV. Häufig in den Ort- 
schaften und an den Regenrinnen. Nistet in Dachgebälk 
oder iin Uferlöchern. Siugt bis spät in die Dämmerung hinein. 


Sazxicola oenanthe. Ank. Mitte März. Immer am Rande der 
Ortschaften. Nistet in den Reisiglöchern der Schuppen. 
Wegzug Mitte September. 

Sazicola isabellina. Ank. 3.—28. Ill. Nistet in Löchern 
zerfallener Ziegeleien oder in Zieselhöhlen. Weit in der 
Steppe trifft man ihn nicht an, er liebt vielmehr die Nähe 
der Ortschaften und Regenrinnen. Wegzug Mitte September. 
Erithacus philomela. Ank. 18. IV.—9. V. Häufig auf dem 
Zuge. Nicht Brutvogel. 

Erithacus rubecula. Ank. März. Selten auf dem Zuge. Nicht 
Brutvogel. Herbstzug November. 

Sylvia nisoria. Ank. 28. IV.—23. V. Zahlreich auf dem Zuge. 
Brutvogel. Wegzug Ende August. 

Sylvia communis. Ank. 25. IlI. bis 13. V. Brutvogel. Weg- 
zug Ende August bis 3. September. 

Sylvia hortensis. Ank. 24. IV. bis 13. V. Brutvogel. Weg- 
zug Ende August. 

Sylvia curruca. Ank. 4.—23. V. Zahlreich auf dem Zuge. 
Brutvogel. Wegzug Ende August bis Anfang September. 
Sylvia atricapilla. Sehr selten auf dem Zuge, nicht Brutvogel. 
Wegzug Ende August. 

Phylloscopus sibilator. Ank. 27. IV. Häufiger Zugvogel, 
nicht Brutvogel. Herbstzug 6.—16. IX., letzte 25. IX, 


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Bericht über die Aprilsitzung 1919. 327 


Phylloscopus trochilus. Ank. Mitte April. Nicht so häufig 
auf dem Zuge wie voriger. Nicht Brutvogel. 

Phylloscopus rufus. Ank. 28. IIL.—22. IV. Häufig auf dem 
Zuge, nicht Brutvogel. Herbstzug September. 

Acrocephalus schoenobaenus. Ank. A.—13. V. In geringer 
Anzahl auf dem Zuge, nicht Brutvogel. 

Acrocephalus palustris. Ank. 30. IV. bis 23. V. In sehr 
grofser Anzahl auf dem Zuge, nicht Brutvogel. Herbstzug 
Ende August, Anf. September. 

Locustella fluviatilis. Ank. 9.—13. V. In geringer Anzahl 
auf dem Zuge, nicht Brutvogel. 

Locustella naevia. Ank. 4.—13. V. Nicht Brutvogel. 
Accentor modularis. Ank. 25. III. Nicht Brutvogel. 

Parus caeruleus. Brutvogel., 


Parus major. Brutvogel. 


Parus palustris. Nur einmal im Frühjahr gesehen. 
Aegithalos castaneus. Ank. 28. IV. Eier 3. VI. Flügge 
Junge 18. VI. Sehr zahlreicher Brutvogel.e. Es werden 
offenbar mehrere Bruten gemacht, da noch im August eben 
flügge Junge beobachtet wurden. 3 Nestformen: das oben 
offene Spielnest, Brutnest ohne Röhre, Brutnest mit Röhre. 
Die Brutnester hängen gewöhnlich in 4, bisweilen aber auch 
in 10 m Höhe. In den Nestern zahlreiche Blattwanzen und 
Fliegenlarven. Nistplatz wird durch den klagenden Ruf der 
Alten verraten. Jung Aufgefütterte bekommen die prächtigen 
Farben der Alten nicht. Als Aufziehfutter dienten Heu- 
schreckeneier und rohes Fleisch. Herbstzug Ende August. 
Troglodytes troglodytes. Einzelne im April. 

Motacilla alba. Ank. 19. III. Nistet zahlreich in den Holz- 
stölsen in der Stadt. 

Budytes citreola. Ank. 5. V. Nur einmal gesehen. 
Budytes flavus. Ank. 2]. IV. In größseren Flügen auf dem 
Zuge, nicht Brutvogel. Herbstzug 27. August bis 9. September. 
Anthus trivialis. Ank. 25. Ill. Ziemlich zahlreich auf dem 
Zuge, nicht Brutvogel. Herbstzug 27. VII. 

Oriolus galbula. Ank. 4. V. Häufiger Brutvogel in der 
Niederung und in den Gärten auf der Steppenseite. 

Lanius minor. Ank. 28. IV.—13. V. Häufiger Brutvogel. 
Nest meistens auf Birnbäumen. 

Lanius excubitor(?). Ank. 4. V. Nur einmal beobachtet. 
Lanius collurio. Ank. 12. IV.—13. V. Häufiger Brutvogel, 
nistet sogar in den Gärten der Ortschaften. 

Bombyeilla garrula.. Einmal am 17. Nov. beobachtet. 
Muscicapa grisola. Ank. 28. IV.—18. V. Sehr zahlreich 
auf dem Zuge, nicht Brutvogel. 

Muscicapa collaris. Ank. 3. V. Nicht Brutvogel. 
Muscicapa parva. Ank. 4. IV.—6. V. Rückzug 28. VIIL.—9. IX. 


828 


Bericht über die Aprilsitzung 1919. 


. Hirundo rustica. Ank. 1. IV. Flügge Junge 21. V. Brütet 


zahlreich auf Dachböden und in Lehmhütten in der Steppe. 


. Riparia riparia. Ank. 20. IV. Es sind mehrere grolse 


Kolonien vorhanden. 


. Fringila coelebs. Ank. Mitte bis Ende März. Häufiger 


Brutvogel in der Wolganiederung, auf der Steppenseite nur 
im Frühling und Herbst. 

Carduelis carduelis. In Flügen im Frühling und Herbst, 
nicht Brutvogel. 


. Spinus spinus. Wie voriger. 
. Passer montanus. Häufiger Brutvogel. 
. Passer domesticus. Wie voriger. 


Coccothraustes coccothraustes. Ank. 8. IV. Nicht Brutvogel. 
Wegzug 28. VII. 


. Chloris chloris. Seltener Brutvogel in der Wolganiederung. 
. Carpodacus eryihrinus. Ank. 3.—8. V. Nur auf dem Früh- 


jahrszuge. 


. Eimberica schoeniclus. Ank. 28. III. Nicht Brutvogel, 


ziemlich zahlreich auf dem Zuge. 


. Emberisa citrinella. Ank. 18. II. Nur einmal nach sehr 


starkem Schneefall beobachtet. 


. Emberiza hortulana. Ank. 3. V. Ziemlich häufiger Brutvogel. 
. Galerida cristata. Wie voriger. 
. Alauda arvensis. Ank. 15.—25. Ill. Häufiger Brutvogel. 


Herbstzug 15.—25. IX. 


. Melanocorypha calandra. Ank. 15.—25.1Il. Ziemlich häufiger 


Brutvogel. 


. Melanocorypha sibirica. Ank. Ende Dez. Erschien im Winter 


in grolsen Schwärmen. Besonders zahlreich weiter südlich 
in dem sandigen Teil der Steppe. Rückzug Anfang März. 


. Calandrella brachydactyla. Ank. 15.—20. III. Ziemlich 


häufiger Brutvogel. Wegzug 1. IX. 


. Alaudula pispoletta. Ank. 15.—20. Ill. Scheint seltener als 


vorige zu sein. Wegzug Anfang Sept. 


. Melanocorypha tatarica. Ank.. Ende Dez. Wie schon ein- 


gangs erwähnt nur im Winter, und zwar in sehr grolser 
Anzahl. Gesang angenehm, jedoch nicht so gut wie der der 
Feldlerche, auch leiser. Rückzug Anfang März. 


. Otocorys alpestris. Ank. 23. I. Nur im Winter in kleineren 


Flügen. 


. Sturnus vulgaris. Ank. 10. III. Eier‘ 15. IV. Junge 4. V. 


Häufigster Brutvogel. 


. Pastor roseus. Ank. im Mai. Im Frühjahr in gröfseren 


Flügen, übernachten offenbar in den Wäldern der Niederung. 
Nicht Brutvogel. 


. Corvus frugilegus. Im Winter nur wenige Stück da, z. Zt. 


der Überschwemmung ziemlich häufig, fehlt im Sommer, 
Nächste Kolonie 40 km südlich. 


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Bericht über die Aprilsitzung 1919. 829 


Corvus cornix. Häufiger Brutvogel. 

Corvus corax. Nur 3 Exemplare gesehen, nicht Brutvogel. 
u monedula colluris. Eier 10. IV. Sehr häufiger Brut- 
vogel. 

Pica rustica. Häufiger Brutvogel. 

Cypselus apus. Nicht Brutvogel, in wenigen Flügen von ca. 
20 Stück beobachtet. 

Caprimulgus europaeus. Ank. 10. IV. bis 5. V. Nicht Brut- 
vogel, ziemlich zahlreich auf dem Zuge im Frühjahr. 
Dendrocopus leuconotus. Ziemlich häufiger Brutvogel. 
Coracias garrulus. Ank. 18.—22. IV. Eier 24. V. Häufiger 
Brutvogel, nistet nur in den Uferwänden. 

Merops apiaster. Ank. 18. IV. Eier 5. V. Sehr häufiger 
Brutvogel. Nest in Uferwänden oder in Erdwällen um 
Gärten und Felder. Verlassen Ende Juli Brutrevier, tummeln 


sich über Wiesen und Wäldern und schlafen in Bäumen. 


Upupa epops. Ank. 25.—29. Ill. Häufiger Brutvogel. Nest 
im Gebälk der Hoftore oder in Ställen hinter Kisten direkt 
auf der Erde. 

Uuculus canorus. Ank. 23.—28. IV. In einigen Exemplaren 
auf dem Frühjahrszug, bleibt nicht länger als 14 Tage. 
Columba oenas. Ank. 10. IV. Nur auf dem Durchzug ohne 
sich aufzuhalten. 

Columba palumbus. Ank. 22. III. Flügge Junge 1. VII. 
Nistet ziemlich häufig in der Niederung. Wegzug 5. Sept. 
Turtur auritus. Ank. 30. IV. Eier 18. V. Ziemlich häufiger 
Nistvogel in den Gärten. Nest meist niedrig im Gesträuch 
oder in den Kirschgehölzen, dann ca. 21/, m hoch. Weg- 
zug Mitte Sept. 

Perdix cinere«. Häufiger Brutvogel. 

Coturnix communis. Ank. Ende April. Nur einmal gehört. 
Dürfte dort nicht nisten. 

Orex pratensis. Nur einmal erhalten. Dürfte aber häufig 
vorkommen und Nistvogel sein. 

Porzana maruetta. Verschiedentlich erhalten, dürfte dort 
Brutvogel sein. 

Fulica atra. Einmal erhalten. 

Grus communis. In der eingangs erwähnten Sarpa häufiger 
Brutvogel. 

Grus virgo. Ank. 19.—27. 11. Eier 22.—26. IV. Überall 
in der Steppe häufiger Brutvogel. Richtet kein eigentliches 
Nest her. Wegzug Ende Juli. 

Otis tarda. Ank. 15.—25. Ill. Nistet weiter in der Steppe 
(von 25 km an) häufig. 

Otis teirax. Ank. 23. I. Eier 24. IV. Überall in der 
Steppe sehr häufiger Brutvogel. Meist 3 Eier. Brütet 
aufserordentlich fest. Männchen verliert schon 2 Monate 
nach Ankunft das Hochzeitskleid. Man schiefst sie zu 


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Bericht über die Aprilsitzung 1919. 


Pferde (der Jäger erlegte einige Mal an einem Tag über 
30 Stück) oder fängt sie auf dem Balzplatz in Schlageisen. 
Wegzug Ende Sept. 

Houbara macqueni. Wurde zweimal erlegt. Nicht Brutvogel. 
Ardea cinerea. Nur einmal 3 Stück gesehen. Nistet 40 km 
südlich. 

Ardeita minuta. Nur einmal lebend erhalten. Dürfte in 
der Nähe von Tsch. nicht brüten. 

Oedicnemus crepitans. Brütet häüfig in der Steppe. 
Glareola melanoptera. Ank. Mitte April. Nistet weiter 
steppeinwärts. 

Vanellus vanellus. Ank. 20. III. Häufiger Brutvogel an 
den Steppengewässern und häufiger Brutvogel in der Steppe. 
Chettusia gregaria. Ank. 19. Ill. Eier 10. IV. Nistet fern 
von Gewässern. Flugbild und Flugart ganz anders wie 
beim gewöhnlichen Kiebitz. 

Haematopus ostralegus. Brutvogel in der Wolganiederung. 
Numenius arquatus. Auf dem Frühjahrszuge häufig. 
Machetes pugnax. Ank. Ende April. Scheint selten vor- 
zukommen, da vom Jäger nur einmal gesehen und erlegt. 
Scolopax rusticola. Ank. Ende März bis Mitte April. Auf 
dem Zuge nicht zahlreich, nicht Brutvogel. 

Gallinago gallinago. Ank. 20.—28. III. Häufiger als vorige 
auf dem Zuge, nicht Brutvogel. 

Larus cachinnans. Zeitweilig oft zu sehen. 

Larus minutus. Häufig im August, sonst selten. 
Phalacrocorax carbo. Brutkolonie 46 km südlich. Häufig 
im Juli und August. 3 
Phalacrocorax pygmaeus. Nur ein paar Mal beobachtet. 
Podiceps nigricollis. Ank. April. Häufig auf dem Frühjahrs- 
zuge. Nicht Brutvogel. 

Podiceps minor. Einmal im Frühjahr erhalten. Nicht 
Brutvogel. 
Anser cinereus. Ank. 19. Ill. Sehr zahlreich auf dem 
Zuge im Sept. 

Anser segetum. Ank. 19. III. Viel seltener als vorige. 
Anser ruficollis. Nur einmal erhalten im April. 

Tadorna tadorna. Ank. 20. II. bis Anfang März. Häufiger 
Brutvogel im Wolgaufer. 

Tadorna rutila. Brütet in der Steppe. 

Anas boschas. Ank. Mitte März bis Anfang April. Sehr 
häufig auf dem Zuge. Brutvogel. 


Anas penelope. Wie bei der Vorgenannten. 
Dafila acuta. Re - 
Anas clypeata. = eh - 
Anas circia. ... - 


Anas crecca. 
Fuligula ferina. 


Bericht über die Aprilsitzung 1919. 381 


143. Fuligula eristata. Wie bei den Vorgenannten. 
144. Clangula clangula.. - - - - 
145. Mergus merganser. - - - - 
146. Mergus serrator. ee - 
147. Mergus albellus. Bien = - 

Vorstebende Notizen können keinen Anspruch auf Voll- 
ständigkeit machen, da die Bewegungsfreiheit des Vortragenden 
zeitweilig eine recht beschränkte war. Die Wolganiederung 
konnte überhaupt nur etwa ein Dutzend mal aufgesucht werden. 
Ebenso konnten mit dem Jäger nur wenige Streifzüge unter- 
nommen werden. Besonders interessant dürfte ein eingehendes 
Studium der auf dem Zuge zahlreich vorkommenden Raubvögel sein. 

Obigem ist noch hinzuzufügen, dals in Astrachan Ceitia 
eetti Brutvogel ist und auf dem Zuge dort auch Acrocephalus 
turdoides festgestellt wurde. Ardea purpurea, alba und garzetta, 
sowie Platalea leucorodia finden sich nur noch im eigentlichen 
Wolgadelta und an der Sarpa; ebenso Pelikane, Flamingos und 
Schwäne. Vereinzelte Stücke dieser letzteren wurden allerdings 
noch bei Nikolsk beobachtet. Hier wurde übrigens auch noch 
Alcedo ispida, im Winter Emberiza nivalis und Petronia petronia 
festgestellt. Leider konnten alle Sumpf- und Wasservögel so gut 
wie garnicht beobachtet werden. Der Vogelzug an der unteren 
Wolga ist recht lebhaft. Die Abhandlungen über denselben sind 
recht spärlich, und es wäre wohl der Mühe wert, dafs Ornithologen 
diesem Gebiet ihre Aufmerksamkeit zuwenden würden. Die 
Gegend ist leicht zu erreichen, in dem Städtchen ist ınan ganz 
gut aufgehoben, Ausflüge in die Wolganiederung und in die Steppe 
sind leicht auszuführen, auch gute Jäger sind zu finden. 

Graf v. Zedlitz wendet sich an Herrn Kracht mit 
der Frage, ob an der unteren Wolga Buteo buteo oder eine rot- 
schwänzige Form vorkomme. Herr Kracht erwidert, dafs es 
sich um den typischen B. buteo handle. Herr Neumann fragt, 
ob Herr Kracht auch schwarze B. ferox (B. eximius Brehm) beob- 
achtet hat. Nach seiner Meinung lebt der schwarze B. eximius 
pur in Gebirgsgegenden, während er nach Hartert (Vög. pal. 
Fauna) überall neben normal gefärbte B. ferox vokommen soll. — 
Herr Kracht hat schwarze Vögel nicht beobachtet. Auch Herr 
v. Falz-Fein hat in Askania-Nova nie die schwarze Form 
bekommen. | 

Es entspinnt sich noch ein längerer Meinungsaustausch 
zwischen den Herren Schalow, Reichenow, Neumann, 
v. Falz-Fein, Grafv. Zedlitz, v. Lucanus und Kracht 
über die Frage, woher die an der unteren Wolga beobachteten 
Vögel stammen und welche Zugstrafsen überhaupt von den Vögeln 
Nordrufslands und des Ob-Gebietes eingeschlagen werden. Wahr- 
scheinlich verhalten sich die verschiedenen Arten verschieden, so 
dafs viele am Ural herunter und dann am Ostufer des Kaspischen 
Meeres entlaug ziehen. 

22* 


832 Bericht über die Maisitzung 1919. 


Herr Neumann legt Bälge der afrikanischen Stargattungen 
Pyrrhoptera und Stilbopsar vor und demonstriert das noch nicht 
beschriebene Kleid der jungen JS. Sowohl bei P. lugubris als 
bei St. kenricki ist das Kleingefieder des jungen 5‘ dem des alten 
J' gleich oder sehr ähnlich. Es hat aber nicht einfarbig dunkle 
Schwingen, sondern die rotbraun gezeichneten Schwingen des Q. 
Also auch bier zeigt das männliche Kleid zunächst einen Charakter 
des weiblichen Kleides, trotzdem dieses für unser Gefühl kom- 
plizierter gefärbt ist, O. Heinroth, 


Bericht über die Maisitzung 1919. 


Verbandelt Berlin, Montag, den 5. Mai, abends 7 Uhr im 
Konferenzzimmer der Landwirtschaftlichen Hochschule, Inva- 
lidenstr. 42. 

Anwesend die Herren Heck, Fr. v. Falz-Fein, 
Germershausen, Haase, Strahl, Reichenow, 
Schalow, v. Lucanus, Helfer, Moser, Hesse, 
Steinmetz, Hilzheimer, Neumann und Heinroth. 

Als Gäste die Herren L. Heck, H. v. Lucanus, 
Schatte, Gottschlag, v. Schuckmann, W. Kracht, 
sowie Frau Heinroth, Frl. Beyer und Frl. Beele. 

Vorsitzender: Herr Schalow, Schriftführer: Herr Hein- 
roth. 

Der Vorsitzende gedenkt des Hinscheidens von Wilhelm 
Schlüter, der auf das stattliche Alter von 90 Jahren zurück- 
blicken konnte und nunmehr fast 50 Jahre Mitglied der Gesell- 
schaft war. Durch seine von ihm begründete weltberühmte 
Handlung hat er die wissenschaftlichen Arbeiten an den Instituten 
des In- und Auslandes und der Privatsammler mit Beschaffung 
des Untersuchungsmaterials ganz aufserordentlich unterstützt. 
Die Anwesenden ehren sein Hinscheiden durch Erheben von 
ihren Sitzen. 

Herr Heinroth spricht hierauf über das Verhältnis des 
Eigewichts zum Körpergewicht des Vogels sowie zur Gröfse des 
Geleges und zur Brutdauer. Der Inhalt dieses Vortrages wird 
im Journal für Ornithologie ausführlich veröffentlicht werden. 
Der Vortragende hat bei etwa 440 Vogelarten die Durchschnitts- 
Körpergewichte und Durchschnitts- Eigewichte festgestellt und 
vergleicht sie unter Ausführung zahlreicher Kurven miteinander. 
Es ergibt sich hierbei, dafs die Eigröfse meist in einer gewissen 
Abhängigkeit zum Entwicklungszustand der neugeborenen Jungen 
und zur Gröfse des Gesamtgeleges steht, jedoch durchaus nicht 
in der Weise, dafs sich mechanistische Notwendigkeiten daraus 
ableiten lassen. Die einzelnen Vogelgruppen werden nach diesen 
Gesichtspunkten genauer besprochen. 


Bericht über die Maisitzung 1919. 833 


Herr Neumann legt eine eigentümliche Campephagide 
des Berliner Museums vor, die v. Möllendorff in den 70er Jahren 
auf der Insel Culion (Philippinen) gesammelt hat und beschreibt 
dieselbe wie folgt: 


Lalage schisticeps nov. spec. 


Im Färbungscharakter vollkommen in der Mitte stehend 
zwischen Lalage nigra Forst. (terat auct.) und Perierocotus 
cinereus Lafr. . Kopf wie beim J* letzterer Art gefärbt. Stirn 
bis über die Augen rein weils. Zügel, Strich durch das Auge, 
Hinterkopf und Hinterhals glänzend schwarz. Nasenlöcher durch 
schwarze Borsten ganz verdeckt. Oberseite bräunlich grau, mehr 
schmutzig bräunlich als bei P. cinereus. Unterrücken, Bürzel 
und Oberschwanzdecken fein gelblichweils und grau gewellt. 
Kleinste Flügeldecken grau wie der Oberrücken, mittlere weils, 
übriger Flügel und Schwanz wie bei L. nigra gezeichnet, nur 
dals die bei jener glänzend schwarzen Teile hier bräunlich 
schwarz oder mattschwarz sind. Unterseite weifs, etwas gelblich 
überlaufen. Untere Kehle und Brust sehr matt und fein dunkel 
gebändert. Form des Schwanzes wie bei ZLalage. Fl. 92 mm, 
Schw. 73 mm. 


Herr Neumann bemerkt hierzu, dafs er eigentlich Bedenken 
trage, das Stück als neue Art zu benennen, da es vollkommen 
wie ein Bastard der beiden vorgenannten Arten aussehe Nun 
lebe aber nur Lalage niyra als Standvogel auf den Philippinen, 
während Pericrocotus cinereus im Amurland, Nord-China, Korea 
und Japan brüte und die Philippinen als Winterquartier auf- 
suche. Ein Fall von Verbastardierung einer Art im Winter- 
quartier mit einer andern dort als Brutvogel vorkommenden 
wäre aber seines Wissens noch niemals behauptet, geschweige 
denn nachgewiesen worden. 


Herr Reichenow legt eine auf Samoa erlegte Tringa 
maculata vor. Während auf Samoa als regelmäßiger Wanderer 
die nordasiatische Tringa acuminata zu erscheinen pflegt, ist 
der nordamerikanische Vertreter dieser Art, die 7. maculata, 
als ein seltener Irrgast zu bezeichnen, der im vorliegenden Fall 
überhaupt zum ersten Mal auf Samoa nachgewiesen zu sein 
scheint. Das Vorkommen läfst sich wohl nur so erklären, dafs 
der Vogel auf der Wanderung längs der Westküste Amerikas 
durch Stürme auf die See verschlagen ist, oder dafs er über 
Alaska und Kamtschatka nach Ostasien verirrt ist und sich dann 
den längs der Ostküste Asiens wandernden Scharen der T. acu- 
minata angeschlossen hat. Der Vortragende bemerkt noch, dafs 
das sicherste Merkmal zur Unterscheidung der beiden sehr ähn- 
lichen Arten in der Zeichnung der Unterschwanzdecken besteht, 
die bei 7. maculata rein weils sind, bei 7. acuminata einen 
schwarzen Schaftstrich haben, 


884 Bericht über die Maisitzung 1919. 


Herr Reichenow beschreibt ferner die folgenden neuen 
Arten: 

Francolinus tschadensis Rehw. n. sp. 

Schliefs am nächsten an F. elappertoni sich an. Oberseite 
wie bei diesem gezeichnet, aber die Grundfarbe wesentlich 
dunkler; Kehle nicht weils, sondern blafs ockergelblich; Federn 
der übrigen Unterseite mit sehr breitem braunschwarzen Mittel- 
teil und ockergelblichen Seitensäumen; keine rotbraune Zeichnung 
an den Körperseiten; Innensäumen der Schwingen viel lebhafter 
ockergelb. Schnabel und Füfse am Balge dunkel, am lebenden 
Vogel anscheinend rot. Fl. 175, Schw. 80, Schn. 26, Lauf 58 mm. 
Aus dem Tschadgebiet. 


Francolinus grotei Rehw. n. sp. 


Sehr ähnlich dem F. johnstoni, aber Oberseite rostfarben 
verwaschen, besonders Schwanz und Schwingen lebhaft rost- 
farben; Grundfärbung der Unterseite rahmfarben. Auch die 
Henne zeichnet sich durch stärker rostfarben verwaschene Ober- 
seite und lebhaft zimtrotbraune Unterseite, Zügel, Augenbrauen- 
strich und Wangen aus. Mikindani im Süden von Deutsch- 
Ostafrika. 

Syma sellamontis Rehw. n. sp. 


Der S. megarhyncha sehr ähnlich, aber Schnabel rein gelb. 
Für S. megarhyncha wird immer die schwarze Schnabelspitze als 
bezeichneznd hervorgehoben. Auch ist der Schnabel kürzer als 
bei 8. megarhyncha, nur 45 mm lang gegenüber 55 bei jenem, 
gleicht darin dem Vogel, den ich als $. weiskei vom Alstrolab- 
gebirge beschrieben hatte, der aber von Hartert trotz dieses 
zierlicheren Schnabels zu S. megarhyncha gezogen ist. Das vor- 
liegende Stück stammt vom Sattelberg im östlichen Neuguinea. 


Momotus pilcomajensis Rehw. n. sp. 


Steht dem M. ignobilis Berlp. am nächsten, unterscheidet 
sich aber durch längeren Schnabel, längeren Schwanz und auch 
etwas längere Flügel. Die Unterseite ist nicht eintönig grün 
mit ockergelben Anflug, sondern die Kehle ist hell blaugrün 
(thalassinus), ebenso Unterhals und Brust, diese aber etwas 
ockergelblich verwaschen, Bauch und Unterschwanzdecken leb- 
haft hell ockergelb. Die Innenränder der Schwingen sind viel 
breiter ockergelb gesäumt als bei der peruanischen Art. Fl. 
134—138, Schw. 240—270, Schnabel 40 mm. Von Villa Montes 
am Pilcomajo in Süd-Bolivien. 

Ein Vogel von Jujug im nördlichen Argentinien stimmt mit 
dem beschriebenen überein, aber die Färbung der Unterseite ist 
noch reiner, von der Kehle bis zur Brust rein hellblaugrün und 
scharf abgesetzt von dem lebhaft ockergelben Bauch. Ob hier 
in diesem südlichsten Verbreitungsbezirk der Sägeraken noch 


Bericht über die Maisitzung 1919. 885 


eine ständig unterschiedene Form oder nur ein älterer Vogel 
von M. pilcomajensis in reiner Ausfärbung vorliegt, läfst sich 
zunächst bei dem einzigen vorhandenen Stück nicht entscheiden. 

Dagegen bilden Vögel vom mittleren Bolivien, La Paz bis 
Chuquisaca einen Übergang zwischen M. ignobilis und pilco- 
majensis und könnten wohl als Abart M. bolivianus gesondert 
werden. Die Kehle zeigt eine von der gelblich verwaschenen 
übrigen Unterseite deutlich sich abhebende hell blaugrüne Fär- 
bung und ebenso heben Steils und Unterschwanzdecken durch 
reiner ockergelbliche Färbung sich ab. 


Herr Dr. Eckardt in Essen hat die folgenden Notizen 
geschickt: „Im Sommer 1916 hatte der Essener Stadtgarten einen 
unverhofiten Fliegerbesuch in Gestalt einer weiblichen Storchgans 
(Plectropterus gambensis Briss.). Der Vogel, der sich am Ufer des 
grofsen Teiches niedergelassen hatte, verweilte leider nur kurze 
Zeit, da ihn das Männchen des Junge führenden Höckerschwanen- 
paares vertrieb. Das vollkommen flugfähige Tier stammte, wie 
mir Herr Direktor Dr. Bolan schrieb, zweifellos aus dem Düssel- 
dorfer Zoologischen Garten, wo ein Sporenganspaar mehrere 
Jahre hindurch mit Erfolg gebrütet hatte. Eines der jungen 
Tiere war nicht amputiert worden und kehrte längere Zeit, die 
Umgebung besuchend, im dortigen Zoologischen Garten aus und 
ein, bis es wahrscheinlich einem übereifrigen Nimrod, auf gut 
Deutsch: „Aasjäger“, vor die Flinte kam. Bei einem im Essener 
Stadtparke jahrelang regelmäfsig brütenden Schwanenweibchen 
‘(Oygnus olor) habe. ich folgende sonst von mir an anderen 
Schwanenpaaren nicht festgestellte Gewohnheit beobachtet: 
Wenn das Weibchen Junge führte, dann erhob es in den ersten 
Monaten beim Herrannahen von Menschen oft den Kopf, um mit 
dem Schnabel in der Luft herumzuschnappen, gerade als wolle 
es Fliegen fangen oder Zweige zu erhaschen suchen. War der 
Vogel in der Nähe von Gebüsch, so ergriff er dieses auch bis- 
weilen. Um eine durch Bisse fingierte Verteidigung konnte es 
sich nicht handeln, denn diese geschah, wenn sie nötig war, 
ganz anders und zielbewußster. Das Männchen des Höcker- 
schwanpaares ging leider Anfang März 1919 ein. Trotzdem hat 
‚das nunmehr allein gebliebene Weibchen an altgewohnter Brut- 
stelle, wie alljährlich, wieder ein Gelege hervorgebracht. Wird 
im nächsten Jahre dem Weibchen wieder ein Männchen bei- 
gesellt werden, so ist auch ein Brüten in künftigen Jahren sicher, 
da Schwäne bis zu 40 Jahren fortpflanzungsfähig bleiben können. 
Setzen dagegen ältere Schwäninnen einmal aus irgend einem 
Grunde in einem Jahre mit dem Legen aus, so schreiten sie in. 
der Regel in Zukunft nie wieder zur Fortpflanzung.“ 

O. Heinroth, 


886 Dem Herausgeber zugesaudte Schriften. 


F. 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


Dobbrick, Die Reiherente im Brutvogelleben west- 
preufsischer Seen. (Abdruck aus: 41. Bericht Westpreufs. 
Botan.-Zoolog. Vereins 1919.) 


. Grote, Über den in Ascania-Nova, Gouv. Taurien, Süd- 


rufsland, im Frühling 1914 beobachteten Vogelzug. (Abdruck 
aus: Zoolog. Beobachter LV, Heft 11, 1914.) 


. Lindner, Die Brutvögel von Naumburg, Weilsenfels, Zeitz 


und Umgegend. 2. Auflage. Naumburg a. S. 1919. 


. D. van Oort, Ornithologia Neerlandica.. De Vogels van 


Nederland. Aflevering 3/4, 1919.) 


. Rendahl, Notes on a collection of birds from Panama, 


Costa Rica and Nicaragua. (In: Arkiv f. Zoologi, Bd. 12, 
No. 8, 1919.) 


Rüdiger, Ornithologische Beobachtungen in der Neumark 
1917 und 18. (Abdruck aus: Orn. Mntschr. XLII. No. 9 u. 
XLIV. No. 4.) 


Einige Notizen über Raubvögel in den Pripjet-Sümpfen. (Ab- 
druck aus: Orn. Jahrb. XXVIII, Heft 3—6.) 


. Sachtleben, Ein älterer Name für Carduelis caniceps 


orientalis (Eversm.). (Abdruck aus: Verhandl. Ornith. Ge- 
sellsch. Bayern, XIII, Heft 4, 1918.) 


— Carduelis carduelis balcanica subsp. n. (In: Anzeiger 
Örnith. Gesellsch. Bayern, Nr. 1, 1919.) 


Tischler, Die Stimme der Wasserralle ( Rallus aquaticus). 
(Abdruck aus: Ornith. Monatsschr. XLIV, Nr. 5.) 


— Berichtigung, betreffend Anthus cervinus (Pall.), den Rot- 
kehlpieper. (Abdruck aus: Ornith. Monatsschr. XLIV, Nr. 5.) 


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Siebenundsechzigster Jahrgang. 
No. 4 Oktober. 1919. 


Ornithologische Beobachtungen 
aus dem südlichen Uralgebiet (Orenburg). 


Ein Beitrag zur Kenntnis der Ornis Ostrufslands. 
Von Hermann Grote. 


Als ich vor einigen Jahren Professor Suschkin’s Werk „Die 
Vögel der mittleren Kirgisensteppe“ auszugsweise ins Deutsche 
übertrug!), ahute ich nicht, dafs es mir bald selbst beschieden 
sein würde, die Kirgisensteppe — oder doch ein Grenzgebiet 
derselben — aus eigner Anschauung kennen zu lernen: der Krieg 
überraschte mich in Südrufsland, und beim Versuch, das Feindes- 
land zu verlassen, wurde ich von den Russen verhaftet, um dann 
als Zivilgefangener in langer entbehrungsreichster Etappenfahrt 
ins Orenburger Gouvernement verschickt zu werden... 

Als Wohnort während der Zeit des Krieges wurde mir nebst 
vielen mitgefangenen Landsleuten das Tatarenstädtchen Kargalä 
(russisch: Sseitowski Possäd) — etwa 22 km nördlich von der 
Gouvernementsstadt Orenburg gelegen — angewiesen. Soweit 
nicht sinnlose Schikane und Willkür einer geistig armen Beamten- 
schaft mich hinderten, suchte ich nach Kräften durch ornitholo- 
gische Forschungen und zoologische Sammelexkursionen in die 
nächste Umgebung der Stadt mein eintöniges Gefangenleben er- 
träglich und anregend zu gestalten; auf meinen Exkursionen 
leistete mir mein Zeifsglas, das glücklicherweise den Späher- 
blicken der requirierenden Behörden entgangen war, ausge- 
zeichnete Dienste. Und dank dem Umstande, dafs durch meinen 
kleinen Beobachtungsbezirk die Sakmara fliefst, die eine wichtige 
Vogelzugstrafse Ostrufslands darstellt, war es mir trotz aller 
widrigen Verhältnisse ermöglicht, aus der reichen Vogelfauna 
des Orenburger Gebiets fast 200 Arten selbst zu beobachten. 


1) Cfr. Journ. f. Ornith. 1914, Heft 3 und 4. 
Journ, f. On, LXVII, Jahrg. Oktober 1919, 23 


838 H. Grote: 


Die die Ornis des Uralgebiets behandelnde Literatur ist 
zum gröfsten Teil in russischer Sprache erschienen und folglich den 
meisten Ornithologen unzugänglich. Daher wird die vorliegende 
Veröffentlichung meiner Aufzeichnungen wohl nicht ganz ungerecht- 
fertigt erscheinen, umsomehr, als das behandelte Gebiet in tier- 
geographischer Hinsicht viel des Interessanten bietet und dabei 
bei uns noch wenig bekannt ist. Gröfstenteils werden meine 
Beobachtungen nur als Bestätigungen und kleine Ergänzungen 
der (russischen) Arbeiten Nikolai Sarudny’s, die dieser Beobachter 
auf grund 13-jähriger unermüdlicher Forschertätigkeit im Oren- 
burger Gebiet verfalste, angesehen werden können. Oft habe 
ich auch direkt Sarudny’s Angaben benutzt, ohne indes rein kompi- 
latorisch zu sein. Im Anschlufs an die Ausführungen über Ver- 
breitung und Vorkommen der Vögel im engeren Orenburger Gebiet 
habe ich auf grund der russischen Literatur in groben Zügen 
auch einen flüchtigen Überblick über die geographische Verbreitung 
in den an Orenburg angrenzenden Landesteilen zu geben versucht; 
ich glaubte damit der grolsen Unkenntnis, die bei uns in Deutsch- 
land fast allgemein betreffs der Ornithologie Rufslands herrscht, 
soweit der zur Verfügung stehende knappe Raum dieses Aufsatzes 
es gestattete, ein klein wenig steuern zu helfen. Jeder Urteils- 
fähige wird mir hierbei Billigkeitsgründe nicht versagen. 

Bei der Abfassung meiner Arbeit benutzte ich folgende 
einschlägige Schriften (sämtlich ‘in russischer Sprache): 

N. Sarudny, Ornithofauna des Orenburger Gebiets; Beilage 
z. LVII. Bd. der Verhandlungen [Sapiski] d. Russ. Akad. 
d. Wiss., No 1, 1888; 338 S. 

Derselbe, Zweiter Nachtrag zu dieser Arbeit, veröffentl. in Bull. 
Soc. Imp. d. Natur. de Moscou, Abt. Zoologie, Lfg. III, 1897, 
pag. 171—312. — Dieser Nachtrag führt alle bis 1897 für 
das Orenburger Gebiet bekannt gewordenen Vogelarten auf 
und liegt meiner Aufzählung der Vögel Orenburgs zu grunde. 

P. Suschkin, Die Vögel der mittleren Kirgisensteppe; Moskau 
1908, 803 S. — Wie ich schon früher ausgeführt habe, ist 
diese Arbeit aufserordentlich wertvoll und ich benutzte sie 
um so lieber, als Suschkin darin die Mitteilungen Sarudny’s 

- über die Vögel des Orenburger Gebiets mit verarbeitet und 
vorkommende Irrtümer der Sarudny’schen Angaben in kri- 
tischer Weise beleuchtet und richtiggestellt hat. 

Derselbe, Die Vögel des Gouvernements Ufa; Materialien z. 
Kenntn. der Flora und Fauna d. Russ. Reiches, Abt. Zoologie, 
Lfg. IV, Moskau 1897, 321 S. 

Derselbe, Nachträge zu: Die Vögel d. Gouv. Ufa; Ibid. Lfg. V, 
1901, S. 395—399. 

S. Reszow, Die Vögel des Gouvernements Perm; Ibid. Lfg. 
VI, 1904, S. 43—225 + 1 Tafel. 

A. Karamsin, Die Vögel des Bezirks Buguruslan, Gouv. 
Namara; Ibid. Lfg. V, S. 203 —394. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 839 


W. Bostanjoglo, Die ornithologische Fauna der aralo-kas- 
pischen Steppen; Ibid. Lfg. XI, 1911, 410 S. — 2 Karten. 

Die verschiedenen anderen russischen (resp. polnischen) 
Schriften (meist kleinere Aufsätze), die ich herangezogen habe, 
werden im Text zitiert. Leider habe ich das berühmte, jetzt ver- 
altete, Werk Eduard Eversmaun’s „Naturgeschichte des Orenburger 
Gebiets“ III. Bd. Vögel, Kasan 1866 nicht benutzen können, und 
ebenso ist mir eine neuere, anscheinend kleinere, Arbeit von A. 
Raiski „Zur ornithologischen Fauna des Orenburger Gebiets“ (in 
„Warschauer Universitätsmitteil.“ 1913 [russisch]) nicht bekannt 
geworden. 

Es sei mir gestattet, hier beiläufig ein paar Worte über die 
russische ornithologische Literatur im allgemeinen einzuflechten 
Eins steht fest: es kann nicht geleugnet werden, dafs dieselbe 
sich in den letzten Jahren aufserordentlich entwickelt hat. Die 
vorzügliche von G. Poljakow geleitete Zeitschrift „Ornithologi- 
tscheski Wjestnik“ (Ornith. Mitteil.), ferner die von der Moskauer 
Naturforschergesellschaft herausgegebenen und bisher von Prof. 
M. Menzbier redigierten „Materialien zur Kenntnis der Flora und 
Fauna des Russischen Reiches“, sowie — in selteneren Fällen — 
verschiedene andere periodisch erscheinende Schriften enthalten 
manche wichtige, zuweilen hervorragend wertvolle Arbeit. Ich 
hoffe in absehbarer Zeit in einer grölseren Einzelschrift eine Aus- 
wahl in deutscher Übersetzung einem weiteren Leserkreise zu- 
gänglich machen zu können. Es wäre meines Erachtens kurz- 
sichtig und wohl auch töricht, wollte man diese Arbeiten ignorieren 
bzl. boykottieren, nur weilsieeben in russischer Sprache erschienen, 
resp. von Russen verfafst sind. Rufsland, dieses durch und durch 
verrottete und verlogene Land mit seiner fadenscheinigen mos- 
kowitisch-asiatischen Pseudokultur, hat dennoch einen Metsch- 
niknow, einen Tolstoi und andere Heroen des Geistes der 
Menschheit geschenkt ; warum sollte nun die ornithologische Wissen- 
schaft nicht objektiv, kühl-sachlich das Gute und Wertvolle sich 
zu eigen machen, was russische Naturforscher auf dem uns inter- 
essierenden Gebiete geleistet haben ?! — 

Das Bestimmen der in meinem Beobachtungsgebiet lebenden 
Arten bzl. Unterarten bot an der Hand der deutschen Ausgabe 
von Suschkin’s „Vög. d. mittl. Kirgisensteppe“ (in der die an- 
gewandte Nomenklatur eine einigermafsen zeitgemälse ist) keine 
Schwierigkeiten, und einige Arten konnten auch auf grund der 
wenigen von mir gesammelten Bälge!) nachgeprüft werden. In 
mehreren -—- verhältnismälsig wenigen — Fällen habe ich aller- 
dings die Formzugehörigkeit der betreffenden Vogelart offen lassen 
müssen. Einige der‘ aufgeführten — von russischen Forschern 


1) Diese wurden fast alle aus von mir in Fallen gefangenen Sing- 
vögeln angefertigt; einen anderen kleinen Teil der gefangenen Vögel 
beringte ich mit Rossittener Aluminiumringen. G. 

23” 


340 H. Grote: 


beschriebenen — Unterarten werden, wie ich vermute, einer sorg- 
fältigen Nachprüfung wohl kaum stichzuhalten vermögen. 

In der russischen Literatur sind die Kalenderdaten durch- 
gängignach dembis in die allerjüngste Zeit in Rufsland gebräuchlich 
gewesenen alten Stil gegeben. Da meine Beobachtungen nach 
dem gregorianischen Kalender datiert sind, habe 
ich auch in den russischen Quellen entnommenen Angaben die 
Daten in gregorianische Zeitrechnung umgeändert und in den 
Fällen, wo dies — wiein Zitaten — nicht geschah, stets in 
Klammern hinzugefügt, dafs das betr. Datum russischen Stils sei. 

Meine Beobachtungen bei Kargala datieren von Mitte Sep- 
tember 1914 bis Ende Mai 1918. Am 1. Juni trat ich dann die 
Fahrt in die Heimat an und legte zuerst beinahe 300 km im 
Leiterwagen zurück. Eine Schilderung der mannigfachen Er- 
lebnisse und Abenteuer der Heimreise, meiner 31/,-monatigen 
Gefangenschaft bei den aufrührerischen Tschechen in Samara 
u. s. w. würde aus dem Rahmen dieses Aufsatzes herausfallen. 
Erst am 23. November überschritt ich westlich von Orscha die 
Grenze des deutschen Okkupationsgebiets. — 

Zweifellos bietet das behandelte mein Beobachtungsfeld 
bildende Grenzgebiet zwischen Europa und Asien dem Tier- 
geographen und Ornithologen eine Fülle interessantester Probleme. 
Doppelt fühlbar war mir daher meine durch die Kriegsgefangenschaft 
aufgezwungene Bewegungs- und Beobachtungsbeschränkung. Wenn 
ich aus diesem Grunde viel, sehr viel nicht beobachtet habe, 
was einem Forscher unter normalen Umständen vielleicht sofort 
in die Augen fallen mülste, meine Arbeit infolgedessen lückig 
erscheint, so darf ich wohl um gütige Anwendung des Voluisse 
sat est bitten. 

Berlin, Dezember 1918. 


I. Allgemeiner Teil. 


Die Tatarenstadt Kargala!), deren nächste Umgebung mein 
Beobachtungsfeld bildete, liegt an der Sakmara, einem Neben- 
flusse des Ural. Rings um die Stadt dehnt sich die Steppe aus, 
die meist eben, stellenweise aber auch sanft hügelig ist; hier 
und da sind an den Wasserrissen Pappelhaine gelegen. Bei einer 
an der Kargalka (einem sich in die Sakmara ergiefsenden Steppen- 
flüfschen) erbauten Wassermühle liegt — etwa 2 km von der 
Stadt entfernt — ein parkähnliches ca. 3 ha grofses Wäldchen; 
hier an dieser landschaftlich reizenden Stelle findet sich aufser 


1) Die Stadt Kargala trägt ihren Namen vom tatarischen (und kirgi- 
sischen) Wort Karg& = Krähe, Rabe. In der Tat ist die grofse Menge der 
in und bei der Stadt lebenden Corviden (frugilegus, monedula, im Winter 
auflser letztgenannter auch cornsx und Hica) sehr auffällig. Kargala war 
in jeder Hinsicht ein Krähwinkel! 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 541 


alten Weiden und hohen Pappeln viel Gebüsch und etwas Schilf, 
so dafs das Ganze eine geradezu ideale Raststation für die Zug- 
vögel und auch einen gut besetzten Brutplatz für viele Arten 
bildet. Buschwerk, aus verschiedenartigen Sträuchern und holzigen 
Kräutern zusammengesetzt, steht stellenweise auch an den Bö- 
schungen der Risse, die die Steppe zerschneiden und gröfstenteils 
das ganze Jahr über trocken sind oder doch nur im Frühjahre 
die Schmelzwässer der Schneemassen in reifsendem Strudel dem 
Flusse zuführen. An einigen Stellen hier, sowie an der Sakmara, 
fallen die hohen Uferwände steil ab; wo die Steilufer felsig sind, 
resp. mit Blöcken von Sandstein bedeckt, traf ich Sazxicola 
pleschanka Lepech. am Brutplatze; dort, wo Sandhänge die Ufer 
bilden, fanden sich Bruthöhlen von Uferschwalbe und Bienen- 
fresser. Stellenweise liegen am Flusse Wiesen, oft mit Rosa, 
Corylus u. a. zerstreut bestanden. Mehrere Sandbänke in der 
Sakmara und kiesige Strandpartien bieten durchziehenden Stelz- 
vögeln zusagende Raststationen... 

Erwäbnt mag noch werden, dafs im Frühjahr im gesamten 
Flufssystem des Ural Hochwasser — oft in aufserordentlich hohem 
Mafse — eintritt, das weite Strecken des den Flüssen anliegenden 
Landes überflutet und dem Menschen zeitweise unzugänglich 
macht. — 

Da mein Beobachtungsbezirk nur klein sein konnte und 
lediglich wenige Kilometer im Durchmesser hatte, war die Zahl 
der von mir als Brutvögel angetroffenen Arten naturgemäfs 
eine verhältnismäfsig geringe. Anders verhielt es sich bezüglich 
der Durchzügler, die, dem Laufe der Sakmara folgend, in 
erheblicher Artenzahl hier zur Beobachtung gelangten. Eine kurze 
Übersicht des Vogellebens, wie es sich mir im Kreislaufe des 
Jahres (1915) bot, mag versuchen, ein flüchtiges Bild der Ornis 
von Kargala zu zeichen: 

Das winterlicheVogelbild desJan uar warrechteinförmig. Den 
Hauptfaktor stellten die ungemein zahlreichen Doblen (Lycos mone- 
dula soemmeringi Fisch.), Nebelkrähen (Corvus cornix L.) und Elstern 
(Pica pica L.), in der Stadt die kaum minder häufigen Kohlmeisen 
(Parus major L.) und Sperlinge (Passer domesticus L., Passer 
montanus [? volgensis Ognew]). Vereinzelte überwinternde Saat- 
krähen (Corvus frugilegus L.) und Kolkraben (Corvus corax L.) 
waren fast täglich zu beobachten. Auf den Schlittenwegen vor 
der Stadt kamen hin und wieder Goldammern (Emberiza_ eitri- 
nella erythrogenys Brehm), auch Schneeammern (Passerina nivalis 
L.) und Mohrenlerchen (Melanocorypha wyeltoniensis Forst.) zur 
Beobachtung, in den Pappelhainen zuweilen Gimpel (Pyrrhula 
pyrrhula L.) und Leinzeisige (Acanthis linaria L.), seltener mal 
ein Buntspecht (Dendrocopos sp.) oder Kleiber (Sitta europaea 
uralensis Glog. ex Licht.) Von Raubvögeln kam mir Astur palum- 
barius schvedowi Menzb. oder Falco wesalon Tunst. (resp. F. ae. 
pallidus Suschkin) hin und wieder zu Gesicht; etwas häufiger 


342 H. Grote: 


waren Rauhfufsbussarde (Archibuteo lagopus Gm.). Gegen Abend 
sah man zuweilen den Steinkauz (Athene noctua indigena Brehm) 
um die Dächer streichen, und auf allen Strafsen und Höfen trieben 
die zahlreichen halbwilden Felsentauben (Columba liwvia var.) 
furchtlos ihr Wesen. Die übrigen von mir zur Winterszeit hier 
beobachteten Vögel waren zu sehr Ausnahmeerscheinungen, als 
dafs sie in merklicher Weise auf das Gesamtbild hätten Ein- 
flufs haben können. 
| Der Februar bot im allgemeinen dasselbe Bild. 
Während der ersten Märzhälfte waren Wintergäste, wie 
Leinzeisige, Gimpel, Goldammern u. a. augenscheinlich auf dem 
Rückzuge nach nördlicheren Landstrichen begriffen; Kohl- 
meisen, Dohlen, Nebelkrähen und Elstern begannen zu streichen 
und an milden Tagen balzten Haussperlinge und Felsentauben. 
Der 14. März brachte endlich die ersten Frühlingsboten: Saat- 
krähen, deren Zahl von Tag zu Tag wuchs, sodafs sie gegen 
Beginn des letzten Märzdrittels die der Nebelkrähen übertraf. 
Am 18. III. wurden bereits zwei Stare (Sturnus vulgaris interme- 
dius Praz.) gesehen, die sich auf dem Minaret der Moschee am 
Bazar niedergelassen hatten. Es waren frühe Vorboten, denn die 
nächsten wurden erst eine Woche später bemerkt. Im zweiten 
Märzdrittel begannen die Haussperlinge mit dem Nestbau und 
die Feldsperlinge hielten sich balzend bei ihren Nistkolonien auf. 
Die Zahl der Elstern hatte schon sehr abgenommen und die Kohl- 
meisen waren so gut wie ganz aus der Stadt verschwunden. Diese 
Meisen belebten während der beiden letzten Märzdrittel in grofser 
Zahl die Gehölze, und selbst auf den Fahrwegen und den vielen Dung- 
haufen vor. der Stadt, sowie in den Steinbrüchen am Flufsufer 
sah man ziehende Kohlmeisen. Am 20. III. beobachtete ich 
streichende Schwanzmeisen (Aegithalos caudatus L.), etwa 20 Stück. 
Um diese Zeit kamen mir Stieglitze (Carduelis carduelis subsp.), 
einmal auch zwei Blaumeisen (Parus caeruleus orientalis Sar. u. 
Loud.) zu Gesicht. Verhältnismäßsig früh im Jahr erschienen 
Buchfinken (Fringilla coelebs? subsp.): schon am 24. III sah ich 
zwei Stück. . 
Am Morgen des 29. zählte ich auf den Horsten der auf 
zwei!) dicht bei der Stadt stehenden alten Pappeln befindlichen 
Reiherkolonie bereits 18 Fischreiher (Ardea cinerea L.), die 
offenbar am selben Tage oder am Tage vorher eingetroffen waren. 
Einen prächtigen Anblick boten diese stattlichen Vögel, wie sie 
paarweise auf ihren Horsten standen oder gemessenen Fluges 
durch den blauen Frühlingshimmel segelten. An diesem Tage 
bemerkte ich auch ein paar Lasurmeisen (Parus cyanus Pall.), 
nach welcher Art ich bisher stets vergeblich ausgeschaut hatte. 
Drei Wacholderdrosseln (Zurdus pilaris L.) wurden beobachtet. 


1) 1917, als die Reiherkolonie besonders grofs war, waren drei 
Pappeln mit Horsten besetzt. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 848 


Mit Beginn des April (3. IV.) sangen über der gröfstenteils 
schneefreien Steppe Feldlerchen (Alauda arvensis L.). Der Zug 
der Kohlmeisen flaute stark ab und war schon vor Mitte April 
gänzlich zu Ende. Dagegen sah man immer noch (zu Anfang des 
Monats) auf dem Zuge befindliche Nebelkrähen. Am 8. IV. be- 
obachtete ich auf der Steppe Kiebitze ( Vanellus vanellus L.) — über 
20 Stück. Hier traf ich an diesem Tage auch eine einzelne 
Misteldrossel (Turdus viscivorus subsp.) und die ersten Saxicola 
oenanthe L. Auf einer eisfreien Stelle der Kargalka schwammen 
zwei Stockenten (Anas boschas L.) — 9‘ und 9. 

Der folgende Tag brachte Lachmöwen (Larus ridibundus L.) 
und ich beobachtete mehrere Motacilla alba, welche letztere Art 
übrigens schon ein paar Tage früher von einigen meiner Mit- 
kriegsgefangenen gesehen worden war. Ferner zeigten sich einige 
Melanocorypha sibirica Gm. 

Am 10. IV. genofs ich das schöne Bild eines in der Steppe 
auf Ziesel Jagd machenden Würgfalken (Falco cherrug Gray). Ein 
Numenius arquatus L. wurde gesehen. 

Turmfalken (Cerchneis tinnunculus L.) — meist Männchen 
— beobachtete ich am 12., ferner eine Columba oenas L., ein 
oO ad. von Circus cyaneus L., die ersten Oharadrius dubius Scop. 
(früh!) und einen Pieper (wohl Anthus trivialis L.); am folgenden 
Tage Singschwäne (Uygnus cygnus L.), den ersten Tringoides 
hypoleucos L., einen Austernfischer (Haematopus ostralegus lon- 
gipes Buturl.). Am 13. beobachtete ich auch die ersten Milane?) 
(entweder Milvus migrans Bodd. oder M. lineatus Gray); Fisch- 
reiher, Sturm- und Lachmöven zogen in geringer Zahl. 

Aufserordentlich auffallend in aviphaenologischer Hinsicht 
war während des gesamten zweiten Aprildrittels der lebhafte 
Anatidenzug. Nyroca clangula L., Anas boschas L., Anas acuta 
L., Anas crecca L., Anas penelope L., ferner Mergus merganser 
L. und Mergus albellus L. zogen während der Morgenstunden 
z. T. sehr zahlreich. In bunter Reihe folgte Trupp auf Trupp 
flufsaufwärts. Seine Höhe schien der Entenzug um Mitte April 
zu erreichen, als sich den genannten Arten noch Anas querquedula 
L., Spatula elypeata L. und Nyroca ferina L. zugesellten. Jeden 
Morgen mögen weit über tausend verschiedenen Arten angehöriger 
Anatiden hier durchgezogen sein. 

Am 14. April — frühmorgens — sah ich das erste Blau- 
kehlchen (Erithacus svecicus pallidogularis Sar.).?) Ein grolser 
Flug Singschwäne, wohl an 80 Stück, zog flufsaufwärts, ebenso 
beobachtete ich Austernfischer, Flufsuferläufer, Milane, Weihen 
(meist C. macrourus Gm.), von Circus nur alte graue J'Q". 
Ferner sah ich ein paar Buchfinken, Hänflinge (Acanthis cannabina 


1) 1916 sah ich den ersten Milvus am 6. IV., 1917 schon am 4. IV. 
2) Ich habe aber auch — sowohl im Frübjahr, wie im Herbst — 
typische svecieus gefangen (Bälge verglichen!). G. 


344 H. Grote: 


L.), Hohltauben, Flufsregenpfeifer (Charadrius dubius Scop.), Stein- 
adler und Bussarde (Buteo desertorum vulpinus Licht.). 

Am folgenden Tage wurden ziehende Kraniche (Grus grus 
L.) gesehen. Besonders lebhaft war an diesem und dem nächsten 
Tage der Anatidenzug; auch Möwen zogen ziemlich zahlreich, 
darunter wenige Silbermöwen (wohl Zarus cachinnans Pall.). 

Am 19. IV. waren mehrere Wiedehopfe ( Upupa epops L.) da. 
Zahlreich zogen an diesem Tage Bussarde (Buteo desertorum 
vulpinus Licht. und Archibuteo lagopus Gm.), auch Weihen (darunter 
aeruginosus 1.), besonders aber Milvus. Auch am folgenden Tage 
zogen alle diese Arten hier durch, aufserdem wurden je ein, bzl. 
zwei Stück Rotkehlchen, Merlinfalken und Sumpfohreulen gesehen. 

Am 21. zogen Blälsgänse (Anser albifrons Scop.) und Kraniche 
(Grus grus L.), verhältnismälsig wenig Enten und Säger; einen 
Brachpieper (Anthus campestris L.) bekam ich zu Gesicht. Den 
ersten Weidenlaubsänger Phylloscopus collybita (vermutlich Zristis 
Blyth.) beobachtete ich am 22., ferner eine Singdrossel (Turdus 
musicus L.); an diesem, wie auch während der nächsten Tage 
war infolge kalter und regnerischer Witterung wenig Vogelzug 
bemerkbar. 

Der 23. April bot mir Gelegenheit, eine Vogelart zu be- 
obachten, die ich bisher noch nicht lebend gesehen hatte: am 
kleinen Steppenflüfschen Kargalka sah ich drei Budytes citreolus 
werae Buturl., ebendort auch im Ganzen mindestens ein Dutzend 
Totanus ochropus L. Überall in der Steppe balzten die Stein- 
schmätzer (Sazxicola oenanthe L.); Trupps von Gänsen (Anser anser 
L. und Anser albifrons Scop.) zogen überhin. 

Am 25. IV. beobachtete ich die erste Rauchschwalbe (Hirundo 
rustica L.), !) am 26. an der Kargalka neben einem Budytes citreolus 
werae Buturl. und zahlreichen Motacilla alba (subsp.) zwei pracht- 
volle .Budytes campestris Pall. 

Die beiden folgenden Tage ware sonnig und brachten eine 
Belebung des Vogelzuges mit sich. Am 27. beobachtete ich in 
offener Steppe zwei Wendehälse (Jynz torquilla L.) in ganz 
spärlichem niedrigen Weidenstrauchwerk des Kargalkaufers — 
ein etwas ungewohnter Anblick! Abendfalken (Cerchneis vesper- 
tina L.) waren angekommen und je ein Exemplar von Phylloscopus 
trochilus eversmanni Bp. und Hippolais scita Eversm. kam mir 
zu Gesicht. Guten Laubsängerzug (Ph. trochilus eversmanni und 
Ph. collybita resp. tristis) brachte der 28., ebenso zahlreiche 
Abendfalken. An diesem Tage wurde zum erstenmal die Wachtel 
(Coturnix coturnix 1.) gehört, verhältnismäßig sehr früh! 

. Der 29. IV., ein windiger regnerischer Tag, brachte Siern«a 
hirundo L. (? subsp.); an diesem Tage wurde auch bereits ein 
einzelner Grauer Fliegenschnäpper (Muscicapa grisola L.) bemerkt, 
ein verfrühter Vorläufer! 


1) 1917 schon am 19. IV.! 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 845 


Am letzten Apriltage war der Vogelzug wieder etwas lebbhafter. 
Es zogen: Totanus glareola L., Hirundo rustica L., zahlreiche 
Oerchneis vespertina 1. und Milvus, Circus spp., Nyroca marila L. 
und Nyroca fuligula L., aufserdem Enten, deren Artzugehörigkeit 
nicht festgestellt werden konnte, je mehrere Zwergsäger, Flußs- 
seeschwalben und Sturmmöwen; ferner beobachtete ich eine Wald- 
ohreule (Asio otus L.). 

Am 1. Mai sah ich eine einzelne Kiparia riparia L. (das 
Gros der Uferschwalbe kam erst um die Mitte des Monats oder 
doch kurz vorber); am 2. einen Erithacus phoenicurus L.!), ein 
altes ©. Braunkehlige Wiesenschmätzer (Pratincola rubetra L.) 
— 4 Stück — sah ich am 3. V. zum erstenmal, verhältnismälsig 
spät!?2) Auch beobachtete ich an diesem Tage ziehende Schaf- 
stelzen und einen kleinen Flug Buchfinken (Q'0" und QYQ). 


Am sommerlich beifsen 4. V. beobachtete ich mehrere Saxi- 
cola pleschanka Lepech®). Gartenammern (Emberiza hortulana L.) 
waren jetzt sehr häufig. Es zogen Laubsänger, Gartenrotschwänze, 
Schafstelzen, Totaniden, Lachmöwen; ein Baumfalk (Falco subbu- 
teo L.) wurde gesehen. 

Bis zum 7. V. war wenig Zug bemerkbar (Nyroca, Emberiza 
hortulana, Phylloscopus) und erst am genannten Tage sah ich 
wieder neue Frühlingsboten: der erste Kuckuck (Cuculus canorus 
L.) wurde gehört und gesehen, eine ‚Pratincola torquata indica 
Blyth kam mir zu Gesicht, Flufsseeschwalben, Gartenammern, 
vereinzelte Gartenrotschwänze und Nonnensteinschmätzer (Sawicola 
pleschanka Lepech.) zogen. Letztgenannte Arten wurden auch am 
folgenden Tage beobachtet. 

Am 9. V. kam der erste Vortrupp von Merops apiaster L. 
(3 Stück), und ich sah eine Sylvia curruca. Starker Möwenzug 
war an diesem Tage bemerkbar: es zogen in kleineren oder 
gröfseren Trupps Larus canus L. (vereinzelter), L. ridibundus L. 
und besonders L. minutus Pall. Am Flufsstrande waren Totaniden, 
zwei Charadrius hiaticula L.., auf dem Flufse noch ziehende Reiher- 
enten (Nyroca fuligula L.) zu sehen. Von Kleinvögeln kamen 
viele Laubsänger und Gartenammern, vereinzelte Gartenrot- 
schwänze, Nonnensteinschmätzer, Blaukehlchen und Braunkehlige 
Wiesenschmätzer zur Beobachtung. 

Infolge der einsetzenden stürmisch-regnerischen Witterung 
geriet der Vogelzug für ein paar Tage ins Stocken und ich konnte, 
soweit ich in dieser Zeit überhaupt Exkursionen unternahm, 
während mehrerer Tage keine neuen Ankömmlinge aus der Vogel- 
welt feststellen. 


1) 1917 den ersten am 24, April beobachtet. 

2) 1916 sah ich die ersten am 22. April. 

8), Der erste Sawicola pleschanka (0') kam 1917 hier bereits am 
19. April zur Beobachtung! 


846 H. Grote: 


Am 15. Mai beobachtete ich viele Turteltauben (Turtur 
turtur L.). Es zogen Sylvia communis (? subsp.) und 98. curruca, 
in geringerer Zahl Gartenrotschwänze, Fitislaubsänger, Braun- 
kehlige Wiesenschmätzer und Nachzügler von Muscicapa atri- 
capilla L. An diesem Tage kamen zum erstenmal Würger zur 
Beobachtung, nämlich Lanius minor Gm. und L. collurio L. 
(? subsp.)1). Auch am folgenden Tage wurde Zug aller eben ge- 
nannten Arten beobachtet, aufserdem Graue Fliegenschnäpper, 
Hippoleais scita, Acrocephalus sp., Kuckucke. Guten Zug von 
Laubvögeln (Ph. trochilus eversmanni) und Schafstelzen brachte 
der 17., auch zogen Gartenrotschwänze, ziemlich viele Muscicapa 
grisola L., sowie Trauerseeschwalben (Hydrochelidon nigra L.). 
Ein Caprimulgus europaeus L. wurde gesehen und an verschiedenen 
Stellen Sprosserschlag gehört. Um diese Zeit wurde ein paarmal 
Otus scops pulchellus Pall. beobachtet. 

Am 18. V. beobachtete ich lebhaften Zug von Karmingimpeln 
(Carpodacus erythrinus Pall.), ferner viele Turteltauben. 

Recht guten Vogelzug brachte der 19. Mai. Die Sakmara 
entlang zogen Hunderte von Bienenfressern (Merops apiaster L.) 
und grofse Massen Uferschwalben (Kiparia riparia L.). Auch 
Rauchschwalben (Zirundo rustica L.) befanden sich augenscheinlich 
noch auf dem Zuge. Vereinzelt zogen Rotschwänze, Laubsänger, 
Karmingimpel, Sprosser, Kuckucke. Pirolruf wurde am 21. gehört. 

Am 24. sah ich kleine Trupps oder einzelne Stücke fluls- 
aufwärts ziehender Zwergseeschwalben (Sterna minuta L.). Ferner 
zogen an diesem Tage Schafstelzen (Budytes), Würger (besonders 
Lanius minor Gm. ), Grasmücken (darunter Sylvia nisoria L.), 
Fitislaubsänger, Uferschwalben, Bienenfresser. 

Der folgende Tag wareiner derbesten Zugtage dieses Frühlings. 
Besonders auffällig war der starke Zug von Phylloscopus nitidus 
viridanus Blyth und Hippolais scita Eversm. (= caligata auct.), 
auch Acrocephalus palustris resp. dumetorum. Von erstgenannter 
Art bekam ich weit über hundert Exemplare zu Gesicht und 
überall hörte man aus den Baumkronen den kurzen lauten Schlag 
dieses Vögelchens. Auch der Zug von Carpodacus erythrinus Pall. 
war noch recht rege. Ferner sah ich Grasmücken, darunter ein 
schwarzköpfiges 0° der bier seltenen Sylvia atricapilla L., einige 
Pirole, mehrere Erithacus philomela Bechst, je ein Exemplar von 
Delichon urbica L. und Cuculus canorus L. In offener Steppe 
beobachtete ich ziehende Lanius minor Gm., in den Pappelhainen 
sah man kleine Trupps von Turtur turtur L. 


1) Beiläufig bemerkt, halte ich es für nicht ausgeschlossen, dals 
beide Arten z. T. gemeinsam ziehen: in Ostafrika sah ich ziemlich starke 
Ansammlungen (z. T. beide Arten gemischt) noch Anfang Mai, in der 
Taurischen Steppe fand ich beide Würger ungefähr gleichzeitig ankommend 
und auch hier im Orenburger Gebiet beobachtete ich die ersten Ankömmlinge 
der beiden Würgerarten an ein und demselben Tage. (G.) 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 847 


Nach diesem ausgezeichneten Zugtage begann der Vogelzug 
allmählich zum Stillstand zu kommen. In den letzten Mai- 
resp. ersten Junitagen zogen noch wenige Phylloscopus nitidus 
virıdanus Blyth, Hippolais scita Eversm., Acrocephalus, Oriolus, 
auch wohl noch Lanius. Am 1. VI. sah ich einen Oypselus apus L. 
Mit Anfang Juni hörte der Zug so gut wie ganz auf. Einige 
Blauraken (Coracias garrulus L.), von welcher Art noch am 7. 
VI. ein Exemplar beobachtet wurde, mögen wohl die letzten 
Durchzügler dieser Zugperiode gewesen sein!). — 

Der Juni — dieser Monat, in dem im allgemeinen kein 
Zug wahrzunehmen ist und während dessen die örtlichen Brut- 
vögel mit dem Erbrüten und Aufziehen ihrer Nachkommenschaft 
beschäftigt sind — bietet günstige Gelegenheit, einen flüchtigen 
Blick auf die sommerliche ornithologische Physiognomie meines 
kleinen Beobachtungsbezirks zu werfen. 

Die flache offene Steppe ist an Vögeln recht arm. Arten, 
die man auf jeder Exkursion antrifft, sind: der sehr häufige 
Steinschmätzer (Saxicola oenanthe L.), der in der Steppe in Löchern 
der Ziesel (Spermophilus) und Iltisse (Putorius) nistet, Anthus 
campestris L., sowie Oircusarten; stellenweise begegnet man Feld- 
lerchen. Entfernt man sich weiter von der Stadt, so kann man, 
wenn man Glück hat, Zwergtrappen (Otis tetrax L.) und Grols- 
trappen (Otis tarda L.) antreffen. Dicht bei der Stadt und in 
der Nähe von Gehölzen treiben sich Saat- und Nebelkrähen, Dohlen, 
Stare, Wiedehopfe, auch Gartenammern umher, und überall sieht 
man das schöne Fiugbild des Abendfalken (Cerchneis vespertina L.). 

Reicher an Arten ist das Vogelleben dort, wo sich Gebüsch 
findet, also meist in den Erosionstälern. Hier brüten Grasmücken, 
Schwarzstirn- und Rotrückiger Würger, Karmingimpel, Pirol, 
Turteltaube und viele andere Vögel. Die steilfelsigen Uferpartien 
der Sakmara belebt Sazxicola pleschanka Lepech., in sandigen 
Böschungen nisten Uferschwalben und Bienenfresser, auch Feld- 
sperlinge und Star. Am Strande laufen Weifse Bachstelzen, 
Schafstelzen und Totaniden umher, über dem Flufse gaukelt 
- Sterna hirundo L., Larus ridibundus L., oder ein Fischreiher 
zieht langsam überhin. 

Über der Stadt Kargala kreisen fast stets Milane und 
erinnern in ihrem dreisten Gebaren an ihren Verwandten im 
Orient — den Schmarotzermilan. Rauchschwalben sind häufig. 
Ferner fehlen in der Stadt natürlich Haus- und Feldsperlinge, 
Dohlen, Saatkrähen und die halbwilden Felsentauben nie. — 

Im zweiten Julidrittel machten sich die Vorzeichen des 
beginnenden Herbstzuges bemerkbar. Im Pappelhain bei der Stadt 


1) Der abnorm spät einsetzende und kalte Frühling des Jahres 
1918 brachte eine erhebliche Verspätung und Verzögerung des Vogelzuges 
mit sich: durchschnittlich um etwa eine Woche, ja teilweise wohl gar um 
volle vierzehn Tage! (G.) 


848 H. Grote; 


sammelten sich Kuckucke an, die augenscheinlich durch das 
ziemlich starke Auftreten des Schwammspinners und einer Roten 
Ordensbandart angelockt wurden. Am 19. VII. bemerkte 
ich bereits die ersten vereinzelten streichenden Parus major L. 
(junge Stücke. Am Flusse wurden verschiedene Strandvögel, 
besonders Zringoides hypoleucos L., auch Totanus ochropus L., 
von Tag zu Tag häufiger. Auch Seeschwalben — besonders 
Sterna hirundo — und Möwen (Larus ridibundus L., Larus canus L.) 
zeigten sich familienweise. Bachstelzen, Schafstelzen, Hänflinge, 
Zwergspötter trieben sich truppweise umher, und besonders die 
letztgenannte Art, wie auch Rohrsänger, Schwirle, Grasmücken 
u. a. begannen wohl schon regelrecht zu ziehen. 

Mit Beginn des August wurde der Zug der Sumpf- und 
Strandvögel auffällig: Totaniden (Totanus nebularius Gunn., T. 
ochropus L., T. totanus L.) und Tringoides hypoleucos L. zogen 
vereinzelt oder in kleinen Trupps, Terekia cineres Güld. und 
Phalaropus lobalus L. in Flügen von 5, 6 bis 9 Individuen, Kie- 
bitze in kleineren sowohl, wie in grofsen Scharen, Tringa minuta 
Leisl. massenhaft in Schwärmen, Tringa ferruginea Brünn, Tringa 
temminckt Leisl. und Charadrius dubius Scop. einzeln, resp. 
paarweise, Haematopus ostralegus.longives Buturl. meist in kleinen 
Genossenschaften. Den Flufs entlang strichen ständig zahlreicher 
werdende Seeschwalben (Hydrochelidon nigra L., Sterna minuta L., 
Sterna hirundo), ebenso Lachmöven. Milane nahmen immer mehr 
an Zahl zu. Von Kleinvögeln zogen im ersten Augustdrittel u. 
a.: Fhylloscopus trochilus, Hippolais scita, Acrocephalus, Locu- 
stella fluviatilis, Sylvia spp., Erithacus philomela, Muscicapa grisola, 
Pratincola torquata indica, ferner Rauchschwalben, Bach- und Schaf- 
stelzen, Bienenfresser, vielKuckucke. Kohlmeisen wurden häufiger. 
Hin und wieder zeigte sich an der Sakmara ein Eisvogel (Alcedo 
ispida pallasii Rchb.). Die örtlichen Uferschwalben (Riparia 
riparia L.) und Nonnensteinschmätzer (Sazicola pleschanka Lepech.) 
verschwanden kurz nach Anfang August und auch Würger (sowohl 
L. minor wie L. collurio) waren nach diesem Termin hier augen- 
scheinlich nur noch mehr oder weniger Ausnahmeerscheinungen. 

Um Mitte August war der Kleinvogelzug recht lebhaft. 
Ziemlich zahlreich zogen Muscicapa grisola L. und (weniger) 
Muscicapa atricapillaL., Phylloscopus (darunter am 19. VIII. einen 
viridanus erkannt), Hippolais scita Eversm., Acrocephalus, Cueulus, 
ferner Grasmücken verschiedener Arten, Rauchschwalben, Pirole, 
Gartenammern, Gartenrotschwänze (letztgenannte Art vom 21. VIII. 
ab ziemlich zahlreich). Der Strandvogelzug hatte dagegen schon 
erheblich nachgelassen, doch war Tringa minuta alltäglich in 
ziemlich beträchtlicher Zahl anzutreffen, weniger Charadrius dubius, 
noch weniger Totanus, Tringoides, Terekia. Einzelne Caprimulgus 
begannen zu ziehen. 

Am 22. VIII. wurde der erste Zwergfliegenschnäpper Muscicapa 
parva Bechst.) gesehen und gefangen. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 849 


Im letzten Augustdrittel war der Zug der Bachstelzen (Motaeille 
ulba uralensis Sarudny) recht rege, weniger der der Schafstelzen. 
Von’einigen Vögeln war um diese Zeit die Hauptmasse bereits 
durchgezogen, wie z. B. von Oriolus. Statt Sylvia nisoria zeigte 
sich Sylvia borin clarae Kleinschm. und — seltener — Sylvia 
atricapilla L. Enten strichen. 

Gegen Ende des Monats zogen Rauchschwalben (Hirundo 
rustica L.) und Bienenfresser (Merops apiaster L.) in grofser Zahl. 
Hin und wieder wurde ein streichender Buntspecht beobachtet, 
am 29. und 30. VIII. je eine Motacilla boarula melanope Pall. 

Seeschwalben (besonders Hydrochelidon nigra, doch auch 
Sterna hirundo) und Zwergmöwen (Larus minutus Pall.) waren 
zu Ausgang August noch häufig. Blaukehlchen, Zaungrasmücken, 
Graue Fliegenschnäpper, Rotschwänze, Laubsänger (darunter fristis) 
zogen in ziemlicher Zahl. Die ersten Sperber (Accipiter nisus L. 
zeigten sich und — als seltene Erscheinungen — vereinzelte 
Lasurmeisen (Parus cyanus Pall.). 

Mit Septemberbeginn flaute der Zug augenscheinlich ab. 
Kuckucke traten zwar täglich, aber nur vereinzelt auf. Tringen 
und besonders Totaniden wurden im Laufe des ersten Drittels - 
seltener, resp. verschwanden in einigen Arten ganz. Charadrius 
dubius zeigte sich noch täglich in einigen kleinen Trupps; hin 
und wieder sah ich einen Falco subbuteo L. Die allmähliche 
Zunahme der Zahl der Elstern und der Zug von Fringilla coelebs, 
COhrysomitris spinus, Carduelis carduelis subsp. und anderer Herbst- 
vögel erinnerte von Tag zu Tag mehr an den anbrechenden Herbst. 

Schon um Mitte September sah es in der Vogelwelt hier 
recht herbstlich aus. Bereits am 16. IX. sah ich Rauhfufsbussarde 
(Archibuteo lagopus Gm.) — 18 Stück — hoch überhin ziehend 
(verhältnismäfsig sehr früh!)!) Am selben Tage zeigte sich die 
erste (einzelne) Wacholderdrossel (Turdus pilaris L.). DBlau- 
meisen (Parus caeruleus orientalis Sar. & Loud.) zogen von Mitte 
September an täglich durch, doch in nur spärlicher Zahl ; Zeisige 
(Chrysomitris spinus L.) waren etwas häufiger.2) Von Sommer- 
vögeln kamen während der zweiten Hälfte des zweiten September- 
drittels Tringa minuta Leisl. und Oharadrius dubius Scop. noch 
täglich zur Beobachtung, ferner Erithacus phoenicurus L. und 
Phylloscopus (meist tristis), auch zuweilen vereinzelte Muscicapa 
grisola L. Einmal (18. IX.) beobachtete ich an der Sakmara 
einen Kiebitzregenpfeifer (Squatarola squatarola L.). Sehr zahlreich 
zogen Buchfinken, auch Hänflinge. In der Steppe waren grolse 
Scharen von Motaeilla alba (20. IX.) und Siurnus, sowie (weniger 
zahlreich) Saxicola oenanthe auzutreffen. Ringeltauben (Columba 
palumbus L.) und Hohltauben (Columba oenas L.) zogen in kleineren 


1) Durchziehende Buteo desertorum vulpinus Licht. waren schon 


früher erschienen. 
?) Im Herbst 1916 war der Zeisigzug unvergleichlich viel stärker! 


850 H. Grote: 


Flügen flufsabwärts. Der letzte Abendfalk (Cerchneis vespertina 
L.) kam mir am 23. IX. zu Gesicht; am selben Tage beobachtete 
ich vier Tringa alpina L. Um diese Zeit wurden auch noch ein 
paarmal einige Sterna hirundo gesehen, verhältnismälsig spät! 

Gegen Ende September wurden folgende Durchzügler beob- 
achtet: Waldschnepfe (zum erstenmal am 25. IX.,) Steinadler, 
Gänse (darunter Branta ruficollis Pall.), Enten verschiedener 
Arten, hin und wieder ein Zwergfliegenschnäpper (Muscicapa 
parva Bechst.), auch mal ein Blaukehlchen. Die letzten Nach- 
zügler von Hüirundo rustica L. wurden am 28. gesehen, und um 
die selbe Zeit verschwanden auch die letzten Kuckucke und 
Milane. Das erste Rotkehlchen (Erithacus rubecula L.) wurde 
am 30. IX. beobachtet. 

Um Anfang Oktober waren Drosseln (Turdus musicus L. 
und besonders TZurdus pilaris L.) ziemlich häufig; Emberiza 
schoeniclus (? subsp.) und Emberiza citrinella erythrogenys Brehm 
trieben sich in gröfseren oder kleineren Flügen umher. Es zeigten 
sich Goldhähnchen ( Regulus regulus L.) und Tannenmeisen (Parus 
ater L.), ein paar Tage später auch Schwanzmeisen (Aegithalos 
caudatus L.), letztere in zahlreichen Schwärmen. Kohlmeisen 
Parus major L.) waren — schon seit Wochen — überaus häufig. 
Hin und wieder wurden Enten verschiedener Arten bemerkt. 
Neben Accipiter nisus L. sab man — doch ziemlich selten — 
Astur palumbarius schvedowi Menzb. und — etwas häufiger — 
Merlinfalken. Einen einzelnen Tannenhäher (Nucifraga caryo- 
catactes ? macrorhynchos Brehm) beobachtete ich am 6. X., 
ebendann auch den letzten Star). 

Gegen Ende des ersten Monatsdrittels boten neben den 
massenhaften Krähen, Dohlen und Elstern hauptsächlich Kohl- 
meisen, Schwanzmeisen, vereinzelter — Blaumeisen, Tannenmeisen 
und Goldhähnchen, ferner zahlreiche Schwärme von Goldammern 
und Finken (Fringilla coelebs, weniger Fr. montifringilla), auch 
Wacholderdrosseln, das tägliche Bild des herbstlichen Vogellebens. 
Ein paar mal sah ich einen Zaunkönig (Zroglodytes troglodytes L.), 
ein Rotkehlchen (Erithacus rubecula L.), einen Baumläufer (Certhia 
famtliaris L.). Phylloscopus collybita tristis Blyth kam um diese 
Zeit noch vereinzelt oder in kleinen Trupps vor, trotzdem es 
schon ziemlich kalt war, und kleinere Gewässer sich allmorgens 
mit einer Eishaut bedeckten. Von Enten kamen mir Nyroca 
ferina L., N. marila L., N. fuligula L., Anas crecca L. zu Gesicht; 
vereinzelt zeigte sich ein Colymbus. Am 13. X. erschienen bereits 
echte Wintergäste: Gimpel (Pyrrhula pyrrhula L.), gleich in vielen 
kleinen Flügen. 

Mitte Oktober fand starker Saatkrähenzug statt. Es ver- 
liefsen uns die letzten Nachzügler der noch vorhandenen Sommer- 


1) 1916 wurden noch am 9. Nov. einige Stare gesehen, von denen 
einer gegriften wurde, 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 851 


vögel: am 16. X. beobachtete ich den letzten Frithacus phoenicurus 
L., am 18. einen Phylloscopus (? tristis), am selben Tage eine 
Bekassine (Gallinago gallinago L.). Enten zogen (Anas boschas 
L., A. crecca L., besonders aber Nyroca clangula L.), und ihr 
Zug war im letzten Monatsdrittel ziemlich stark. Hin und wieder 
beobachtete ich Rotdrosseln (Zurdus iliacus L.), meist einzelne 
Stücke oder aber kleine Gesellschaften von 3—4 Exemplaren. 
Gelegentlich wurde ein Buntspecht, ein Baumläufer (Certhia) oder 
Kleiber (Sitta europaea uralensis Glog. ex Licht.) gesehen. Frin- 
gilla coelebs traf ich noch bis gegen Monatsausgang vereinzelt 
hin und wieder, Bergfinken (Fringilla montifringilla L.) bis über 
den Oktober hinaus, ebenso Rohrammern. Selten kam mir ein 
Rotkehlchen, mehrmals Ringeltauben zu Gesicht. Schwanzmeisen 
waren bis Ende Oktober ziemlich häufig, später wurden die durch- 
ziehenden Schwärme spärlicher; Blaumeisen und Tannenmeisen 
kamen nur vereinzelt vor. 

Im November nahm das Vogelleben immer mehr winter- 
liches Gepräge an. Die Nebelkrähen, Dohlen und Elstern herrsch- 
ten vor; auf Dächern und Höfen ‘der Stadt trieben sich neben 
Sperlingen massenhaft Kohlmeisen herum, und von den verschneiten 
Zweigen leuchtete das Rot der Gimpel und Leinzeisige. Über der 
schneeverwehten Steppe zogen Rauhfufsbussarde ihre Kreise und auf 
den Schlittenwegen suchten Goldammern und Ohrenlerchen (Eremo- 
phila alpestris flava Gm.) nach Nahrung. Zuweilen strich ein 
Kolkrabe überhin . ... 

Ohne weiteres geht aus dieser kurzen Schilderung die Tatsache 
hervor, dafs zu den Zugzeiten grolse Vogelscharen unser Gebiet 
passieren. Den Verlauf der Zugstrafsen hat Prof. Suschkin für 
die benachbarte Kirgisensteppe in seiner zitierten Arbeit (cfr. 
S. 594 u. folg. im Journ. f. Ornith. 1914) gekennzeichnet und dabei 
auch das Orenburger Gebiet berührt. Zweifellos ist der Uralflufs 
für Ostrussland neben der Wolga die frequentierteste Zugstralse 
und den Berichten Sarudny’s nach zu urteilen mufs an einem 
guten Vogelzugstage die Menge der hier entlang ziehenden Vögel 
eine geradezu fabelhafte sein. Aber auch die Sakmara hat mich 
überraschende Vogelzugsbilder schauen lassen. Ich denke an die 
vielen Abendfalken, an die endlosen Reihen der aufeinander 
folgenden Trupps verschiedener Anatiden (im Frühling) oder 
Stelzvogelarten (z. B. Tringa minuta im Herbst), an das bunte 
Gewimmel mannigartiger Singvögel (Parus maior, Hippolais, 
Phylloscopus). In gröfserem Mafse noch als der Uralflufs hat 
die Sakmara vorwiegende Bedeutung als Strafse der nach bazl. 
von Baschkirien ziehenden Vögel. Mehr oder minder mag auch 
auf unser Gebiet — vielleicht in etwas abgeschwächtem Maflse — 
die lebendige Schilderung passen, die Bostanjoglo (l. c. pag. 378) 
vom Vogelzug an der Uralmündung gegeben hat (in russischer 
Sprache): „Gleich einer grolsen Landstrafse ist dieser Weg Tag 
und Nacht belebt. Schon von Mitte März an und fast den ganzen 


852 H. Grote: 


April [alt. St.] hindurch bleibt der Horizont kaum eine Minute 
lang frei, und überfüllt sind fortwährend alle Raststationen der 
befiederten Wanderer. Fast ist es schwer zu sagen, zu welcher 
Tages- oder Nachtzeit noch am wenigsten Vögel ziehen, denn zu 
jeder Stunde erfüllt ihr Rufen die Luft. Hastig streichen in 
entwickelter Frontlinie Schofe verschiedenster Arten von Enten 
dahin, in langen dunklen Linien vom Horizont her auftauchend 
und mit ängstlichem Pfeifen über der Mündung des Flusses 
kreisend, in dichten Wölkchen wälzen sich Trupps von Austern- 
fischern und Regenpfeifern heran, die anmutigen Brachvögel und 
geschäftigen Limosen überholend, einzelne Raubvögel ziehen vor- 
über, gemessen und majestätisch durchschwimmen Fischreiher 
die Luft. In der Zone der Meeresküste sammeln sich die Vögel 
in dieser Zeit in unwahrscheinlich grofsen Scharen. Gleichwie 
auf dem Bahnhofe eines grofsen Eisenbahnknotenpunktes ist hier 
alles in Bewegung, drängt sich, ruft; es herrscht derselbe Nahrungs- 
mangel und Futterneid. Anspruchslos jedoch sind die Wanderer 
und ihre Zeit drängt. Eine kurze Rast, ein hastiger Imbils — 
und die Schwärme erheben sich und eilen weiter, den Plätz immer 
neuen Ankömmlingen räumend. Nur wenige Vögel machen länger- 
dauernde Rast, ohne sich zu beeilen, ihre Luftreise zu Ende zu 
bringen. In der zweiten Aprilhälfte [alt. St.] tritt an der Ural- 
mündung bereits verhältnismäßsige Ruhe ein und die örtlichen 
Vögel wahren schon eifersüchtig ihre erwählten Brutreviere.“ 


Der Orenburger Kreis stellt ein Übergangsgebiet zwischen 
dem Waldgebiet des Nordens und dem Steppengebiet des Südens 
dar und weist Merkmale beider Gebieteauf. Dank diesem Umstande 
ist seine Ornis als Mischfauna eine sehr ansehnliche und mannig- 
faltige. Denn einerseits bieten die verschiedenartigen Gelände- 
arten des Gebiets einer reichen Vogelwelt zusagende Brutstationen, 
und anderseits durchschneiden den Kreis wichtige Vogelzugstrafsen, 
von denen der Uralflufs zu den bedeutendsten der gesamten 
palaearktischen Region gehört. Hier finden einige Vogelarten 
die Ostgrenze ihrer Verbreitung, während wiederum eine Reihe 
östlicher Arten hier ihre am weitesten westlich bzl. nördlich 
vorgeschobenen Vorposten haben !). 

Von den 385 Arten, die Saradny für das Orenburger Gebiet 
(im weitesten Sinne!)?) aufführt, sind ca. 350 Arten und Unter- 


1) Vgl. auch Suschkin’s Kennzeichnung seines Ilekbezirks im Journ. 
f. Ornith. 1914, S. 557—559. 

2%) Sarudny’s Beobachtungsgebiet umfaflste beinahe das gesamte 
Orenburger Gouvernement, den nördlichen Teil des Landes der Uralischen 
Kosaken, das südlich vom Mittellaufe des Ural gelegene Steppengebiet 
(etwa von der Stadt Uralsk bis zu den Süd-Mugodscharen) und den an 
den Obschtachi-Syrt angrenzenden Distrikt des Gouvernements Samara. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 853 


arten in der näheren Umgebung der Stadt Orenburg vorgekommen. 
Einen nicht unerheblichen Prozentsatz der Gesamtornis stellen 
die Irrgäste. 

Das grofse Orenburger Gebiet der Forschungen Sarudny’s 
zerfällt in mindestens zwei faunistische Abteilungen: einen (nörd- 
lichen) waldreichen Bezirk [Baschkirien], der grofsenteils von 
der „Zone der Inselwälder‘“ eingenommen ist, und einen (südlichen) 
mit überwiegendem Steppencharakter, gebildet durch Ausläufer 
der aralo-kaspischen Steppen. Die uns hier näher interessierende 
Umgegend der Stadt Orenburg muls wohl bereits zum 
Steppenteil gezählt werden. Die hier noch ziemlich häufig auf- 
tretenden isolierten Haine und Galeriewälder beherbergen zwar 
als Brutvögel eine ganze Anzahl solcher Arten, deren Brut- 
vorkommen an mehr oder minder ausgedehnte Waldungen gebunden 
ist, jedoch trägt die Ornis im grofsen und ganzen vorwiegend den 
Charakter einer Steppenfauna, stark vermischt mit solchen 
Arten, die charakteristisch für Feldgehölze und Inselwälder sind. 

Als Charaktervögel der offenen Steppe!) seien folgende 
Arten genannt: Sazxicola oenanthe L., Anthus campestris L., Hirundo 
rustica L., Melanocorypha sibirica Gm., Alauda arvensis L., Upupa 
epops L., Asio flammeus Pont., Circus cyaneus L., Circus macrourus 
Gm., Otis tarda L., Otis teirax L. Wo sandige Hänge in der 
Steppe auftreten, also oft an den Betten versiegter oder noch 
Wasser führender Steppenbäche, wird man Merops apiaster L. und 
Riparia riparia L. selten vergeblich suchen. Mit Steingeröll um- 
rahmte Erosionstäler in der Steppe dagegen bewohnen Sazicola 
pleschanka Lepech., Lycos monedula soemmeringi Fisch., Athene 
noctua indigena Brehm, Falco aesalon pallidus Suschkin, Cerchneis 
naumanni Fleisch.; wo etwas Gebüsch vorhanden ist, hält sich 
auch Perdix perdix robusta Hom. & Tancr& auf; ebenso kann 
man hier manche Buschvögel, die charakteristischer für Busch- 
wald und Gehölz sind, wie z. B. Gartenammern und Grasmücken, 
antreffen. 

Die die Steppe durchfliefsenden Gewässer, beziehungsweise 
ihre Ufer, beherbergen eine mannigfaltige Vogelwelt, deren Arten- 
reichtum von dem Charakter der betreffenden Uferpartien ab- 
hängt. Es würde natürlich zu weit führen, für die verschiedenen 
Stationen — Sand- und Kiesstrand, Rohrdickicht, Sumpf, freie 
resp. gebüschreiche Wiese, Gehölz u.s.w. — Listen von Charakter- 
vögeln aufzustellen. Nicht unerwähnt mag aber bleiben, dafs zeit- 
weise — nämlich während der Zugzeiten — auch solche Vogel- 
arten, die in unserem Gebiet nicht brüten, sondern hier lediglich 
Durchzügler sind, eine in die Augen fallende Staflage im Bilde 


1) Ihrer pflanzlichen Bodenbedeckung nach zerfällt die Steppe in 
Pfriemengras- (Stipa -)Steppe und Wermut - (Artemisia -)Steppe; beide 
Formen sind bei Orenburg vorhanden, doch soll die Stipasteppe erheblich 
vorherrschen. G. 

Journ, f, Orn. LXVIL, Jahrg. Oktober 1919, 24 


854 H. Grote: 


des Vogellebens darstellen und einer Landschaft ein gewisses 
ornithologisches Gepräge geben können. Solche häufige Durch- 
zügler sind z. B.: Phylloscopus collybita tristis Blyth, Regulus 
regulus L., Chrysomitris spinus L., Fringilla montifringilla L., 
Eremophila alpestris flava Gm., Archibuteo lagopus Gm., Mergus 
merganser L., Mergus albellus L., Tringa minuta Leisl., Terekia 
cinerea Güld. sowie manche Wintergäste. 


II. Spezieller Teil. 


Die für die Umgegend der Stadt Orenburg 
bekannt gewordenen Vogelarten. 


(Die *angesternten Arten sind mir in meinem Beobachtungsbezirk — bei 
Kargala — zu Gesicht gekommen.) 


Fam. Corvidae. 
1. * Corvus corax L. 


Im Winter ist der Kolkrabe bei Kargala keine Seltenheit. In 
der Nähe des hiesigen Schlachthofes konnte man dann wohl täglich 
einen oder auch mehrere antrefien ; zuweilen beobachtete ich sogar 
kleine Trupps, von denen einer mal 12 Individuen zählte (4. I. 
1917). Vereinzelte Kolkraben beobachtete ich auch schon im 
Herbst. Nur ein einziges Mal findet sich unter meinen Auf- 
zeichnungen eine Notiz über hier in der Brutzeit beobachtete 
Kolkraben: am 10. Juni (1915). An diesem Tage sah ich 3 Stück; 
vielleicht waren es junge Vögel, die irgendwo in der Umgegend 
flügge geworden waren!). Nach Sarudny ist Corvus corax über- 
haupt selten in unserm Gebiet, nistet hier aber doch regelmälsig 
an einigen Stellen, wo er mehr oder weniger Wald vorfindet, an 
weichen er in seinem Brutvorkommen gebunden zu sein scheint. 
In der nördlich vom Orenburger Gebiet gelegenen Waldregion 
(Buguruslan, Ufa, Perm) ist er daher als Brutvogel weit verbreitet, 
südlich von Orenburg — in der Steppe — ist er eine Ausnahme- 
erscheinung und auf weite Strecken hin überhaupt noch kein 
mal angetroffen worden, wie z. B. in den Ebenen -an der unteren 
Wolga. 

[Corvus corax umbrinus Hedenb. 


Ein Exemplar wurde von Sarudny einmal im Ilekbezirk 
(bei Ilezkaja-Saschtschita) — also aulserhalb der Grenzen unseres 
engeren Gebiets — erbeutet.] 


I) Im Sommer 1917 soll nicht weit von Kargala ein Kolkraben- 
paar gehorstet haben, doch habe ich der Sache persönlich nicht nach- 
forschen können, 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 855 


2. * Corvus corniz L. 


Charakteristisch für die meist an Wasserrissen gelegenen 
kleinen Gehölze, ist die Nebelkrähe ein im Orenburger Gebiet 
weit verbreiteter häufiger Brutvogel. Nach Suschkin verlangt sie 
für ihre Brutstationen nicht -unbedingt das Vorhandensein von 
Baumvegetation, sondern brütet sporadisch in der Kirgisensteppe 
selbst dort, wo keine Bäume vorhanden sind; hier baut sie ihr 
Nest im Rohr und Gesträuch. 

In meinem kleinen Beobachtungsbezirk fand ich sie an ver- 
schiedenen Stellen brütend, darunter einmal ein Paar in einer 
gemeinsamen Kolonie von Fischreihern und Saatkrähen. Aulser- 
ordentlich zahlreich waren Nebelkrähen bei Kargala während 
der kalten Jahreszeit und sie trieben sich dann gemeinsam mit 
Dohlen und Elstern überall in der Stadt und an den Ufern der 
Sakmara herum, hier reichlich Nahrung in Gestalt des auf Schritt 
und Tritt vorhandenen Aases findend. Diese Vögel sind dann 
derart dreist und furchtlos Menschen gegenüber, dafs ich oft 
beobachten konnte, wie Nebelkrähen Tatarenweibern, die mit 
Sortieren und Waschen der Gedärme von geschlachtetem Vieh 
beschäftigt waren, die Därme fast aus den Händen rissen. 

Sowohl im Frühjahre (März), wie im Herbst (Oktober) 
zogen Nebelkrähen durch mein Beobachtungsgebiet; es war aber 
natürlich kaum jemals mit unbedingter Sicherheit festzustellen, 
ob es sich gerade um einen fortziehenden Trupp, oder um einen 
Schwarm sich hier den ganzen Winter über aufhaltender Krähen | 
handelte. Soviel steht fest, dafs ein Teil der Krähen weit nach 
Süden zieht. 

3. * Corvus frugilegus L. 

Die Saatkrähe nistet in und bei Kargala in mehreren 
Kolonien und ist hier ein echter Stadtvogel, der besonders im 
zeitigen Frühjahre sich auf allen Höfen und Strafsen herumtreibt. 
In einer hiesigen Kolonie wohnten Saatkräben und Fischreiher 
friedlich beisammen!). Die ersten Ankömmlinge treffen hier 
um Mitte März, selten früher, ein und ihre Zahl vergrölsert sich 
bald in auffallender Weise. Die ersten Eier fand ich am 18. April 
(1916); flügge junge Saatkrähen sieht man schon in den letzten 
Maitagen, spätestens Anfang Juni. Nachdem die Jungen flügge 
geworden sind, scharen sich die Saatkrähen zu riesigen Schwärmen 
zusammen, denen sich auch Dohlen und manchmal Stare bei- 
gesellen, treiben sich tagsüber auf der Steppe umher und kehren 
am Abend unter grofsem Lärm zu ihren Schlafbäumen zurück. 

Im Herbst zogen Saatkrähen in der ersten Oktoberhältte. 
Bald nach Mitte Oktober waren die Vögel aus meinem Gebiet 
fast plötzlich verschwunden und nur einige wenige alte Indi- 
viduen blieben zurück und überwinterten hier (beim Schlachthofe 
z. B. waren in jedem Winter ein paar Exemplare anzutreffen). 


1) 8, unter Ardea cinerea L. 
24* 


356 H. Grote: 


4. * Lycos monedula soemmeringi Fisch. 


Ein häufiger Brutvogel unseres Gebiets, ist die Dohle im 
Herbst und Winter in und bei Kargala die am zahlreichsten 
vorkommende Vogelart überhaupt. Besonders gegen Abend sieht 
man hier dann Schwärme, die viele Tausende von Individuen 
enthalten können, wolkenartig — oft in ziemlicher Höhe — über 
der Stadt kreisen und in eleganten Flugschwenkungen alle Augen- 
blicke verschiedene Formen annehmen In dieser Jahreszeit nähren 
sich die Dohlen wohl fast ausschliefslich von Aas, das in meinem 
Beobachtungsbezirk stets überreichlich in Gestalt von Pferde- 
und Hundekadavern allerorten umherlag. 

Bei starkem Frost suchen die Dohlen gern die in grolser 
Zahl bei Kargala aufgeschichteten Dunghaufen auf. Besonders 
auffallend war dies am Abend des 15. März 1918 zu beobachten. 
Es herrschte bittere Kälte bei heftigem Nordwind. Da bot es nun 
einen eigenartigen Anblick, wie zahllose Dohlen dicht aneinander 
gedrängt auf den der Windseite abgekehrten Stellen der Mist- 
haufen zusammengeduckt salsen, von weitem gesehen, schwarze 
Flächen bildend — ein jäher Kontrast zu den schneeverwehten 
dem Winde zugekehrten Seiten der Haufen! Ob die Dohlen hier 
übernachtet haben, habe ich nicht beobachten können, glaube es 
aber kaum, wenngleich hier sowohl Dohlen wie Nebelkrähen im 
Winter bei sehr heftigem Winde nicht ihre gewöhnlichen Schlaf- 
plätze auf den hohen Pappeln aufzusuchen pflegen, sondern dann 
lieber auf niedrigen Bäumen in Gehölzen und an anderen mehr 
windgeschützten Plätzen die Nacht zubringen. 

Brütend fand ich die Dohle in Saatkrähenkolonien, aber 
auch in eigenen Siedlungen auf Bäumen und in Felsspalten, ferner 
in Einzelpaaren in Gebäuden. Einmal kam mir in Kargala ein 
semmelbraunes aberrantes Exemplar zu Gesicht. 

Nach Sarudny verläfst ein Teil der Dohlen des Orenburger 
Gebiets diese Gegend im Spätherbst und zieht mit den Saat- 
krähen südwärts; bei Kargala konnte auch ich im Oktober leb- 
haften Zug beobachten. Die Überwinternden suchen die mensch- 
lichen Ansiedlungen auf. 


5. * Pica pica L. 

In jüngster Zeit haben sich mehrere russische Ornithologen !) 
über die Frage ausgelassen, ob eine durch Benennung festgelegte 
Scheidung der Elster in eine „dunkelflügelige“ westliche („pica 
pica“) und eine „weilsflügelige‘‘ östliche Form („bactriana resp. 


1) $. Buturlin in „Nascha Ochota“ 1910; A. Tugarinow und S. 
Buturlin in „Materialien über die Vögel des Jenisseischen Gouvernements‘‘ 
1911; G. Poljakow in „Ein ornithologischer Ausflug nach den Seeen 
Saissan-nor und Marka-kul (in Westsibirien)“ 1912/14; S. Ognew in 
„Ornith. Mitteil.“ 1918; N. Sarudny ibid. 1915; A. Karamsin ibid. 1916. 
(Alle Arbeiten in russischer Sprache.) G. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 857 


„leucoptera“) gerechtfertigtsei. Mit Ausnahme von Sarudny kommen 
die genannten Autoren zum Schlufs, dafs eine durchgreifende 
Unterscheidung europäischer und sibirischer Elstern, besonders 
auf grund der Mafse des Flügels und des Schnabels nicht möglich 
sei. In Poljakows Sammlung fanden sich Elstern aus dem Moskauer 
Gouvernement, die nicht weniger Weils im Flügel und nicht 
minder verengte, kurze erste Schwingen haben, wie ein in der- 
selben Sammlung befindliches S' vom Saissan-nor, Nach Poljakow 
(l. c.) sind „solche Vögel im Moskauer Gouvernement anscheinend 
ganz gewöhnlich.“ Tugarinow und Buturlin (l. c. pag. 129, 130) 
nehmen an, dafs „von Schweden bis Ussuri, und von Trans- 
kaukasien und Turkestan an bis zum 60. n. Br. die Färbungs- 
variation, die unter dem Namen lewcoptera bekannt ist (immer 
verbunden mit Schmalheit und Kürze der ersten Schwinge) un- 
abhängig von Geschlecht und Jahreszeit überall neben der 
typischen Form unter erwachsenen Vögeln vorkommt, doch stets 
die Minderheit (gewöhnlich etwa 1/, oder !/, des Bestandes) bildend.“ 
Anderer Meinung ist Sarudny. In seiner „Ornithofauna des 
Orenburger Gebiets“ scheidet er die im Gebiet lebenden Elstern 
zwar noch nicht in zwei verschiedene Formen, holt dies aber in 
den „Nachträgen“ nach. Danach „kommen weilsflügelige Elstern 
zur Winterzeit bei Orenburg durchaus nicht selten vor“, werden 
hier in geringer Zahl sogar brütend angetroffen. Ferner schreibt 
er (l. c.) „Aufser typischen P. leuconota und P. leucoptera sind 
mir aufserordentlich zahlreiche Formen bekannt, die Übergänge 
zwischen beiden bilden.‘ Im russischen Journal ,„Ornith. Mit- 
teilungen‘“ (1915) sucht er in einer eingehenden Arbeit, die u. a. 
27 Seiten Malstabellen (!) enthält, die Selbständigkeit beider 
Formen zu beweisen. — Auch Suschkin unterscheidet zwei Formen, 
die im grofsen und ganzen in der Kirgisensteppe eine verschiedene 
geograpbische Verbreitung haben sollen. Dasselbe berichtetBostan- 
joglo (l. c.). 
Die Elster ist im Gebiet dort, wo Wälder resp. Gehölze 
vorhanden sind, nach Sarudny ein ziemlich häufiger Brutvogel. 
In meinem kleinen Beobachtungsbezirk sah ich sie im Sommer 
nur wenig (ein Paar nistete bei Kargala); in grofser Zahl dagegen 
erschien sie im Herbst (die ersten gegen Anfang September) 
und bildete dann während der kalten Jahreszeit den auffälligsten 
Faktor im Bilde des Vogellebens. Im Herbst beobachtete ich oft- 
mals besonders in den Nachmittagsstunden, wie kleine Trupps 
oder einzelne Individuen in südlicher Richtung überhin strichen. 
Anfänglich, sich mehr in den Gehölzen, besonders gern auch am 
Flufsufer aufhaltend, kommen die Elstern mit Anbruch des Winters 
in die Städte und Dörfer, und ich konnte in Kargala beobachten, 
wie sie hier völlig zu Hausvögeln geworden waren, die dreist 
auf Dächern und Höfen ihr Wesen trieben. Wie grofs die Zahl 
der Elstern ist, die sich winters in den Ansiedlungen des Gebiets 
einfinden, mag der Hinweis Sarudny’s bezeugen, wonach dieser 


858 H. Grote: 


Beobachter die Zahl der im Winter 1880/81 bei der Stadt Oren- 
burg sich aufhaltenden Elstern auf „mindestens 20 000“ schätzte. 
Mit Frühlingsanfang, etwa um Mitte März oder etwas später, 
zerstreuen sich die Elstern, um ihre Brutplätze aufzusuchen. 

Die Elster (als Art) ist in den nördlich vom Orenburger 
Gouvernement gelegenen Landstrichen ein weit verbreiteter häufiger 
Brutvogel, doch ist sie nach Suschkin im Gouvernement Ufa in- 
folge schonungsloser Verfolgung in letzter Zeit recht selten ge- 
worden. Über ihre Verbreitung in der Kirgisensteppe s. Suschkin’s 
Arbeit im „Journ. f. Ornith.“ 3914. 


6. Garrulus glandarius L. und 


7. Garrulus glandarius brandti Eversm. 


Beide Eichelhäher sowie Übergänge zwischen denselben, 
besuchen nach Sarudny das Orenburger Gebiet als Wintergäste, 
und die mehr oder weniger typische!) Form ist hier auch schon 
(selten) brütend angetroffen worden. 


8. Cractes infaustus ruthenus Buturlin. 


Verfliegt sich nach Sarudny sehr selten und in vereinzelten 
Stücken in die Umgegend von Orenburg. Im Gouvernement Ufa 
kommt der Unglückshäher augenscheinlich stellenweise (Ural- 
gebirge) als [seltener] Brutvogel vor. — Die Unglückshäher des 
Europäischen Rufslands sind neuerdings von Buturlin neben ei- 
nigen gleichfalls neuabgetrennten nordasiatischen Formen als 
besondere geographische Rasse beschrieben worden ?). 


9, * Nucifraga caryocatactes (? macrorhynchos Brehm). 


Auf seinen Wanderungen berührt der Tannenhäher auch das 
Orenburger Gebiet, doch kommt er hier nicht alljährlich und — 
nach Sarudny — nur im Herbst, niemals im Frühling vor. Ich 
beobachtete bei Kargala am 6. Oktober 1915 ein Exemplar und 
im Herbst 1917, vom letzten Septemberdrittel angefangen, bis tief 
in den Herbst hinein zahlreiche Stücke, die teils einzeln wanderten, 
teils sich zu kleinen Genossenschaften zusammengetan hatten. 
Mir schienen sie der schlankschnäbligen sibirischen Form an- 
zugehören. 

Die unserm Gebiet nächstgelegenen Brutplätze des Tannen- 
hähers dürften die im Gouvernement Perm gelegenen sein. 


!) Ich möchte vermuten, dafs es sich um @. g. sewertsowe Bogd. 
handelt. (G.) 


2) Ornith. Mitteil. 1916, Heft 1, S. 89—44 (russisch mit engl. 
Auszuge). 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 359 


10. Pyrrhocorax pyrrhocöraz L. 


Als aufsergewöhnlicher Irrgast ist die Alpenkrähe von Sarudny 
einmal bei Orenburg erbeutet worden. (Von Sarudny als P. 
graculus L. aufgeführt; cfr. Suschkin, J. f. O, 1914, Heft 3.) 


Fam. Sturnidae. 


11. * Sturnus vulgaris intermedius Prazak. 


Nach Sarudny, bzl. Suschkin stellt den gröfsten Teil der 
bei Orenburg brütenden Stare die Form „Siurnus sophiae Bianchi“, 
doch brütet hier auch „Siurnus vulgaris L.“, wenn auch in weit 
geringerer Zahl. Häufig seien Individuen, die Merkmale beider 
Formen aufweisen. Bei der Unklarheit, die immer noch in der 
verwirrten Frage über diese Formen des Stars herrscht, ziehe ich 
es vor, die Brutstare unseres Gebiets bis auf Weiteres unter 
dem Namen intermedius PraZ. zusammenzufassen. 


Der Star traf in meinem Beobachtungsgebiet im Frühjahr 
zu Ende März ein; einzelne Vorläufer zeigten sich schon früher, 
so 1915 am 18. III. zwei Stück. Erst im Laufe des ersten 
Aprildrittels, besonders zu Ende desselben, wurden sie zahlreich. 
Dieser Vogel ist in unserm Gebiet aufserordentlich häufig. In 
Kargala haben die Tataren überall Starkästen ausgehängt, die, 
so unzweckmälsig sie auch gebaut sind, doch gern von den 
Staren angenommen werden. Aufserdem fand ich den Star in 
Saatkrähenkolonien, in erweiterten Löchern der Uferschwalbe 
oder des Bienenfressers, sowie in Felsspalten am Steilufer der 
Sakmara nistend. Nachdem die Jungen ausgeflogen sind (was 
etwa gegen Mitte Juni, in manchen Jahren auch schon etwas 
früher der- Fall ist), verlassen die Stare die Ansiedlungen und 
treiben sich in Schwärmen, die im Laufe des Sommers immer 
gröfser werden, in der Steppe umher, doch halten sie sich auch 
dann gern in nicht allzuweiter Entfernung von Gehölzen auf, 
wo sie zu übernachten pflegen. Solche Starenschwärme, wie ich 
sie oft im Laufe des Sommers beobachtete, zählen manchmal 
mehrere tausend Individuen. Der Abzug findet während der 
beiden letzten Septemberdrittel (z. T. wohl auch früher) statt, 
später nimmt die Zahl der Stare bald ab. 1916 wurden hier 
noch am 9. November ein paar verspätete Nachzügler beobachtet, 
von denen ein Exemplar gegriffen wurde. (Ein abnorm spätes 
Beobachtungsdatum!). 


Der Star ist ein Charaktervogel der Au- und Galeriewälder 
und daher in der offenen baumlosen Steppe mehr oder weniger 
selten. Doch hat Bostanjoglo ihn auch hier als Brutvogel fest- 
gestellt; hier nisteten die Vögel in Mauerlöchern halbzerfallener 


Kirgisenwinterhäuser. 


360 H. Grote: 


12. Sturnus vulgaris menebieri Sharpe. 


Typisch nur als ziemlich selten und unregelmäfsig auftreten- 
der Durchzügler bei Orenburg von Sarudny gefunden. 


13. Pastor roseus L. 


Nördlich von Orenburg ist der Rosenstar eine seltene 
Ausnahmeerscheinung; südlich vom Mittellaufe des Ural (Steppen 
am llek) ist er regelmälsiger Brutvogel. Bei Orenburg scheint 
er nur auf dem Zuge vorzukommen (?). 


Fam. Oriolidae. 


14. * Oriolus oriolus L. 


Den Pirol, der nach Sarudny überall im Orenburger Gebiet, 
wo Haine und Wälder vorhanden sind, als Brutvogel vorkommt, 
traf auch ich in meinem Beobachtungsbezirk brütend an. Er trifft 
hier kurz vor Mitte Mai ein, und Zug konnte ich noch bis zu 
den letzten Maitagen feststellen. 

Auf dem Herbstzuge passierte die Hauptmasse der durch- 
ziehenden Pirole meinen Beobachtungsbezirk während des zweiten 
Augustdrittels, ich sah dann fast täglich einen kleinen Trupp 
oder auch mehrere. Nach Ende August waren Pirole hier selten. 

Im Gouvernement Ufa und im Kreise Buguruslan ist Oriolus 
häufig, ebenso stellenweise im Gouvernement Perm, wo sein 
Brutgebiet nach Norden über den 60.° hinausgeht; an der Wolga, 
sowie am Ural kommt er bis zu den Mündungen dieser Flüsse 
brütend vor. 


Fam. Fringillidae. 


15. * Passer domesticus L. 


Der im Orenburger Gebiet sehr häufige Haussperling hält 
sich hier nicht nur in Städten, Dörfern und bei einzelstehenden 
Häusern auf, sondern verbreitet sich längs der Wasserrisse bis 
weit in die ofiene Steppe hinein; so traf ich auf meinen Ex- 
kursionen Haussperlinge stellenweise mehrere Kilometer von 
menschlichen Ansiedlungen entfernt. Er nistet an solchen Stellen 
gern in Raubvogelhorsten oder Felsspalten. Mit Beginn der 
kalten Jahreszeit suchen diese „wilden“ Sperlinge die Nähe des 
Menschen auf. 


16. Passer hispaniolensis transcaspicus Tschusi. 


Im Winter 1882 erlegte Sarudny bei Orenburg aus einer 
Spatzenschar zwei Exemplare dieses Sperlings; die Bälge befinden 
sich in der Petersburger Sammlung. Wohl zweifellos gehören 
sie der transkaspischen Form an. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 361 


17. * Passer montanus L. (? volgensis Ognew). 


Der Feldsperling ist im Orenburger Gebiet ein aufserordentlich 
häufiger Vogel. Ich fand ihn in meinem Beobachtungsbezirk 
überall brütend: in Saatkrähenkolonien und Reiherhorsten, in 
Felsspalten und in Löchern des Bienenfressers, in von den Tataren 
ausgehängten Starkästen und in Gebäuden — überhaupt an 
allen möglichen Stellen. Zum Herbst und Winter wird die Zahl 
der sich in den menschlichen Ansiedlungen zusammenfindenden 
Feldspatzen sehr grofs; in Kargala z. B. übertraf sie dann wohl 
noch die der Haussperlinge. 


18. Ooccothraustes coccothraustes L.!) 


Sarudny fand den Kirschkernbeifser als seltenen und nicht 
alljährlich vorkommenden Durchzügler bei Orenburg. Bei Ufa 
brütet er in spärlicher Zahl und ist hier auch im Winter beob- 
achtet worden. 

19. * Fringilla coelebs L. 


Während der Frühjahrszug des Buchfinken durch meinen 
Beobachtungsbezirk verhältnismäfsig ziemlich schwach war (die 
ersten vereinzelten Individuen sah ich 1915 schon am 24. März, 
Zug dauerte bis Ende April), zog dieser Vogel im Herbst in 
Menge hier durch. Zu Ausgang des ersten Septemberdrittels 
zeigten sich die ersten Flüge, und um Ende September fand 
Massenzug statt. Gegen Mitte Oktober wurden Buchfinken hier 
spärlich und waren nach dem zweiten Monatsdrittel fast völlig 
verschwunden. 

Fringilla coelebs ist nach Sarudny am Mittellaufe des Ural- 
flusses als Brutvogel durchaus nicht selten, und ist als solcher 
von mir auch alljährlich bei Kargala festgestellt worden. Weiter 
nördlich ist er häufig. Sein Brutgebiet überschreitet nach Süden 
das Orenburger Gouvernement kaum oder nur wenig, (an der 
Wolga liegt die Südgrenze desselben nach Bostanjoglo etwa bei 
Saratow), als zahlreicher Durchzügler ist er an vielen Stellen der 
aralo-kaspischen Steppen bekannt; an der Uralmündung kommt 
er auch im Winter vor. 

Neuerdings ist der Buchfink der mittleren Wolga (Saratow) 
als Fringilla coelebs spiza aufgeführt worden (J, Domaniewski in 
„Iravaux de la Soc. des Sciences de Varsovie“. III Cl, No. 18, 
1916, polnisch!). 


20. * Fringilla montifringila L. 


Der das Orenburger Gebiet als Durchzügler passierende 
Bergfink kam bei Kargala im Herbst in kleinen Flügen vor; 


1) Wie sich die Orenburger Stücke zu der Form Cocc, cocc. nigricans 
Buturlin — die u. a. an der unteren Wolga lebt — verhalten, ist mir 
unbekannt. G. 


862 H. Grote: 


manchmal beobachtete ich solche auch in Schwärmen von Buch- 
finken und Goldammern in der offenen Steppe. Am häufigsten 
waren Bergfinken hier während der ersten Oktoberhälfte, doch 
sah ich noch bis etwa Mitte November vereinzelte kleine Trupps. 
Im Frühling beobachtete ich die Art hier in der ersten April- 
hälfte; ein verfrüht erschienenes Exemplar suchte am 15. III. 1917 
bei starkem Frost unter einer Spatzenschar nach Futter auf dem 
Hofe vor meiner Wohnung. 

Die nächstgelegenen Brutplätze von montifringilla dürften 
im Gouvernement Ufa (Tastuba, Slatoust) liegen. 


91. Chloris chloris L. 


Der Grünfink, der im Orenburger Kreise lediglich als 
Durchzügler auftritt, ist hier nach Sarudny ziemlich selten, be- 
sonders im Frühjahre. In milden Wintern sind Überwinterungs- 
fälle beobachtet worden. Im Gouvernement Ufa brütet er stellen- 
weise, wahrscheinlich auch im Kreise Buguruslan. 


22. * Acanthis cannabina L. 


Der Hänfling ist im Orenburger Gebiet kein seltener Brut- 
vogel. Bei Kargala stellte ich ihn als solchen fest; besonders 
häufig war er aber auf dem Zuge (während des gesamten April, 
sowie besonders im Herbst). Dann zog dieser Vogel sehr zahl- 
reich hier durch, 1915 nahm der Zug zu Ende September den 
Charakter von Massenzug an. Im Winter war cannabina hier 
mehr oder weniger Ausnahmeerscheinung. 

Nach Süden von unserm Gebiet überschreitet die Südgrenze 
des Brutvorkommens unseres Vogels den. mittleren Ural an- 
scheinend nicht viel (etwa bis Uralsk), scheint auch nicht über 
den mittleren Ilek hinauszugehen. Nördlich vom Orenburger 
Gouvernement ist der Hänfling stellenweise sehr häufig. 


[Acanthis flavirostris brevirostris Moore. 


„Am Ural ist dieser Vogel von Niemandem beobachtet 
worden, wenn man nicht den lange zurückliegenden Einzelfall 
seines Verfliegens nach Orenburg (November 1853) rechnet“ 
(Suschkin, Vögel d. mittl. Kirgisensteppe, russ., pag. 563).] 


23. * Acanthis linaria L. und 


24. * Acanthis linaria holboelli Brehm. 


In meinem Beobachtungsbezirk war der Birkenzeisig ein 
ziemlich häufig auftretender Wintergast, der hier in der zweiten 
Öktoberhälfte einzutreffen begann. Der Rückzug fand im März, 
besonders in dessen letzten beiden Dritteln, statt; Nachzügler 
kamen noch bis gegen Mitte April zur Beobachtung (letztes 
Beobachtungsdatum: 23. IV. [1916])). 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 368 


‚ Augenscheinlich wird das Gros der hier überwinternden 
Leinzeisige aus mehr oder minder typischen lnaria gebildet; 
einen holboelli fing ich am 14. März 1916. 


25. * Acanthis hornemanni exilipes Coues. 


Neben den beiden vorhergenannten Leinzeisigformen kommt 
auch diese helle Art bei Orenburg als Wintergast vor, doch nach 
Sarudny in verhältnismäßig nur ganz geringer Anzahl. Der 
einzige von mir mitgebrachte Leinzeisigbalg ist laut Kleinschmidt 
(in litt.) „sibörica (Homeyer) (= exilipes Hart.)“. 


26. * Chrysomitris spinus L. 


Dieser Charaktervogel des Fichtenwaldes kommt in unserm 
Gebiet natürlich nirgends brütend vor, wurde von mir aber bei 
Kargala als häufiger Durchzügler, weniger als Wintergast, an- 
getroffen. Hier zeigten sich die ersten durchziehenden Zeisige 
im Herbst bald nach Anfang September; besonders zahlreich 
zogen sie im Herbst 1916 durch meinen Beobachtungsbezirk. 

Seine nächstgelegenen Brutplätze dürften wohl die im Gou- 
vernement Ufa gelegenen sein. 


27. * Carduelis carduelis volgensis Buturl. und 


28. * Carduelis carduelis major Tacz. 


Der Stieglitz kommt in unserm Gebiet in zwei geographischen 
Rassen vor, von denen volgensis Standvogel ist, während die 
grolse sibirische Form hier neben der erstgenannten als Winter- 
gast auftritt. Vögel, die im Spätherbst in Orenburg gekauft 
wurden und die ich sah, gehörten teils der einen, teils der andern 
Form an. Bei Kargala war der Stieglitz (als Art) nicht selten; 
die meisten Flüge kamen mir im März und dann wieder im 
September—Oktober zu Gesicht. 

Südlich vom mittleren Ural kommt der Stieglitz als Brut- 
vogel offenbar nicht vor und scheint hier selbst als Durchzügler 
resp. Wintergast nicht zahlreich zu sein. Häufig brütet er 
nördlich von Orenburg — im Gouvernement Ufa sowie im Kreise 
Buguruslan des Gouvernements Samara. 


29. Carduelis caniceps orientalis Eversm. 


Als Irrgast hat Sarudny vereinzelte Graukopfstieglitze drei- 
mal bei Orenburg — stets im Herbst — angetroffen, die er in 
den „Nachträgen“ als orientalis aufführt. (In jüngster Zeit hat 
dieser Forscher eine besondere Rasse, die in Transkaspien und 
Persien heimisch ist, als Carduelis caniceps subcaniceps ab- 
getrennt?!), zu der — vorausgesetzt, dals die Form subcaniceps 


1) „Ornith. Mitteil.“ 1916, Heft 3, S. 155—176 (russisch). 


864 H. Grote: 


zu Recht besteht — möglicherweise die bei Orenburg vorge- 
kommenen Exemplare zu zählen sein könnten.) 


30. Uragus sibiricus Pall. 


Irrgast in unserm Gebiet; wurde von Sarudny nur einmal 
(Herbst 1882) bei Orenburg festgestellt. 


31. Pinvcola enucleator L. 


Nach Sarudny alljährlicher Wintergast nei Orenburg, in der 
Regel nur in geringer Zahl auftretend. 


32. * Carpodacus erythrinus Pall. 


Infolge der am Mittellaufe des Ural — also im engeren 
Orenburger Gebiet — an den Wasserrissen so häufig vorhandenen 
mit üppigem Buschwerk durchsetzten Haine findet der Karmip- 
gimpel ihm zusagende Brutstationen in reichlichstem Mafse und 
er ist daher laut Sarudny hier ein häufiger Sommervogel. Auch 
ich traf ihn bei Kargala nicht nur als häufigen Durchzügler, 
sondern auch als ebensolchen Brutvogel. Die ersten Karmin- 
gimpel treffen in unserm Gebiet in der Regel um Ende April 
oder etwas später ein. Die Hauptmasse scheint hier erst Mitte 
Mai zu ziehen. Herbstzug beobachtete ich zu Mitte August 
(vielleicht auch schon etwas eher), er ist, wie schon Sarudny be- 
merkt, wenig auffällig. Die letzten Stücke bekam ich bei Kargala 
1917 am 11. und 13. September zu Gesicht. 

Ein häufiger Brutvogel ist der Karmingimpel auch in den 
nördlich von Orenburg gelegenen Gouvernements Ufa, Perm und 
im Buguruslan’schen Kreise des Gouvernements Samara. Südlich 
von Orenburg, im Gebiet Uralsk, nistet er nach Bostanjoglo regel- 
mälsig bis etwa zum 48.° n. Br. In aufserordentlich starker Zahl 
soll er auf dem Zuge das Wolgatal passieren. 


33. * Pyrrhula pyrrhula L. 


Der Gimpel ist Wintergast in unserem Gebiet, doch ist 
seine Häufigkeit hier in den verschiedenen Jahren eine wechselnde. 
Bei Kargala sah ich 1915 um Mitte Oktober (13. X.) die ersten, 
sie traten von vornherein in vielen kleinen Flügen auf; in meinen 
übrigen Beobachtungsjahren trafen die Rotgimpel etwas später 
ein. Im März und zu Anfang April zogen diese schönen Vögel 
wieder nach ihren nördlicher gelegenen Brutplätzen. Die nächsten 
dürften im Ural (Bezirk Slatoust) liegen. 


34. Pyrrhula pyrrhula cassini Baird. 


Nach Sarudny ein in spärlicher Anzahl auftretender Winter- 
gast bei Orenburg. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 865 


35. Loxia curvirostra L. 


Durchzügler und Wintergast bei Orenburg, der nach Sarudny 
hier für gewöhnlich selten ist und nur in manchen Jahren zahl- 
reich auftritt. Im Obschtschi-Syrt wurde der Fichtenkreuz- 
schnabel als Brutvogel aufgefunden; im gebirgigen Teile des 
Gouvernements Ufa brütet er regelmäfsig. 


[Loxia leucoptera bifasciata Brehm, die im Perm’schen 
Gouvernement und vielleicht auch stellenweise im Gouvernement 
Ufa (Slatoust) brütet, und Loxia curvirostra pytyopsittacus 
Borkh., die für Kasan und Perm bekannt geworden ist — sind 
m. W. im Orenburger Gebiet bisher nicht beobachtet worden]. 


36. Calcarius lapponicus L. 


Auf seinen Winterzügen besucht der Spornammer laut 
Sarudny auch das Orenburger Gebiet, wo er nach diesem Be- 
obachter jedoch ziemlich selten ist. Offenbar zieht er nicht 
weit südlich über Orenburg hinaus. 


37. * Rasserina nwalis L. 


Kleine Flüge des Schneeammers beobachtete ich zur 
Winterszeit hin und wieder auf den Schlittenwegen in der nächsten 
Umgebung von Kargala. Nach Sarudny erscheint dieser Vogel 
desto zahlreicher, je schneereicher der Winter ist. 


38. * Emberiza citrinella erythrogenys Brehm. 


Der Goldammer ist laut Sarudny in unserm Gebiet ein 
ziemlich häufiger Brutvogel; mir ist er in meinem kleinen Be- 
obachtungsbezirk nur auf dem Zuge im Herbst und Frühjahr, 
sowie während des Winters zu Gesicht gekommen. Im Herbst 
waren gröfsere und kleinere Flüge dieses Vogels hier alltägliche 
Erscheinungen, besonders während der ersten Oktoberbälfte. In 
den ersten beiden Aprildritteln fand Rückzug nach den nördlich 
von hier gelegenen Brutplätzen statt. 


Eine sehr selten bei Orenburg beobachtete Aberration des 
Goldammers zeigt aufserordentlich starke Ausdehnung der rost- 
roten Färbung auf dem Kopfe, so dafs sie an die Kopfzeichnung 
recht alter S' von Emberiea leucocephalos Gm. erinnert. Diese 
Aberration hat Sarudny dem russischen Naturbeobachter S. 
Mollesson zu Ehren benannt. 

Südlich vön unserm engeren Gebiet ist Emberiza citrinella 
als Brutvogel bis Uralsk und am unteren llek nachgewiesen 
worden, noch weiter nach Süden zu, z. B. an den Unterläufen 
der Wolga und des Ural kommt sie nur als (spärlich auftretender) 
Durchzügler vor. Nördlich vom Orenburger Gebiet ist sie als 
Brutvogel häufig und weit verbreitet. 


866 H. Grote: 


39. Emberisa leucocephalos Gm. 
Ist nach Sarudny mehrmals bei Orenburg vorgekommen. 


40. * Emberiza horiulana L. 


Von allen Ammern der im Gebiet häufigste. Ich fand in 
meinem Beobachtungsbezirk den Gartenammer fast überall dort 
nistend, wo mehr oder weniger dichtes mit vereinzelten Bäumen 
durchsetztes Gebüsch vorhanden war, also besonders an Wasser- 
läufen und trockenen Bachbetten der Steppe. Stellenweise brütete 
E. hortulana auch in hohem Kraut und ganz spärlichem Gesträuch. 
Nachdem die ersten Ankömmlinge sich hier um Ende April ge- 
zeigt hatten, war der Zug im ersten Maidrittel sehr lebhaft, und 
ich traf um diese Zeit Gartenammern zuweilen selbst in der 
offenen Steppe an. Es ging mir dann wohl wie Suschkin, der 
in seiner Arbeit über die Vögel der Kirgisensteppe mitteilt, dafs 
solche im Steppengrase umherhüpfende Gartenammern in ihm 
auf den ersten Blick den Eindruck völlig unbekannter fremd- 
artiger Vögel hervorriefen. 

Zu Mitte August waren bei Kargala Gartenammern noch 
häufig; nach Sarudny findet der Hauptzug bei Orenburg während 
der zweiten Julihälfte (alt. St.) und zu Anfang August (alt. St.) 
statt. 

In den nördlich an das Orenburger Gouvernement angren- 
zenden Landesteilen ist Emberiza hortulana als Brutvogel stellen- 
weise häufig, ebenso ist sie südlich von unserm Gebiet weitver- 
breitet, sich hier überall an vorhandenes Gebüsch haltend; auf 
Sumpfboden wachsendes Buschwerk wird — nach Suschkin — 
jedoch von ihr gemieden. 


41. Emberiza buchanani Blyth. 


Wurde von Sarudny zweimal bei Orenburg erbeutet; die 
nächstgelegenen Brutplätze sind die in den Mugodscharbergen. 


[Emberiza aureola Pall. 


Das Verbreitungsgebiet des Weidenammers falst noch das 
Gouvernement Ufa — wo dieser Vogel sehr häufig sein soll — 
und einen Teil des Buguruslan’schen Kreises ein, ferner den 
westsibirischen Kreis Kurgan, erstreckt sich südlich aber nicht 
bis in das engere Orenburger Gebiet hinein]. 


42. Emberiza luteola Sparrm. 


... Von Sarudny einmal bei Orenburg erbeutet (und — un- 
sicher — von mir einmal bei Kargala gesehen); im südlich an 
unser Gebiet angrenzenden Ilekbezirk brütet sie sporadisch (cfr. 
Suschkin 1. c.). 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 867 


43. Emberiza rustica Pall. 


. _Sarudoy hat diesen Ammer als seltenen Herbstdurchzügler 
bei Orenburg angetroffen. 


44. * Emberiza schoeniclus L.!) und 


45. * Emberiza schoeniclus pallidior Hart.!) 


Augenscheinlich kommt die typische?) Form bei Orenburg 
nur als Durchzügler vor, während die blasse Rasse hier ein 
ziemlich häufiger Brutvogel ist. (Zu pallidior rechnet Suschkin 
die von ihm untersuchten Rohrammern, die bei Orenburg am 
Brutplatze erbeutet worden waren [cfr. Vögel d. mittl. Kirgisen- 
steppe, russ. Ausg., pag. 538]).. Am Brutplatz fand ich im Juni 
(1915) Rohrammern an der Sakmara einige Kilometer flulsauf- 
wärts von Kargala. Ziemlich zahlreich waren diese Vögel auf 
dem Herbstzuge; besonders in der ersten Oktoberhälfte traf ich 
oft Flüge, zuweilen in offener Steppe, denen sich manchmal andere 
Vögel (Goldammern, Hänflinge u. a.) angeschlossen hatten. Ver- 
einzelte Nachzügler kamen noch bis Mitte November vor. Im 
Frühling erscheinen die ersten Rohrammern bei Orenburg nach 
Sarudny gewöhnlich in den ersten Tagen des letzten Märzdrittels 
(alt. St.), manchmal schon etwas früher. 

Im nördlich an unser Gebiet angrenzenden Gouvernement 
Ufa ist die typische Form des Rohrammers Brutvogel, doch hat 
Suschkin (l. c. pag. 538) hier (nämlich am See Schungak-kul) 
unter massenhaft auftretenden typischen Rohrammern auch ein — 
unzweifelhaft am Brutplatze sich aufhaltendes — Q angetroffen, 
das er als zur blassen Form gehörig ansieht. Dies dürfte mithin 


1) Neuerdings hat N. Sarudny (in „Ornith. Mitteil.“ 1917, Heft 1, 
Ss. 37—56; russisch!) gelegentlich einer Bearbeitung der Rohrammern 
Russisch-Turkestans zwei Formen beschrieben, die nach dem Autor u. a. 
auch bei Orenburg vorkommen. Es sind dies Oynchramus schoeniclus 
ukrainae subsp. nov. (terra typica: die südrussischen Gouvernements 
Poltawa und Charkow) und O©. schoeniclus incognitus subsp. nov. Akmo- 
linsk, Semipalatinsk, Turgaigebiet). Erstere Form soll sich von typischen 
Vögeln durch dunklere Gesamtfärbung, gröfsere Schaftflecke auf den 
Rückenfedern und durch gröberen Schnabel unterscheiden; die Form in- 
cognitus soll pallidior ähnlich sein, von dieser aber durch geringere 
Gröfse, sowie durch unverhältnismäfsig grofsen und massigen Schnabel 
(noch gröfser als bei ukrainae) abweichen. Sarudny führt Malse von 
bei Orenburg gesammelten Vertretern beider von ihm 
neubenannten Formen, ferner von Übergängen auf. Wie fast alle Neu- 
beschreibungen Sarudny’s werden wohl die Formen ukrainae und incognitus 
dringend weiterer Bestätigung bedürfen! (Vgl. auch: N. Sarudny, Die 
Vögel des Aralmeeres, $. 227; Taschkent 1916; russisch.). G@. 

2) Ein von mir gesammelter Balg hat Kleinschmidt vorgelegen, (G.) 


868 H. Grote: = 


der am weitesten westlich gelegene bekannt gewordene Brutplatz 
der Form pallidior sein. 


46. Emberiza pyrrhuloides? subsp. 


Selten bei Orenburg; ist am unteren Ilek brütend gefunden 
worden. Zu welcher Rasse die bei Orenburg beobachteten Gimpel- 
ammern gehören, ist mir nicht bekannt. Es könnte sich aufser 
um typische Vögel um die Varietäten ischusii Reiser Almäzy oder 
canneli Brehm — vielleicht gar um alle drei, da alle in der be- 
nachbarten Kirgisensteppe beheimatet sind — handeln. 


47. Emberiza calandra L. 
Ist als Irrgast in unserm Gebiet vorgekommen. 


Fam. Alaudidae. 
48. * Alauda arvensis L. (??subsp.) 


Die im Orenburger Gebiet als Brutvogel häufige Feldlerche 
war bei Kargala stellenweise sehr gemein. Zug konnte ich im 
ersten Aprildrittel und darüber hinaus feststellen. — Nach Sarudny 
sind überwinternde Feldlerchen in unserm Gebiet keine besondere 
Seltenheit. 

In den nördlich von Orenburg gelegenen Landesteilen ist 
Alauda arvensis ein häufiger Brutvogel (Ufa, Buguruslan, stellen- 
weise im Perm’schen), südlich von unserm Gebiet bildet nach 
Bostanjoglo der 50. Breitengrad die ungefähre Südgrenze ihres 
regelmäfsigen Brutvorkommens, von da an überläfst sie das Feld 
voll und ganz ihrer weifsflügeligen Verwandten, der Steppenlerche. 


Alauda pispoletta Pall. 


In den Orenburg südlich anliegenden Steppen ist die Nord- 
grenze des Brutvorkommens im Uralgebiet dieser kleinen Lerche 
zu suchen. Ob die allernächste Umgebung der Stadt Orenburg 
noch in das Brutgebiet einzubeziehen ist, ist nicht ganz sicher; 
soviel steht fest, dafs am unteren Ilek, also in grofser Nähe, 
diese Lerche sporadisch brütet. 

LCalandrella brachydactyla Leisl., die in den Steppen an 
der unteren Wolga gemein ist und im Uralgebiet nördlich etwa 
Gebiet]. Breitengrade von Uralsk vorkommt, fehlt im Orenburger 

ebiet]. 
49. * Melanocorypha calandra L. 


‚Die Kalanderlerche brütet am Ural nördlich bis Uralsk. 
Bei Kargala sah ich zweimal (am 3. und 12. April 1915) je eine 
grolse Lerche, die mit gröfster Wahrscheinlichkeit diese mir aus 
der Taurischen Steppe so wohlbekannte Art gewesen sein mufs. 
Die ähnliche Melanocorypha bimaculata M&n. hat sich einmal als 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 369 


Irrgast hierher verflogen: Sarudny erbeutete am 9. Mai 1890 
(alt. St.) ein Exemplar bei Kargala. 


50. * Melanocorypha sibirica Gm. 

Nach Sarudny ist die Steppenlerche in den südlich von 
Orenburg gelegenen Steppen ein sehr häufig vorkommender Brut- 
vogel; besonders bevorzugte Brutstation sei die Stipasteppe. 
Mir ist sie verhältnismäfßsig selten zu Gesicht gekommen, - doch 
schien sie bei Kargala zu brüten. 

Laut Suschkin brütet Melanocorypha sibirica noch in den 
Bezirken Werchnäuralsk, Troizk und Tscheljabinsk, wird von 
diesem Forscher aber für das Gouvernement Ufa nicht aufgeführt. 
Karamsin nennt sie für die südlichen und östlichen Teile des 
Kreises Buguruslan des Gouvernements Samara einen spärlich 
auftretenden Brutvogel. 


51. * Melanocorypha yeltoniensis Forst. 

Die Mohrenlerche ist bei Orenburg ausschliefslich (ziemlich 
häufiger) Wintergast. Am 11. März 1918 erschienen mitten in 
der Stadt Kargala einige Stücke. An diesem Tage herrschte 
sehr starker Frost bei heftigem Nordwinde, nachdem einige 
milde Tage vorausgegangen waren. Die augenscheinlich ermatteten 
Vögel trieben auf den Stralsen ihr Wesen, ohne irgend welche 
Scheu, an den Tag zu legen. 

Östlich vom Uraldusse — im Bezirk von Kustanai — ist 
die Mohrenlerche als sporadischer Brutvogel gefunden worden. 
Wie weit nördlich resp. nordwestlich von Orenburg sich ihre 
winterlichen Streifzüge erstrecken, bleibt festzustellen; jedenfalls 
hat Karamsin (l. c.) sie in den südöstlichen Teilen des Kreises 
Buguruslan in manchen Wintern beobachtet, und für die südlichen 
Grenzgegenden des Gouvernements Ufa dürfte gleichfalls ihr 
Wintervorkommen zu erwarten sein. 


52. Lullula arborea L. 
Selten bei Orenburg (als Durchzügler). 


[Galerida cristata L. 

Lebt an den Unterläufen des Ural und der Wolga; am 
Ural scheint die Gegend von Uralsk die Nordgrenze des Brut- 
vorkommens darzustellen. Im engeren Orenburger Gebiet fehlt 
die Haubenlerche vollständig]. 


53. * Eremophila alpestris flava Gm. 

Die Ohrenlerche berührt laut Sarudny das Orenburger 
Gebiet auf ihren Zügen im Herbst (von Ende September [alt. St.] 
an) und im frühesten Lenz (Ende März, Anfang April [alt. St.]) 
in grofsen Scharen; in manchen Wintern bleibt ein Teil der Flüge 

Journ, f, Orn, LXVII, Jahrg. Oktober 1919, 25 


370 H. Grote: 


(meist 9S‘) hier. Mir ist diese Art in der unwirtlichen Jahres- 
zeit hier hin und wieder begegnet, meist im Spätherbst, doch 
auch im Frühjahr, z. B. am 18. April 1916. 

Wie überall im gemäfsigten Teile des Europäischen Rulslands 
kommt die Alpenlerche auch im Orenburger Gebiet lediglich als 
Durchzügler resp. Wintergast vor. 


54. Eremophila alpestris brandti Dress. - 


Wurde einmal im Orenburger Gebiet (bei Kargala) vo 
Sarudny angetroffen und erbeutet — am 13. April (alt. St.) 1887 
ein Exemplar in einem Schwarm gewöhnlicher Ohrenlerchen. 


Fam. Motacillidae. 


55. Anthus pratensis L. 


Der Wiesenpieper ist nach Suschkin, bzl. Sarudny in unserm 
Gebiet erheblich seltener als Zrivialis und cervinus. Das vou 
Sarudny behauptete Brutvorkommen des Wiesenpiepers am Ik 
und an der oberen Sakmara bedarf wohl der Bestätigung; haben 
doch Suschkin und Karamsin diesen Vogel auch im Gouvernement 
Ufa resp. im Kreise Buguruslan lediglich als Durchzügler an- 
getroffen. 

56. (*) Anthus cervinus Pall. 

Passiert unser Gebiet auf dem Durchzuge, nach Sarudny im 
Herbst sehr zahlreich, im Frühjahr dagegen in ziemlich spärlicher 
Zahl. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die zahlreichen 
Pieperflüge, die ich bei Kargala im Herbst (Ende September, Anfang 
Oktober) beobachtete, aus Vertretern dieser Art, und nicht, wie 
ich anfänglich vermutete, aus A. pratensis L. zusammengesetzt. 


57. * Anthus trivialis L. 


Baumpieper passierten meinen Beobachtungsbezirk vom zwei- 
ten Aprildrittel (oder ein paar Tage früher) an. Bei Orenburg 
hat Sarudny ihn brütend angetroffen; im Gebiet des Flusses 
llek liegt die Südgrenze des Brutgebiets dieses Vogels. 


58. * Anthus campestris L. 


Ein weitverbreiteter Brutvogel in allen Steppen des Oren- 
burger Gebiets, ist der Brachpieper in meinem Beobachtungsbe- 
zirk m. E. besonders charakteristisch für etwas hügelige Teile 
der Steppe, die mit Gras- und spärlichkem Krautwuchs bedeckt 
sind. Hier kann man diesen Vogel im Sommer ständig antreffen. 
Den ersten Brachpieper sah ich im Frühling am 21. April (1915); 
ausgeprägten Zug habe ich bei dieser Vogelart hier nicht beob- 
achtet. (Über den Zug dieses Piepers in unserm Gebiet — im 
weitesten Sinne — bitte ich das von Prof. Suschkin im Journ. f. 
Ornitb, 1914 auf S. 596 Mitgeteilte nachzulesen.) — Aus der 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 871 


Umgegend von Orenburg sind nach Sarudny die letzten Brachpieper 
gegen Ende August (alt. St.) verschwunden. 

In den Gouvernements Ufa und Perm kommt Anthus cam- 
pestris nicht vor; im Kreise Buguruslan ist er nur als seltener 
Verflogener aufgefunden worden. Im Orenburger Gouvernement 
hat man ihn nördlich bis Troizk und Werchnäuralsk angetroffen, 
ferner im Kreise Kurgan. An der unteren Wolga ist er ein 
häufiger Sommervogel, am unteren Ural fehlt er; an diesem 
Flusse beginnt sein Brutgebiet erst bei Uralsk. 


59. Anthus spinoletta L. 


Wurde von Sarudny zweimal bei Orenburg erbeutet; nach 
Eversmann soll er in den südlichen Vorbergen des Uralgebirges 
als Brutvogel vorkommen. 


60. * Budytes flavus L. und 


61. * Budytes flavus beema Sykes. 


Unter den verschiedenen Schafstelzenformen, die im Oren- 
' burger Gebiet.gefunden worden sind, ist beema nach Sarudny die 
häufigste, sowohl als Brutvogel, wie als Durchzügler. Neben ihr 
kommen „typische“ Stücke von Budyies flavus ungleich seltener 
vor. Sehr häufig sind nach Sarudny resp. Suschkin Übergänge 
zwischen beiden Formen, und Pleske schreibt (in Sarudny’s 
„Ornithofauna“, Fufsnote): „Die Färbung der Ohrfedern bei den 
Stücken in Sarudny’s Kollektion ist derartig verschieden, dafs 
man unter seinen Exemplaren sowohl typische M. flava und M. 
beema, als auch Übergänge zwischen ihnen findet.“ 

Im Frühjahr sah ich die ersten Schafstelzen verhältnismälsig 
spät, nämlich erst zu Ende April, doch ist mit Recht anzunehmen, 
dafs die ersten Ankömmlinge wohl meist früher erscheinen, wenn- 
gleich vielleicht etwas später als B. citreolus werae Buturl. 

Der Herbstzug war zu Ende Juli bereits in vollem Gange 
und blieb bis zu Beginn des letzten Augustdrittels ziemlich in- 
tensiv. Um Ende August sah ich nur gelegentlich noch das eine 
oder andere Stück; 1914 noch am 14. September ein paar Nach- 
zügler. 

5 Im Gouvernement Ufa brüten beide Formen, doch sind mehr 
oder weniger typische flavus häufiger als beema (Suschkin); im 
Kreise Buguruslan brütet nach Karamsin beema und flavus ist 
Durchzügler; in den aralokaspischen Steppen gehören diese Schaf- 
stelzen an allen in Betracht kommenden Stellen zu den am 
häufigsten vorkommenden Brutvögeln überhaupt (Bostanjoglo). 


62. * Budytes flavus thunbergi Billb. 
Am 4. Mai 1918 sah ich in einem grofsen Schafstelzenschwarm 
(flavus resp. beema und campestris) mehrere dunkelköpfige Stücke. 
Nach Sarudny soll die Nordische Schafstelze besonders im Herbst 


2ö* 


873 H. Grote: 


bei Orenburg ein häufiger Durchzügler sein. [Ob Budytes flavus 
melanocephalus Licht. (= feldegg Mich.) jemals bei Orenburg vor- 
gekommen ist, ist den Literaturangaben zufolge unsicher.] 


63. Budytes flavus leucocephalus Przewalski. 


Sehr selten; „typisch“ von Sarudny nur in drei Exemplaren 
bei Orenburg gesammelt. 


64. Budytes campestris Pall. 


Diese Stelze ist mir bei Kargala hin und wieder zu Gesicht 
gekommen, am relativ häufigsten noch auf dem Herbstzuge zu 
Ende Juli resp. Anfang August, doch auch im Frühjahre — meist 
unter anderen Schafstelzen, zuweilen (z.B. 4. Mai 1918) in grölserer 
Anzahl. 

Sie brütet als nicht häufig vorkommender Vogel im Oren- 
burger Gebiet; Sarudny traf sie hier in den Steppen in der Nähe 
von Wasser, doch niemals auf feuchten Wiesen, den Brutplätzen 
von Budytes flavus und dessen Formen. Im Gouvernement Ufa 
ist campestris nach Suschkin die von allen Budytesformen am 
häufigsten und zahlreichsten vorkommende Art, dasselbe ist 
laut Karamsin im Kreise Buguruslan der Fall. Auch mir ist ihr 
häufiges Vorkommen im südöstlichen Teile des Gouvernements 
Samara aufgefallen, als ich Anfang Juni 1918 diese Gegend — 
auf meiner Heimfahrt — durchreiste. 


65. * Budytes citreolus werae Buturl. 


Diese laut Sarudny selten und spärlich bei Orenburg brütende 
Stelze beobachtete ich mit Sicherheit nur zwei mal; am 23. IV. 
(1915) drei Stück am Steppenflüfschen Kargalka und ebendort 
drei Tage später wiederum ein Exemplar, das sich zwei Budytes 
campestris und mehreren Motacilla alba beigesellt hatte. 

Suschkin fand sie im Gouvernement Ufa als Brutvogel, wie 
als Durchzügler; wie weit südlich sie im Wolgagebiet verbreitet 
ist, ist nicht sicher (im Kreise Buguruslan brütet sie); wahrscheinlich 
kommt sie an der unteren Wolga nur auf dem Durchzuge vor, 
wie dies am unteren Ural der Fall ist. 


66. * Motacilla alba uralensis Sarudny und 
67. Motacilla alba dukhunensis Sykes. 
Beide Formen kommen nach Sarudny bei Orenburg vor 


erstere als weitverbreiteter Brutvogel, dukhunensis als nicht häu- 
figer Durchzügler; zahlreicher als echte dukhunensis!) sollen Über- 


| 1) Wie sich die hier vorgekommenen Vertreter dieser Form, resp. 
die Übergangsexemplare zu der von Sarudny und Loudon beschriebenen 
Form Motacilla alba orientalis verhalten, bedarf noch der Aufklärung @. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 878 


gänge zwischen beiden Unterarten gefunden worden sein. Die im 
Orenburger Gebiet heimatenden Weifsen Bachstelzen haben nach 
Sarudny auf dem Flügel mehr Weifs als solche aus West- und 
Mittelrufsland, auch sind ihre Flügel- und Schwanzmafse gröfser. 
Sie sind daher jüngst als besondere geographische Rasse, Motacilla 
alba uralensis Sarudny, abgetrennt worden.!) Im selben Jahre 
(1916) hat J. Domaniewski in den „Travaux de la Societ& des 
Sciences de Varsovie“, III. Cl, No. 18 [polnisch] die an der 
mittleren Wolga (Saratow) lebende Bachstelze als Motacilla alba 
intermedia abgetrennt. Vermutlich Synonym zur Sarudny’schen 
Form uralensis! 

Die erste Bachstelze kam bei Kargala am 7. April (1916) 
zur: Beobachtung (1918 trotz des abnorm späten Frühlings auch 
schon am 9. 1IV.); bereits vor Mitte April begann der Massenzug. 
Selbst bis weit in den Mai hinein konnten noch ziehende Bach- 
stelzen angetroffen werden. Im Herbst war schon vor Mitte August 
Zug wahrnehmbar, doch zog anscheinend der gröfste Teil der mein 
Beobachtungsgebiet passierenden Bachstelzen während der ersten 
beiden Septemberdrittel hier durch. 

Im Gouvernement Ufa ist die Bachstelze weit verbreitet 
und häufig, im Wolgagebiet brütet sie nach Süden bis zum Delta; 
in den aralo-kaspischen Steppen ist sie als Brutvogel nicht so 
zahlreich, wie in den nördlicher davon gelegenen Gegenden, z. B. 
am mittleren Ural und im Gebiet am Ilek. 


68.*Motacilla boarula melanope Pall. 

Die Gebirgsstelze ist nach Sarudny im Orenburger Gebiet 
eine seltene Erscheinung. Ich traf sie bei Kargala in jedem 
Herbst ein oder zweimal: 1914 — am 21. Sept., 1915 — am 29. 
und 30. August, 1916 — am 22. August (2 Stück); auch 1917 
wurde sie hier einmal im Herbst beobachtet, das Datum ist mir 
verloren gegangen. 

Im gebirgigen Teile (Ural) des Gouvernements Ufa soll die 
Gebirgsstelze ein Charaktervogel aller Flüsse und Bäche sein, auch 
im Gouvernement Perm — besonders in dessen nördlichen Dis- 
trikten — ist sie als Brutvogel häufig. 


Fam. Certhiidae. 
69.* Certhia familiaris L. 

Von den nördlich vom Orenburger Kreise gelegenen Brut- 
plätzen her streicht ein Teil der Baumläufer zum Winter süd- 
wärts und dann berührt dieser Waldvogel auch unser engeres 
Gebiet und kommt am Uralflusse auch noch weiter südlich vor, 
ebenso an der Wolga. Während des Oktober beobachtete ich 


1) in: Sarudny, Die Vögel des Aralmeeres; Taschkent 1916, pag. 
36 [russisch]. 


974 H. Grote: 


Certhia bei Kargala durchaus nicht selten, manchmal mehrere 
Individuen zugleich; vereinzelte Stücke kamen hier auch im 
Winter vor. Sarudny hat gröfsere Trupps in ziemlicher Höhe 
dahinziehen sehen. 

Die Orenburg am nächsten liegenden Brutplätze dieses 
Vogels befinden sich an der mittleren Sakmara und am Ik; im 
Gouvernement Ufa ist er nach Suschkin in allen gröfseren 
Wäldern brütend anzutreffen ; für den Kreis Buguruslan scheint 
sein Brutvorkommen noch nicht nachgewiesen zu Sein. 


Fam. Sittidae. 
70 * Sitta europaea uralensis Glog. ex Licht. 

Der Uralkleiber ist für die Umgegend von Orenburg 
Herbst- und Wintergast; mir kam er nur in vereinzelten Stücken 
und nicht gerade häufig zu Gesicht, der letzte im Frühling am 
16. April (1916). Ein Exemplar fing ich am 13. März (1916) in 
einer aufgestellten Falle und habe es längere Zeit im Käfig 
gehalten. Nach Sarudny brütet der Kleiber nicht bei Orenburg!), 
seine nächstgelegenen Brutplätze liegen nördlicher, am Ik und 
der oberen Sakmara. Im Gouvernement Ufa ist der Kleiber 
häufig; im ebenen Teile des Gouvernements kommt nach Suschkin 
resp. Menzbier sowohl wuralensis wie europaea vor, ebenso (nach 
Karamsin) im Kreise Buguruslan, doch bleibt noch nachzuweisen, 
ob uralensis hier auch brütet. Im Ural lebt nur uralensis. 


Fam. Paridae. 
71. * Parus major L. 


Die Kohlmeise trat in meinem Beobachtungsbezirk zeit- 
weise in solchen Massen auf, dafs ihre Zahl die der hiesigen 
Sperlinge zu übertreffen schien. Ein laut Sarudny bei Orenburg 
ziemlich spärlich vorkommender Brutvogel, kam sie mir zur Brut- 
zeit bei Kargala kein einziges mal zu Gesicht. Aufserordentlich 
früh erschienen hier im Sommer jedoch die ersten streichenden 
Stücke (schon bald nach Mitte Juli), doch waren Kohlmeisen 
im Juli und zu Anfang August nur mehr vereinzelt vorhanden 
und augenscheinlich anfänglich fast nur junge Individuen. Im 


2) Ohne eine Gewähr für die Richtigkeit zu übernehmen, möchte 
ich bier eine Mitteilung eines meiner Mitkriegsgefangenen erwähnen, 
wonach dieser einige Kilometer flulsaufwärts von Kargala im Juni (1915) 
ein Brutpärchen gefunden haben will. Einen Irrtum wollte mein Gewährs- 
mann nicht zugeben, da ihm der Kleiber von Deutschland her wohl- 
bekannt sei. Als ich ein paar Tage darauf den fraglichen Brutplatz 
aufsuchte, wurde mir zwar ein bohler Baum gezeigt, in dem die Kleiber 
angeblich nisten sollten, von den Vögeln selbst war aber nichts zu sehen. 
Aus dem Baumloche hing ein zerstörtes Nest heraus. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 875 


Laufe des August wurden sie ständig häufiger, und vom zweiten 
Septemberdrittel an fand äufserst starker Massenzug statt, dessen 
Intensität nicht immer gleich stark blieb. Dem Schrifttum zu- 
folge erstreckt sich der Zug bis an die Nordküste des Kaspi; 
der gröfste Teil der Kohlmeisenscharen dringt aber nicht so weit 
südlich vor. Im November flaute der Zug bei Kargala ab und 
die hier überwinternden Kohlmeisen suchten in grolser Zahl die 
Stadt auf. Sie wurden hier fast zu Hausvögeln, trieben sich überall 
auf Höfen, Häusern und Strafsen herum und kamen sogar in’s 
Innere der Gebäude. Mit Dohlen und Elstern besuchten sie 
gern den Schlachthof, wo sie in den Abfällen stets Futter fanden. 
Auch sah ich sie manchmal an einem Pferde- oder Hundekadaver 
herumhacken. Von mir durch Stutzen der Schwanzfedern ge- 
kennzeichnete Kohlmeisen kamen den ganzen Winter und bis 
Ende März an den vor den Fenstern meiner Wohnung zu- 
gerichteten Futterplatz. — Anfang März und besonders während 
der beiden letzten Märzdrittel fand der Rückzug der Meisen 
nach ihren nördlicher gelegenen Brutplätzen statt und die Vögel 
waren um diese Zeit überall in der Umgegend in grofser Zahl 
anzutreffen. 

Dieser alljährliche starke Meisenzug in meinem Beobachtungs- 
gebiet war mir um so unerwarteter, als ich früher durch Be- 
ringungsexperiment nachgewiesen habe, dafs selbst in einem so 
nördlich gelegenen Lande, wie Süd-Finnland, Parus major Stand- 
vogel ist. Hier im Uralgebiet begegnete mir dieselbe Vogelart 
als Zugvogel. Es wäre ungemein interessant, die Ursachen auf- 
zuhellen, die die Massenzüge der Meisen hervorrufen! 


72. * Parus cyanus Pall. 


Im Gegensatz zu Sarudny, der die Lasurmeise bei Orenburg 
als Brut- wie auch als zeitweise häufigen Durchzugs- und 
Wintervogel feststellte, fand ich sie in meinem Beobachtungs- 
bezirk nur als mehr oder weniger seltene Erscheinung. Sie ist 
mir hier im März, Juli bis September, sowie während des Spät- 
herbstes und Winters ein paar mal begegnet, und die mir im 
Hochsommer vorgekommenen Stücke deuten auf nahe gelegene 
Brutplätze hin. Sarudny traf die Art am Mittellaufe des Ural, 
ferner an den Flüssen Sakmara, Ik und Bjelaja brütend. 

Neuerdings hat J. Domaniewski !) die Ansicht ausgesprochen, 
dals Parus cyanus früher als Brutvogel weit westlicher im 
Europäischen Rufsland vorkam als gegenwärtig und sich nach 
und nach immer weiter nach Osten zurückzog, so dafs er jetzt 
ein typischer Vogel Sibiriens genannt werden muls. Dies be- 
streitet Pleske 2), der das Brüten dieser Meise in den westlich 


1) in „Ornith. Mitteil.“ 1915, Heft 1, S. 65—77 (russisch !). 
2) jbid. 1916, Heft 1, 8. 50—58 (russisch). 


876 H. Grote: 


vom mittleren Wolgabecken gelegenen Gebieten als regellos hin- 
stellt und annimmt, dafs die regelrechte Brutheimat der Lasur- 
meise im Europäischen Rufsland an der mittleren Wolga und 
am Oberlaufe des Ural gelegen sei und sich auch in früheren 
Zeiten nicht weiter nach Westen ausgedehnt habe. Die These 
Domaniewski’s vom Zurückweichen des Parus cyanus nach Osten 
wollte mit oft recht glaublich erscheinen, wenn ich immer und 
immer wieder hier vergeblich nach Lasurmeisen ausschaute. 
Hatte sie doch einst (im Winter 1879/80) Sarudny bei Orenburg 
so häufig gefunden, dafs „sie an Zahl nur. hinter den Kohlmeisen 
zurückstanden“, und über ihr Auftreten im Herbst 1887 konnte 
derselbe Beobachter schreiben: „Im Oktober und November be- 
gegneten mir manchmal Trupps von je etwa 150 Stück; ein aufser- 
gewöhnlich schönes Bild boten dann diese sympathischen Vögelchen, 
die gleich weilsen und lasurfarbenen Blumen die kahlen Zweige 
schmückten, und man kann sich denken, welch liebliche uud 
wohllautende Serenade ihre unaufhörlichen Lockrufe bildeten!“ 
[„Nachträge“ 1897, pag. 207 (russisch )]. 


73. * Parus caeruleus pleskei Cab. 


Den neuesten Forschungen zufolge soll dies keine selb- 
ständige geographische Rasse oder Art, sondern lediglich ein 
Bastard zwischen caeruleus und cyanus sein !). Hier bei Kargala 
fing sich am 20. Oktober 1916 in einer aufgestellten Falle eine 
Blaumeise, die in verschiedenen Punkten von gewöhnlichen Blau- 
meisen abweicht und die ich für einen solchen Bastard halte: 
Ihre Mafse — besonders der Schwanz! — sind grölser als bei 
caeruleus, der Rücken ist blaugrau, auf dem Vorderrücken mit 
Olivgrün gemischt, die Flügel weisen mehr Weils auf, insbesondere 
sind die Armschwingen breit weils gekantet und die weilse 
Flügelbinde ist mindestens doppelt so breit als bei der ge- 
wöhnlichen Blaumeise. Die Unterseite ist stark gelb, ferner 
befindet sich auf jeder Wange ein kleiner blafsgelber Fleck. Der 
Balg dieses interessanten Stückes (9) befindet sich jetzt im 
Berliner Museum. 


Andererseits beobachtete ich hier mehrmals Blaumeisen 
(und fing zwei Exemplare), die von gewöhnlichen dort lebenden 
augenscheinlich lediglich dadurch abwichen, dafs das gelbe Pigment 
ihres Gefieders nur auf die Vorderbrust beschränkt erschien. 
Beobachtungsfälle: 2. Okt. 1915 (gefangen, Balg in meinem Besitz); 
16. Sept. 1916 (durch’s Zeilsglas auf nalıe Entfernung beobachtet), 
ebenso am 3. Okt. 1916; 19. Okt. 1916 (gefangen, Balg (9) im 


!) Cfr. Th. Pleske im Journ. f. Orn. 1912, pag. 96—109, ferner 
die russischen Arbeiten: desselben Autors in Ornith. Mitteil. 1911, p. 
155—170 und ibid. 1916 p. 50—58, sowie die Suschkin’s ibid. 1910 
p. 38—41 und J. Domaniewski’s ibid. 1915 p. 65—77. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 377 


Berliner Museum). Diese aschblaugrauen Blaumeisen!) 
trieben sich unter gewöhnlichen Blaumeisen umher und unter- 
schieden sich offenbar nur durch ihre blasse Färbung; sie als 
Hybride anzusehen, fehlt mir jede Veranlassung. Ich möchte 
annehmen, dafs diese Vögel ebendiegeographischeRasse 
P. c. pleskei darstellen ; vielleicht wird es in Zukunft mal gelingen, 
die Brutheimat derselben aufzufinden. 

Sarudny hat solche Meisen als grofse Seltenheit ein paar 
mal im Orenburger Gebiet angetroffen, einmal sogar angeblich 
ein Brutpaar. Ferner fand er hier einige male „Bastarde 
zwischen pleskei X cyanus“ und „solche zwischen pleskei x%X 
caeruleus“. 


74. * Parus caeruleus orientalis Sar. & Loud. 


Diese Rasse unterscheidet sich nach den Autoren von west- 
russischen Blaumeisen aus den Ostseeprovinzen und aus Polen 
u. a. durch deutlich gelbe Beimischung in der grünen Färbung 
des Rückens und Bürzels. Diese Angabe habe ich im Material 
des Berliner Zoologischen Museums bestätigt gefunden. Besonders 
hell scheint mir ein daselbst aufbewahrtes Stück (JO) aus Sarepta 
-(Wolga) vom 17. III. 1891 — durch Thienemann — zu sein. 
Auch die von mir bei Kargala gesammelten Herbstvögel sind 
ziemlich hell, doch befinden sich auch zwei oder drei Stücke 
darunter, bei welchen ich keinen Unterschied von baltischen 
(Kurland) und polnischen (Bialowiesh) Vögeln festzustellen vermag. 

Blaumeisen waren im Herbst in meinem Beobachtungs- 
bezirk nicht selten. Die ersten Durchzügler sah ich Anfang 
September; während der zweiten Septemberhälfte und Anfang 
Oktober zogen täglich kleine Trupps; gegen Ende Oktober hörte 
der Zug der letzten Nachzügler auf. Fast jeden Morgen ver- 
brachte ich während dieser Zeit im Pappelgehölz von Kargala 
beim Vogelfange, und oft konnte ich mich gerade bei den Blau- 
meisen überzeugen, in welch unaufhaltsamer Eile der Zug — 
besonders zu Beginn desselben — vor sich ging: angelockt durch 
die im Käfig befindliche Lockmeise, safsen oft urplötzlich auf 
der Spitze einer Pappel ein paar Blaumeisen, augenscheinlich 
direkt aus ziemlicher Höhe herabgekommen, und, ohne sich 
dann weiter um die wie verzweifelt pfeifende Lockmeise zu 


I) Sie stehen dem von mir 8. Zt. beschriebenen „Parus caeruleus 
languidus“ (— ‚‚pallidus“) nahe, doch ist bei ihnen, wie gesagt, das 
gelbe Pigment auf die Vorderbrust beschränkt, auch ist der Rücken grauer 
und heller. — Beiläufig gesagt, halte ich „Jangwuidus‘‘ für alles andere, 
nur nicht — wie Hartert in Vög. pal. Fauna pag. 347 meint — für 
eine „typische nordrussische Blaumeise“ mit durch Gefan.enhaltung 
hervorgerufener verdüsterter Rückenfärbung und blasser Unterseite. Denn 
die beiden Stücke, worauf ich die Subspecies begründete, kamen als 
frischgefangene Vögel in meinen Besitz. 


878 H. Grote; 


kümmern, stiegen sie sogleich wieder in die Höhe, um, meinen 
Blicken schnell im Blau entschwindend, ihren Zug in südlicher 
Richtung fortzusetzen. — Während des Frühjahrszuges (März, 
Anfang April) beobachtete ich nur ausnahmsweise mal ein Stück. 

Sarudny hat die Blaumeise brütend am Mittellaufe des 
Ural (zwischen Orenburg und Uralsk) gefunden, etwas häufiger 
brütet sie nach demselben Beobachter an den Flüssen Ik und 
Sakmara.. Im Gouvernement Ufa ist sie nach Suschkin sehr 
selten; auch im Buguruslan’schen Kreise ist sie von Karamsin 
nur wenige male angetroffen worden. 


75. *Parus ater L. 


Die Tannenmeise ist bei Orenburg Durchzügler und Winter- 
gast. Im Oktober beobachtete ich bei Kargala hin und wieder 
streichende Exemplare — meist kleine Trupps von 3—4 Indi- 
viduen — die sich Goldhähnchen oder Schwanzmeisen angeschlossen 
hatten. 

Im Gouvernement Ufa ist die Tannenmeise beheimatet; hier 
liegt nach Suschkin die Südgrenze ihres Brutgebiets — im ebenen 
Teile des Gouvernements etwa auf der Breite von Birsk, im ge- 
birgigen Teile (Ural) etwas südlicher. Im Kreise Buguruslan 
traf Karamsin sie nur als Durchzügler. 


76. Parus cristatus L. 
Östlich der Wolga ist die Haubenmeise eine sehr seltene 
Ausnahmeerscheinung und wurde von Sarudny in einem Zeitraume 
von dreizehn Jahren bei Orenburg nur zweimal nachgewiesen. 


77. Parus montanus borealis Selys. 


Kommt nach Sarudny bei Orenburg als Brutvogel und auch 
als häufiger Wintergast vor. Unter den im Winter sich bei 
Orenburg aufhaltenden Sumpfmeisen sollen nach diesem Beobachter 
auch mehr oder weniger typische „FPoecile macroura Tacz.“ 
ferner Übergänge, zu finden sein. 

Ob eine glanzköpfige Sumpfmeise im Gebiet vorkommt, ist 
mir nicht bekannt, ich glaube mich aber entsinnen zu können, 
Penene solche ( ? welche Form) !) im Gouvernement Ufa gefunden 
wurde. 

78. * Aegithalos caudatus L. 


Auf dem herbstlichen Zuge war die Schwanzmeise bei 
Kargala eine gewöhnliche Erscheinung und besonders im Oktober 
1915 zeigten sich hier gröfsere und kleinere Flüge sehr häufig. 
Auch im Winter begegneten mir solche hin und wieder. 

Die Gegend von Orenburg ist im Gebiet die Südgrenze des 
Brutvorkommens dieses Vogels, doch ist hier nach Sarudny „das 


1) Ich vermute: stagnatilis. (G.). 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 879 


Brüten dieser Art ein seltenes und nicht alljährlich stattfindendes 
Vorkommnis“, Häufig brütet sie laut Suschkin in den Wäldern 
des Gouvernements Ufa, spärlich nach Karamsin im Kreise Bu- 
guruslan des Gouvernements Samara. 


79. Anthoscopus pendulinus L. und 


80. Anthoscopus pendulinus caspius Poelzam. 


Sarudny führt 1. c. für die Umgebung von Orenburg nur 
„Aegithalus castaneus Sev.“ auf; neuere Forschungen haben jedoch 
ergeben, dafs hier neben der kaspischen (aus dem Wolgadelta 
beschriebenen) auch die europäische Form vorkommt), die, wie 
Menzbier vermutet, hierher aus dem Transuralgebiet (Basch- 
kirien) eingedrungen ist. Andererseits ist caspius offenbar im Laufe 
der letzten Jahrzehnte von Süden resp. Südwesten her ins Oren- 
burger Gebiet eingewandert, wo dieser Vogel jetzt nach Sarudny 
gemein ist, während er zu Zeiten Eversmanns hier — wie Evers- 
; mann ausdrücklich hervorhebt — überhaupt nicht vorkam. Beide 

Formen sollen sich in der Umgebung Orenburgs vermischen und 
Übergänge bilden; Prof. Menzbier hat aus Orenburg neben 
zahlreichen caspius und wenigen typischen pendulinus mehrere 
Beutelmeisen in Händen gehabt, die weilsen Kopf mit rotbraunen 
Streifen auf der Stirn und über den Augen hatten — er bält 
diese Stücke für Bastarde zwischen beiden Formen (cfr. seine 
ausgezeichnete Arbeit „Übersicht der Beutelmeisen (Arten des 
Genus Remiza) der turkestanisch-sibirischen Fauna“) [Materialien 
z. Kenntn. d. Flora und Fauna d. Russ. Reiches, Abt. Zoologie, 
Lfg. X, Moskau 1910, S. 261—300; russisch]. Dafs N. Sarudny 
neuerdings die Beutelmeise der Uralmündung als besondere 
Form, Remiza pendulina bostanjogli subsp. nov. abgetrennt hat ?), 
mag hier nur nebenbei erwähnt werden. 

Beutelmeisen schienen in meinem Beobachtungsbezirk keine 
Seltenheit zu sein und wurden hier mehrmals (April, August) von 
mehr oder minder vogelkundigen Mitkriegsgefangenen beobachtet; 
mir selbst sind durch Zufall keine zu Gesicht gekommen. 


[Panurus biarmicus russicus Brehm. 


Die an der Uralmündung, an der unteren Wolga, ferner 
im östlich vom Ural gelegenen Kustanaigebiet brütende Bart- 
meise ist für das Orenburger Gebiet nicht bekannt geworden]. 


1) Neuerdings schreibt Sarudny darüber (in „Ornith, Mitteil.‘“ 1914, 
Heft 3, S. 208, [russisch]): „Ich bemerke, dafs orenburger R. p. pen- 
dulina für mich bis jetzt unverständlich sind und ich sie nach wie vor 
wenn nicht für Altersveränderungen, so für Typen individueller Variationen 
von R. p. caspia ansehe. Typische R. p. pendulina in langen Serien 
habe ich nie gehabt.‘ 

2) Ornith. Mitteil. 1913, Heft 1, S. 4649 [russischl]. G. 


830 H. Grote: 


Fam. Muscicapidae. 
81. *Muscicapa grisola L. 


Graue Fliegenschnäpper passierten meinen Beobachtungs- 
bezirk auf dem Zuge in grofser Zahl, besonders im Herbst. Im 
Frühjahr zog die Art während des zweiten Maidrittels und etwas 
später; auf dem Herbstzuge begriffene Stücke zeigten sich vom 
zweiten Augustdrittel an, starker Zug dauerte bis zu Anfang 
September. Dann traten sie mehr vereinzelt auf; das letzte 
Exemplar beobachtete ich am 28. September (1915). 

Nach Suschkin gehören die von ihm untersuchten Grauen 
Fliegenschnäpper aus der Umgegend von Orenburg zur typischen 
Form, in selteneren Fällen bildeten sie einen Übergang zur blassen 
sibirischen Form neumanni Poche (= sibirica O. Neum.). 

Muscicapa grisola brütet laut Sarudny in unserm Gebiet 
überall wo Feldgehölze und Waldungen vorhanden sind; ebenso 
ist sie im Gouvernement Ufa und im Kreise Buguruslan ein 
häufiger Brutvogel. Südlich vom Ilek und der Chobda fand 
Bostanjoglo diesen Vogel in völlig baumlosen Gegenden brütend, 
hier standen die Nester in — oft kümmerlichem — Wermutkraut! 


82. * Muscicapa atricapilla L. 


Zu den verschiedenen Ungenauigkeiten und Irrtümern, die 
in Sarudny’s „Ornithofauna des Orenburger Gebiets‘ enthalten sind, 
gehört auch die Verwechslung des Trauerfliegenschnäppers mit 
M. semitorquata. In seinen Nachträgen stellt Sarudny diesen 
Fehler zwar teilweise richtig, indem er sagt, dafs „die in der 
„Ornithofauna“ verzeichnet stehenden Beobachtungen über semi- 
torquata fast durchgehends auf Muscicapa atricapilla bezogen 
werden müssen“, teilt dann aber nichts über das Vorkommen 
.des kaukasischen Fliegenschnäppers im Orenburger Gebiet mit. 
Suschkin hat ein O' von semitorquata, das Sarudny im Orenburger 
Gebiet erbeutet hatte, in der Petersburger Sammlung gesehen, 
hält jedoch den Irrflug dieses Vogels vom Kaukasus nach Oren- 
burg für „fast bis zur Unwahrscheinlichkeit paradox“... 

Muscicapa atricapilla berührt die Umgegend von Orenburg 
nur auf dem Durchzuge. Nach Sarudny sollen sich die ersten 
Ankömmlinge bereits zu Beginn des letzten Märzdrittels (alt. St.) 
zeigen; mir begegneten nur Nachzügler um Mitte Mai (1915 und 
1918); 1917 sah ich noch am 24. V. ein 9. Der Herbstzug be- 
ginnt früher, als von Sarudny angegeben, nämlich schon Mitte 
August (erstes Beobachtungsdatum bei Kargala: 14. VIII. [1915]), 
den letzten bemerkte ich am 23. September. Im Gegensatz zu 
Sarudny traf ich den Vogel erheblich öfter im Herbst an, als im 
Frühling, doch auch dann lange nicht so zahlreich wie den Grauen 
Fliegenschnäpper. 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 881 


Als Brutvogel ist der Trauerfliegenschnäpper in den Gou- 
vernements Ufa und Perm nicht selten, im Kreise Buguruslan 
fast häufiger als grisola. 


83. * Muscicapa parva Bechst. 


Der Durchzug des Zwergfliegenschnäppers durch meinen Be- 
obachtungsbezirk war gering. Im Frühling ist mir kein einziges 
Exemplar zu Gesicht gekommen, im Herbst dagegen sah ich etwa 
von Ende August ab (1915: 22. VIIl.) bis über Mitte Oktober 
hinaus (1916: am 18. X. —3 Stück, am 20. X. —1) hin und 
wieder welche, in der Regel einzelne Stücke und nur selten mal 
eine kleine Genossenschaft. 

Nach Sarudny ist der Zwergfliegenschnäpper zwar Brutvogel 
bei Orenburg, doch als solcher selten. Für das Gouvernement 
Ufa wird sein Brutvorkommen von Suschkin nur vermutet, ebenso 
vonKaramsin für den Kreis Buguruslan ; im Gouvernement Kasan ist 
er von Ruski brütend aufgefunden worden. Die im Perm’schen 
Ural von Reszow als Brutvogel angetroffene Muscicapa parva 
albicilla Pall. scheint unser Gebiet nicht zu berühren: alle Zwerg- 
fliegenschnäpper, die aus der Umgegend von Orenburg Suschkin 
vorgelegen haben, waren nach diesem Autor typische parva. 


Fam. Bombycillidae. 


84. Bombyeilla garrula L. 


Erscheint als Herbst- und Wintergast nach Sarudny all- 
jährlich bei Orenburg, doch in wechselnden Mengen. 


Fam. Laniidae. 


85. *Lanius minor Gm. 


Der Schwarzstirnwürger gehört in meinem Beobachtungsge- 
biet überall dort, wo in der Steppe Strauchvegetation mit ver- 
einzelten Bäumen vorhanden ist, also besonders an Flufs- und 
Bachläufen, zu den sommerlichen Charaktervögeln ; nach Sarudny 
ist er der häufigste Würger des Orenburger Gebiets. Die ersten 
sah ich gegen Mitte Mai oder auch schon etwas früher, der Zug 
dauerte bis Ende dieses Monats. Zur Zugzeit traf ich manchmal 
diesen Würger in offener Steppe an, wo weder Baum noch Strauch 
stand. 

Auch ich machte die altbekannte Beobachtung, dafs Lanius 
minor beim Nestbau eine Vorliebe für Wermut als Nistmaterial 
zeigt. Junge flügge Vögel sah ich schon vor Mitte Juli. 

Wie Sarudny richtig bemerkt, ist der Fortzug der Würger 
hier wenig bemerkbar: er beginnt Ende, zuweilen schon Mitte 
Juli alt. St. und findet seinen Abschlufs um Mitte August (alt. 
St.). Mir sind nach Mitte August in meinem Beobachtungsbezirk 
keine Schwarzstirnigen Würger mehr zu Gesicht gekommen, 


382 H. Grote: 


Nördlich vom Orenburger Gouvernement geht dieser Würger 
als Brutvogel augenscheinlich nicht weit über die Grenzen des 
Gouvernements hinaus, denn im Gouvernement Ufa ist er nach 
Suschkin wahrscheinlich nur Irrgast, im Kreise Buguruslan dagegen 
laut Karamsin regelmäfsiger Brutvogel; am Osthange des Ural- 
gebirges erstreckt sich sein Brutgebiet aber beträchtlich weiter nach 
Norden, so ist er aus dem Kurgangebiet als Brutvogel bekannt 
geworden. Häufiger ist er südlich von Orenburg — im unteren 
Uraltale und besonders auch im Wolgadelta. 


86. (*) Lanius excubitor L., 
87. Lanius excubitor mollis Eversm. und 


88. Lanius excubitor homeyeri Cab. 


Der Raubwürger ist im Orenburger Gebiet in drei geo- 
graphischen Formen gefunden worden, und wenn man „Lanius 
przewalskii Bogd.“ als selbständige Rasse ansehen will, sogar in 
vier. Von ihnen brüten hier nach Sarudny excubitor und homeyeri 
selten und vereinzelt, und beide Formen erscheinen in unserem 
Gebiet regelmälsig als Wintergäste; besonders homeyeri ist nach 
genanntem Beobachter in manchen Wintern eine nichts weniger 
als seltene Erscheinung bei Orenburg. Als dritte -Unterart be- 
sucht laut Sarudny auch major (= mollis) als Wintergast die 
Orenburger Umgegend und soll hier in manchen Wintern gleich- 
falls nicht selten sein. „Lanius przewalskii Bogd.“ hat Sarudny 
zwei mal bei Orenburg erbeutet. Über diesen Vogel äufsert sich 
Suschkin (Vög. d. mittl. Kirgisensteppe, pag. 607 [russische Ausg.]) 
folgendermalsen: „Was L. przewalskit Bogd. anbetrifit, so ist 
er zuerst aus Zentralasien beschrieben worden. Spätere Be- 
obachtungen haben jedoch gezeigt, dals das Verbreitungsgebiet 
dieser Form bedeutend weiter ist. Von Sarudny wurden bei 
ÖOrenburg und von mir an der Emba im Winter und im frühesten 
Lenze Individuen dieses Typs gefunden, die noch schärfer 
ausgeprägt sind als die Exemplare Bogdanow’s, und 
in der Folgezeit habe ich sowie Kohts (oder Coats? [G.]) im Be- 
zirk Minussinsk beide Formen (nämlich przewalskii uud homeyeri 
[G.]) brütend aufgefunden, und es erwies sich dabei, dafs die 
Merkmale, die Bogdanow für die kritischen hielt, selbst bei Vögeln 
aus einem Nest versagen. Es beginnt sich also herauszustellen, dafs 
die beiden angeblichen Formen ein und dasselbe Gebiet bewohnen, 
durch Übergänge verbunden sind und dafs ihre Kennzeichen in 
ausgesprochener Form nicht einmal vererbt werden. Daher 
schlage ich vor, den Namen L. przewalskii Bogd. einfach unter 
die Synonyme von L. homeyeri Cab. zu zählen.“ — 


Bei Kargala sah ich im Spätherbst und Winter zuweilen einen 
Raubwürger, zu welcher Form gehörig, muls dahingestellt bleiben, 


Beobachtungen aus dem südlichen Uralgebiet. 383 


89. * Lanius collurio L. (subsp.?) 


Gleich dem Schwarzstirnwürger war der Rotrückige Würger 
in meinem Beobachtungsgebiet stellenweise eine ständige Er- 
scheinung im Sommer. Im Frühling kamen mir die ersten Exem- 
plare Mitte Mai zu Gesicht, und ich konnte dann in der Folge 
bis Ende Mai hin und wieder das eine oder andere ziehende Stück 
— manchmal in offener Steppe — beobachten. Im Herbst sah 
ich den letzten am 16. August (1916). 

Als Brutvogel bewohnt collurio das Uraltal bis zur Mündung 
des Flusses; in den Steppen hält er sich nach Bostanjoglo be- 
sonders bei den Winterwohnungen und auf den Begräbnisplätzen 
der Kirgisen auf. Im Gouvernement Ufa ist er häufig, ebenso 
im Kreise Buguruslan; in Perm erreicht sein Brutgebiet sowohl 
auf dem West- wie auf dem Osthange des Uralgebirges den 60.. 


90. Lanius cristatus isabellinus Hempr. et Ehrenb. 


Der Isabellwürger, dessen unserm Gebiet nächstgelegene 
Brutplätze nach Suschkin sich am Ostufer der Aralsees befinden, 
ist von Sarudny einmal (22. IV. [russ. St.] 1882) in einem Paare 
bei Orenburg erbeutet worden. (Fortsetzung folgt.) 


Fulmarus glacialis L. und die neuerdings 
erfolgte Erweiterung seines Brutgebietes nach Süden 
(seine Ansiedlung in Irland). 


Von Fr. Lindner. 


Nur wenige deutsche Ornithologen sind es, die den Möwen- 
Eissturmvogel aus eigner Beobachtung im Freien kennen. Man 
kann auch die Register vieler Jahrgänge der deutschen orni- 
thologischen Fachzeitschriften durchsehen ohne auch nur einmal 
den Eissturmvogel angeführt zu finden; und die in öffentlichen 
und privaten Sammlungen Deutschlands befindlichen ausgestopften 
Stücke bezw. Bälge sind fast ausnahmslos aufserdeutscher Her- 
kunft. An der deutschen Ostsee ist bis jetzt dieser nord- 
atlantische !) Seeflieger, der auf hoher See neben der Dreizehen- 
möwe der ständige Begleiter der den nördlichen Ozean durch- 
fahrenden Schiffe (namentlich der Walfischfänger) ist und die 


1) Es war ein Irrtum Naumanns (Naturgesch. der Vögel Dtschl. 
Bd. 10 (1840) S. 595 und Neue Ausgabe von Hennicke Bd. 12, S. 14), 
als die Heimat des Fulmar die kalten Regionen beider Pole zu bezeichnen. 
Die gleiche falsche Angabe findet sich z. B. auch noch in C. Flöricke’s 
Naturgesch. der deutschen Schwimm- und Wasservögel (Magdeburg 1898 
8. 286). F. glacialis kommt auf der südlichen Halbkugel nicht vor. 


884 £ Fr. Lindner : 


Nähe des Landes aufserhalb der bisher freilich besonders langen 
Brutzeit meidet, nur ein einziges mal festgestellt und er- 
beutet und zwar im Oktober 1903 an der Struckfähre im Hafen- 
gebiet Lübecks etwa 17 km traveaufwärts von See.!) Das Stück 
steht im Museum zu Lübeck. — Im Inneren Deutschlands 
ist diese Art nie gefunden. An der deutschen Nordsee- 
küste ist sie öfter erlegt und fast alljährlich — meist als 
Wintergast — beobachtet worden. O. Leege berichtete 1905 ?), 
dafs in den letzten zwanzig Jahren nur wenige bei den ost- 
friesischen Inseln vorgekommen seien: drei bei Juist — alles 
alte Vögel — im Dezember und Januar; am 12. Nov. 1895 wurde 
ein altes Exemplar auf Norderney erlegt®). (Für Holland 
waren bis 1900 nur 8 Vögel dieser Art — meist aus der Prov. 
Nordholland — nachgewiesen.) — Bei Helgoland sind nach 
Herbst- und Winterstürmen fast jedes Jahr einzelne Sturmvögel 
beobachtet, zuweilen auch zahlreiche, wie z. B. Dezember 1873, 
wo in vier Tagen 17, und im November 1879, wo am 9. zehn 
Stück geschossen wurden. — In Oldenburg ist nach Wiebken*) 
ein abgemagertes Exemplar bei Nordweststurm im November 
1855 in unmittelbarer Nähe der Stadt tot aufgefunden. Ofter 
sind Eissturmvögel an der Weser- und Elbmündung er- 
legt; auch an den Schleswig-Holsteinischen Küsten sind nach 
schweren Nord- und Nordweststürmen ermattete Exemplare ge- 
fangen; ein toter Vogel wurde in den Lister Dünen auf. Sylt ge- 
funden®). Damit ist alles gesagt, was vom Eissturmvogel als 
Gast deutschen Gebietes zu sagen ist; das ist wenig genug! 
Von seiner nordischen Heimat aus, die sich von 
‘Grönland (wo er nach H. Winge®) an der Westküste bis 
zum 82.° n. Br. hinauf angetroffen worden ist, nach Holböll nicht 
südlich des 69. Breitengrades brütet und nach Helms’) nie die 
Fjorde besucht, während von der Ostküste nicht so weit nach 
Norden reichende Beobachtungen vorliegen und kein Brutplatz 
bekannt ist) und Labrador (wo freilich sein Brüten noch nicht 


1) W. Hagen, Einige Lübecksche Seltenheiten (Orn. Monatsschr. 
1907, 8. 101) und „Die Vögel,des Freistaates u. Fürstent. Lübeck“ (1918) 
S. 19; G. Clodius, 5. Ornithol. Bericht (1907) üb. Mecklenb. u. Lübeck 
(8.-A. a. Archiv d. Ver. d. Fr. d. Naturgesch. i. Mecklenb. Bd. 62. 1908 
S. 133. 

2) O. Leege, Die Vögel der friesischen Inseln 1905 S. 8f. 

8) Ornith. Mtsschr. 1896 8. 87 u, Leege I. c. 

#) Wiebken, Über seltene Wandervögel im Herzogtum Oldenburg. 
Journ. f. Ornith. 1885, 8. 424. 


5) Leege Il. c. 


°) H. Winge, Conspectus Faunae Groenlandicae. Grönlands 
Fugle. 1898 8. 141—145. 


?) 0. Helms, Über Grönlands Vogelwelt. Journ. f. Orn. 1902 8. 98, 


Fulmarus glacialis und sein Brutgebiet. 885 


sicher nachgewiesen ist!) über Island, das Faber?) als das 
Zentrum der Ausbreitung dieses Vogels in der nördlichen Halb- 
kugel bezeichnet, Jan Mayen, Bäreninsel, Spitzbergen 
und Nowaja Semlja aus in das asiatische Eismeer (und 
zwar, wie Schalow vermutet, bis zuden Neusibirischen Inseln 
erstreckt (wo er von der dunkelschwänzigen Form F. gl. rodgersi 
Cass.) Cones abgelöst wird, an die sich dann südlich des Behring- 
meeres auf den Kurilen und Aleuten und an der nördlichen 
Westküste Nordamerikas F' gl. glupischa Stejn. [mit ganz gelbem 
Schnabel] anschliefst), hat der Eissturmvogel sein Brutgebiet 
allmählich nach Süden zu erweitert und ist anscheinend noch dabei, 
es weiter zu tun. 

Dem Polarkreise gehören die Brutstätten des Eissturm- 
vogels auf Westgrönland, Jan Mayen, der Bäreninsel, den Insel- 
gruppen Franz Josephs Land, Spitzbergen und Nowaja Semlja an. 
Über die Lebensweise und die Phasen der Gefiederfärbung des Eis- 
sturmvogels auf der -Bäreninsel und Spitzbergen hat in 
A. Königs 1911 erschienener Avifauna Spitzbergensis im 
speziellen Teile der leider in den Karpathen gefallene treffliche 
O. le Roi mit gewohnter Gründlichkeit und Sorgfallt berichtet. Da- 
nach ist F\. glacialis (l.c.S. 204) auf der Bäreninsel ein ungemein zahl- 
reicher Brutvogel rings um die ganze Küste, während er in der Spitz- 
bergengruppe bisher nur auf West-Spitzbergen Prinz Karl-Vorland, 
der Edge-Insel und dem Nordostlande nistend angetroffen wurde. 
Der Eissturmvogel variiert sehr stark sowohl in der Körper- 
gröfse wie in der Gefiederfärbung und der Färbung 
des eigenartig gestalteten Schnabels mit seinem Röhrenaufsatz. 
Die Färbungsunterschiede sind nach neueren Feststellungen nicht 
Kennzeichen verschiedener Altersstufen, wie man früher meinte, 
auch nicht geographischer Formen, wie König (Journal f. Orn. 
1908, S. 130 ff.) und anderer Beobachter feststellten, da beide 
Färbungsphasen an ein und demselben Brutplatz und in 
gröfseren einheitlichen Gebieten nebeneinander vorkommen und 
zwar schon bei Dunenjungen. Die dunklere Form scheint mehr 
im Norden und Westen zu überwiegen.®?) Im Juli und August 
mausert der Eissturmvogel, von dem in der Literatur etwa 10 albi- 
notische Exemplare bekannt sind, deren eins Prof. A. König am 
27. Juni 1908 im Sicherheitshafen aufSpitzbergen erlegte. ImPolar- 
kreis verläfst der Eissturmvogel vom November ab bis Ende Januar 
oderFebruar dasBrutgebiet und streicht etwassüdwärts, doch bleiben 


1) Bernh. Hantzsch, Die Vogelwelt des nordöstl. Labrador. Journ. 
f. Orn. 1908 S. 329 f. 

2) F. Faber, Über d. Leben der hochnordischen Vögel. Leipzig 
1826 S. 24. 

8) S. O. Helms, Ornith. Beob. vom nördl. Atlantischen Ozean. 
Deutsch v. O. Haase, Journ. f. Ornith. 1899 S. 92; und B. Hantzsch, 
Vogelwelt des nördlichen Labrador, Journ. f. Orith. 1908 8. 179 f£, 


Journ, f£, Orn, LXVUH, Jahrg, Oktober 1919, 26 


886 Fr. Lindner: 


auch mancbe Individuen den Winter über da. Das nördlichste 
Vorkommen eines Sturmvogels ist das von Nansen unter 85°5' n. 
Br. beobachtete. Auf der Bäreninsel beginnt die Eiablage schon 
Anfang Mai; die von König und le Roi Mitte Juni 1907 dort ge- 
sammelten Eier waren noch alle frisch.) Römer und Schaudinn ?) 
trafen noch am 14. Juli frische Eier auf der Bären-Insel, zweifellos 
Nachgelege. Als Malmgren 1863 die Bäreninsel besuchte, fand 
er am 18. und 19. Juni neben mehreren schwach bebrüteten Eiern 
bereits in einzelnen Nestern Junge.®) Graf Zedlitz traf am 12. 
August 1910 noch kein ausgeschlüpftes Junges an.) Die Gröfse des 
Eies ist im Verhältnis zu derjenigen des Vogels recht bedeutend; es 
ist das relativ gröfste Ei aller Stofstaucherarten.®) Die Werte 
aus 52 Eiern betragen nach le Roi (l. c. S. 207) 
Länge Breite ° Gewicht 
Maximum 80 X 486 cm 7,55 X 3,35 cm 9,83 
Minimum 6,81 xX47 cm 701x455 cm 6,529 
Durchschnitt 7,307 cm 4,955 cm 8,19 gr. 
Der Eissturmvogel ist nicht nur der früheste®) aller arktischen 
Brüter, sondern auch einer der festesten, ’) der sich meistensnur mit 
Gewalt vom Neste treiben läfst, nachdem er sich vorher die denk- 
bar gröfste Mühe gegeben hat, durch ein energisches wiederholtes 
Ausschleudern seines gelblichen, überaus übelriechenden Magen- 
inhaltes sich seiner Angreifer unter dumpfen Knurren von Leibe 
zu halten. Sobald es dem vom Ei vertriebenen Vogel möglich ist, 
watschelt er ungeschickt (— S. Faber, 1. c. S. 236 —) mit zu 
Boden gedrückten Tarsen eiligst wieder zu seiner Niststätte zu- 
rück. Auch die grölseren Nestjungen verteidigen sich, wie Alf. 
Bachmann höchst unliebsam ganz unvermutet an sich erfuhr 
(Orn. Monatsschr. 1902, S. 26) bereits wie die Alten durch Aus- 
spritzen des tranigen Mageninhalts. (Solange der Fulmar sein 
Junges in der ersten Zeit nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei 
noch mit seinem ausgewürgten Magenbrei füttert, kann er noch 
keinen Tran ausspeien. Dieser wird nach Faber (l. c. S. 216) 
erst im Osophagus des Jungen erzeugt, wenn es von den Alten 
mit fetten oder tranigen animalischen Substanzen gefüttert wird). 
Südlich des Polarkreises kommt der Eissturm- 
vogel zunächst als Brutvogel auf Island vor. 


1) le Roi, l. c. S. 206. 

2) Römer u. Schaudime, Fauna arctica 1900, $. 81 (eit. v. le Roi). 

8) A. F. Malmgren, Zur Vogelfauna Spitzbergens: Journ. f. Ornith. 
1865; S.-A. S. 208. 

4) O. Graf Zedlitz. Ornith. Notizen von der Zeppelin-Studienfahrt 
nach Spitzbergen i. Sommer unter 1910 (Journ. f. Orn. 1911, 366 ff.). 

5) Friedr. Faber, Über das Leben der hochnordischen Vögel. Leipzig 
1826 S. 175. 

6) Faber, Über d. Leben der hochnord. Vögel. S. 168. 

7) Ibidem 8.155; Hantzsch Beitr. z. Kenntn. d. Vogelwelt Islands $. 158. 


Fulmarus glacialis und sein Brutgebiet. 887 


„Ina Island gehört Eulm. glacialis zu den häufigen Brut- 
vögeln. Er bewohnt die oberen Teile der meisten bedeutenden 
Vogelberge, besonders wenn diese auf isolierten Klippen weit 
draufsen im Meere liegen. Hantzsch!) führt eine Anzahl Brut- 
kolonien von der Südwestküste (Westmannayjar-Inseln, bei denen 
1844 die letzten beiden Riesenalke erbeutet wurden), von der 
West-, Nordost-, Nord- und Ostküste an. Auf der nördlich von 
Island gelegenen kleinen Insel Grimsey brüten die Fulmars im 
obersten Teile der Felsen, stellenweis nur einige Meter unterhalb 
des Plateaus, und zwar in einem wirklichen, flachen, sauber ge- 
haltenen Neste, während anderwärts das eine, weifse grobkörnige 
und tiefporige Ei meist auf den nackten Stein oder die blofse Erde 
abgelegt wird. Die Eiablage erfolgt auf Island?) von Mitte April 
bis Mitte Mai; die Brutzeit dauert 6—7 Wochen, also unge- 
wöhnlich lange. Beide Gatten teilen sich in das Brutgeschäft; 
nach Hantzsch brütet das Männchen besonders in der Nacht, das 
Weibchen am Tage. Hantzsch sah die ersten Jungen auf Grimsey 
am 10. Juli; sie wurden erst nach zwei Monaten flugbar, verlassen 
dann in Begleitung der Alten den Nistplatz und suchen selbst 
schwimmend ihre Nahrung. So lange die Jungen noch im Neste 
sind, werden sie von den Alten zunächst mit ausgewürgtem Tran 
später auch mit fetten Fleischabfällen — F. gl. ist ja haupt- 
sächlich Aasfresser — allerlei Seegetier, ja selbst mit Medusen 
gefüttert, die sonst wohl kaum ein anderer Vogel frifst. Der dem 
Eissturmvogel eigentümliche Moschusgeruch haftet dem Ei, dem 
Gefieder und Fleisch an; Ei und Fleisch werden von den Ein- 
geborenen trotzdem gegessen; die Federn werden wenig geschätzt. 
Jön Gunnlaugsson ?) hebt hervor, dafs man niemals beobachtet 
habe, dafs die Vögel gegen das Leuchtfeuer fliegen. Auch 
R. Barrington *) hat in seinem grofsen Werke über die Wanderung 
‘der an Leuchttürmen und Feuerschiffen beobachteten Vögel unter 
dem Riesenmaterial anderer Fälle doch kein einziges Beispiel 
des Anfliegens der Leuchtfeuer durch den Eissturmvogel angeführt. 

An der norwegischen Westküste kommt der Eis- 
sturmvogel als Brutvogel südlich kaum bis zum 63.° n. Br. herab 
vor.5) Weiter nach Süden zu brütet der Fulmar auf den Färöer, 
den britischen Inseln: Shetlandsinseln, Insel Fair, I. Rona, den 
Orkneys, Flannans, Hebriden, der kleinen Handa-Insel im Norden 


1) Bernhard Hantzsch. Beitr. zur Kenntnis der Vogelwelt Islands 
(1905) S. 151. 

2) Faber, l. c. S. 94. 

8) J. Gunnlaugsson, Ornithol. Beob. aus Reykjanes in Island. 
Ornis, 1887, S. 544. 

4) R. Barrington. The Migration of Birds as observed at Irish 
lighthouses and lightships, London u. Dublin 1900. 

5) Naumanns Naturgesch. der Vögel Mitteleuropas. Neue Ausgabe 
v. Hennicke, Bd. 12, 8. 14. 

26* 


888 Fr. Lindner: 


der Westküste Schottlands, an Kap Wrath an der Nordwestecke 
Schottlands, an Dunnet Head und Berrindale Head im Osten 
der Nordküste Schottlands und auf St. Kilda westlich von den 
Hebriden!),. St. Kilda war bis nur vor wenigen Jahren 
dersüdlichste Brutplatz des Eissturmvogels, der nach 
der Handliste der britischen Vögel seit 1900 ständig als Brut- 
vogel auf britischen Inseln zugenommen hat und auf den Shet- 
lands an 13 Stellen brütet. Es hat in England und Irland in 
ornithologischen Kreisen ungeheures Aufsehen erregt, als im 
Jahre 1911 zwei neue Brutplätze des Fulmar bekannt wurden, 
von denen der eine fast ganze 4 Grad südlicher gelegen als 
St. Kilda. 

Ussher und Warren bezeichnen in ihrem 1900 erschienenen 
Werke?) über die Vögel Irlands den Fulmar als einen seltenen zu- 
fälligen Gast an den [rischen Küsten, wo er in 40 Jahren in 19 
Exemplaren erbeutet war, darunter nur je zwei, die in noch 
lebendem, aber sehr erschöpften Zustande in der Killalabucht an 
der Nordküste Mayos und bei Londonderry (im Norden) und auf 
der Insel Rathlin (im Nordosten) ergriffen wurden; die anderen 
waren nach heftigen Nord- oder Weststürmen tot angetrieben. 
Es sollte dem Senior der Irischen Ornithologen, Rich. Ussher 
und meinem ihn nach dem nordwestlichen Mayo begleitenden 
Bruder Karl Lindner beschieden sein, im Juli 1911 bei Portacloy 
erstmalig das Vorkommen des Sturmvogels als Brutvogel Irlands 
feststellen zu können, worüber Ussher in der Septembernummer 
des „Irist Naturalist‘“ 1911®) berichtet hat. In diesem, wie in den 
beiden folgenden Fällen, in denen der Eissturmvogel — 1911 und 
1913 — noch an zwei anderen, nördlicher gelegenen Stellen als 
irischer Brutvogel festgestellt werden konnte, waren übrigens 
nicht die Fachornithologen, sondern schlichte Eingeborene, die 
aber scharfe Beobachter der Vogelwelt waren, die eigentlichen 
Entdecker des aufsehenerregenden oologischen Vorkommnisses. 
In Portacloy*) war es der Führer Usshers, Doherty, der ihn auf 
einen von ihm seit 1907 beobachteten möwenähnlichen Vogel 
aufmerksam machte, der ihm durch sein etwas von dem der 
Möwen abweichendes Flugbild aufgefallen war. Zu seiner gröfsten 
und freudigsten Überraschung erkannte Ussher in dem Vogel 
den Fulmar. Im gleichen Jahre wurde der Eissturmvogel als 


1) Handlist of British Birds v. E. Hartert, Jourdain, Ticehurst u. 
Witherby. London 1912, S. 155. 

2) Rich. Ussher and Rob. Warren, The birds of Ireland, London 
1900, S. 395 f. und): C. Lindner, Weitere ornithologische Beobachtungen 
auf einer zweiten Reise nach Irland im Juli 1911. Ornithol. Monatschr. 
XXXVII, 1913 S. 179 ff. 

*) Von allen bisher bekannten Brutplätzen des Fulmar ist der von 
Portacloy dersüdlichst gelegene; er liegt 54 0 20 Min. n. Br. (St. Kilda 57 ° 50‘, 
Hornhead 55° 7‘, und Tery Island 55° 16‘ n. Br. 


Fulmarus glacialis und sein Brutgebiet. 389 


neuer Brutvogel Irlands an deu westlichen Steilküste der bergigen 
Halbinsel Hornhead bei Dunfanaghy an der Nordküste Irlands 
durch einen eingeborenen Eiersammler entdeckt, der seinem Auf- 
traggeber, dem Besitzer der gröfsten privaten Eiersammlung in 
Irland, Mr. Stoney in Oakfieldpark bei Raphoe (C. Donegal) von 
seiner Entdeckung in Kenntnis setzte. Am 30. Juni 1913 suchte 
ich mit Ussher und Stoney diesen Brutplatz auf, an welchem 
Ende März 1913 27 Paare festgestellt waren. Wir bekamen am 
30. Juni 1916 nur 14 Exemplare zu sehen; doch sollten nach 
Stoneys Versicherung etwa 40 vorhanden sein, von denen wohl 
die meisten sich über dem freien Meere aufhalten mochten. Ich 
konnte die Sturmvögel sitzend, fliegend und schwimmend vom 
Rande der dort etwa 70—80 m hohen Steilküste, oberhalb deren 
mittlerer Höhe sich die Brutstellen des Fulmar befanden, be- 
obachten. Beim sitzenden Vogel kreuzen sich die schwärzlichen 
Spitzen der angelegten Flügel über dem Bürzel und Schwanze. 
Schwimmend gleicht der dem Wasser hoch aufliegende Vogel 
einer Sturmmöve. Eigentümlich ist der Flug und das Flugbild 
des Polarsturmvogels, den ich vom hohen Klippenrand aus unter 
mir und zum Teil auch in gleicher Höhe mit mir über dem 
Meere — aber nie auch nur einen Meter über Land! — fliegen 
sah und der manchmal im langeanhaltenden, langsamen geräusch- 
losen Schwebeflug ohne Flügelschlag bis auf nur 4—5 m Ent- 
fernung bei ruhigem sonnigen Wetter!) an mir vorüberschwebte. 
Im Fluge hält der Fulmar die Flügel sehr gestreckt (ähnlich wie 
der Kormoran, Bafstölpel, Turmsegler und Wanderfalk) und den 
sanft abgerundeten Schwanz ausgebreitet. An der dunklen Fär- 
bung des Bürzels und eines Teils der Oberseite des Schwanzes 
ist übrigens der Fulmar von oben gesehen sogleich von den ihm 
an Gestalt, Gröfse und Gefiederfärbung ähnlichen Möwen zu 
unterscheiden, bei denen Bürzel und Schwanz rein weils gefärbt 
sind. Das von oben gesehene Flugbild läfst vor den schwärz- 
lichen Flügelspitzen auf dem Unterflügel ein schmales, lon- 
gitudinalgelegenes weifsliches Dreieck und davor einen vertikal 
stehenden dunkleren, zapfenförmigen Streifen (in der Richtung 
der Mittelarmschwingen) erkennen. Es macht einen etwas un- 
heimlichen Eindruck, wenn der grofsköpfige Vogel mit den wegen 
des davor befindlichen dunklen Flecks noch besonders grofs er- 
scheinenden dunklen Augen und dem grofsen, vorn stark hakig 
gekrümmten und an der Stirn mit einem dunkleren Röhren- 
aufsatz versehenen gelben Schnabel lautlos und gespensterhaft 
auf den Beobachter zugeflogen kommt und erst dicht‘ vor ihm 
abschwenkt. Wiederholt sah ich ein Zittern mit den Flügeln 


1) Est ist ein mir unbegreiflicber Irrtum, wenn der doch sonst 
so vortrefllich beobachtende B. Hantzsch (Journ. f. Orn. 1918 S. 180) 
behauptet, dafs der Fulmar nur bei Sturm ruhig schwebend durch 
die Luft gleite, bei ruhiger Luft aber mit schnellem Flügelschlag. Fr. L. 


+ 


890 Fr. Lindner: 


während des Fluges. Ussher entdeckte den aus einem Felsspalt 
hervorlugenden Kopf eines brütendes Exemplars, das von seinem 
Gatten öfter besucht wurde. Ich sah zugleich 3 Exemplare bei- 
einandersitzen, vier hintereinander fliegen, mehrere übereinander 
und auf einmal 9 Stück durcheinander fliegen. Die von uns be- 
obachteten Exemplare verhielten sich ganz stumm. Als Stimme 
des Eissturmvogels wird ein gackerndes gä gägägäk!) und eine 
andere — besonders im Nest —, ein tieferes „Karö“ oder „Gorr“ 
sowie — in der Luft — ein erregtes „Grab, Gra‘“ oder „Kraw Kraw 
Kraw“ auch „Kau“?) angegeben. Faber bemerkt (l. c. S. 217), dafs 
der Fulmar gar keinen Laut von sich gebe, um die Aufmerk- 
samkeit der Jungen auf das Futter, zu lenken. Der Vogel 
macht überhaupt einen ruhigen, phlegmatischen, harmlosen Ein- 
druck. Auf dem Wasser sitzend badet er öfter; Faber®) sah 
ihn bei den Westmannayjar- Inseln in reifsender Meeresströmung 
baden, begegnete aber auch mit unter die Flügel gestecktem Kopfe 
fest schlafenden,. wie Bälle auf dem Wasser treibenden Sturm- 
vögeln %). Smirnow) beobachtete Anfang Juni 1901 nördlich von 
Kaminland einen Angriff, den ein F. glacialis schwimmend auf 
eine auf dem Wasser schlafende Dreizehenmöve unternahm. „Von 
hinten manövrierte er sich heran und schnellte plötzlich vor- 
wärts, als er ganz nahe dran war, wobei er freilich blofs das Nach- 
sehen hatte.‘ (Vermutlich handelte es sich nur um eine harmlose 
Neckerei; denn beide Vogelarten sind ja in den gemeinsamen 
Brutkolonien friedliche Nachbarn.) 

Am 1. Juli 1913 liefsen wir uns von den an der Nordwest- 
ecke Irlands gelegenen Stranddorfe Magheraroarty aus nach der 
von unserer Reise aus schon von Süden und Osten (Hornhead) 
gesehenen etwa 13 km von Lande entfernten Felseninsel Tory- 
Island rudern, dessen bizarre Silhouette uns schon längst von 
weitem über das Meer herüber gegrüfst hatte. Leider liefsen 
die saumseligen, fortwährend ausspuckenden Schiffer uns bis 11 
Uhr warten, bis wir endlich abfuhren. Wir ruderten, da es an 
Segelwind fehlte, links von den flachen Inseln Irishbafin, Irish- 
dooey und dem kleinen Irishbeg. Irishbafin ist noch von 
Bauern und Fischern bewohnt, die anderen beiden kleineren 
Inseln tragen keine menschliche Niederlassung. Auf Irishdooey 
brütet Hydrobates pelagicus, den wir leider nicht zu sehen be- 
kamen. Dafür erlebten wir eine grofse Überraschung, als wir 
die letzte der genannten Inseln passiert hatten. Ich bemerkte 
vor uns einen von Ost nach West dicht über dem Wasser dahin- 


1) Hantzsch, Vogelw. Isl. S. 158. 

2) Le Roi l. c. S. 206; 

8) 1. c. 8. 250. 

4) 1. c. 8. 254. 

5) N. Smirnow, Zur Ornis des Lorenzmeeres. (Ornithol. Jahrb. 
XII, 1901 8. 207.) - 


Fulmarus glacialis und sein Brutgebiet. 891 


fliegenden, unseren Kurs in einer Entfernung von kaum 20 m 
kreuzenden mir unbekannten Vogel, in dem Ussher zu seinem 
freudigen Erstaunen den von ihm erst einmal — 23 Jahre zuvor! — 
beobachteten „Great Shearwater‘“, Puffinus gravis O. Reilly, den 
grofsen Wasserscherer wieder erkannte, dessen Eier erst 1909 
auf der im südlichen Atlandischen Ozean gelegenen Insel Tristan 
d’Acunha zum erstenmale gefunden wurden. 

Nach unserer Landung in dem winzigen Naturhafen Port 
Doon an der Ostküste Tory Islands, wo wir von den neugierigen 
Insulanern, die so selten einen Fremden zu sehen bekommen 
und wohl noch niemals einen deutschen Gast auf ihrem weltent- 
legenen Felseneiland gesehen hatten, umringt wurden, fand der 
welterfahrene weitgereiste Ussher sehr bald einen intelligenteren 
Mann, John Daggen, heraus, den er als Führer engagierte. Wir 
hatten leider durch die Bummelei unseres Bootsmanns am Vor- 
mittag köstliche Stunden ungenutzt verstreichen lassen müssen. 
Nun blieb uns, als wir nach 21/, Uhr gelandet waren, da der 
Bootsführer versicherte, er müsse, um rechtzeitig zur Fischerei 
zurück zu sein, spätestens um 5 Uhr wieder abfahren, leider sehr 
wenig Zeit zum Umsehen auf der ornithologisch und land- 
schaftlich so interessanten Insel übrig. Wir mufsten uns auf 
die Durchwanderung des ornithologisch und landschaftlich freilich 
interessantesten östlichen Teiles der Insel beschränken. Die 
Süd- und Westseite der Insel sind flach, die Norküste und der 
nördliche Teil der Ostküste hoch und steil abfallend. 

Im Nordosten ist, mit der Insel selbst nur durch eine ganz 
schmale Felswand verbunden, der gewaltige Felsenturm Tormore — 
ein öfter vorkommender Name! — wie der Bergfried einer mittel- 
alterlichen Ritterburg vorgelagert. Ich hielt ihn für unbesteigbar, 
mufste aber zu meiner Verwunderung erfahren, dafs er doch er- 
klommen sei, u. a. auch von R. Barrington. Auf Tory Island 
brüten viele Seevogelarten: Alke, Lummen, Papageitaucher, 
Wasserscherer, Dreizehenmöwen u. a. Uns sollte eine neue Über- 
raschung zu teil werden. Als wir vom Hafen aus in nördlicher 
Richtung in das wildzerklüftete Gebiet nach dem Tormore zu 
wanderten, erzählte uns unser Führer, dafs seit 11/, Monaten 
eine neue Vogelart, ein „Seahawk‘ in zwei Paaren sich an einer 
nahen Steilwand angesiedelt habe. Wir zerbrachen uns den 
Kopf, was für eine Vogelart mit dem „Seehabicht‘‘ gemeint sein 
könnte und dachten an eine Raubmöwe; auf den Shetlands 
brütet ja Siercorarius skua (Brünnich) und 2. parasiticus (L.) 
welch letztere Art wir am 3. Juli in einem Exemplar auf dem 
grofsen (unteren) Lough Erne beobachteten. An Ort und Stelle 
angekommen entdeckten wir die neueste, dritte Brut- 
stelle des Eissturmvogels in Irland; denn der uns vom Führer 
angekündigte und dann auch gezeigte „Seahawk“ war kein anderer 
als der Fulmar. Da Ussher, von dem ich mich am 5. Juli in 
Dublin verabschiedete, um noch Mr. R. Barrington in seinem 


392 Fr. Lindner: Fulmarus glacialis und sein Brutgebiet. 


herrlichen Tuskulum Fassaröe bei Bray aufzusuchen und sein 
ornithologisches Museum zu besichtigen, nach seiner Rükkehr 
nach Cappagh viele andere Sachen zu erledigen hatte, bald 
darauf erkrankte und nach einer Darmoperation am 12. Oktober 
in Dublin starb, glaube ich nicht, dafs er diesen Fund der dritten 
irischen Brutstätte des Eissturmvogels noch publiziert hat; 
hätte er es getan, so würde er mir wohl Mitteilung davon ge- 
macht und die Veröffentlichung zugeschickt haben. So wird jetzt 
zuerst jener Fund veröffentlicht. Vermutlich hat sich seit 1913 
die Zahl der Eissturmvogelbrutstellen in Irland (und Schottland), 
nachdem diese nordische Art einmal sich eingebürgert hat, noch 
erhöht. Während des Weltkrieges, von dem ja auch Irland 
seine Befreiung aus englischer Tyrannei erhoffte, ist nichts von 
ornithologischen Nachrichten aus Irland zu uns gedrungen. Es 
dürfte wohl auch sobald nicht wieder deutschen Ornithologen 
vergönnt sein, in jenes südlichste Brutgebiet des Sturmvogels 
zu gelangen. Aber es steht zu erwarten, dals irische bezw. 
englische Fachzeitschriften von einer weiteren Ausbreitung der 
Art, für deren Ansiedlung auch an deutschen Küsten jede Vor- 
aussetzung (felsige Steilküsten!) fehlt, berichten werden. 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 
Von Dr. Erich Hesse. 


Während meines mehr als zweijährigen Aufenthaltes in 
Leipzig vom 1. Juli 1916 bis 1. Oktober 1918 fand ich Gelegen- 
heit, alle die Gegenden des Gebietes erneut aufzusuchen, in 
denen ich früher meinen Beobachtungen und sonstigen Natur- 
studien oblag. Da ich nach meinem ehemaligen Wegzug von 
Leipzig am 1. März 1909 in diesem und dem folgenden Jahr 
1910 nur einige Tage, in den Jahren 1911—1916 aber überhaupt 
nicht draufsen in besagtem Gelände selbst weilen konnte, war 
es mir von hohem Wert und Interesse, nunmehr eine Reihe von 
Wandlungen, die im Laufe dieser verhältnismälsig wenigen Jahre 
eingetreten waren, kennen zu lernen, wovon im Verlauf nach- 
stehender Erörterungen mehrfach die Rede sein wird. Freilich 
wirkten auf den Exkursionen, namentlich denen in weitere Ent- 
fernung, die traurigen Verkehrs- und Verpflegungsverhältnisse 
der Kriegszeit zumeist nicht gerade ermunternd. 

Aus dem ornithologischen Teil meiner Befunde mögen nun 
einige wenige Mitteilungen, im Anschluls an meine früheren 
Berichte aus diesem Gebiet), in die folgende Zusammenstellung 


!) Vgl. hierzu: Orn. Monatsber. 1904 p. 187—141; 1905 p. 
17—23, 87—42; 51; 89—97, 121—129; 149; 207—209; 1907 p. 
37—43; 188; 1909 p.155; 1910 p. 12; 55—57; 1912 p. 37—38; 
188—189; 1913 p. 79; 1914 p. 66; 1917 p. 148—144; 1918 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 893 


aufgenommen werden. Letztere soll weiter einige Bemerkungen 
zu mehreren inzwischen erschienenen Veröffentlichungen, die auf 
das Leipziger Gebiet Bezug haben, enthalten; in erster Linie 
betrifft dies die im Journ. f. Orn. 1916 erschienene Ornis 
Saxonica vonHeyder. Zu ihr sei hier vorerst eine die äufsere 
Form betreffende Bemerkung gemacht. In keiner solchen zu- 
sammenfassenden Ornis, zu der eine grofse Zahl von Veröffent- 
lichungen vorliegen, sollte es unterlassen werden, bei Zitierung 
eines Autors die laufende Nummer des Literaturverzeichnisses, 
nebst Seite der betreffenden Veröffentlichung, beizufügen, wie 
es in einigen derartigen Faunen bereits mustergiltig durchgeführt 
worden ist. Für jeden, der auf die Quellen zurückgehen will, 
wird dadurch eine aufserofdentliche Erleichterung geschaffen, 
was um so augenfälliger hervortritt, je mehr Veröffentlichungen 
von dem gleichen Autor vorhanden sind. Durch Nennung der 
laufenden Nummer und der Seite wird die in Frage kommende 
Literaturstelle genau fixiert, und man weils sofort, welche von 
den vielen Veröffentlichungen gemeint ist. Also Beispiel: „Helm 
(107, p. 231) gibt an... . “ Aufdiese Weise wird eine ungleich 
klarere Übersicht über die Literaturbelege geschaffen. Auch wenn 
man allenfalls von Angabe der Seite absehen wollte, bleibt doch 
Nennung der laufenden Nummer Erfordernis. 


Nomenklatur nach der neuen Namenliste Journ. f. Orn. 
1916 p. 325—371. 


Colymbus grisegena Bodd. Am 20. VI. 1917 würgte auf dem 
Rohbrbacher Grofsen Teich ein Rothalstaucher einen etwa spanne- 
langen Weifsfisch hinunter. Noch niemals habe ich diese Art 
derartige Fischkost zu sich nehmen sehen. Nach den Angaben 
im Naumann, Neuausgabe Bd. XII p. 83, scheint er, wenn 
er das Meer berührt, öfter Fische zu fressen, während er sich 
auf dem Süfswasser mehr von der niederen Tierwelt des Wassers, 
namentlich Insekten und deren Larven, nährt. — Zwei ähnliche 
Fälle habe ich früher vom Zwergtaucher (Col. nigricans Scop.) 
und Bläfshuhn (Fulica atra L.) vermerkt, Journ. f. Orn. 1909 
p. 325 u. 336. 


Tadorna tadorna L. Heyder, 1. c. p. 222, schreibt bei 
dieser Art: „Hennicke und später auch Hesse erwähnen ihr Vor- 
kommen auf den Rohrbacher Teichen, doch geht aus ihren Mit- 
teilungen hervor, dafs sie die Gans nicht selbst beobachtet haben. 


p. 113—115; 115—117; — Journ. f. Orn. 1907 p. 91—134; 1908 
p. 25—60; 260—282; 1909 p. 1—32; 322—365; 1910 p. 489— 
519 part.; [815]; 1911 p. 861—363; 1914 p. 855 Anm.; 1917 II. 
Bd. (Festschrift) p. 112—118; — Orn. Monatsschr. 1909 p. 280; — 
Königl. Leipziger Zeitung 248. Jg. 1908 (Nr. 217) p. 8006, 3007. 


894 Erich Hesse: 


Zugetragenen Nachrichten über das Vorkommen von Brandgänsen 
(Brandenten) aber mufs mit äufserster Vorsicht entgegengetreten 
werden, weil im Volksmund da und dort auch die Tafelente 
„Brandente“ genannt wird ...“ Ich habe die Vorkommen Journ. 
f. Orn. 1907 p. 104, 1908 p. 265 und 1911 p. 361 angeführt; an 
erstgenannter Stelle heifst es: „Nach einer Mitteilung vom Wirt 
des unmittelbar am Mühlteich gelegenen Rohrbacher Gasthofes 
hat sich Anfang März auf diesem Teich eine Ente vorübergehend 
aufgehalten, die von dem Genannten auch mittels Glas besichtigt 
wurde und Hach der Beschreibung („roter Schnabel mit Höcker, 
Gefieder bunt wie eine Papierlaterne“ (!)) wohl nichts anderes 
gewesen sein kann als eine Brandgans. Von dieser Species 
schreibt Dr. Hennicke: „Wurde mehrere Winter hintereinander 
in mehreren Exemplaren auf den grofsen Teichen erlegt““. Diese 
drastische Beschreibung kann selbst der schlichteste Anfänger 
nicht auf die Tafelente, die weder einen roten Schnabel mit 
Höcker noch ein Gefieder bunt wie eine Papierlaterne trägt, 
beziehen, wobei noch hinzukommt, dafs die Tafelente alljährlich 
in einer Reihe von Paaren auf den Rohrbacher Teichen brütet, 
als bekannte Erscheinung also um so weniger zu Verwechselungen 
Anlafs bieten würde. Mit einem „roten Schnabel mit Höcker“ 
könnte ja allerhöchstens noch die Prachteiderente, Somateria 
spectabilis L., in Frage kommen, die aber für Deutschland nur 
erst ein paar Mal im Küstengebiet nachgewiesen wurde, und auf 
die auch die Beschreibung des bunten Gefieders im Vergleich zu 
den weit schärfer ausgeprägten Farbenkontrasten bei Tadorna 
viel weniger gut passen würde. Offen bliebe natürlich die Frage, 
ob es sich bei besagten Brandenten um der Gefangenschaft ent- 
wichene gehandelt hätte, worauf ich gleichfalls schon Journ. £. 
Orn. 1908 p. 281 hingewiesen habe; immerhin bemerkenswert ist 
jedoch demgegenüber in den beiden von mir namhaft gemachten 
Fällen die übereinstimmende Jahreszeit: beide Enten wurden im 
März, 1905 und 1910, also zur Frühjahrszugzeit, beobachtet. — 
lm übrigen: Wenn ich Grund gehabt hätte, würde, ich schon 
von selbst meine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Überbringer 
ausgedrückt und das Nötige dazu bemerkt haben. 

Oygnus olor Gm. Heyder, l.c.p. 225, hat hier die alten 
im Nordwesten Leipzigs gelegenen Brutplätze, die ich Orn. 
Monatsber. 1905 p. 94 und Journ. f. Orn. 1908 p. 266 genannt 
habe, gänzlich zu erwähnen vergessen. Sie lagen südlich von 
Möckern, die sogenannten Brandtschen Lachen und das weiter 
westlich sich anschliefsende, z. T. an die Luppe grenzende Gebiet 
umfassend. Zum kleineren Teil bestand dieser ganze Komplex 
aus Altwässern der Pleifse und Elster, zum gröfseren aus aus- 
gedehnten Lehmausstichen, die teilweise ganz ansehnliche Wasser- 
flächen und Teiche darboten. Wie immer hatte sich in den viele 
Jahre sich selbst überlassenen Distrikten eine üppige Wasser- 
und Sumpfflora entwickelt, und an den Dämmen und alten 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 895 


Ausstichrainen war dichtes Gestrüpp und Gebüsch, namentlich 
von Erlen und Weiden, oft schon zu stattlicher Höhe empor- - 
gewachsen. In diesem verwilderten Gelände haben die Höcker- 
schwäne z. T. in mehreren Paaren eine lange Reihe von Jahren 
und noch bis in das jetzige Jahrhundert hinein gebrütet; ich 
kenne sie hier seit Ende der 80er Jahre des vorig. Jahrhunderts; 
sie hielten auch den Winter aus, solange noch ofienes Wasser 
in den stehenden oder den nahen fliefsenden Gewässern, auf 
welch letztere sie schliefslieh bei völliger Vereisung der ersteren 
abwanderten, vorhanden war (vgl. 1. c. 1905). Durch Zufüllung 
des gesamten östlichen Gebietsteiles, jener Brandtschen Lachen, 
die nun schon längst vollständig getilgt sind, wurden die Vögel 
im Laufe der Jahre schliefslich auf den westlichen Teil zurück- 
gedrängt, bis auch hier durch Zufüllungen, Aufschüttungen und 
anderweite Boden- und Bauarbeiten die Verhältnisse sich änderten. 
In diesem Teil stand 1904 ein Horst an entlegenerer Stelle in 
der Nähe der Luppe garnicht weit vom Ufer, und es gewährte 
einen herrlichen Anblick, den schneeweilsen brütenden Vogel auf 
dem grofsen Horst sitzend zu sehen, im Hintergrund der Laub- 
hochwald der Aue, ringsumher die üppigste Sumpfvegetation, 
streckenweise durchsetzt vom fahlen vorjährigen Rohr, sonst aber 
alles prangend im jungen sprossenden Grün. — Ob nun alle 
diese Höckerschwäne als ursprünglich wilde oder als entwichene, 
oder endlich als Abkömmlinge teils entwichener teils einzelner 
daraufbin zugewanderter wilder anzusehen waren, bleibt ähnlich 
wie oben bei Tadorna unentschieden; ich will daher hier auch 
nicht die Frage betreffs der östlichen Einwanderung des Höcker- 
schwans als Brutvogel in Deutschland näher erörtern, sondern 
verweise nur noch auf die Ausführungen und Angaben von 
Detmers, der das Leipziger Brutgebiet mit in Betracht zieht, 
in: Ein Beitr. z. Kenntn. d. Verbreit. einig. jagdl. wichtig. Brut- 
vög. i. Deutschl., Veröffentlich. d. Instit. f. Jagdkunde, 1912, p. 
86, 87, 89. Heyder bezeichnet 1. c. den Höckerschwan für 
Sachsen lediglich als „seltenen Durchzugsvogel“, um so mehr 
also hätte dies eine, so viele Jahre besetzte Brutgebiet Erwähnung 
finden müssen. — Diese Gegend scheint auch schon viel früher 
ein „Schwanengebiet‘‘ gewesen zu sein: 1809 wurde hier ein 
Singschwan (C. cygnus L.), 1823 ein Zwergschwan (CO. bewickt 
Yarr.) erbeutet, vgl. Journ. f. Orn. 1908 p. 266, Heyderl.c. 
p. 226. Zu jenen Zeiten herrschten ja in der sumpfigen noch nicht 
regulierten Pleifsen- und Elsteraue, namentlich während der 
Überschwemmungsperioden, natürlich weit ursprünglichere Ver- 
hältnisse! 

Charadrius dubius Scop. In den jetzt sehr ausgedehnten, 
nordwestlich vom Rosenthal angelegten städtischen Kläranlagen 
hatten sich Flufsregenpfeifer angesiedelt, ein Paar auch unweit 
der Elster, wo aufserdem durch Neuausschachtungen Kiesschotter 
zu Tage getreten waren. Namentlich au den Juniabenden des 


896 Erich Hesse: 


so überaus heifsen und trockenen Sommers 1917 waren und 
riefen sie besonders lebhaft, trotz der hier herrschenden üblen 
Ausdünstungen, die Geruchsorgan und Wohlbefinden der Regen- 
pfeifer nicht im geringsten zu irritieren schienen. Wie stets 
verliefsen sie nach dem Flüggewerden der Jungen um Mitte Juli 
ihren engeren Brutplatz. — Brüten des Flufsregenpfeifers in 
Kläranlagen hat vor einigen Jahren bereits Helfer festgestellt, 
der in der Stahnsdorfer Anlage (südwestl. von Berlin) 1914 zwei 
Paare, auch mit den flüggen Jungen, beobachtete, Mitteil. a. d. 
Königl. Landesanst. f. Wasserhygiene, Hft. 20, 1915 p. 86 u. 
Orn. Monatsschr. 1915 p. 341, 345, 346. 


Totanus stagnatilis Behst. Am 25. und 29. IX. 1918 konnte ich 
an der Luppe in einem alten Lehmausstich des Gundorfer 
Gebietes ein Stück dieses sehr seltenen Gastes ausgezeichnet 
beobachten; da ich ihn beide Male an genau der gleichen Stelle, 
auch auf genau der gleichen Schlammbank wieder antraf, war 
es wohl zweifellos derselbe Vogel, also ein Aufenthalt von 
mindestens 5 Tagen. Gefiederoberseite im ganzen bräunlichgrau, 
die hellen Federränder..sich nur wenig abhebend; er erschien 
daher bei gewisser Beleuchtung oberseits sehr dunkel, ähnlich 
wie man es unter gleichen Belichtungsverhältnissen namentlich 
bei T. ochropus L. wiederfindet; der Vogel trug demnach bereits 
das Winterkleid, was ja auch der Jahreszeit entsprach; Schnabel 
schwarz, Füfse stumpf dunkelgrün, dunkler und weniger lebhaft 
als bei 7. nebularius Gunn. (früher = littoreus L.). Im Berliner 
Museum Konnte ich später auch die nötigen Bälge vergleichen, 
darunter den, der für Fig. 2 Taf. 6 Bd. IX der Naumann’schen 
Neuausgabe als Original gedient hat, von v. Trotha im Oktober 
1896 am Tanganjika gesammelt, vgl. Text 1. c. p. 98. Im Leben 
schien die Fufsfärbung etwas mehr grün zu sein als es auf 
dieser Abbildung nach dem Balgexemplar dargestellt ist; an dem 
fast 30 Stück umfassenden Material des Berl. Mus. schwankt die 
Färbung nach dieser Richtung bin etwas, sie ist durch das Ein- 
trocknen z. T. sogar völlig entartet, namentlich an den alten 
aufgestellten Exemplaren, und man mufs bekanntlich in solchen 
Fällen bei Färbungsangaben von Fülsen, Schnabel und, wo 
vorhanden, Wachshaut nach präparierten älteren Stücken sehr _ 
vorsichtig sein, denn der Eintrocknungsprozels kann mitunter 
sehr erhebliche Veränderungen in der Färbung dieser Nacktteile 
hervorrufen. Von der eintönigen Oberseite stechen besonders 
im Fluge die blendend weilse Unterseite und der ebenso gefärbte 
Unterrücken und Bürzel um so lebhafter ab. Sehr bezeichnend 
für diesen Wasserläufer ist weiterhin seine Stimme. Als ge- 
wöhnlichen Ruf notierte ich ein deutlich zweisilbig herunter- 
gezogenes „He“, je nach der verschiedenen psychologischen Ver- 
fassung des Vogels bald schärfer und lauter, bald milder und 
leiser, bald nur einzeln, bald mehrmals nach einander, und hier 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 897 


wieder die Rufe bald weiter bald enger gereiht; manchmal klang 


die zweite tiefere Silbe dumpfer, mehr nach u hin, wie 


»Üa“. Veranlafste man ihn durch plötzliche Überraschung zu 


eiliger Flucht, so stiels er ein hastig erregtes „gigigi‘ aus, also eine 
tofsreihe von Tönen ganz analog den Angstrufen anderer 7o- 
tanus-Arten. Abgesehen vom Kampfläufer, der gerade gegenüber 
den mit wohlklingenden Stimmen begabten Wasserläufern als 
fast stimmenlos bezeichnet werden kann und auf Grund noch 
einiger anderer biologischer und morphologischer Eigenschaften 
die Abtrennung von Totanus als besondere Gattung Pavoncella 
rechtfertigt (vgl. auch Journ. f. Orn. 1907 p. 108), hat T. 
stagnatilis im Vergleich zu unseren übrigen Toianus-Arten die 
dünnste Stimme; der Stimmenkenner, der das immerhin durch- 
dringende, zuweilen sogar etwas schneidende „He“ nur einmal 
gehört hat, kann es mit der keines anderen Totanus verwechseln. 
Im übrigen stimmen meine Beobachtungen gut mit den dies- 
bezüglichen Stimmenaufzeichnungen von Wichtrich, Orn. Monats- 
ber. 1911 p. 179—181, überein. — Es ist höchst lehrreich, dar- 
zutun, wie sehr sich die gewöhnlichen Rufe der verschiedenen 
Wasserläufer von einander unterscheiden und wie gut sie sich 
daran erkennen lassen; es handelt sich also um die Rufe, die 
keinerlei besonders gesteigerte Affektionen ausdrücken, die weder 
Balz- oder Paarungsrufe noch Warn- und Schreckrufe oder über- 
haupt Rufe der Beunruhigung und anderes mehr darstellen, die 
vielmehr die Vögel namentlich im normalen Flug, beim freiwilligen 
Auffliegen oder beim Hin- und Herstreichen über der Brut- oder 
Raststätte und auch als Wanderrufe hören lassen; wir hätten 
dann bei 
Totanus nebularius Gunn.: stimmenkräftiges sehr volltönendes 
„tjü“, meist zwei- bis dreimal nacheinander „tjü tjü tjü“; 
Totanus totanus L.: etwas schwächeres flötendes „tjüwi“ oder 
„tjüwiwi“, oder auch nur ein weiches, meist zweisilbig herunter- 
gezogenes „djü‘; 
Totanus maculatus Tunst. (früher =fuscus L.): pfeifendes sehr 
kurzes „tjüt“, „tjüit“ oder „tjübit‘; 
Totanus stagnatilis Bchst.: dünnes deutlich zweisilbiges „tie“; 
Totanus ochropus L.: klangreines wohltönendes „gluiht“ oder 
„gluiht wit wit“; 
Totanus glareola L.: hohes helles „gi gi gi“. 

Hört man mehrere Arten nebeneinander, werden die Unter- 
schiede auch in Höhe, Stärke und Klangfarbe noch viel sinn- 
fälliger. Auf die Vielfältigkeit der anderweiten Stimmäulserungen 
dieser Vögel will ich hier nicht näher eingehen. — 

In seinen Bewegungen ist 7. stagnatilis bei seiner Dünn- 
und Hochbeinigkeit, die aber nicht unverhältnismälsig wirkt wie 
z. B. bei Himantopus, wohl zweifellos der graziöseste Zotanus, 


398 Erich Hesse: 


während sonst unter den übrigen fünf zur Zug- oder Brutzeit 
in Deutschland weilenden Wasserläuferarten in dieser Beziehung 
wohl 7. totanus L. an erster Stelle steht (s. auch Orn. Monats- 
ber. 1905 p. 23.) Als ich den Vogel am 29. IX. zum letzten 
Mal aufgescheucht hatte und er kürzere Zeit über den Sümpfen 
hin- und herstrich, schien es fast, als ob ihm an entfernterer 
Stelle, die durch. die Luppe abgeschnitten und daher nicht 
erreichbar war, auf seine hin und wieder ausgestofsenen Rufe 
vom Boden aus ein zweiter Vogel antwortete. — T. stagnatilis 
kommt für das im Journ. f. Orn. 1908 p. 260—262 abgegrenzte 
und gekennzeichnete Gebiet der näheren Umgegend Leipzigs, in 
dem er noch nicht nachgewiesen war, zu den l. c. weiter auf p. 
263—279 namhaft gemachten 222 Arten neu hinzu, die Zahl 
erhöht sich also auf 223. 


TotanusochropusL. Rohrbach: 27. VL. 1917 2 St. dieses hiernur 
wenige Male beobachteten Wasserläufers abends am Grolsen Teich. 
Gallinago gallinula L. ist natürlich an Stelle des durch 
Schreib- oder Druckfehler enstandenen „G. gallinago (L.)“ in der 
Überschrift von Nr. 89 p. 286 der Heyderschen Ornis zu setzen. 


Otis terax L. Heyder, |. c. p 288, erwähnt nicht das von 
Kunz in seinem Artikel, „Ofis tefrax, Die Zwergtrappe, ein ur- 
deutscher Brutvogel,“ Journ. f. Orn. 1902 p. 284—290 genannte 
Brutvorkommen bei Leipzig aus neuerer Zeit, nämlich aus dem 
“ Jähr 1901; Kunz schreibt 1. c. p. 287: „Voriges Jahr wurde 
sogar auf Wiederitzscher Flur 1), Stunde nördlich von Leipzig, 
in einem Kleefelde ein Nest mit 4 Eiern gefunden.“ Aus dieser 
Mitteilung geht leider nicht hervor, ob Kunz das Gelege selbst 
gesehen hat, was bei einem angeblichen Vierergelege gerade 
sehr wertvoll gewesen wäre, da die Angaben über die Eizahl der 
Zwergtrappe, speziell über die Vierzahl, sehr widersprechend sind, 
vgl. Naumann, Neuausgabe Bd. VII p. 80. Bei der Seltenheit 
des Fundes wäre Genaueres darüber jedenfalls sehr erwünscht 
gewesen. 

Grus grus L.!) Rosenthal: Am 19. X. 1916 abends 6,30h, 
also bei völliger Dunkelheit, ein gröfserer Flug nach SW. über- 
hinziehend, stetig unter den bekannten kurzen Wanderrufen, die 


1) Beiläufig möchte ich hier auf folgendes hinweisen. In einer 
Bildermappe zur neuesten Auflage von Brehms Tierleben, betitelt: 
Brehms Tierbilder,‘ II. Teil, Die Vögel. Mit Text von Dr. V. Franz. 
Leipzig u. Wien 1913, findet sich auf Blatt 18, Pfauenkranich, 
Balearica gibbericeps Reichen., als Einleitung: „Wir kommen zu 
der Familie der echten Kraniche (Gruidae), deren deutscher 
Vertreter, der Graue Kranich, Grus grus Linn, einst bei uns 
häufig war, jetzt aber fast nur noch in Pommern vorkommt, wo man im 
ganzen 411 Brutplätze mit etwa 2800 Paaren kennt.“ Baer wies in 
seiner in ihren Schlufsfolgerungen wissenschaftlich so hochbedeutsamen 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 899 


von dem hohen hellen „krürr“ über das mittelstimmige „Krarr‘ 
zu den tiefen dumpfen „krorr‘“ und „krurr“ überleiten; man 
konnte auch in der Dunkelheit an diesen zunächst anschwellenden 
und dann wieder verklingenden Rufen, die in breiter Front er- 
tönten, die Richtung des Zuges genau feststellen. Gröfsere Kranich- 
flüge gehören, wie das Auftreten des Kranichs überhaupt, hier 
zu den selteneren Erscheinungen. !) 


Ortygometra parva Scop. Rohrbach: Nachdem ich 1917 
keinerlei Anzeichen für das Vorkommen des kleinen Sumpf- 
hühnchens erhalten hatte, hörte ich am 7. VI. 1918, und zwar 
nachmittags um 3h bei sonnigstem heilsen Wetter, wiederum am 
Ufer des Grofsen Teiches jene stereotypen Rufkombinationeu, die 
ich vor genau 10 Jahren, am 15. VI. 1908 abends, ebendort, nur 
an einem andern Uferstück desselben Teiches hörte, und auf die 
ich bereits Journ. f. Orn. 1914 p. 355 Anm. näher zu sprechen 
kam. Damals rief der Vogel mit nur geringen Pausen bis tief 
in die Nacht hinein, diesmal tat er es nur etwa 5 Minuten lang 
und viel lückenhafter. Die Vegetation am morastigen Ufer be- 
stand hauptsächlich aus Arundo, Typha und Sparganium, ge- 
währte aber an mehreren lockerer bestandenen Stellen Ein- und 


Arbeit über die Brutplätze des Kranichs in Deutschland, Orn. Monats- 
schr. 1907, nach, dafs das Brutgebiet zusammenfällt mit der ehemaligen 
diluvialen Vereisung Deutschlands; es erstreckt sich gegenwärtig über 
das ostelbische Deutschland und westelbisch über die Provinzen Sachsen 
und Hannover. Baer zählt im ganzen 411 Brutplätze auf, von denen 
75—80 als erloschen zu betrachten sind, und sagt 1. c. p. 312 weiter: 
„Die Zahl der noch jetzt besetzten beträgt daher rund 330“; nach 
einigen weiteren Ausführungen bemerkt er ebendort über die Zahl der 
Paare: „Danach mülste man also die Gesamtzahl der deutschen Kranich- 
paare auf wenigstens 1300— 1400 und höchstens 1800 schätzen.“ (Vgl. 
bierzu Detmers in seiner oben zitierten Arbeit p. 93, 94.) Ob 
Franz, selbst in keiner Weise über diese Verhältnisse unterrichtet, ?;aus 
der Arbeit Baers entnommen hat, ist nicht ersichtlich, hat aber nach 
seinen Angaben doch den Anschein; jedenfalls gibt er danach die Zahl 
der Paare, wenn hier nicht ein Druckfehler vorliegt, um 1000 zu hoch 
an, zählt fälschlich auch die nicht besetzten Brutplätze mit, und ver- 
wechselt schliefslich, und das ist das Ungeheuerlichste, die Prov. Pommern 
mit dem gesamten grofsen deutschen Brutgebiet des Kranichs überhaupt, 
überträgt es also mitsamt den Zahlen auf diese eine Provinz. Und etwas 
Derartiges in einem Druckwerk, das breiteren Volksschichten zur Be- 
lehrung dienen soll! — Auch sonst finden sich noch grobe Fehler und 
Ungenauigkeiten; z. B. heifst es auf Blatt 22 (Silbermöwe) über die im 
Binnenland seltene Dreizehenmöwe: „... im Winter jedoch bei uns 
auch im Binnenland sehr gemeinen Dreizehenmöwe, Rissa tridactyla 
A “| Ich mag hier nicht weiter darauf eingehen. 

1) Über letzteres vgl. auch die erst nachträglich erschienenen Mit- 
teilungen Heyders, Orn. Monatsber. 1919 p. 79/80. 


400 Erich Hesse: 


Durchblick in das Dickicht, zumal man von einem unmittelbar 
vorbeiführenden Damm aus das Gelände noch besser überblicken 
konnte. In diesem Pflanzendickicht bewegte sich der Vogel, nur 
wenige Meter vor mir, ziemlich unstet. Als sicherstes Artkenn- 
zeichen für die Beobachtung im Freien kommt wohl die grüne 
Farbe der Füfse in Betracht, die auf solch kurze Entfernung 
natürlich auch sehr gut und genau zu erkennen ist, sobald man 
den Vogel auf einer solchen freieren Stelle” aufs Korn nehmen 
kann. Dagegen war die Graufärbung der Brustregion lediglich 
eine Bestätigung des männlichen Geschlechts, denn dieses Grau 
kommt, wenngleich etwas dunkler, auch dem Zwerg sumpf- 
hühnchen (O. pusilla Pall.), und zwar in beiden Geschlechtern 
zu. Die übrigen Unterschiede beider Arten sind draufsen in der 
Natur schon schwieriger festzustellen, immerhin sind z. B. die 
verschiedene Zeichnung und Tönung von Rücken und Unter- 
schwanzdecken bei günstiger Stellung des Vogels und immer vor- 
ausgesetzt natürlich, dafs man ihn in genügender Nähe vor sich 
hat, zumal mit dem Prismenglas noch wohl zu erkennen. Be- 
züglich der Stimmlaute fand ich meine damaligen Aufzeichnungen 
voll bestätigt; an jenem Abend notierte ich: „tjip tjip tjip trreo“, 
oder „tjip tjip tjip brrio“, oder auch „tjip tjip tjip brruio“, das 
„tjip“ manchmal auch nur ein- oder zweimal vorangestellt, bei 
dreimaliger Folge zuweilen ein wenig enger oder weiter gereiht. 
Ich könnte dem jetzt nur noch hinzufügen, dafs, aus nächster 
Nähe vernonmen, der Einsatz des zweiten Teiles der Kombination 
mitunter etwas dumpf und unrein klingt, was durch das „brruio“ 
ganz gut angedeutet wird. Bei diesen Rufen werden Körper und 
Hals etwas emporgereckt. Im Hin- und Herlaufen liefs der Vogel 
ferner noch helle „kik“-Rufe vernehmen, wie sie aueh Naumann 
erwähnt, Neuausgabe Bd. VII p. 170, einzeln oder mehrmals 
nacheinander, Einzelrufe also, wie sie auch O. porzana L., Rallus 
und Gallinula besitzen. In hochgradiger Balz schien sich dies 
cQ' nicht gerade zu befinden; so mußste ich z. B. am 19. VI. 
abends fast 3 Stunden warten, ehe ich wieder Rufe zu hören 
bekam. Homeyer, dessen Aufzeichnung als einzige aus der 
freien Natur stammende Ergänzung den wenigen Angaben 
Naumanns über die Stimme in der Neuausgabe |. c. hinzu- 
gefügt ist, schreibt über den „Lockruf“, Orn. Monatsschr. 1892 
p. 411: „Derselbe besteht aus einem hellen Ton, eine Art Triller, 
der recht angenehm klingt, dann folgt ein zweisilbiger Schrei, 
also ungefähr „pitpitpit pirrä“,1) Beim nachherigen Vergleich 
meiner ganz unabhängig und wie immer an Ort und Stelle ge- 
machten damaligen Aufzeichnungen mit dieser Literaturangabe 
war es mir um so erfreulicher, eine solch grofse Übereinstimmung 
in der Wiedergabe dieser so wenig gekannten Stimmen zu finden. 


!) Journ. f. Orn. 1914 p. 355 Anm.: Druckfehler, zu verbessern 
in „Pitpitpit pirrä“, 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes, 401 


Auch diese ehemalige Beobachtung aus dem Jahr 1908 und ihre 
Deutung war somit nicht nur eine „Mutmafsung“, wiesichHeyder, 
l. c. p. 291, ausdrückt, sondern ebenfalls schon die Feststellung 
einer Tatsache, gleichwie jetzt wieder der Nachweis des Vor- 
kommens zur Brutzeit. — Bei der aufserordentlichen Verborgenheit 
der Lebensweise unserer beiden kleinen Sumpfhühnchen, und 
dies gilt ganz besonders für O, pusilla Pall., deren Verbreitung 
nur erst dürftig und deren Stimmlaute so gut wie unbekannt 
sind, könnten Beobachtungen in der Gefangenschaft wertvolle 
Dienste zur weiteren Erforschung der Stimmen leisten; den 
gröfsten Teil des Jahres wären die Vögel vielleicht in Frei- 
volieren mit künstlich angelegter kleiner Sumpflandschaft, die 
beiden Arten streng gesondert, zu halten, um sie immer noch 
unter möglichst natürlichen aber doch weit weniger schwierigen 
Verhältnissen beobachten und verhören zu können. 

Gallinula chloropus L. Bezüglich des Überwinterns fügt 
Heyder |. c. p. 291 am Ende an: „... , viele versuchen zu 
überwintern, was jedoch nur einem Bruchteil gelingen dürfte.‘ 
Dazu wäre zu bemerken, dafs bier im Flachland die Lage für 
die Teichhühner gleichwie für alles andere Wassergeflügel nur 
in den strengsten Wintern gefährlich wird, wenn auch die 
fliefsenden Gewässer vollständig zufrieren. An letztere begibt 
sich die Mehrzahl der Teichhühner ohnehin schon im Spätherbst 
zu dauerndem Aufenthalt, wenn also auch die stehenden Gewässer 
noch völlig eisfrei sind, wohl zweifellos deshalb, weil im fliefsenden 
Wasser für sie die Nahrungsverhältnisse durch ständiges Ergänzen 
und Anschwemmen auch schon um diese Jahreszeit günstiger 
liegen, als in und am stehenden Wasser. An den Flüssen bevor- 
zugen sie da ganz gewisse meist etwas unterwaschene Uferstrecken, 
die, dicht mit überhängendem Gebüsch bedeckt, reichen Unter- 
schlupf bieten. An solchen Lieblingsplätzchen halten sie dann 
auch den Winter über mit grofser Zähigkeit fest und kommen 
ganz gut bis zum Frühjahr durch. Eine grofse Zahl derartiger 
Stellen habe ich allwinterlich wöchentlich mehrmals aufgesucht 
und die Zahl der Vögel an den einzelnen Plätzen stets sehr 
konstant gefunden, gewöhnlich 2—4, mitunter bis 6, ja bis 10 
Stück, in mehr oder weniger lockerem Verband zusammenbhaltend. 
Sie harren hier auch dann noch aus, wenn sich bei strengerer 
Kälte die Flüsse vom Ufer her nach der Mitte zu mehr und 
mehr mit Eis bedecken, und nur letztere noch eisfrei bleibt; 
dann sieht man sie aus ihren Verstecken über das Eis nach der 
offenen Mitte und dort auf dem Rande des Eises entlang laufen 
oder auch in der schmalen Rinne schwimmen, nach Nahrung 
suchend. Friert nun bei ganz strenger Kälte auch diese letzte 
Rinne zu, verschwinden sie; ein Teil von ihnen, deren Konstitu- 
tion es noch gestattet, wandert vielleicht ab, von dem Rest aber 
geht sicher ein Teil zu grunde, teils durch Raubwild, teils durch 
Abmagerung und Erfrieren; ich habe mehrmals mitten auf dem 

Jonrn, f Orn, LXVIL Jahrg. Oktober 1919, 27 


402 Erich Hessö: 


Eise verendete Teichhühner gefunden, deren Unterkörper und 
Füfse teilweise an- und eingefroren waren, die sonst aber 
keinerlei Verletzungen aufwiesen. Ist das Eis so ziemlich wieder 
weggetaut, stellen sich auch wieder einzelne Teichhühner ein, bis 
dann mit dem Einzug des eigentlichen Frühlings und zügleich 
der Hauptmenge der Teichhühner sich alle wieder auf die Brut- 
plätze in den stehenden Gewässern verteilen. In meinen Berichten 
habe ich für die einzelnen Jahre eine ganze Reihe Daten vom 
Überwintern verzeichnet. 

Ciconia ciconia L. Das Storchnest in Papitz, das sich, wie 
Journ. f. Orn. 1907 p. 118 mitgeteilt, seit 1868 hier befand, ist 
schon seit mehreren Jahren nicht mehr vorhanden; angeblich 
sollen die Alten abgeschossen, die Jungen ausgenommen oder 
getötet, und der Horst schliefslich beseitigt worden sein, was ja 
so einigermafsen genügen würde! Damit ist nun auch dieses 
letzte Storchnest aus dem nordwestlichen näheren Auegebiet 
verschwunden. — Über ehemalige Storchnester vgl. ferner Journ. 
f. Orn. 1909 p. 13, 14. 

Botaurus stellaris L. Über ihr Brüten in Westsachsen teilt 
Heyder,].c. p. 294, folgendes mit: „Im gesamten Westen 
Sachsens, von der Elbe an gerechnet, brütet sie nicht. Die 
letzten Daten ihres Brütens daselbst liegen 75 Jahre zurück, zu 
welcher Zeit sie nach Kunz, wie Hesse mitteilt, auf „Schimmels 
Teich“ bei Leipzig nistete. Hennicke berichtet zwar am 7. V. 
1891 auf den Rohrbacher Teichen eine Rohrdommel gehört und 
ein Nest mit 3 Eiern gefunden zu haben, die Rey als solche 
unsrer Art bestimmte, doch teilt mir demgegenüber Schlegel 
briefl. mit, dafs jene Eier irrtümlich bestimmt waren und dafs es 
sich, wie er in einer Sitzung des Ornithol. Vereins in Leipzig 
nachgewiesen habe, um Eier der Stockente handele.“ Wenn also 
das Gelege irrig bestimmt war, worüber bedauerlicher Weise 
nichts veröffentlicht und berichtigt worden ist, bleibt dennoch 
das Vorkommen der Rohrdommel daselbst zur Brutzeit bestehen. 
Denn dafs dies tatsächlich der Fall war, ist mir auch aus münd- 
lichen Mitteilungen von Pfarrer Dr. Schneider, Liebert- 
wolkwitz bei Leipzig, bekannt, der in jener Zeit das Brüllen der 
Rohrdrommel selbst mitangehört hat. Möglich wäre es ja na- 
türlich auch, dafs es sich um ein einzelnes unbeweibtes Q' ge- 
handelt haben könnte. 


Coturnix coturnixz L. Sowohl 1917 wie 1918 zur Brutzeit 
in den Feldmarken von Rohrbach bis Belgershain mehrfach 
rufend, auch hier eine wenngleich schwache, so doch bemerkbare 
Zunahme, wie dies während der Kriegszeit aus anderen Gebieten 
vielfach berichtet wurde. 

Circaetus gallicus Gm. Das von Naumann, vgl. Neuaus- 
gabe Bd. V. p. 177, ohne nähere Daten als „bei Leipzig“ ge- 
schossen genannte Exemplar ist vermutlich identisch mit dem, 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 408 


welches Schaufuls, Sitzungsber. Naturwissenschaftl. Gesellsch. 
Isis Dresden, Jg. 1861 (1862) p. 54 für das Jahr 1820 bei Leipzig 
erlegt angibt; es heifst dort: „Naumann gibt sein Vorkommen 
am Rhein, in der Schweiz, Oesterreich, Schlesien und besonders 
Frankreich an. Bei Leipzig und Halle ist er 1820 geschossen 
worden .... In Crimmitzschau in Sachsen ward er einst von 
einem Bauer geschossen und als Siegestrophäe an das Thor ge- 
nagelt.‘“ In seinem „Nunquam otiosus“, Bd. I, 1870/71, p. 234 
druckt dies Schaufufs noch einmal fast wörtlich ab, führt 
also beidemal das Leipziger Vorkommen nicht unter den von 
Naumann angegebenen an; durch Hinzufügung der Jahreszahl 
soll die frühere Naumannsche Notiz hier also wohl nur er- 
gänzt werden. — Heyder, |]. c. p. 307, erwähnt die Schau- 
fu[sschen Angaben nicht, zitiert auch dessen Veröffentlichungen 
nicht in seinem einleitenden Literaturverzeichnis. Vgl. noch 
Journ. f. Orn. 1908 p. 270, Fickel, Die Literat. üb. d. Tier- 
welt d. Kgr. Sachsen, 1902, p. 21. 


Buteo buteoL. Zweimal, am 25. VII. u. 23. VIII. 1918, sah ich 
von meinem Arbeitszimmer im Zool. Institut aus je einen Bussard. 
und zwar in beiden Fällen westwärts ganz niedrig überhin- 
streichen ; der erste Vogel kam so niedrig über den gegenüber- 
liegenden Garten herangestrichen, dafs er erheblich emporsteigen 
mufste, um unser Gebäude überfliegen zu können; der andere 
flog nur wenig über Haushöhe, dabei sogar eine weite Strecke 
kreisend. Das Auffällige beidemal ist für den bisher noch nicht 
gerade „urbanisierten“ Bussard die überaus geringe Höhe des 
Fluges über das Häusermeer hinweg, wofür auch keine besondere 
örtliche Wetterlage als Ursache geltend gemacht werden konnte. 


Pernis apivorus L. Konnte ich bei ihm für 1909 und 
1910 eine für einen gröfseren Raubvogel sehr erhebliche Zunahme 
im Bestand feststellen, vgl. Journ. f. Orn, 1910 p. 505 u. 1911 
p- 361/362, sodafs die Bestandesziffer ungefähr die gleiche Höhe 
wie beim Mäusebussard erreichte, war der Wespenbussard jetzt 
wieder auf die alte Zahl zurückgesunken, in den in Frage kommen- 
den Forsten also wiederum nur ganz vereinzelt horstend, ja eher 
sogar noch seltener geworden, sodals er seine Quantitätsbe- 
zeichnung „sehr selten!) beibehalten mufste; die Vermehrung 
war mithin nur eine vorübergehende gewesen. Die alte Eiche 
im Kanitzsch bei Gundorf mit dem Horst, an dem ich so aus- 
giebige Beobachtungen hatte machen können, vgl. Journ. f. Orn. 
1909 p. 340—342, war verschwunden, die ganze urwüchsige Aue- 
waldparzelle mit ihren alten Bäumen und der reichen Unter- 
vegetation hatte leider wieder einmal einem modernen Kahlschlag 
weichen müssen. Erfreulicherweise war er nicht ganz aus dem 


1) Vgl. Journ. f. Orn. 1908 p. 270; auf diese Quantitätsbezeich- 
nungen komme ich weiter unten nochmals zurück; siehe p. 423/424. 
27* 


404 Erich Hesse: 


Gebiet gewichen; auf den Wald- und Auewiesen etwa von Gundorf 
bis herüber nach Dölkau und Oberthau liefs er sich ab und zu 
beobachten, zur Brutzeit ein paar Mal, wenn er über einer der 
grolsen Wiesen kreiste, lebhaft seine gedehnten „püihü“ rufend 
und den eigenartigen Balzflug ausführend. Auch den Horst verriet 
er mehrfach wieder durch seine hastigen, oft hölzern klingenden 
„tecketecke....“ oder „tücketücke...“; diese eigenartigen schnellen 
Rufreihen habe ich bisher immer nur am oder im Horst selbst ge- 
hört, vgl. 1. c. — 27..VII. 1916 Universitätsholz 3 Stück unter 
den vorhinerwähnten gedehnten und nicht zu verkennenden Rufen 
kreisend, allmählich nach SW. weiterziehend. Universitätsober- 
förster Weiske, der bei der Beobachtung zugegen war und 
dem ich bereits drinnen im Wald die Rufe als die des Wespen- 
bussards bezeichnet hatte, noch ehe wir dann die Vögel über 
der nahen Lichtung sahen, kannte diese Stimmen noch nicht und 
hatte sie auch früher hier noch nie gehört. Auch ich habe ehe- 
dem in diesem Forst nur zweimal ziehende oder streichende 
Wespenbussarde beobachtet: 27. VIII. 1906 und 24. V. 1909, 
Journ. f. Orn. 1908 p. 47 u. 1910 p. 505. 


Milvus migrans Bodd. (früher —=korschun Gm.). Noch 
immer in mindestens einem Paar im nordwestlichen Auewald- 
gebiet vertreten, doch traf ich die Vögel meist nur in den 
preufsischen Revieren. — 

Sein Vorkommen veranlafst mich, hier nochmals auf das 
Verschwinden des roten Milans, 

Milvus milvus L., kurz einzugehen. Wie schon wiederholt 
bemerkt, Orn. Monatsber. 1905 p. 38,1) 90, Journ. f. Orn. 1908 
p. 270, 1909 p. 346, war diese Art ehedem gerade auch in dem 
soeben genannten nordwestlichen Auewaldgebiet ein wenn auch 
immerhin seltener ?) so doch verbreiteter Brutvogel, in einer Reihe 
von Paaren über dies grofse sich von Leipzig bis gegen Merseburg 
erstreckende Waldgebiet verteilt; immer erneut war es ein Genuls, 
sein Flugbild, wohl das schönste der deutschen Raubvögel, im 
Äther schweben zu sehen. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts 
verschwanden die Vögel mehr und mehr; in den ersten Jahren 
des jetzigen war es nur mehr zweifelhaft, ob vielleicht noch ein 
oder zwei Paare in einem der abgelegenen Reviere nach Merse- 
burg zu horsteten, da sich damals immer noch ab und zu ein- 
zelne Vögel, zuweilen sogar ein Paar, zeigten, worauf die zitierten 
Notizen in den Orn. Monatsber. hinwiesen; in den nächsten Jahren, 
zuletzt 1908, bestätigte mir dann schliefslich Kgl. Förster Damm 
(Schkeuditz), der auf seinem grofsen Revier früher natürlich 
ebenfalls alljährlich besetzte Horste hatte, dafs das Brutvorkommen 


!) Hier ist Zeile 18 v. unten hinter „angeblich“ das durch Druckfehler 
ausgefallene Wort „noch‘‘ einzufügen: er soll angeblich noch horsten. 
?) Vgl. wiederum unten p. 423/424. 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 405 


des roten Milans nunmehr im G es a m tgebiet endgültig erloschen 
sei. Er ist aber nicht nur aus dem Leipziger Gebiet und aus 
Sachsen überhaupt als Brütvogel verschwunden, vgl. Heyder 
l. c. p. 310, 311, sondern, wie aus der Literatur ersichtlich, auch 
aus den meisten anderen Gegenden Deutschlands oder in diesen 
doch wenigstens ungleich seltener geworden, und zwar annährend 
um die gleiche Zeit. Durch die Nachstellungen seitens des 
Menschen allein kann diese schnelle Abnahme nicht erklärt werden, 
ebensowenig wie etwa durch forstliche Eingriffe in seinen Brut- 
revieren u. 8. w.; dabei hat sich ja der schwarze Milan, 
der unter gleichen oder ganz ähnlichen Verhältnissen horstet 
und dem namentlich wegen seiner Vorliebe für Fische und 
Fischereigewässer nicht weniger nachgestellt wird als dem roten, 
gehalten. Ich möchte vermuten, dafs der rote Milan von irgend- 
einer Katastrophe auf der Wanderung oder in der Winterher- 
berge betroffen worden ist. Da auch er sich aufserhalb der Brutzeit 
gewöhnlich in kleineren oder gröfseren Gesellschaften zusammen- 
hält, in solchen Verbänden auch das Winterquartier bezieht und 
ebenso von dort wieder zurückkehrt, konnte durch diesen 
Hang zur Geselligkeit z. B. bei Ausbruch einer Seuche deren 
Befall und weitere Verbreitung, die Infizierung von Individuum 
zu Individuum desto besser und schneller erfolgen. Auf diese 
Weise könnten ganze deutsche Brutgeschlechter und Stämme 
vernichtet oder arg gezehntet, die von ihnen früher bewohnten 
Brutgebiete daher entweder gar nicht oder nur sehr dürftig 
wiederbesiedelt worden sein; da bei der geringen Vermehrung 
ein Überschufs aus Nachbargebieten, der von den verlassenen 
Revieren wieder hätte Besitz ergreifen können, nicht vorhanden 
war, mulsten diese einstigen Brutgebiete dauernd erloschen bleiben. 
Wissen wir doch, wie lange es selbst bei kleinen Vogelarten, 
deren Existenzbedingungen zumeist viel günstigere sind und die 
sich weit leichter ergänzen können, dauert, ehe solch ein ausge- 
storberer kleinerer Brutplatz aus anderen Gebieten wieder be- 
siedelt wird, wofür gerade in den letzteren Jahren eine Reihe 
von Fällen, z. B. bei Lanius collurio L., in der Literatur be- 
kannt gegeben wurden. Andrerseits konnten nun auch in den 
vom roten Milan nur in 1—2 Paaren wiederbesiedelten Revieren 
diese letzten Stammhalter durch Abschufs, Fallenstellen und 
ähnliche Verfolgungsmethoden um so leichter zum völligen Er- 
löschen gebracht werden. Ist erst ein gewisser Tiefstand erreicht, 
kann es rapid zu Ende gehen. Mir will es beispielweise auch 
viel wahrscheinlicher dünken, dafs bei dem Aussterben der nord- 
amerikanischen Wandertaube, Eetopistes migratorius L., die an- 
geblich in unermefslichen Scharen vorkam, als primäre Ursachen 
durch Übervölkerung des Lebensraumes enstandene Degenera- 
tionserscheinungen und Seuchen, und erst sekundär die Verfolgung 
durch den Menschen den Ausschlag gaben; bei weiterem Fortbe- 
stehen der erstgenannten Faktoren wirkten diese Verfolgungen 


406 Erich Hesse: 


dann natürlich immer dezimierender, bis schliefslich das Zu- 
sammenwirken aller dieser Umstände die völlige Aufreibung 
herbeiführte; durch die menschlichen Nachstellungen allein 
hätten diese Riesenscharen in verhältnismälsig so kurzer Zeit wohl 
kaum vernichtet werden können. Auch für das Verschwinden 
des roten Milans würde man somit primäre und sekundäre Ur- 
sachen in obigem Sinne in Erwägung zu ziehen haben. 


Falco rusticolus L. Dafs der im Leipziger Zoolog. Univer- 
sitätsmuseum befindliche, am 7. XII. 1864 bei Sommerfeld östl. 
Leipzig erlegte Jagdfalk, den Heyder |.c.p. 313/314 be- 
handelt, der typischen, nicht der Form islandus Gm. angehört, 
habe ich Journ. f. Orn. 1917 UI. Bd. (Festschrift) p. 112/113 
näher dargelegt. — Bezüglich der in der früheren Literatur für 
das Leipziger Exemplar irrtümlich angegebenen verschiedenen 
Fundorte fügt Heyder |. c. als Anmerkung bei: „Einen Ort 
„Altenhayn“ nahe Leipzig habe ich nicht ermitteln können, wohl 
aber heifst ein Nachbardorf von Sommerfeld Althen.“ Mög- 
licherweise kann aber auch in diesem Fundortwirrwarr Alten- 
hain bei Trebsen, ca. 3 Meilen östlich Leipzig, gemeint ge- 
wesen sein. !) 


Asio otus L. In seinem Exkursionsbuch 5. Auflage 1909 
p. 202 und 6. Aufl. 1913 p. 204 schreibt Voigt: „Im Bienitz- 
walde, westlich von Leipzig, babe ich zwar ihre Stimme gehört, 
habe aber nicht feststellen können, ob sie da nistet.“ Sie war 
hier aber in der Tat Brutvogel in mehreren Paaren, wie ge- 
wöhnlich in alten Krähen- und Ringeltaubennestern, ein paarmal 
auch in verfallenen Eichornnestern brütend und fast stets sich 
an die alten Fichtenbestände haltend.. Der Bienitz war auch 
ein sehr bevorzugter Winteraufenthaltsort dieser Eulen, und sie 
sammelten sich in den Fichten so zahlreich an, dafs man oft von 
einem Baum mehrere Eulen zugleich abstofsen konnte. Gewölle 
bedeckten natürlich in Unzahl den Waldboden, unter einzelnen 
beliebten Bäumen im wahrsten Sinne des Wortes „gehäuft“. Durch 
sinnlosestes Abschiefsen wurden diese Eulen jedoch fast völlig 
ausgerottet. Vgl. hierzu auch Journ. f. Orn. 1908 p. 49/50, 1909 
p. (17/18), 347. — In der 7. Aufl. des Exkursionsbuches, 1917 p. 
203, ist jener unnötige Zusatz nunmehr weggelassen. 


1) Falco subbuteo L. In Aquila, XXIV. Jg., 1917 p. 284/285 
berichtet Csörgey von einem Baumfalken, den er eine Fledermaus 
schlagen sah. Die gleiche Beobachtung habe ich, wie hier eingeschaltet 
sei, vor langen Jahren an einem Sommerabend über der Mulde bei 
Wechselburg (ca. 6 Meilen südöstl. von Leipzig) gemacht: zwei über dem 
Flufs jagende Baumfalken fingen kurz nach einander je eine der in be- 
trächtlicher Höhe der Insektenjagd obliegenden Fledermäuse, mit der 
Beute dann nach dem nahen Wald abstreichend, 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 407 


Syrnium aluco L. 26. IV. 1918 im Connewitzer Ratsholz 
ein Exemplar der rötlichen Phase mit zum grofsen Teil weils- 
grau gefärbten Schulterfedern, die schon von weitem als grofse 
helle Flecke sehr auffielen. Mann konnte sich dem Vogel, der 
nur etwa 3 m hoch in einer Ulme nahe am Stamm safs und sich 
die Nachmittagssonne auf den Rücken scheinen liefs, bis auf 
wenige Meter nähern und ihn betrachten, ehe er abflog. 


Dryocopus martius L. 27. IX. 1917 im Universitäts- und 
Oberholz 2—3 co‘ sehr rege trommelnd und balzend; ich wurde 
lebhaft an jenen 24. VIII. 1913 im Grunewald erinnert, wo sich 
gleiches in noch etwas mehr gesteigertem Maalse abspielte, vgl. 
Orn. Monatsber. 1913 p. 175/176. 


Picus viridis L. 1917 Nisthöhle in Kopfweide kaum 3 m 
entfernt von einem vielbegangenen Wiesenweg bei Klein-Liebenau ; 
obwohl den kreuz und quer sich durchziehenden Wiesengraben 
noch hundertfach dichtstehende Kopfweiden säumten, hatte das 
Spechtpaar ausgesucht diese Weide am Weg bezogen, und es 
mufs fast wundernehmen, dafs die Brut hier überhaupt hoch ge- 
kommen ist. Ein Junges, das am 13. VI. erst aus der ungefähr 
in Mannshöhe befindlichen Nisthöhle herausschaute, und das ich 
ihr dann entnahm und wieder einverleibte, war ein ziemlich er- 
wachsenes ©‘, bei dem also auch die roten Federn im Bartstreif 
schon weit hervorgesprossen waren. — Über ein April 1918 im 
Connewitzer Ratsholz beobachtetes trommelndes J' vgl. Orn. 
Monatsber. 1918 p. 113/115. 


Picus canus viridicanus Meyer u. Wolf. Es wäre sehr 
angebracht gewesen, wenn Heyder l.c.p. 432 das im Leipziger 
Zoolog. Universitätsmuseum befindliche, Journ. f. Orn. 1908 p. 
275 genannte O* juv. angeführt hätte, vom „7. Juli 1847“ aus 
den: Leipziger Gebiet stammend und somit ein wertvolles Beleg- 
stück aus der Brutzeit einer weit zurükliegenden Vergangenheit 
darstellend. — Über die Vorkommen aus neuerer Zeit siehe 
auch Orn. Monatsber. 1904 p. 99, Journ. f. Orn. 1907 p. 122, 
1908 p. 52, 1909 p. 19, 350, 1910 p. 508, 1911 p. 362. 


Merops apiaster L. Seinem Prinzip gemäfs, die vor dem 
. Jahr 1800 liegende Literatur nicht zu berücksichtigen, ]. c. p. 
165, hat Heyder l.c. p. 433 natürlich auch nicht das aus dem 
Jahr 1635 überlieferte Auftreten einer Anzahl Bienenfresser bei 
Leipzig aufgenommen, das Journ. f. Orn. 1908 p. 272 und unter 
anderem auch in der Naumannschen Neuausgabe Bd. IV p. 
337 zitiert ist. Man kann sehr verschiedener Meinung darüber 
sein, wo man für faunistische Zwecke die Grenze des „Historischen“ 
in der Literatur ziehen soll. Bequemer ist es ja ohnehin, wenn 
man das alte oft sehr schwer zugängliche Schrifttum nicht zu 
durchstöbern braucht, zumal in ihm Wahrheit und Dichtung 
zum Teil in bedenklicher Weise vermengt sind. Andrerseits läfst 


408 Erich Hesse: 


sich doch noch vielfach „die Spreu vom Weizen‘ sondern und 
bei gewissenhaften alten Autoren manch wissenschaftlich wertvolle 
Angabe finden. !) 


Cypselus apus L. 1917 sowohl wie 1918 die ersten ‘An- 
kömmlinge recht zeitig festgestellt: 1917 am 22. IV. ein einzelner 
ganz niedrig immer nur über einem bestimmten Häuserviertel 
am Flofsplatz hin und her fliegend, als ob er sich hier an seinem 
engeren Brutplatz heimisch fühle; zahlreicher vom 26. IV. an. 
1918 bereits am 21. IV. mehrere unstet und niedrig im Osten 
der Stadt streichend; um diese Zeit war ein aufserordentlicher 
Kälterückschlag eingetreten, Schneefall, Temperatur bis nahe zum 
Gefrierpunkt gesunken; erst vom 27. IV. an sah ich bei :zu- 
nehmender Erwärmung wieder Segler in steigender Zahl. Im 
gleichen Jahr an Nachzüglern im Stadtgebiet am 6. IX. drei und 
am 12. IX. ein Stück. Zum Vergleich für obige Ankunftsdaten 
füge ich einige von mir früher notierte hinzu: in Leipzig von 
1902 bis. 1908: 25,, 25. 30., 21., 27., 25., 26. IV; danz gie 
ersten Jahre in Berlin: 25., 26., 28. IV.; darunter also nur ein- 
mal, 1905, ein gleichfrüher Termin. Über den Abzug vgl. noch 
Orn. Monatsber. 1905 p. 42, Journ. f. Orn. 1907 p. 123, 1908 
p. 52, 1909 p. 20, 350. — Während des Sommers 1918 erhielt 
ich im Zoolog. Institut mehrere Anfragen aus der Augenklinik 
und von Hausbesitzern über „Ungeziefer‘“, das sich bei Patienten 
und Mietern nachts in den Betten sehr lästig gemacht hatte. 
Die eingesandten Insekten gehörten in allen Fällen zu der be- 
kannten Lausfliege des Seglers, Crathaerina (Oxypterum) pallida 
Oliv.; es mulste also an verschiedenen Stellen ein ganz aufser- 
ordentlicher überreichlicher Befall mit diesen Parasiten statt- 
gefunden haben, sodafs sogar ein gröfserer Teil derselben aus 
den Brutstätten und Unterschlupfen der Segler in die mensch- 
lichen Wohnungen abwandern und eindringen konnte. Bekannt 
ist zwar vielen diese Lausfliege ihrer äufseren Erscheinung nach, 
sie wird aber merkwürdigerweise gewöhnlich falsch bestimmt und 
mit der ähnlichenSchwalben lausfliege, Stenopteryxhirundinis L., 
verwechselt, die sich nur ausnahmsweise auf dem Segler findet. 
So ist z.B. die Angabe Naumanns, der gleichfalls irrtümlich 
einzig und allein „die Schwalbenlausfliege, Hippobosca 
hirundinis“, für den Segler anführt, in der Neuausgabe Bd. IV 
p. 238 in keinerlei Weise berichtigt und die obige wahre Laus- 
fliege des Seglers nicht namhaft gemacht. Auf die Verwechselungen 
und zugleich auf die Unterschiede beider Arten kommt auch. 
Speiser in seinem Aufsatz: Die äufserlichen Parasiten des 
Mauerseglers, Natur und Haus 1905 p. 90—92, zu sprechen; vgl. 
auch in dem Artikel desselben Autors, Ektoparasiten der Vögel, 


!) Über das im Berliner Museum befindliche, 1893 bei Dresden 
erlegte Stück vgl. noch Journ. f. Orn, 1915 p. 598/594. 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 409 


Journ. f. Orn, 1909, den Vermerk p. 102. Leider sind auch in 
der neuesten Auflage von Brehms Tierleben, in dem von 
Heymons bearbeiteten zweiten Band (Vielfülsler, Insekten 
und Spinnenkerfe) 1915 p. 366, die beiden Arten nicht ausein- 
andergehalten, und wieder alles auf Stenopteryx hirundinis ver- 
einigt; aufserdem steht hier noch irrtümlich Sternopteryx, auch 
in der Inhalts-Übersicht p. XXIV und im Sachregister p. 711. 


Lanius excubitor rapax Brehm (früher —= major Pall.). Die 
Monatsangaben Heyders ].c.p. 438 sind noch durch Oktober 
sowie Februar, März und Anfang April zu erweitern, vgl. Journ. 
f. Orn. 1909 p. 20, 351. 


Lanius senator L. Das Brutvorkommen bei Leipzig, s. 
Heyder].c.p. 439, hätte noch durch das aus längst vergangener 
Zeit von Kunz im Park von Schönefeld ermittelte ergänzt werden 
können, vgl. Orn. Monatsber. 1910 p. 57. 


Corvus cornix L- Der Bemerkung Heydersl.c. p. 442, 
dafs die Nebelkrähe westlich der Elbe, so auch bei Leipzig, nur 
„mit Rabenkrähen oder Bastarden gepaart“ brüte, sei hinzugefügt, 
dafs ich sie hier mehrmals auch in reinen Paaren angetroffen 
habe, Journ. f. Orn. 1907 p. 124, 1909 p. 351; ein Zurückbleiben 
einzelner Paare wäre ja in der Grenzzone beider Verbreitungs- 
gebiete auch nicht gerade unwahrscheinlich. In allen Fällen 
konnte ich die Vögel mit dem Glas genau aufs Korn nehmen 
und mich von dem reinen hellen Grau der fraglichen Gefiederteile 
überzeugen; man müfste denn geradezu derartig lichte Individuen 
nun auf jeden Fall als äufserst helle, von reinblütigen Stücken 
nicht mehr zu unterscheidende Bastarde ansprechen wollen, nur 
weil man sie zu ungewöhnlicher Zeit, im Sommer, vor sich batte. 


Fringilla coelebs L. 4. u. 7. IX. 1918 bei sonnigem Herbst- 
wetter in den Gärten des Johannisthals mehere alte g' stüm- 
perhaft „dichtend“, ihre Leistungen nur erst wenig an den voll- 
endeten Schlag anklingend. Vgl. hierzu Orn. Monatsber. 1914 
p. 156, 1918 p. 117, Hagen ebendort 1918 p. 89— 92, Böker, 
Orn. Monatschr. 1919 p. 62—72. 

Acanthis flavirostris L.L Heyder zitiert das im Leipziger 
Zoolog. Universitätsmuseum befindliche Belegstück als „Q von 
1842 aus Leipzig“; die Etikette lautet, Journ. f. Orn. 1908 p. 
275,:,„Q. Faun. lips. 1842.;‘* demnach also „aus der Leipziger Fauna“ 
stammend. Man soll gerade bei derartigen alten Angaben immer 
ganz genau zitieren; das ist nicht kleinlich, sondern peinlich ! 
Vgl. auch unten Anthus spinoletta L. 

Chrysomitris eitrinella L. Den Zitronenzeisig hat Heyder 
l. c. p. 451/452, 487 nicht in die numerierten Arten seiner Fauna 
eingereiht und schreibt an erstgenannter Stelle: „Schliefslich 
wäre noch eines Vogels zu gedenken, den Hesse vom 2.—15. X. 
1903 im Botanischen Garten der Universität Leipzig beobachtete, 


410 Erich Hesse: 


vom dem Hesse selbst und wohl mit Recht annimmt, dafs er 
der Gefangenschaft entwichen war. Ein authentischer Nachweis 
des Vorkommens dieser Art fehlt also.“ Das ist nicht richtig, 
denn sicher nachgewiesen ist die Art ja, sie wäre nur dann aus 
der Fauna zu streichen, wenn ihr Entweichen aus der Gefangen- 
schaft bestimmt und einwandfrei nachgewiesen wäre. Die Mög- 
lichkeit eines solchen Entweichens habe ich natürlich auch 
ausgesprochen, Orn. Monatsber. 1905 p. 41, Journ. f. Orn. 1908 
p. 281, am erstzitierten Ort aber ausdrücklich gesagt: „Möglich, 
wiewohl nach seinem ganzen Gebaren unwahrscheinlich, wäre die 
Annahme, dafs er aus der Gefangenschaft entwichen sei.“ Sein 
ganzes Benehmen, was mir auch Dr. E. Rey, mit dem ich unter 
anderem am 8. X. den Vogel lange Zeit beobachtete, bestätigte, 
weiter sein Verschwinden bei Eintritt kühlerer Temperatur, vgl. 
l. c., sprachen ebensogut für einen wirklichen Durchzügler oder 
Herumstreicher. Die Nichtaufnahme in die Fauna ist aber aufser- 
dem inkonsequent, als Heyder z.B. Tadorna tadorna L., (vgl. 
oben), Casarca casarca L., Cygnus olor Gm. (vgl. oben), bei denen 
er die Möglichkeit, sie für Flüchtlinge aus der Gefangenschaft 
zu halten, betont, mitzählt. Wurden diese Arten aufgenommen, 
so mufste es auch mit Chrysomitris citrinella geschehen. 


Pyrrhula pyrrhula L. Am 14. XI. 1916 schofs ich im 
Gundorfer Gebiet 1 Paar, Jg‘ Flügel 92, 9 90 mm: Das Grau 
der Oberseite des Q' etwas mit Rot durchsetzt, in verschiedener 
Ausdehnung und Verteilung auf den einzelnen Federn; über 
diesen roten Anflug vgl. auch Naumann, Neuausgabe Bd. III 
p. 258, Hartert, Vög. pal. Fauna p. 94. 


Anthus campestris L. Bereits am 26. V. 1909 beobachtete 
ich in einer Sandgrube zwischen Grofssteinberg und Pomssen, 
ca. 21/, Meilen südöstl. von Leipzig, einen Brachpieper, eifrig 
nach Nahrung suchend und seinem Wesen nach sich augen- 
scheinlich am Brutplatz befindend; Journ. f. Orn. 1910 p. 512. 
Ich weilte damals nur vorübergehend auf Urlaub aus Dahlem 
hier, und es blieb nicht Zeit übrig, dem Vorkommen weiter 
nachzugehen. Genannte Grube wird gegenwärtig nur noch ganz 
wenig benutzt und abgebaut, der gröfste Teil ist sich schon seit 
vielen Jahren selbst überlassen geblieben und hat sich mit der 
üblichen dürftigen Sandflora bedeckt, ist aber auch auf grölseren 
Strecken, namentlich gröberen Kieslagern, fast völlig vegetationslos. 
Dieses für Brachpieper mithin sehr günstige Gelände habe ich 
1917 und 1918 von Ende Mai bis Anfang August, in ersterem 
Jahr etwa aller zwei Wochen, besucht und das Brüten nun sicher 
feststellen können. In beiden Sommern war nur ein Brutpaar 
vertreten. Das 0“ hatte sich als Lieblingsplatz zum Singen im 
Sitzen ganz bestimmte Stellen eines Geländers auserkoren, das 
die Grubenränder von den anliegenden Feldern abgrenzte, von 


hier aus unermüdlich sein „zirluih“ oder „zirr!“ rufend; ab und 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes, 411 


zu erhob es sich auch, eine zeitlang den bogenförmigen Balzflug 
ausübend, den abwärts gerichteten Teil der Kurve stets mit 
einem solchen Ruf begleitend; vgl. die Darstellungen am Brut- 
platz in der Naumannschen Neuausgabe Bd. III p. 75. Zu- 
weilen stieg auch aus dem nahen Feldgehölzchen ein Baumpieper 
empor, und beide vollführten dann ihren so verschiedenartigen 
Balzflug nicht weit von einander. Das Brachpieper-Q‘ wurde 
öfters von den zänkischen Steinschmätzern, die ich ebenfalls 
schon 1909 in einem Kaninchenbau nistend fand, vgl. 1. c. p. 517, 
angegriffen und verjagt, während die gleichfalls bier brütenden 
Feldlerchen (s. unten) sich niemals feindselig benahmen. Das 2 
zeigte sich während der eigentlichen Brutzeit nur spärlich, stets 
stumm, kurze Zeit Nahrung suchend, sich hierbei teils dem 1 
bei gleicher Beschäftigung anschliefsend, teils, wenn dieses wieder 
sang und balzte, allein der Nahrung nachgehend. Die Jungen, 
4 bis 5 an der Zahl, waren Ende Juli vollkommen selbständig, 
einzeln oder in Trupps bis zu dreien zusammenhaltend, gewöhn- 
lich aber nicht weit von einander sich herumtreibend. Beim 
Nahrungserwerb schienen sie es namentlich auf die kleineren 
Heuschrecken, ganz besonders die das Sandgelände so liebenden 
Oedipoda coerulescens L. abgesehen zu haben, und ergötzlich 
war es, wie sie die davonhüpfenden und -schwirrenden Kerfe 
durch Sprünge und eiligstes Hinterdreinrennen zu erhaschen 
suchten. Als Rufe notierte ich von ihnen einzelne oder gereihte 
„psi“, „psi psi psi“, ferner solche wie „dsü-dsih“ und ganz ähn- 
liche kleine Kombinationen; vgl. hierzu Voigt, Exkursionsbuch 
7. Aufl. 1917 p. 118/119. 

Es handelt sich hier offensichtlich um einen schon lange 
Zeit besetzten Brutplatz des Brachpiepers, wobei es nur fraglich 
bleibt, ob die Vögel erst nach Anlegung der Grube sich einge- 
funden oder auch schon vordem diesen sandigen Höhenzug be- 
siedelt hatten. — Heyder, der l. c. p. 459 die Brutplätze 
einzeln aufzählt, hat jenes Vorkommen von 1909, das schon 
mit Wahrscheinlichkeit auf ein Brüten hindeutete, zu erwähnen 
vergessen, desgleichen das von mir Journ. f. Orn. 1908 p. 276 
genannte, im Leipziger Zoolog. Universitätsmuseum befindliche 
Belegstück, „og“ juv. Schleufsig. 14. Juli 1862‘, das ebenfalls 
nicht weit vom Brutplatz, vielleicht an diesem selbst erbeutet 
worden sein dürfte; denn zu jener Zeit sah es natürlich in der 
Nachbarschaft dieser kleinen Ortschaft im Südwesten Leipzigs, 
deren anliegendes höher gelegenes Gelände jetzt als Vorort völlig 
bebaut ist, ganz anders aus. es 


Anthus spinoletta L. Betreffs der vonHeyder l.c. p. 460 
verzeichneten Provenienzangabe „aus Leipzig“ für das Belegstück 
ebengenannten Museums gilt das oben unter Acanthis flavirostris L. 
Gesagte; auf der Etikette steht wiederum „Faun. lips.‘“, Journ. 
f. Orn. 1908 p. 276. 


412 Erich Hesse : 


Motacilla boarula L. Rohrbach: Ein Brutpaar hatte sich 
an der Mühle angesiedelt; zur Zeit des Futtertragens verraten 
sich die alten Vögel stets schon von weitem durch ihr fort- 
dauerndes besorgtes „huihst“, dies auch bei vollgepfropftem 
Schnabel ausstofsend und sich erst wieder beruhigend, wenn 
man sich entfernt hat. Als ständigen Brutvogel habe ich die 
Gebirgsbachstelze speziell in diesem Ort früher nicht ange- 
troffen, immer nur vorübergehend; hierüber und über weitere 
Brutplätze vgl. Orn. Monatsber. 1905 p. 126, Journ. f. Orn. 
1907 p. 126, 1908 p. 56, 1909 p. 23, 355, 1910 p. 512. 


Alauda arvensis L. In ganz auffälliger Weise brachten die 
am Brutplatz des Brachpiepers (s. o.) ansässigen Feldlerchen 


dessen „zirrlul", teils einzeln, teils in den Gesang eingeflochten, 
zu Gehör, so täuschend, dafs man zunächst mitunter im Zweifel 
sein konnte, ob nicht insbesondere die Einzelrufe vom Pieper 
selbst herrührten. Die gleiche Beobachtung habe ich schon 
früher einmal in der Mark gemacht, am 30. VI. 1912 in den 
Fluren am Gamengrund, südwestl. von Freienwalde, wo gleich- 
falls beide Arten nebeneinander brüten. Deutlich spottende und 
fremde Vogelstimmen nachahmende Feldlerchen sind mir sonst 
vielfach in Sumpfgebieten begegnet, Journ. f. Orn. 1907 p. 133, 
1910 p. 512, 1911 p. 381, 1914 p. 374, eine Erscheinung, die 
bereits Naumann aufgefallen ist, Neuausgabe Bd. III p. 24. — 
Über das an erstgenanntem Brutplatz beobachtete Forttragen 
eines jungen Vogels durch einen alten vgl. Orn. Monatsber. 1917 
p. 143/144, 


Certhia familiaris L. und Certhia brachydactyla Brehm. 
Am 24. XI. 1916 schofs ich im Gundorfer Gebiet (Kanitzsch-Forst) 
zwei Baumläufer, ein familiaris-Q und ein brachydactyla-g‘, beide 
gar nicht weit voneinander. Mafse des familiaris-Q: Flügel 62, 
Schwanz 63, Lauf 16, Kralle der Hinterzehe 9,5, Schnabel 14 mm; 
des brachydactyla-Q': Fl. 64,5, Schw. 63, L. 16, Kr. d. H. 8,5, 
Schn. 19,5 mm; die Unterschiede in Krallen- und Schnabellänge 
also gerade deutlich hervortretend. Die Tönung der Oberseite 
des familiaris-Q erschien sehr hell, und der Vergleich mit dem 
familiaris-Material des Berliner Museums ergab, dafs dies bei 
Leipzig erlegte das hellste von allen Stücken war, es mulste also 
zur typischen Form gezogen werden, die nach Hartert, Vög. 
pal. Fauna p. 318, nur östlich der Oder vorkommen soll. Der 
noch etwas westlich Leipzig erbeutete Vogel beweist mithin, dafs 
sich die typische C©. familiaris auch noch in Nordwestsachsen 
findet und bestätigt für dies Gebiet die Ansicht Reichenows, 
der Journ. f. Orn. 1917 p. 228 mit Bezug auf die Heydersche 
Ornis schreibt: „Ferner ist von Heyder Certhia macrodactyla als 
der in Sachsen heimische Baumläufer angeführt. Es muls in- 
dessen Üerthia familiaris heilsen. C. macrodactyla tritt erst 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 413 


weiter westlich in Thüringen auf.“ Zur Klarstellung von Ver- 
breitung und Abgrenzung der typischen und der macrodactyla- 
Form sind in den verschiedensten Gebieten, besonders Mittel- 
deutschlands, noch eingehende Untersuchungen erforderlich. — 
Die beiden bereits Journ. f. Orn. 1908 p. 277 genannten alten 
Certhia-Exemplare des Leipz. Zoolog. Universitätsmuseums haben 
folgende Längen von Schnabel und Kralle der Hinterzehe: 
C. familiaris, 5, 23. IX. 1849, Schn. 16, Kr. 10,5 mm; ©. brachy- 
dactyla (ohne Geschlechtsangabe), 8. III. 1846, Schn. 19, 
Kr. 8,5 mm (der grofsen Schnabellänge nach also vermutlich Q%). 
Im Magazin des Museums fand ich nun noch ein drittes altes 
Stück aus dem Leipziger Gebiet, der C. brachydactyla angehörig, 
ohne Geschlechts- und Zeitangaben, wieder nur mit der Be- 
zeichnung „Faun. lips.“, den auch die anderen beiden als Her- 
kunftsvermerk tragen; Schn. 16, Kr. 7,5 mm. Die Unterschiede 
in der Krallenlänge beider Arten treten mithin wieder sehr deutlich 
hervor. Zur Feststellung der Variationsbreite der Schnabellänge 
ist, namentlich bei Serienstudien, natürlich genaue Geschlechts- 
angabe jedes einzelnen Stückes unerläfslich, da bei den geringeren 
Mafsen der beider Arten die Schnabellängen der brachydactyla-Q 
und familiaris-Q' ineinander übergehen, und man selbstverständlich . 
immer nur Q' mit S' und Q mit © vergleichen darf. Diese alten 
gestopften Exemplare lassen zwar die Art unterschiede in typischer 
Weise erkennen, sind dagegen zur Beurteilung unter artlicher 
Feinheiten der Gefiedertönung nicht mehr geeignet, und bei 
dem gleichfalls sehr hell erscheinenden, wieder auf die typische 
Form hinweisenden famsliaris-Q' z. B. würde auch die bleichende 
Einwirkung des Lichts in Rücksicht zu ziehen sein. — Von 
Heyder,l.c. p. 463—465, wird keines der Journ. f. Orn. 1908 
p. 277 angegebenen Museumsexemplare zitiert, obwohl sie gerade 
zwei sehr wertvolle Belege für das Vorkommen beider Arten im 
Leipziger Gebiet schon in alter Zeit darstellen. Er erwähnt 
auch nicht bei dem Auftreten von ©. familiaris in den Leipziger 
Auewäldern das durch meine Darlegungen über den Gesang, auf 
den ich sogleich nochmals zu sprechen komme, schon für eine 
Reihe von Jahren ebendort festgestellte Vorkommen dieser Spezies, 
Orn. Monatsber. 1907 p. 37—43 (Fig. 2 „Trillerstrophe“), worüber 
ich auch später immer wieder Aufzeichnungen brachte, Journ. f. 
Orn. 1909 p. 24, 356; 1910 p. 512; 1911 p. 362. — Ausdrücklich 
möchte ich an dieser Stelle noch einmal hervorheben, dafs in 
den reinen Laubwaldungen der Leipziger Aue beide Baumläufer- 
arten nebeneinander vorkommen, eine Erscheinung, die ich, wie 
gleichfalls früher schon erwähnt, auch in der Mark Brandenburg 
regelmäfsig bestätigt fand, auch hier sind beide Arten sowohl 
im reinen Laub- wie im reinen Nadelwald (Kiefern) vertreten, 
selbstverständlich auch im Mischwald; ja ich habe sogar mitunter 
selbst zur Brutzeit in den reinen Kiefernwäldern die Stimme 
von C, brachydactyla öfter gehört als die von CO, familiaris. Es 


414 Erich Hesse: 


wird dies örtlich verschieden sein, und es müssen erst aus allen 
Gebieten die nötigen Aufzeichnungen vorliegen. Zunächst kann 
man, wie das auch Reichenow in seinen „Kennzeichen“ 
1902 p. 112 tut, nur im allgemeinen sagen, dals C. fami- 
liaris mehr den Nadelwald, ©. brachydactyla mehr den Laubwald 
bevorzuge. (Vgl. auch die Angaben von Kollibay, Die Vög. 
d. preufs. Prov. Schlesien, 1906 p. 294, Tischler, Die Vög. 
d. Prov. Ostpreufsen, 1914 p. 277.) Im Laub- wie im Mischwald 
zeigten beide Arten eine besondere Vorliebe für alte Eichen. 
Bezüglich des Gesanges beider Arten haben sich alle die 
von mir vor 12 Jahren veröffentlichten Angaben und Vermutungen, 
Orn. Monatsber. 1907 p. 37—43, voll bestätigt: Schema (Fig.) 1 
stellt den Gesang von Certhia brachydactyla, Schema (Fig.) 2 den 
von C, familiaris dar; kleine und kleinste Abweichungen, die 
man auch anderwärts herausfand und die als individuelle 
oder örtlich beschränkte zu deuten wären, können an dem 
völlig verschiedenen Grundtyp beider Gesänge nichts ändern. 
Die von mir als Kombinationen bezeichneten, ab und zu 
zu hörenden Tongebilde können teils von spottenden ©. brachy- 
dactyla, teils mitunter vielleicht auch von Bastarden herrühren. 
Zu alledem vergleiche man die diesbezüglichen zusammenfassenden 
Ausführungen Hagens in seiner Arbeit: Zur Biologie und 
Faunistik unserer Certhia-Arten, Journ. f. Orn. 1917 II. Bd. 
(Festschrift) p. 73—80. Der Gesang ist für den Feldornithologen 
zweifellos das beste Unterscheidungsmerkmal. Wenn man trotz- 
dem hin und wieder noch der Ansicht begegnet, dafs beide Arten 
dem Gesange nach nicht zu unterscheiden seien, so kann man 
solcher Unwissenheit gegenüber nur einfach sagen: die betreffen- 
den mögen sich erst die nötigen Kehntnisse aneignen, ehe sie 
mitreden können. Man soll doch nur über die Dinge urteilen, 
von denen man etwas versteht, andernfalls aber im Urteil weise 
zurückhalten und sich keine Blöfsen geben; man findet aber ge- 
rade völlig unmusikalisch veranlagte Leute, die bei ihrer Unkennt- 
nis im absprechenden Urteil um so anmalsender sind. Wie jeder 
Wissenszweig erheischt auch die wissenschaftlich-exakte Vogel- 
stimmenkunde ein jahrelanges eingehendes Studium, sie erfordert 
aber aufserdem, insbesondere für feinere Unterschiede, ein gutes 
musikalisches Gehör. Um so mehr befriedigt es aber dann auch, 
wenn man nach vieljährigen Erfahrungen immer wieder das 
Gesetzmäfsige und Typische in den Stimmäufserungen der einzelnen 
Arten bestätigt findet, und davon individuelle Abweichungen oder 
Sonderbegabungen, wie z. B. das Spotten, zu trennen vermag; 
dabei mufs man sich jedoch gerade hinsichtlich des Spottens 
hüten, Anklänge an andere Vogelstimmen nun immer gleich als 
Nachahmungen solcher deuten und heraushören zu wollen, denn 
es sind stets nur bestimmte Arten oder Individuen, bei denen 
dies Spotttalent eindeutig hervortritt (vgl. oben bei Alauda), bei 
manchen Arten ziemlich häufig und regelmäßsig, bei den meisten 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes: 415 


selten oder gar nicht; ich will hierauf und auf die diesbezügliche 
Literatur an dieser Stelle nicht näher eingehen. Die hohe Be- 
deutung der wissenschaftlichen Stimmenkunde scheint aber so 
mancher noch nicht erkannt zu haben oder mangels musikalischen 
Verständnisses nicht entsprechend würdigen zu können. Welch 
unersetzliche Dienste sie gerade auf dem Gebiet der sogenannten 
Feldornithologie leistet, bedarf keiner weiteren Worte. 

Es erübrigt, noch ein paar Bemerkungen zu machen darüber, 
ob sich auch betrefis des Gefieders Anhaltspunkte zur Unter- 
scheidung beider Arten im Freileben geltend machen lassen, vor 
allem, um in der gesangsarmen Zeit Hilfsmittel zur Hand zu 
haben; nach Ablauf der eigentlichen Gesangsperiode hört man 
ja gerade von Baumläufern auch im Herbst und Winter noch 
ab und zu eine Strophe, worüber ich desgleichen in fast allen 
meinen Berichten Notizen mitgeteilt habe, doch tritt natürlich 
der Gesang in dieser aufserhalb der Fortpflanzungszeit gelegenen 
Spanne aufserordentlich zurück, und auch die feinen Lockrufe, 
wiederum bei beiden Arten verschieden: bei ©. familiaris leiser 
und feiner, bei ©. brachydaciyla lauter und schärfer (vgl. auch 
Hartert, Vög. pal. Fauna p. 318, 324, Kleinschmidt, 
Singvög. d. Heimat 1913, p. 381, 382, Hagen. c. p. 77, 78), 
vernimmt man nicht immer. Als brauchbarstes Kennzeichen 
habe ich im Laufe der Jahre die weilse Unterseite befunden, 
das reine Weils der C©. familiaris „leuchtet“ doch ganz anders, 
als das getrübte, man möchte sagen schmutzige von ©. brachy- 
dactyla; bei letzterer istes janormaler Weise getrübt, nicht 
sekundär verschmutzt, wie es bei einzelnen Individuen beider 
Arten solcher baumrutschenden Vögel in unmittelbarer Nähe 
grofser Städte oder Fabriksanlagen u. s. w. eintreten kann; wir 
müssen hierbei zunächst die normalen Verhältnisse draufsen in 
der frischen Natur ins Auge fassen. Die verschiedene Tönung 
der Oberseite dagegen möchte ich nur dann als stichhaltig an- 
erkennen, wenn man den Vogel aus gröfserer Nähe betrachten 
und ihn tunlichst scharf durch das Prismenglas mustern kann. 
Hat man ihn gar unmittelbar vor sich, wenn er z. B. einen 
dichtbei stehenden Baum von unten her angeflogen hat, kann 
man sehr wohl auch die abweichende Stirnzeichnung beider Arten, 
ferner die mehr lichte braunere Gesamttönung und die hellere 
Lohfarbe der Bürzelgegend bei C. familiaris, bei ©. brachydactyla 
dagegen die mehr grauere Färbung der Oberseite wahrnehmen; 
hat man diese Unterschiede zur Genüge an Balgserien gesehen, 
verglichen und sich eingeprägt, wird man sie auch in der freien 
Natur wiedererkennen. Auf gröfsere Entfernungen machen sich 
indessen vielfach Beleuchtungsreflexe, Sonnenbestrahlung und 
Schattenwirkung störend bemerkbar, zumal wenn sich die Vögel 
in den Kronen alter Bäume umhertreiben; dies gilt sowohl für 
den dichten Nadelwald wie besonders auch für den Laubwald in 
der Zeit der Belaubung. So ereignete es sich beispielsweise im 


er 


416 Erich Hesse : 


Sommer 1908 ein paar Mal kurz nacheinander, dafs die Ober- 
seite von Baumläufern, die sich nach dem Gesang als C. fami- 
liaris erwiesen hatten, sich aber dauernd hochoben im Halb- 
dunkel der Kronen uralter Eichen aufhielten und nur ab und zu 
auf kurze Zeit mit dem Glas zu erhaschen waren, mehr grau 
gefärbt erschien, Journ. f. Orn. 1909 p. 356, während ich I. c. 
1911 p. 362 einen entgegengesetzten Fall anführte, bei dem in 
unmittelbarer Nähe jene störenden und verwischenden Faktoren 
ausgeschaltet waren. Im indifferenten Halbdunkel auf indifferent 
gefärbter Unterlage erscheint bei weiter Entfernung auch die 
indifferente Rindenfarbe der Certhia-Oberseite eben nur rinden- 
farbig grau, und die feineren Tönungen verwischen sich und 
verschwimmen; dagegen hob sich in diesen und ähnlichen Fällen 
die reinweifse Unterseite bei ©. familiaris merklich besser ab, 
und späterhin fand ich so manches Mal, wenn der Vogel wieder 
aus den Kronen herunterkam und in der Nähe einen Baum am 
Fufse beflog, die Bestätigung meiner Bestimmung nach diesem 
Merkmal, wenn sich nunmehr die weiteren Einzelheiten im Ge- 
fieder erkennen liefsen, ganz abgesehen also von stimmlichen 
Aufserungen, die vielfach noch kennzeichnend hinzutraten. Man 
darf sich durch solche scheinbaren Widersprüche in einzelnen 
Fällen nicht irre machen lassen, mufs vielmehr den Gründen zu 
ihrer Aufklärung nachgehen, und ich hielt es daher für ange- 
bracht, hier etwas ausführlicher auf diese Verhältnisse einzu- 
gehen und. zugleich offen auf die teilweisen Schwierigkeiten 
hinzuweisen, weil auch hinsichtlich des Gefieders vielerseits eine 
gewisse Voreingenommenheit gegen die Unterscheidbarkeit beider 
Certhia-Arten in der freien Natur besteht. !) 


Sitta caesia Wolf. 29. IX. 1918 bei aufklarendem Wetter 
in Garten von Leipzig-Gohlis ein Stück bald abwärts gezogene 


»Ul;je pald den trillernden Ruf, beides genau wie zur Balzzeit, 
hören lassend. Einzelne Frühlings- und Balzrufe kann man auch 
in der extranuptialen Zeit ab und zu einmal vernehmen, nicht 
immer diese regelmälsig wechselnde Balzweise. — Über die sub- 
spezifische Zugehörigkeit der im Gebiet vorkommenden Kleiber 
kann ich mich hier kurz fassen, da ich das Nähere darüber 
seinerzeit bereits Geheimrat Reichenow auf seinen Wunsch 
hin für seine Untersuchungen zur Verfügung gestellt hatte; ich 
verweise daher auf seine Ausführungen in Journ. f. Orn. 1917 
p. 228, Orn. Monatsber. 1917 p. [55 —57] 55 und in seiner Arbeit, 
„Die Vogelwelt des Urwaldes von Bialowies“, in: Bialowies in 
deutscher Verwaltung, Heft 3, 1918 p. [172—191] 189, und will 


!) Lange nach Abschlufs obiger Ausführungen erschien die Ab- 
handlung von Stresemann, Verhandl. Ornith. Gesellsch. Bayern 
1919 p. 89—74; sie konnte also für die entsprechenden Stellen nicht 
herangezogen werden. 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 417 


nur folgendes bemerken. Die alten gestopften Exemplare des 
Leipz. Zool. Universitätsmuseums waren zur Beurteilung der Unter- 
seitefärbung wiederum nicht mehr tauglich, dagegen mufsten mehrere 
von Prof. Meisenheimer 1915 und 1916 zur Brut- und 
Strichzeit im Universitätsholz gesammelte S‘ und @ nach Ver- 
gleich mit dem Material des Berliner Museums zu $. caesia 
gezogen werden; besonders zeigt ein frisch vermausertes Q° vom 
10. X. 1916 die satter getönte Unterseite deutlich. Auch sonst 
kann man sich bei freilebenden Vögeln mit sauberem Gefieder, 
also wieder fernab im Wald, von der lebhaft ockergelben Färbung 
vielfach überzeugen. Zur weiteren Untersuchung der Schwank- 
ungen und Übergänge in der Tönung der Unterseite bei S. caesia 
und $. c. sordida Rchw. nach den Grenzgebieten hin bedarf es 
noch gröfserer Serien aus den verschiedensten Distrikten, wobei 
immer nur Stücke aus gleicher Jahreszeit und auch in diesem 
Fall tunlichst nur 9 mit Q' und 2 mit Q zu vergleichen wären. 
Da der Kleiber die Nähe menschlicher Wohnungen und Anlagen 
nicht scheut und im Winter mit Vorliebe die künstlichen Futter- 
stellen besucht, ist bei Vögeln derartiger Herkunft auch hier wie- 
der Verschmutzung gerade der Unterseite mitin Rücksicht zu ziehen. 


Aegithalos europaeus Herm. Das alljährlich im Winter sich 
wiederholende Vorkommen streifköpfiger Schwanzmeisen und aller 
möglichen Übergänge bis zu weilsköpfigen herüber habe ich bereits 
Orn. Monatsber. 1918 p. 115—117 näher erörtert, dabei auch auf 
einige Winter 1916 von mir geschossene Belegexemplare hin- 
gewiesen; Winter 1917/18 waren die Vögel natürlich ebenfalls 
vertreten, und ich habe nicht nötig, auf die Tatsache dieses 
allwinterlichen Vorkommens nochmals einzugehen. — 


Dagegen möchte ich hier kurz einige Literaturstellen über 
Kennzeichnung und Auffassung der streifköpfigen Schwanzmeise 
erneut anführen. Im Il. Band der Naumannschen Neuaus- 
gabe, 1897 p. 252/253, gibt Präzak „die schwarzbrauige 
Schwanzmeise, Aegithalus caudatus vagans (Latham)“ zunächst 
als streifköpfig an, schreibt dann aber weiter: „Diese Form va- 
riiert aber sehr....;inNord-FrankreichundBelgien 
sind zwar diese Vögel noch immer ziemlich „typisch,“ sowie 
meistens in W est-Deutschland, hier aber und noch mehr weiter 
östlich und südöstlich gibt es alle denkbaren Übergänge — 
Schwanzmeisen, welche trotz ihres Alters kopfgestreift, dabei aber 
sonst ganz wie caudata sind; Exemplare, welche wieder bei sehr 
schwach ausgebildeten Kopfstreifen sehr viel von Rosa-Färbung im 
Gefieder haben ; andere haben alle Kennzeichen der westlichen Form 
(vagans-rosea) bis auf die breiten weilsen Säume der Sekun- 
darien; bei anderen sind die Kopfstreifen nur angedeutet — und 
so weiter“; endlich: „In vielen mitteleuropäischen Gegenden 
kreuzt sie sich mit caudata, und viele der intermediären Exemplare 
sind gewifs als Bastarde zu deuten; Paare, bei welchen ein Stück 


Journ, £, Orn, LXVIL, Jahrg. Oktober 1919, 23 


418 Erich Hesse: 


dieser, das andere jener Form angehörte, wurden schon einige- 
mal gefunden.‘ — Reichenow erklärt in seinen Kennzeichen 
d. Vög. Deutschl., 1902 p. 113 u. 116, die ‚„Rosenmeise, Aegi- 
thalus roseus (Blyth)‘ “als auschliefslich streifköpfig und sondert, 
sie artlich von „Aegithalus caudatus L.“; er tut letzteres auch in 
dem von ihm bearbeiteten Abschnitt der Paridae in der neuen 
Namenliste Journ. f. Orn. 1916 p. 364, und verzeichnet „Aegi- 
thalos europaeus Herm.‘“ neben „Aegithalos caudatus L“ — 
Hellmayr stellt im Tierreich, 18. Lfg. Paridae, Sittidae u. 
Certhiidae 1903 p. 115/116, „Aegithalos caudatus roseus (Blyth)“ 
ebenfalls als durchweg streifköpfig hin. — Hartert, Vögel pal. 
Fauna 1905 p. 384, sagt unter „Aegithalos caudatus ewropaeus 
(Herm.)“: „Genaue Abgrenzung in Deutschland nicht sicher. Im 
westlichen und mittleren Deutschland kommen bisweilen auch 
weilsköpfige Stücke vor (Hessen — von Berlepsch mit kopfstrei- 
figen gepaart gesehen — und Thüringen), die aber deshalb noch 
nicht A. ce. caudatus, sondern wohl nur ausnahmsweise weils- 
köpfige Individuen sind,“ und bemerkt vorher p. 383 unter „Aegi- 
thalos caudatus caudatus (L.)“: „In Europa kommen bisweilen 
Stücke vor, die solchen von europaea ähneln; man hat diese als 
Bastarde bezeichnet, wahrscheinlicher aber handelt es sich meist um 
Rückschläge oder Anklänge.“ — Kleinschmidt gibt in seinen 
Singvögeln d. Heimat 1913 p. 79 am Ende folgende Darlegung: 
„Realgattung Parus Acredula. In Deutschland lebt im Osten 
die in beiden Geschlechtern rein weilsköpfige Form caudatus 
(L.), im Westen die mehr oder minder dunkel am Kopf gestreifte 
Form europaea (Hermann), dazwischen aller erdenkliche Misch- 
masch beider Formen, den man unbenannt lassen oder als longi- 
caüdus (Brm.) bestimmen kann. ?/,, der deutschen Schwanzmeisen 
lassen sich nur als Realgattung, nicht der Form nach genau be- 
stimmen“; er fügt dann später im Falko 1916 p. 18 unter seinem 
neuen „Aegithalos caudatus expugnatus“ noch bei: „Die Vögel 
variieren ebenso wie mitteldeutsche Stücke von einem weils- 
köpfigen bis zu einem stark schwarzbrauigen Extrem.“ — In einem 
Referat äufsert sich Laubmannin Verhandl. Ornith. Gesellsch. 
Bayern 1917 p. 124 über „Aegithalos caudatus europaeus (Herm.)“ 
wie folgt: „In Wirklichkeit handelt es sich hierbei aber nicht um 
Repräsentanten zweier verschiedener Formen, sondern um An- 
gehörige einer und derselben Form, nämlich Aegithalos caudatus 
europaeus (Herm.). Dabei laufen rein weilsköpfige und streifen- 
köpfige Individuen nebeneinander her, wie zwei Phasen — ähn- 
lich der roten und grauen Form beim Waldkauz — unabhängig 
von Alter und Geschlecht.“ — Wolda veröffentlicht in der 
holländischen Zeitschrift Ardea 1918 p. 63—77 einen längeren 
Aufsatz über „De Staartmees (Aegithalus caudatus [L.])“; er 
weist auf das Brüten weilsköpfiger Schwanzmeisen in Holland 
hin und betrachtet die weils- und streifköpfig auftretenden Schwanz- 
meisen als eine im Entstehen begriffene Art. 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 419 


Aus obigem ergibt sich also, dafs die streifköpfige Schwanz- 
meise meist als Unterart, nicht als Art gesondert, dafs sie teils 
als rein streifköpfig, teils in zwei Phasen, einer streif- und einer 
weilsköpfigen, vorkommend aufgefalst, oder aber dafs diese sowohl 
streif- wie weilsköpfige Schwanzmeise als eine im Entstehen be- 
griffene Art angesehen wird. Zwischen beiden Färbungsextremen 
gibt es alle möglichen Zwischenstadien, die man als Vari- 
ationen, Übergänge, intermediäre Exemplare, Kreuzungen oder 
Bastarde, Ausnahmen, Rückschläge, Anklänge und einen der Form 
nach zum grofsen Teil nicht näher bestimmbaren Mischmasch be- 
zeichnet hat. Man ersieht, eine schon ganz stattliche Auswahl 
verschiedener Deutungen und Ansichten. Nimmt man für europaeus 
zwei Phasen an, dann wird es natürlich in der freien Natur so 
gut wie unmöglich zu bestimmen, ob man bei weilsköpfigen 
Stücken solche von europaeus oder des typischen caudatus vor 
sich hat. Aber auch bei Belegexemplaren wird es nach obigem 
vielfach schwer oder unmöglich sein, mit absoluter Bestimmtheit 
zu entscheiden, ob es sich um reinblütige weilsköpfige europueus- 
oder um caudatus- Exemplare handelt; nur extrem grofse Indi- 
viduen würden sich als dem gröfseren caudatus typ. angehörig 
erweisen, vgl. Hartert 1. c. Selbstverständlich bezieht sich 
dies nur auf das grofse mitteldeutsche Verbreitungsgebiet, wo 
nun aulserdem die allenmöglichen Zwischenstadien auftreten, 
deren Deutung Ansichtssache ist. Davon hängt dann natürlich 
auch die nomenklatorische Bezeichnung dieser Zwischenstadien 
ab; falst man sie als zwischen einem streif- und einem weifs- 
köpfigen Extrem spielende Variationen auf, so bedürfen sie keines 
besonderen Namens, sondern liegen innerhalb des Variations- 
bereichs einundderselben Form europaeus; betrachtet man sie als 
Kreuzungen oder Bastarde, müfste man sie als europaeus X cau- 
datus bezeichnen; spricht man sie als Übergänge an, könnte man 
sie als europaeus > caudatus darstellen, wenn der Kopfstreifen 
noch verhältnismälsig kräftig entwickelt ist und die Stücke daher 


eier > 
mehr zu europaeus ;hinneigen, ferner als europaeus < caudatus, 


wenn die Individuen etwa in der Mitte zwischen beiden Extremen 
stehen, endlich als europaeus < caudatus, wenn der Kopfstreif 
stark reduziert oder fast verschwunden ist, die Individuen also 
stark nach caudatus gravitieren; da nun alle Übergänge vor- 
handen sind, unterliegt es natürlich dem Gutdünken, ob man 


einzelne Stücke als europaeus Z caudatus, oder einesteils schon 


als europaeus > caudatus, oder andernteils wieder als europaeus < 
caudatus bezeichnen will. Manteilt also die ganze Reihe jenach dem 
Verwandtschaftsgrad in drei nicht scharf gegeneinander abge- 
grenzte Untergruppen. Willman nun aber dieganze Zwischen- 
reihe mit einer nomenklatorischen Bezeichnung belegen, so könnte 
man vielleicht das Unendlichkeitszeichen als Bindeglied wählen 


237 


420 Erich Hesse: 


und die Formel schreiben: europaeus oo caudatus; dieser Begriff 
würde also die Gesamtheit aller der unendlich vielen zwischen 
den beiden Extremen pendelnden Übergänge umfassen, nicht, wie 
die durch vorerwähnte Zeichen verbundenen Doppelnamen, nur 
eine Gruppe dieser Übergänge. Kleiuschmidt (s. o.) meint, 
dafs man den „Mischmasch“ unbenannt lassen oder ihn als 
longicaudus bestimmen könne. Letzteres erscheint mir nicht 
ganz zweckentsprechend, denn unter einem Einzelnamen stellt 
man sich doch eine bestimmte Form von gewisser Variations- 
breite, nicht aber eine lange, in weitem Ausschlag zwischen den 
Färbungsextremen zweier Formen pendelnde Reihe von Zwischen- 
stadien vor; dann ist es wohl besser, diese ganze weite Variations- 
reihe, wie vorher angedeutet, als nur zu einer Form = euro- 
paeus gehörig aufzufassen, oder sie mit einem der für Bastarde 
oder Übergänge angeführten Doppelnamen, nicht aber mit 
einem besonderen Einzelnamen zu belegen. Hier wäre auch 
noch der Bezeichnungsweise zu gedenken, die v. Tschusi 
zu Schmidhoffen Orn. Jahrb. 1907 p. 29 Anm. als von 
ihm in seiner Sammlung für „intermediäre‘“ oder „zwischenstehende 
Stücke“ angewendet mitteilt, nämlich Namenverbindung durch 
Bruchstrich; auf vorliegenden Fall übertragen würde diese Namen- 
europaeus caudatus 
—— — oder caudatus ———— lauten 
caudatus europaeus 
müssen ; diese Bezeichnungsweise würde jedoch besser auf eine 
konstante Zwischenform passen, noch etwas enger gefalst als 
europaeus > caudatus und caudatus > europaeus. Je nach der 
Auffassung hätte man danach folgende Bezeichnungen: 
1. Für Variationen, zwischen zwei extremen Phasen einund- 
derselben Form spielend: europaeus. 
2. Für Kreuzungen oder Bastarde der beiden Formen: euro- 
paeus X caudatus. 
3. Für Übergänge zwischen den beiden Formen, je nach der 
Abstufung der Verwandtschaftsgrade: 
europaeus 
caudatus 
b) europaeus > caudatus; 
c) europaeus < caudatus; 


d) europaeus =: caudatus ; 


e) als Gesamtbegriff für alle diese Abstufungen zusammen: 
europaeus oo caudaltus. 

Mit Formel 3e würde wohl auch der „Mischmasch“ Klein- 
schmidts gekennzeichnet werden können, während derselbe Autor 
in seinen oben an zweiter Stelle zitierten Ausführungen von „vari- 
leren“ spricht, was also unter Absatz 1 fallen würde. Mit einer 
der unter 3a-—d genannten Formeln könnten dann auch die 
„Rückschläge oder Anklänge“ Harterts, je nach ihrer Tendenz, 


gebung europaeus 


caudatus | 


a) europaeus ————, 
europaeus 


oder caudatus 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 421 


bezeichnet werden. (Die unter 3a—e angeführten Bezeichnungen 
liefsen sich in entsprechenden Fällen auch bei anderen Formen 
und ihren Übergängen anwenden.)!) 

Man ersieht jedenfalls, dafs gerade die deutschen Schwanz- 
meisen reichlich Stoff zu weitgehenden Erörterungen bieten, und 
ich möchte hier nur noch auf eine demnächst erscheinende Arbeit 
von Prof. Schalow hinweisen, in die mir genannter Herr bereits 
im Manuskript Einsicht zu gewähren die grofse Freundlichkeit 
hatte; sie bringt im Anschlufs an einige der auch von mir 
zitierten Literaturbelege Erörterungen systematisch - nomenkla- 
torischen Inhalts, die sich hinsichtlich der Benennung der Zwischen- 
stadien teilweise genau mit meinen’ Anschauungen decken; ich 
möchte jedoch der Arbeit hier in keinerlei Weise vorgreifen. 


Sylvia nisoria Bchst. In seiner Zusammenstellung: Auf- 
zeichnungen über das Vorkommen der Sylvien im Leipziger 
Flachlandgebiete, Journ. f. Orn. 1908 p. 43—51, hat Schlegel 
bei Sylvia nisoria p. 46—48 das weiter im Nordwesten gelegene 
Auewaldgebiet völlig aulser Acht gelassen; es birgt in seinen 
reichen Hecken und Gebüschen an den geeigneten Stellen für 
die Sperbergrasmücke ausgezeichnet geeignete Brutplätze, die sie 
zuweilen in mehreren Paaren gar nicht weit voneinander besiedelt, 
wie gewöhnlich aber in den einzelnen Jahren in Bestand und 
Verteilung schwankend; vgl. Journ. f. Orn. 1909 p. 25, 358, 1910 
p- 513, Voigt, Orn. Monatsber. 1906 p. 174. Auch die Vor- 
kommen bei Rohrbach und Kleinpomssen, Journ. f. Orn. 1910 
p. 513, sind von Schlegel nicht genannt. 

Sylvia communis Lath. Schlegel führt Il. c. p. 49 als 
zeitigstes Ankunftsdatum den 16. IV. an; 1904 konnte ich im 
Rosenthal die Art noch um einen Tag früher, am 15. IV., fest- 
stellen. 

Sylvia atricapilla L. Auch hier habe ich zweimal frühere 
Ankunftsdaten verzeichnet als Schlegel Il. c. p. 44 mit dem 
11. IV. als zeitigsten Termin: 1906 den 6. IV., 1909 den 8. IV,, 
beidemal auf dem Scherbelberg im Rosenthal, 

Acrocephalus arundinaceus L. Auf p. 176 seiner Journ. f. 
Orn. 1917 enthaltenen Veröffentlichungen über die Rohrsänger 
des Leipziger Flachlandsgebietes (p. 169— 181) schreibt Schlegel 
bezüglich einer Angabe von mir: „Bei der Notiz über flügge 
Junge schon am 1. VI. ist offenbar ein Druckfehler übersehen 
worden“. Es ist in der Tat ein Druckfehler und mufs laut Tage- 
buch „21. VI.“ heifsen, wobei es sich um die Mitteilung Journ. 
f. Orn. 1907 p. 127 handelt. — Junge Rohrsänger verlassen, wie 
mir auch Heinroth von seinen Aufzuchten der verschiedenen 


1) Vgl. hierzu auch die gleichfalls längst nach Abschlufs obiger 
Darlegungen erschienene Arbeit Stresemanns Journ. f. Orn. 1919 
P- 291—297. 


422 Erich Hesse: 


Rohrsängerarten bestätigte, noch bevor sie die volle Flugbarkeit 
erreicht haben und dann auch über etwas gröfsere Strecken zu 
fliegen vermögen, schon nach etwa 10—12 Tagen das Nest und 
treiben sich sehr behend und auch flatternd in der Vegetation 
ihrer Geburtsstätte umher. Man kann also verhältnismälsig zeitig 
solche „ausgeflogene“ noch in verschiedenem Grade flügge Junge 
beobachten. 


Acrocephalus streperus Vieill. Heyder, l.c. p. 473, hätte 
noch auf das gelegentliche Vorkommen herumstreichender Indi- 
viduen in Gebüsch, namentlich Ziersträuchern oft weit entfernt 
vom Wasser, aufmerksam machen können. Für das Leipziger 
Gebiet habe ich schon Journ. f. Orn. 1908 p. 59, 1909 p. 25 u. 
358 eine Anzahl derartiger Fälle vermerkt; am 25. V. 1917 be- 
obachtete ich sogar einen singenden Teichrohrsänger in Zier- 
gebüsch am Napoleonstein, in der Nähe des jetzigen Völker- 
schlachtdenkmals, also an hoch gelegener ganz trockener Stelle, 
und am 20. VI. gleichen Jahres einen in anstehendem Roggen- 
feld bei Rohrbach singend; zu letzterem Fall vgl. die Beobachtung 
in einem Luzernenfeld, Journ. f. Orn. 1908 p. 59. — Da Schlegel 
in seiner eben zitierten Arbeit die Brutplätze der Rohrsänger 
einzeln namhaft macht, sei dem hinzugefügt, dafs ich am 7. VII. 
1904 an den von Schlegel nicht genannten Teichen bei Gaulis 
unweit Rötha den Teichrohrsänger derart häufig antraf, dafs man 
ihm hier die Quantitätsbezeichnung „gemein“t) beilegen konnte; 
sein taktmälsiges Gesinge erfüllte in ununterbrochenem Gleich- 
mals die Rohrwaldgürtel. Vgl. ferner die Notiz Journ. f. Orn. 
1909 p. 1 über den Müncherteich nordöstl. Grethen als Brutplatz 
dieser und der vorhergehenden Art, die beide natürlich auch an 
den anderen um diese Ortschaft sowie den bei Pomssen und 
Otterwisch gelegenen Teichen nisteten. 


Acrocephalus palustris Behst. Bezüglich seines Auftretens 
in Gebüsch und Ziersträuchern gilt das bei Aer. streperus Ge- 
sagte; vgl. Journ. f. Orn. 1908 p. 58/59, 1909 p. 25/26, 358, 
1910 p. 514. — Schlegel nennt sowohl bei Acr. palustris 
1. c. p. 172 wie auch bei Sylvia nisoria 1. c. p. 46 unter den die 
Brut- und Aufentshaltsorte beider bildenden Büschen des Aue- 
gebietes die „Berberitze‘“. Dieser Strauch, Berberis, gehört je- 
doch der ursprünglichen Leipziger Aueflora nicht an, er ist auch 
früher hier nicht verbreitet gewesen, wie aus den alten Leipziger 
Floren von Petermann, Analytischer Pflanzenschlüssel, 1846 
p. 15, und Kuntze, Taschenflora, 1867 p. 170, hervorgeht. 
Petermann nennt nur einen Fundort bei Leipzig, „am 
Grabendamme auf den Wiesen bei Oetzsch“, den Kuntze in- 
dessen mit ? versieht; beide Autoren führen dann nur noch als 
weiteren alleinigen Standort „Böhlen bei Grimma“ an, also bereits 


1) Vgl. unter Locustella naevia p. 423/424. 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 423 


# 


mehrere Meilen aufserhalb des Auegebietes gelegen. Reiche 
erwähnt in seiner pflanzengeographischen Flora von Leipzig, 
Abhandl. d. Naturwissenschaftl. Gesellsch. Isis Dresden 1886 
[1887] p. 43—52, Berberis überhaupt nicht, auch nicht am Ende 
unter den „erst innerhalb der letzten Jahrzehnte“ in die Leip- 
ziger Flora neu eingedrungenen Pflanzen; ebensowenig wird sie 
von Gumprecht in der Einleitung zu seiner Arbeit über die 
geographische Verbreitung einiger Charakterpflanzen der Flora 
von Leipzig, Abhandl. z. d. Jahresber. d. Königl. Gymnas. Leipzig 
1892/93 [1893] p. 1—46, oder von Schmidt in seinen Bei- 
trägen zur Flora von Leipzig, Sitzungsber. d. Naturforsch. Ge- 
sellsch. Leipzig 1895/96 [1897] p. 122—139, verzeichnet, der 
gerade „eine Reihe bisher unbekannter Standpunkte seltener 
oder sonst irgendwie interessanter Pflanzen‘‘ zusammenstellt. Es 
könnten mithin nur Anpflanzungen in Gärten und Parks der Ort- 
schaften, auf die natürlich auch die alten Floristen schon hin- 
weisen, und etwaige Verwilderungen daselbst in Frage kommen. 
Möglicherweise war auch obiger von Kuntze bereits als frag- 
lich bezeichneter Standort auf eine Verschleppung oder Ver- 
wilderung aus nahen Gärten zurückzuführen. 


Acrocephalus schoenobaenus L. Von Heyderl.c.p. 474 
werden drei Angaben über Vorkommen in Getreide angeführt, 
sie hätten noch um sechs weitere, Journ. f. Orn. 1909 p. 26 
mitgeteilte Fälle vermehrt werden können; auch Futter tragend 
wurde der Vogel hierbei von mir festgestellt. — „1904 beob- 
achtete Dr. Hesse diesen Rohrsänger in Gundorf auf dem Durch- 
zuge, stellt aber schon ein Jahr später für diese Ortlichkeit 
10 Brutpaare fest“ schreibt Schlegel irrtümlich 1. c. p. 177; 
denn Orn. Monatsber. 1904 p. 141 ist der Schilfrohrsänger aus- 
drücklich auch schon für dies Jahr unter den Brut vögeln auf- 
gezählt, und die den Arten beigefügten Daten beziehen sich, wie 
l. c. p. 138 vermerkt, nur auf die Ankunftszeit. — Über den 
Brutplatz am Müncherteich vgl. wieder Journ. f. Orn. 1909 p. 1; 
natürlich brütete auch diese Art an den anderen Grethener Teichen 
und dem Pomssener Mühlteich. 


Locustella naevia' Bodd. Sommer 1917 im Gundorfer Ge- 
biet auf stark verwucherten Kahlschlagflächen und im Weidicht 
der Ausschachtungen mehrfach vertreten; im Mai und Juni hörte 
ich etwa 6 schwirrende 9. 1918 dagegen zur Brutzeit wieder 
nur ganz vereinzelt auftretend, und ich erhielt damit gerade in 
diesen beiden aufeinanderfolgenden Sommern erneut die Be- 
stätigung seines unregelmälsigen Bestandes in den einzelnen 
Jahren. — 

An dieser Stelle möchte ich noch einmal kurz auf die schon 
mehrmals berührten Quantitätsbezeichnungen eingeben. Journ. 
f. Orn. 1908 p. 262 hatte ich folgende kleine Skala für die 
Vorkommensdichte aufgestellt: gemein, häufig, seltener, selten, 


424 Erich Hesse: 


sehr selten. Nun wird es auch hier, mit Ausnahme der Extreme, 
bis zu gewissem Grade Ansichtssache sein, in welche „Klasse“ 
man die einzelnen Arten einreihen will. Denn, abgesehen zu- 
nächst von erheblichen Schwankungen des Bestandes mancher 
. Spezies in den einzelnen Jahren, wofür ich 1. c. p. 263 Beispiele 
gebracht und die ich mit dem Beiwort „unregelmäfsig“ gekenn- 
zeichnet habe, machen sich einerseits kleinere undulierende Ver- 
schiebungen bei vielen Arten von Jahr zu Jahr bemerkbar, 
andrerseits ist die Verteilung in den verschiedenen Formationen 
eines gröfseren Gebietes vielfach nicht ganz gleichmäfsig, weil 
hier die Existenzbedingungen nicht überall gleich günstig sind 
und daher ein bald stärkeres, bald schwächeres Auftreten der 
Vögel mit sich bringen. Man muls ferner das numerische Ver- 
hältnis einer Art zur ganzen Sippe oder Familie abschätzen und 
vergleichen; bezeichnete man z. B. nach obiger Staffelung Mäuse- 
 bussard und Turmfalk als häufig, würde man den Baumfalk als 
seltner, den roten Milan als selten und den Wespenbussard als 
sehr selten ansprechen dürfen, vgl. 1. c. p. 270/271; in noch um 
vieles weiter zurückliegender Zeit würde vielleicht auch Milvus 
das Beiwort „häufig“ verdient haben. Fernerhin können natür- 
lich kleine Vögel, die man mit den analogen Beiworten belegt, 
in bedeutend höherer Zahl vorhanden sein als grofse; kommen 
auf ein Revier 2—3 Paar Mäusebussarde, so kann dort z.B. die 
Zahl der Brutpaare des gleichfalls häufig zu nennenden Baum- 
piepers das Vielfache davon betragen. Schliefslich ist auch die 
Ausnutzung des Lebensraums und der Existenzmöglichkeiten 
seitens der Arten und ihr gegenseitiges diesbezügliches Ver- 
hältnis zu anderen in Rücksicht zu ziehen; so bezeichnete ich 
beispielsweise 1. c. p. 278 Acrocephalus schoenobaenus als häufig, 
weil ich ihn überall, wo die Bedingungen für ihn gegeben waren, 
als Brutvogel vorfand, Locustella naevia hingegen als sehr selten, 
weil bei dem ebenfalls nur geringen von ihm als Kleinvogel be- 
anspruchten Lebensraum sich nach unseren Begriffen noch un- 
gezählte Brutplätze für ihn boten, die aber dennoch unbesiedelt 
blieben, wobei die Gründe für derartiges nur sporadisches Auf- 
treten, wie schon früher angedeutet, nicht ohne weiteres ersicht- 
lich sind. Bei Beurteilung aller dieser Verhältnisse können 
somit die Meinungen über besagte Quantitätsgrade im einzelnen 
etwas abweichen. So möchte Schlegel, |. c. p. 177 u. 179, 
z. B. bei den letztgenannten beiden Spezies diese graduellen 
Bezeichnungen etwas verschieben, und macht auch |. c. p. 171 
bei Acrocephalus palustris eine dahingehende Bemerkung. Der- 
artige allgemein -zusammenfassende Bezeichnungen stellen die 
gegenwärtige quantitative Verbreitung einer Art gewissermalsen 
im Durchschnitt dar, wobei alle die oben namhaft gemachten 
Faktoren tunlichst berücksichtigt werden müssen. Diese Begriffe 
annlıen daher auch stets in Anwendung und Bedeutung etwas 
ehnbar. — 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 425 


Locustella fluviatilis Wolf. Sowohl Sommer 1917 wie 1918 
im Gundorfer Gebiet an mindestens je einer Stelle vertreten. 
Aufenthaltsorte wieder typisch: ehemalige Kahlschläge oder deren 
Nähe, strotzender Stockausschlag, alles erfüllt und durchwuchert 
von üppigster Untervegetation. Ich verhörte die Vögel mehr- 
mals im Juni. Leider fanden namentlich auf dem 1917 gewählten 
Standort fortgesetzt Störungen statt, da die durch die Kriegsnot 
bedingte intensive Nutzung des Waldheus rücksichtslos bis in die 
kleinsten Büschchen ausgeübt wurde. — Wie mir Voigt seiner- 
zeit mitteilte, wurde der Flufsschwirl auch Mai 1916, und zwar 
wieder an jener Stelle, wo ich ihn 1907 zum ersten Mal fest- 
stellte, beobachtet; ferner wurde er, wie ich gleichfalls von Voigt 
erfuhr, 1918 von einem Mitglied des Leipz. Ornithol. Vereins, 
Hammer, aufserdem noch bedeutend weiter westlich im Aue- 
waldgebiet nach Oberthau hin am 18. V. schwirrend angetroffen. 
Vermutlich dürfte der Vogel auch in den Zwischenjahren 1910— 
1915 im Gebiet aufgetreten, vielleicht aber, bei seinem unsteten 
Aufenthalt an entlegenere Stellen der ausgedehnten Auewaldbe- 
reiche versprengt, nur zufällig nicht entdeckt worden sein. — 
Über die früheren Vorkommen im Gebiet vgl. Journ. f. Orn. 1909 
p. 26—30, 359—361, 1910 p. 516/517; Heyder |.c. p. 476; 
Kae l. c. p. 180; Voigt, Exkursionsbuch 7. Aufl. 1917, 
p- 76. 


Turdus musicus L. In auffälliger Weise ist die Singdrossel 
in gewisse Park-, Friedhof- und Gartenanlagen Leipzigs als Brut- 
vogel vorgedrungen und dort ansässig geworden. Wo sie sich 
früher niemals oder nur erst ganz vereinzelt eingefunden hatte, 
war sie jetzt in erheblich gesteigerter Anzahl vertreten. Ich 
nenne hier als Beispiel den in nächster Nähe des Zool. Instituts 
gelegenen, gegenwärtig schon weit in das Häusermeer einge- 
schobenen grolsen Gartenkomplex des Johannisthals, dem ich 
fast täglich einen Besuch abstattete; wenn man hier an schönen 
Frühlingsabenden wanderte und das Singen der Drosseln hörte, 
wurde man lebhaft an die Auewälder erinnert. Umgekehrt war 
in so manchen ehedem reich mit Zippen besetzten Auewaldbe- 
zirken ihr Bestand stark zurückgegangen oder gar gänzlich er- 


1) Hier noch eine beiläufige Bemerkung. v. Hanstein bildet 
in seiner „Biologie der Tiere‘ (1913) auf Taf. 11 Fig. a das „Nest des 
Flufsrohrsängers (Locustella fluviatilis)“ ab; — es ist aber leider ein 
zwischen drei Rohrstengel geflochtenes Nest des Drosselrohrsängers, Acro- 
cephalus arundinaceus L., das sich in der Schausammlung des Berliner 
Museums befindet (siehe v. Hanstein, Vorwort p. V.) Diese grobe 
irreführende Verwechslung in einem Lehrbuch hätte doch unschwer ver- 
mieden werden können, da im Museum der richtige Name bei dem Prä- 
parat steht, ein Nest des Flufsrohrsängers dort aber überhaupt nicht 
ausgestellt ist. 


436 Erich Hesse: 


loschen. Es hat hier also eine teilweise Verschiebung zugunsten 
der Urbanisierung stattgefunden. (Vgl. auch Journ. f. Orn. 1911 
p. 362.) 


Turdus viscvorus L. Heyder, l. c. p. 378, verzeichnet 
die Misteldrossel lediglich als Bewohnerin des Nadelwaldes. Sie 
brütet aber auch im Mischwald und reinen Laubholz. So stand 
das Nest des von mir Journ. f. Orn. 1909 p. 362/363 ausführlicher 
behandelten Paares in der Harth bei Zwenkau auf einer Eiche, 
obwohl dieser Forst auch genügend Nadelholz birgt; in dem 
Brandholz und der Harth bei Rohrbach nistete sie sowohl im Nadel- 
wie Laubholz, in letzterem abermals auf Eichen. 


Turdus pilaris L. In seinem Buch: Unsere Singvögel (1911) 
schreibt Voigt p. 95: „.. .; ihr Brüten konnten wir jedoch 
bei Leipzig noch nicht feststellen.“; dies trifft indessen nur für 
die nähere Umgebung zu, in der weiteren ist diese Drossel an 
mehreren Stellen Brutvogel. Ich kenne sie als solchen z. B. in 
der Harth und dem Brandholz bei Rohrbach, in Gehölzen am 
Müncherteich und bei Pomssen, ferner im nordwestlichen Aue- 
waldgebiet, und zwar hier mit besonderer Vorliebe und alljährlich 
im Kanitzschforst, was sich auch 1917 und 1918 wieder bestätigte. 
Voigt war selbst mit dabei, als wir noch weiter westlich am 
5. VI. 1905 auf eine grofse Gesellschaft in alten Eichen unweit 
Maslau stiefsen; er vermerkt auch in den verschiedenen Auflagen 
seines Exkursionsbuches das Vorkommen im Auewaldgebiet „noch 
zur Sommerszeit“, vgl. 7. Aufl. 1917 p. 56. Als Nistbaum be- 
vorzugte sie überall die Eiche, älteres Stangenholz und auch alte 
Bäume, nur eine kleine Kolonie am Müncherteich nistete in 
Kiefern. Rey, Orn. Monatsschr. 1906 p. 139/140, fand ferner 
bei Klinga kleine und gröfsere Kolonien, und zwar in Kiefern, 
Eichen und Rüstern, zählt aber in seinem Werk, Die Eier d. 
Vög. Mitteleuropas, 1905 p. 115 ebenfalls die Eiche an erster 
Stelle als Nistbaum auf. — Dafs von den erstgenannten Kolonien 
insbesondere die im Auewald und den Forsten bei Rohrbach 
befindlichen von Jahr zu Jahr erheblichen Schwankungen in Brut- 
bestand und Wahl der engeren Niststätte unterworfen waren, 
wurde schon Journ. f. Orn. 1910 p. 517 gesagt.!) 


Erithacus phoenicurus L. Im Journ. f. Orn. 1909 p. 363 
1910 p. 518, 1911 p. 363 wies ich auf einen durch Exoascus 
carpini am Stamm einer Hainbuche in etwa 11/, m Höhe hervor- 
gerufenen Hexenbesen hin, der in den Jahren 1907—1910 einem 
Gartenrotschwanzpaar als Niststätte gedient hatte. Der Baum 


1) Druckfehlerberichtigung: Die Journ. f. Orn. 1908 p. 278 zitierte 
Angabe von Chr. L. Brehm über Vorkommen von Turdus pilaris bei 
Leipzig ist auf p. 28/29 im ersten Heft des 1849—1851 erschienenen 
ersten Bandes der Naumannia enthalten, nicht p. 23/24. 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 427 


mit seiner Mifsbildung ist noch immer vorhanden; der Hexenbesen, 
üppig weiter gewuchert, umschliefst jetzt als ca. Y/, m breiter 
völlig geschlossener Gürtel ringsum den Stamm und birgt in 
seinem dichten Zweigwirrwarr nun auch noch ein paar andere 
zum Nisten wohl geeignete höhlenartige Unterschlupfe. Sommer 
1916, wo ich erst zum Juli nach Leipzig kam, fand ich keine 
Brut der Rotschwänzchen vor, dagegen sowohl 1917 wie 1918 
wieder, und zwar brütete das Paar 1917 in der alten „Höhle“ 
wie ehedem, 1918 aber in einer anderen. Da mit gröfster Wahr- 
scheinlichkeit anzunehmen ist, dafs die Vögel auch in deä 
Zwischenjahren hier genistet haben, würde dann dieser Hexen- 
besen mindestens zwölf Jahre lang von Gartenrotschwänzen be- 
zogen worden sein. 


Erithacus rubecula L. Am 1. VII. 1916 fand ich in einer 
abermals anderen Höhlung des genannten Hexenbesens ein Nest 
des Rotkehlchens mit 5 Eiern und einem Kuckucksei; tagsdarauf 
wurde das Nest mit einem Teil des umgebenden Hexenbesens 
herausgeschnitten und für die neue Schausammlung des Leipziger 
Zool. Universitätsmuseums aufgestellt.) Auch 1917 und 1918 
brütete hier ein Rotkehlchenpaar, 1917 an der gleichen Stelle, 
die von frischem, wohl durch das Herausschneiden zu gesteigertem 
Wachstum gereizten Zweigwerk schon wieder stark verwuchert 
war, 1918 jedoch in einer Höhlung daneben. Also Verbleib an 
derselben Niststätte mindestens drei Jahr nacheinander; vielleicht 
hatten sich aber auch in diesem Fall die Vögel schon einige 
Jahre vorher zur Brut hier eingefunden. — 

In dieser eigenartigen Niststatt brüteten mithin Gartenrot- 
schwanz und Rotkehlchen mehrere Jahre nur wenige Zentimeter 
entfernt voneinander. — 


Erithacus luscinia L. Der Bestand der Nachtigall ist leider 
fast bis zum Verschwinden zurückgegangen. Noch vor 12 Jahren 
konnte ich ihr bei Zusammenstellung des Verzeichnisses der 
Leipziger Ornis das Beiwort häufig (s. ob.) zuerkennen, Journ, 
f. Orn. 1908 p. 279; man brauchte nur einmal hinauszugehen in 
unsre weiten Auewälder mit ihrem reichen Unterholz, um sich 
‘ allenthalben an dem herrlichen Gesang erfreuen und nach Ab- 
hören eines Revieres schliefslich die besten Schläger, vielfach an 
Holzecken und Waldrändern, ausfindig machen zu können. Un- 
vergelslich bleiben mir jene Maimorgen und -abende, an denen 
man inmitten der Lenzespracht der grünenden Natur im Umkreis 
mehrere der Sänger zugleich vernehmen konnte. Zwar war sie 
damals schon aus den der Stadt zunächst gelegenen Distrikten, 


1) Auch die oben unter Pyrrhula (p. 410) und Certhia (p. 412) 
erwähnten Belegstücke sind mit denen von Aegithalos (p. 417) und 
einer Reihe anderer von mir geschossener Arten gleichfalls der Sammlung 
dieses Museums eingereiht worden. 


428 Erich Hesse; 


gewissermafsen zentrifugal, etwas gewichen, während ihr Bestand 
vor zwei Jahrzehnten auch in diesen an das Weichbild der Stadt 
selbst grenzenden Parzellen ein bei weitem höherer war. Wo 
sind die Zeiten hin, da man schon unmittelbar vor den Toren 
der Stadt, z. B. ganz vorn im Rosenthal oder in der Nonne, ihre 
Lieder vernahm! In gewissen der die Grofse Wiese im Rosenthal 
umgebenden Waldteilen waren damals auch mehrere hervorragende 
Nachtsänger ansässig, denen ich noch während meiner Studenten- 
zeit manches Mal um Mitternacht zugehört habe. — 1917 und 
1918 habe ich sie nur noch in ganz wenigen Paaren und meist 
nur weit draufsen in der Peripherie des Gebietes feststellen 
können. Auch die Qualität des Gesanges hatte wesentlich nach- 
gelassen, wie es gewöhnlich geschieht, wenn der Bestand auf ein 
Minimum zusammengeschmolzen und nur noch ganz sporadisch 
verteilt ist, gute Vorsänger sich also, wie dies bei reicher Be- 
siedelung der Fall ist, im gegenseitigen Sangeswettstreit nicht 
mehr herausbilden und ihre auserlesenen Eigenschaften auf die 
Nachkommen übertragen können. Ein paar verhältnismäßig gute 
Sänger fand ich in dem Gebiet von Klein-Liebenau, Horburg, 
Dölkau und in einem grölseren verwilderten Garten bei L.-Eu- 
tritzsch. — 

Die Gründe für diesen aufserordentlich starken Rückgang sind 
auch hier nicht ohne weiteres ersichtlich. Dafs der immer mehr ge- 
steigerte Verkehr des Grofsstadtbereiches der Anlafs sei, könnte 
nur zum Teil zutreffen; denn auch schon vor wenigen Jahrzehnten, 
als die Nachtigall noch überall die nächstgelegenen Stadtwälder 
bewohnte, fluteten namentlich des Sonntags die Spaziergänger in 
Scharen durch diese Waldungen, wie es einst schon die Bürger 
des alten Leipzigs taten. Die Nachtigallen liefsen sich dadurch 
nicht stören, und nur zu oft konnte man sie ganz nahe an den 
Promenadenwegen im Unterholz singend sitzen sehen. Dieser 
Grund würde noch viel weniger für die weiter peripher gelegenen 
Distrikte stichhaltig sein, da naturgemäfs mit der gröfseren Ent- 
fernung der Verkehr der Ausflügler mehr und mehr abnimmt. 
‚Auch sonst würde ihr noch so mancher abgelegene Winkel in 
Wäldern und Parken verblieben sein, wo sie ungestört ihre Brut 
bätte grofsziehen können, wenn sie wirklich durch Überschreitung 
eines gewissen Maximums im Verkehr teilweise vertrieben und 
zurückgedrängt worden wäre. Viel eher würde vermehrte Vogel- 
stellerei in Frage kommen, zumal die Nachtigall bei ihrer steten 
Abnahme für Liebhaber ein um so begehrenswerteres Objekt dar- 
stellte; indessen: auch dies Gerwerbe blühte, wie jeder weils, 
schon in alten Zeiten! Dafs etwa veränderte Forstkultur die Ur- 
sache sei, läfst sich ebenfalls nicht erweisen. Die für sie in 
Frage kommenden Waldpartieen mit ihrem üppigen Unterholz 
bieten ihr auch jetzt noch, soweit wir dies überhaupt ermessen 
können, die gleichen Existenzbedingungen wie früher; dasselbe 
gilt für die betreffenden Parkanlagen. Das Unterholz wird 


Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 429 


natürlich in gröfseren Zwischenräumen herausgeschlagen, aber 
nur parzellenweise, und so war es auch früher schon; hatte es 
dann nach ein paar Jahren abermals die nötige Höhe und "Dichte er- 
reicht, stellte sich auch die Nachtigall wieder ein. Es fand also 
damals nur eine zeitweilige wechselweise Verschiebung der Brut- 
zonen statt, und die alten angestammten Plätze wurden trotz 
dieser Eingriffe immer wieder besiedelt; sie liels sich mithin so 
bald nicht vertreiben. 


Der Rückgang bis auf einen verschwindend kleinen Bruch- 
teil bleibt also schwer erklärlich, und es scheint fast, als ob auch 
die Nachtigall auf dem Wanderzug oder in der Winterherberge 
von einer Kalamität betroffen worden sei, ähnlich wie sie oben 
bei Milvus milvus in Betracht gezogen wurde, durch die wiederum 
ganze Geschlechter und Stämme vernichtet oder stark gelichtet 
worden sein könnten; denn auch aus vielen anderen Gegenden 
Deutschlands wurde ein bedeutender Rückgang oder auch ein 
Verschwinden gemeldet. Der überlebende nur kleine Teil war 
dann den mancherlei Nachstellungen und sonstigen Unfällen um 
so mehr ausgesetzt und konnte die Lücken nicht rasch genug 
ausfüllen. Nach der stetigen Abnahme ist daher auch eine Zu- 
wanderung und Neubesiedelung der verlassenen Gebiete sehr un- 
wahrscheinlich. Ob sich ferner der jetzt noch vorhandene kleine 
Bestand dauernd erhalten, oder ob auch dieser letzte Rest noch 
verschwinden wird, mufs die Zukunft lehren. Wenn aber dereinst 
hier ihre unvergleichlichen Lieder nicht mehr erklingen sollten, 
dann würden die Leipziger Auewälder eine ihrer ehemals 
charakteristischsten und zugleich edelsten Vogelerscheinungen ver- 
loren haben. Möge das nie geschehen. 


Am Ende dieser Mitteilungen sollen noch ein paar kurze 
allgemeinere Bemerkungen angefügt sein. 


Eins meiner ganz speziellen Beobachtungsgebiete waren 
früher die Gundorfer Sümpfe. Dieses durch Lehmausstich ent- 
standene Sumpfgelände bot namentlich den kleineren Sumpfvögeln 
und besonders den verschiedenen Toianus-Arten während der 
beiden Zugperioden willkommene Rastplätze. Sobald das Wasser 
zurückgetreten war, gewährten die in Form von flachen, zum 
grofsen Teil noch vegetationslosen Strecken oder Bänken zu 
Tage tretende Sohle der Ausstiche und die umgebenden Seicht- 
wasserzonen den Wasserläufern vorzüglich geeignete Aufent- 
haltsorte zum Fischen im flachen Wasser. Gar oft konnte man 
hier verschiedene Tofanus-Spezies zu gleicher Zeit und in sound- 
soviel Exemplaren herumtrippeln sehen; vgl. meine Berichte. 
All diese hier in Frage kommenden Partieen sind gegenwärtig 
mit dichtester Sumpfvegetation überzogen; nur an und in der 
Luppe sind einige wenige geeignete kleine Bänke aus damaliger 


480 Erich Hesse: Zur Ornis des Leipziger Gebietes. 


Zeit übrig geblieben. Wo ich ehedem die schönsten Totanus- 
Beobachtungen machen konnte, war jetzt alles verwuchert, und 
ein Aufenthalt von Wasserläufern völlig ausgeschlossen. Natür- 
lich ist ja eine derartige Ausbreitung der Flora an sich ganz . 
selbstverständlichb und entsprechend überall da wahrzunehmen, 
wo irgend ein Gebiet sich selbst überlassen bleibt, es berührt 
aber doch fürs erste etwas eigenartig, in einem für eine be- 
stimmte Vogelgruppe jahrelang so überaus geeigneten Beob- 
achtungsgelände vollständig veränderte Verhältnisse vorzufinden. 
Wenn jemand gegenwärtig hier hätte Wasserläufer suchen und 
beobachten wollen, würde er durchaus enttäuscht worden sein; 
denn auch die kleinen Strecken neuentstandener Ausschachtungen 
können das Verschwinden der vielen alten Lieblingsplätzchen 
nicht ändern. Zwar wurde ich im Herbst 1918 zuletzt noch 
durch die Beobachtung des seltenen Totanus stagnatilis (s. ob.), 
der sich auf ein paar der kleinen Bänke an der Luppe aufhielt, 
reichlich entschädigt, aber gerade dadurch wurden auch die 
vergangenen reichhaltigen Ergebnisse doppelt wachgerufen. — 

Schon bei Zurdus musicus war auf eine Zunahme des Be- 
standes in Garten- und Parkanlagen innerhalb des Weichbildes 
der Stadt selbst hingewiesen worden, der allerdings andrerseits 
ein Rückgang oder auch Verschwinden in verschiedenen früher 
reich besiedelten Auewaldgebieten gegenüberstand. Auch bei 
einigen anderen Arten ist mir eine Steigerung des Auftretens in 
Parken, Friedhöfen und Gärten aufgefallen, wobei im Vergleich 
mit den vor etwa zehn Jahren berrschenden Verhältnissen sich 
nicht nur die Zahl etwas gehoben hatte, sondern gleichfalls auch 
ein weiteres zentripetales Vordringen bemerhbar war. Ich konnte 
dies namentlich an folgenden Arten wahrnehmen: Dendrocopos 
major pinetorum Brehm, Muscicapa atricapilla L., Sitta caesia 
Wolf, Phylloscopus sibilator Behst. und Phylloscopus collybita 
Vieill. (früher = rufus Bchst.); hierbei war mir besonders das 
Vordringen von Phylloscopus sibilator, dieses auch hier ursprüng- 
lich reinen Waldvogels, bemerkenswert, von dem übrigens schon 
Voigt in seinem Deutschen Vogelleben, 2. Auflage 1918 p. 35 
schreibt: „Einige Jahre haben wir ihn auch auf dem Johannis- 
friedhofe zu Leipzig beobachtet.‘ Eine Abnahme dem gegen- 
über in anderen Distrikten konnte bei diesen Spezies nicht fest- 
gestellt werden. 


Damit schliefse ich die obigen Darlegungen. Es war mir 
besonders wertvoll, eine ganze Anzahl früherer Beobachtungen 
bestätigen und ergänzen, aber auch den mancherlei Wandlungen 
nachgehen zu können; letztere zeigen wie überall in der unend- 
lichen Fülle der Natur nur immer erneut deren unerschöpflichen 
ewigen Kreislauf. 


431 


Vorkommen von Sula bassana L. 
an der Wesermündung. 


Da in vorstehendem öfters das Zoologische Museum der 
Universität Leipzig erwähnt wurde, sei hier noch angefügt, dafs 
ihm ein am 27. I. 1918 an der Wesermündung, angeblich in der 
Nähe von Rotersandleuchtturm, erlegtes ausgefärbtes altes Q‘ von 
Sula bassana L. zuging, das gleichfalls in der neuen Schau- 
sammlung aufgestellt werden wird. Der röstliche Anflug auf 
Oberkopf und Oberhals war auch schon an dem in völlig frischem 
Zustand eingetroffenen Kadaver nur ganz schwach angedeutet. 


Hesse. 


Die Sperrschnäbler (Z7sszrosZres) Aegyptens. 


Bearbeitet von 
Alexander Koenig, Bonn a./Rhein. 


Die Familie der Ziegenmelker(Caprimulgidae) wirdin Aegypten 
durch eine Gattung und diese durch 2 Arten vertreten. 


Caprimulgus,!) L. 1766. 
Syst. Nat. I, pag. 346. 
1) Caprimulgus — Ziegenmelker. 

Aus dem klassischen Latein von cäprä, ae = die Ziege und 
mülge&ö, si, letum, göre = melken. 

Im Griechischen &#yo3 Aug so bei Aristoteles, Hist. Anim. IX, 50: 
„Der sogen. Ziegenmelker ist ein Bergvogel, etwas grölser als die Amsel, 
aber kleiner als der Kuckuck. Er legt zwei, höchstens drei Eier und 
hat ein scheues Wesen. Er setzt sich an die Ziegen und saugt 
an ihren Zitzen, wovon er auch seinen Namen bekommen 
hat. Man behauptet aber, dafs, wenn er an dem Euter gesogen hat, 
die Milch vergeht und die Ziege erblindet. Er sieht bei Tage nicht 
scharf, wohl aber des Nachts.“ (Übersetzung von Anbert und Wimmer.) 

Bei Plinius, Hist. Anim. X, 56 (40) lesen wir folgendes: „Ziegen- 
melker werden Vögel genannt von der Gröfse einer Amsel an Ansehen, 
nächtliche Räuber (Diebe), Tags über entbehren sie des Gesichtes (der 
Sehkraft.. Sie kommen in die Ställe der Hirten hinein und 
fliegen zu den Eutern der Ziegen, um Milch zu saugen. 
Durch diese Schädigung stirbt das Euter ab und für die Ziegen, die sie 
gemolken ‚haben, erfolgt Erblinpdung.“ 

Die von den beiden alten Schriftstellern erwähnte „Sage“ wird 
wohl dadurch entstanden sein, dafs man den harmlosen Vogel häufig in 
der Nähe der Ziegenställe angetroffen hat und ihm seines lichtscheuen, 
in der Dämmerung erst erwachenden Wesens und des riesigen, geradezu 
abenteuerlich aussehenden Rachens wegen diese — natürlich durch nichts 
begründete ,— Untat untergeschoben hat. Der Verfasser. 


482 A. Koenig: 


Rostrum modice incurvum, minimum, subulatum, basi de- 
pressum. Vibrissae ad os serie ciliari. Rictus amplissimus. 
Lingua acuta, integerrima. Diagnosis apud Linnaeum |. c. 


Ziegenmelker, Tagschläfer, Nachtschwalbe. 


Diagnose der Gattung: Schnabel klein, schwach und bieg- 
sam, flach und niedrig. Oberschnabel nach vorn abwärts ge- 
bogen, dann abfallend und an der Spitze sich wieder hebend. 


Mundspalte abwärts gebogen bis unter die weit nach hinten 
stehenden Augen reichend, einen auffallend weiten (ungeheueren) 
Rachen bildend, welcher am oberen Rande mit einer Reihe 
straff abstehender, starker Haarborsten (vibrissae) besetzt ist. 


Nasenlöcher vor der Stirn nahe beisammen liegend, klein, 
rund, mit erhöhten, weichen Rändern und einer faltig zusammen- 
legbaren Haut. 


Zunge sehr klein, tiefliegend, schmal und spitz, hinten 
breiter, an den Rändern sowohl wie auf der Oberfläche gezähnt. 


Kopf mit plattem Scheitel, woran die schmal geformten 
Federn glatt anliegen. 


Fülse klein und kurz; die drei vorderen Zehen sind am 
Grunde durch eine Bindehaut verbunden, die Hinterzehe schwach, 
einwärts nach innen gestellt; Krallen kurz gebogen. Die Mittel- 
zehe ragt über die anderen weit hervor, ihr Nagel trägt auf der 
Innenseite einen stark aufgeworfenen breiteren Rand, welcher 
höchst eigenartig wie ein Kamm gezähnelt ist. 

Die Fulswurzeln sind kurz und schwach und meist bis über 
die Mitte befiedert. 


Flügel lang, schmal und spitz mit starken, aber spröden, 
leicht zerbrechlichen Schäften; die 3 ersten Schwingen nahezu 
gleich lang, die 2. gewöhlich am längsten, die übrigen Hand- 
schwingen stufenförmig rasch abfallend. Armschwingen kurz, am 
Ende stumpf abgerundet. 


Schwanz grols, lang, am Ende abgerundet, aus 10 steifen, 
gen kmh, und dadurch leicht zerbrechlichen Schaftfedern 
estehend. 


Das übrige Gefieder ist überaus weich und feinstrahlig 
und locker miteinander verkettet. Es ist durchweg dem Boden 
und seiner Umgebung vortrefflich angepafst, auf welchem die 
Vögel leben. Die Vertreter dieser an Arten reichen Gattung 
verbreiten sich nahezu über die ganze Erde mit Ausnahme des 


hohen Nordens und Südens, sowie einiger Ozeanischer Inseln 
und Neuseeland. 


Für Aegypten kommen nach meinen Erfahrungen nur 2 Arten 
in Betracht. | ' 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 433 


46. Caprimulgus europaeus,!) L. 1766. 
Syst. Nat. I, pag. 346. 


C. narium tubis obsoletis. Hirundo cauda integra, ore setis 
ciliato. Habitat in Europa et America. Nocturna victitat, Pha- 
laenis et insectis nocturnis. Nidus orbiculatus e luto inter 
rupes. Carpere dicuntur lactantia viscera rostris. Ovid, Fast. 6.2) 
Mystaces ex setis 8 pectinatim utringue mandulae superiori in- 
sertis rostro longioribus. Mas Remige 2 et 3 macula mangna 
alba in media. Rectrice 1 et 2 apice albo. 

Diagnosis apud Linnaeum, |. c. 


Europäischer Ziegenmelker oder Europäische 
Nachtschwalbe. 


Französisch: Engoulevent ordinaire. 

Englisch: Common Nightjar. 

Arabisch: Auffallender Weise habe ich den arabischen 
Namen dieses Vogels in Aegypten nicht erfahren; auch gibt ihn 
weder Heuglin noch Shelley an. Im Moghreb (Algerien, Tunis) 
werden die Nachtschwalben durchweg Bameia emta sua oder 
Kernaef te lil genannt. 

Oberseite grau bis braungrau mit feiner kritzelartiger Quer- 
wellenzeichnung und dunkelen Längsstrichen, die auf dem Scheitel 
stark einsetzend sich über den ganzen Rücken hinziehen. Im 
Nacken eine bald dunkelere, bald hellere rostfarbene Fleckenreihe. 

Schwingen gesättigt schwarzbraun, Spitzen hellfarbig, grau 
gewässert. Die 3 ersten Handschwingen mit grolsem weilsen 
Fleck an den Innenfahnen; an der 3. Schwinge springt dieser 
Fleck auf die Aufsenfahne über, was bei der 2. nur selten, bei 
der 1., wo der Fleck rundlich oval ist, wohl niemals vorkommt. 
Die Handschwingen tragen an der Basis auf der Aufsenfahne 


1) europaeus, a, um Adject. = europäisch, in Europa wohnhaft, 
dort vorkommend. 

2) Die Stelle lautet in der Uebersetzuug, die mir durch Güte meines 
hochverehrten Freundes, Herrn Geheimrat F. Marx, ord. Professor der 
klass. Philologie an der Universität Bonn, mitgeteilt wurde, wie folgt: 

„Nachts fliegen sie und greifen die Kinder, die noch der Ammen 
bedürfen und deren Leiber sie aus der Wiege herausholen und mifshandeln. 

Man sagt, dafs sie das Fleisch der Säuglinge mit den 
Schnäbeln picken. 

Und sie haben eine Kehle voll von dem gesaugten Blut. Jene 
tragen den Namen Eulen, aber der Grund des Namens ist der, weil sie 
in der Nacht schrecklich zischen.“ 

Dieses Zitat ist von Linns wohl irrtümlich für Caprimulgus 
herangezogen worden; es dürfte sich vielmehr auf die Eulen (Sirix 
flammea) beziehen. Der Verfasser. 

Journ, f, Or, LXVI, Jahrg, Oktober 1919, 29 


434 A. Koenig: 


rostfarbene Flecken. Armschwingen graufarben. Die Flügel- 
deckfedern von einem zarten birkenrindenartigen Lichtgrau mit 
vielfach hellockerfarbenen Endsäumen. . Der Schulterfittich von 
einem gesättigten Braunschwarz mit ebenfalls ockerfarbenen 
Federrändern. Mittelste Schwanzfedern grau mit schwarzen, von 
den Schäften ausgehenden Bändern und einer feinen, dazwischen- 
stehenden Kritzelzeichnung; die übrigen Schwanzfedern braun- 
schwarz mit unregelmäfsigen, rötlichbraunen Fleckenbinden, die 
äufseren beiden Schwanzfederpaare mit bis 3 cm grolsen, rein 
weilsen Endflecken. 

Kehle rötlichbraun, jederseits mit grofsem weifsen Fleck, 
am Unterschnabel jederseits mit gelblichweilser Binde eingefalst. 
Kropf und Brust fahl gelblichgrau; Unterbrust und Bauch ins 
blafsockerfarbene übergehend mit deutlicher schwarzer Quer- 
wellenzeichnung. Afterfedern ebenso, noch fahler im Grundtone 
werdend. Füfse hellfleischfarben braun; Tarsus bis weit über die 
Mitte befiedert; Schnabel schwarz. Flügellänge: 19 bis 20 cm; 
Schwanzlänge: 13—14 cm. Das Q@ unterscheidet sich vom o' 
durch seine geringere Gröfse sowie durch das Fehlen der reinweilsen 
Flecke auf den 3 Handschwingen und den beiden äufseren Steuer- 
federn, welche nur in angedeuteten rostgelben Flecken bestehen. 


Junge Vögel sind fahlbraun in der Grundfärbung und er- 
mangeln der ausdrucksvollen Zeichnung der alten Vögel. Im 
brigen variiert die an sich schwer zu beschreibende Kritzel- 
zeichnung, sowie die Grundfärbung sehr stark, ebensowohl nach 
Alter und Geschlecht, als auch individuell und nach der Ortlichkeit, 
in welcher diese Vögel leben. 


Der europäischen Nachtschwalbe bin ich weder in Nubien 
noch in Aegypten begegnet. Heuglin sagt jedoch von dieser 
Art, dafs sie ein häufiger und regelmälsiger Wintergast in ganz 
Nord-Afrika sei. In Aegypten und Arabien hat dieser ausgezeichnete 
Forscher unseren Vogel sowohl einzeln als in zerstreuten Gesell- 
schaften schon zu Ende August angetroffen, im September und 
Oktober fand er diese Art schon an der Danakil und Somali- 
Küste bei Keren, im Habesch und in Kordofan. Auf der Rück- 
wanderung hat er sie im April und Mai in Unter-Aegypten 
angetroffen. 

„Was die Zugrichtung des Ziegenmelkers anbelangt, sagt 
Heuglin, so folgt er sowohl dem Nil als den Küsten des 
Roten Meeres, aber er verläfst auch nicht selten diese natürlichen 
Stralsen und verirrt sich weit in die baumlose Wüste und in die 
Steppenlandschaft; hier sitzt er den Tag über im niedrigen 
Gestrüpp, im dürren Hochgras, ja selbst im Geröll der Regen- 
betten“. . 

Shelley bezieht sich in seinen Angaben über das Vor- 
kommen dieses Vogels in Aegypten nur auf die Wiedergabe von 


- 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 485 


Heuglins Aussagen, ohne seine eigenen Beobachtungen hinzu- 
zufügen. 

Ich sah ein Stück in der kleinen Sammlung der Medi» 
zinischen Schule in Kairo, das von Dr. Walter Innes-Bey 
bei Alexandria in Unter-Aegypten erlegt worden ist. 

Obschon mir dieser Vogel im Niltal nicht begegnet ist, 
zweifele ich keinen Augenblick daran, dafs er auf dem Hin- und 
Rückzuge Aegypten ebenso ausgiebig besucht, wie das west- 
liche Nord-Afrika, zumal dies die Aussagen eines so hervor- 
ragenden Forschers wie Th. v. Heuglin bekräftigen. 

Der rothalsige Ziegenmelker (Caprimulgus ruficollis, Temm.)— 
eine so häufige Erscheinung im Atlasgebiet — dürfte m. W. für 
Aegypten überhaupt noch nicht nachgewiesen sein. 


47. Caprimulgus aegyptius,‘) Licht. 1823. 
Verz. der Dubl. Berlin. 
(Ober-Aegypten). 


= Caprimulgus isabellinus,®) Temm. Pl. Col. IV pag. 379. 
Aegypten. 

= ÜCaprimulgus arenicolor,®) Sewertzow, Ibis 1875, am Oxus, 
an der Kaspischen Küste. 


C. pallide cinereus, fasciolis denticulatis nigris verticis 
dorsi, remigum et rectricum, subtus isabellinus fascia gulari alba, 
pectore nigro undulato. Longit. 9” Remiges pogonio interno 
serratim albo nigroque pictae. Cauda aequalis, alis complicatis 
paulo longior. Fem. a masculo vix differt. 

Diagnosis apud Lichtenstein, 1823 pag. 59. Verz. der 
Dubletten des zoologischen Museums der Kgl. Universität zu 
Berlin nebst Beschreibung vieler bisher unbekannter Arten von 
Säugethieren, Vögeln, Amphibien und Fischen, Berlin 1823. 


Aegyptischer Ziegenmelker oder Aegyptische 
Nachtschwalbe. 


Französisch: Engoulevent isabelle. 

Englisch: Egyptian Goatsucker. 

Arabisch: Den arabischen Namen für diesen Vogel habe 
ich in Aegypten und Nubien nicht nennen hören; auch in 


1) aegyptius, a, um Adject. (Griechisch: aiyvmzeog) vom Lande 
Aegypten abgeleitet — aegyptisch, von Lichtenstein aufgestellt. 

2) isabellinus, a, um Adject. —= isabellfarbig, von Temminck 
aufgestellt, wohl kein klassisches Latein. N 

8) arenicolor — gebildet von äröna, ae f. (bär&na) = Sand und 
cölör, öÖris m. — die Farbe — also sandfarbig, vom russischen 
Ornithologen Sewertzow aufgestellt. 


29* 


486 A. Koenig: 


In Heuglins Ornithologie Nord-Ost-Afrikas wird dieser Vogel 
arabisch nicht benannt. In Tunesien wurde mir die Wüstennacht- 
schwalbe mit „el Häma“ bezeichnet. 


Oberseite von einem dunkelgrau nüancierten Sandfarbentone, 
der eine leichte Beigabe von mattem Silberpuder verrät und 
durchschimmern läfst. Dieser schwer wiederzugebende graue 
Grundton wird durchsetzt mit einer feinen dunkelgrauen Quer- 
wellenzeichnung, ebensolchen Punkten, Schmitzen und Kritzeln, 
die in anscheinend unregelmäfsiger Lage und doch in einer 
wunderbar harmonierenden Färbung und Anlage zum Ausdruck 
kommen. Die Seiten des Hinterhalses tragen fahl-ockerfarbene 
Randflecken; ebenso sind die Deckfedern der Flügel durch mond- 
oder muschelförmige ockerfarbene Randflecken ausgezeichnet; auf 
dem Schulterfittich bilden diese hellgelben Federränder einen 
durch schwarze Fleckenzeichnung unterbrochenen, ziemlich zu- 
sammenhängenden Längsstrich. Handschwingen gesättigt grau- 
braun, dunkel gepunktet und gebändert; die Aufsenfahnen licht 
braunrot gesäumt oder auch gefeldert; die Innenfahnen sind auf 
der von der folgenden Primärfeder gedeckten Seite weils. Dieses 
Weils dringt in Form von tiefen Einbuchtungen in die dunkele 
Grundfarbe ein, ohne den Schaft zu erreichen oder ihn gar zu 
überspringen, nach Innen zu stufenförmig nachlassend und 
schwächer werdend. Die Spitzen der Handschwingen sind breit 
gerändert und zart graubraun gewässert. Von derselben grauen 
Färbung ist auch die Oberseite der Steuerfedern, welche eine un- 
regelmäfsige schwarze Querbänderung trägt mit unendlich vielen 
ebensolchen Punkten, Zickzacklinien und Kritzeln. Das äufsere 
Steuerfedernpaar trägt beim Jg eine ziemlich breite weilsliche 
Endspitze, die beim 9 meist fehlt oder nur schwach angedeutet 
ist. Unterseite gelblich sandfarben und bedeutend heller als die 
Oberseite. Die Unterseite der Flügel leuchtet hellweifs durch 
mit einem Stich ins sandfarbene; die Unterdeckfedern des Ober- 
arms sind zartgrau quergebändert. Kinn weifslichgrau punktiert; 
an der Kehle jederseits ein grolser, weilser Fleck. Ueber die 
Brust zieht sich ein mit der Dorsalfärbung übereinstimmendes 
Band, welches oberhalb und unterhalb hell ockerfarbene Feder- 
spitzen trägt. Bauch und Steifsfedern weilslich - sandfarben. 
Fufswurzel oberseits bis ungefähr zur Mitte befiedert. Beine 
bräunlich fleischfarben ; Schnabel dunkelbraun. Die grofsen 
dunkelen Augen zeigen (nach meiner Erinnerung) eine umbra- 
braune Iris. 


Ein frisch im Fleisch gemessenes 9, leg. A. Koenig vor 
Korosko (Nubien) 2. 3. 1897 ergab folgende Malse: 


Länge: 27 cm; Breite: 56 cm; Brustumfang: 8 cm; Flügel- 
länge: 20,5 cm; Schwanzlänge: 12,5 cm. Die 2. Schwinge die 
längste, Unterflügel hellweils. Eierstock noch schlafend. 


Die Sperrschnäbler (‚Arssirostres) Aegyptens. 437 


‚ „Die og‘o“-lichen Vögel dürften durchweg stärker sein als 
die QQ. Junge Vögel sind mir nicht zu Händen gekommen. 


Dieser wunderbare Vogel — ein echtes Kind der Wüsten- 
steppe und des sich ihr anlehnenden kultivierten Geländes — 
bildet in ganz Aegypten, wenn auch ‚keine häufige, so doch auch 
nicht gerade seltene Erscheinung. 

Auf unserer ersten Dahabiyen-Fahrt im Jahre 1897 habe 
ich 4 Stück dieser Art erbeutet und zwar alle im eigentlichen 
Nubien im Monat März. Dort habe ich diese Vögel immer nur 
einzeln wahrgenommen und sie zumeist des Abends erlegt, wenn 
sie über die reifenden Gerstenfelder nahrungsuchend herumflogen. 
Ihre Fortpflanzungszeit hatte offenbar noch nicht eingesetzt, da 
bei der Sektion keine geschwollenen Testikel festzustellen waren 
und der Eierstock noch unentwickelt vorgefunden wurde. 

Während unserer zweiten Dahabiyenfahrt 1899 bin ich der 
ägyptischen Nachtschwalbe viel seltener begegnet; doch erinnere 
ich mich sehr wohl, sie auf dem Wege sitzend und spinnend an- 
getroffen zu haben, als ich im Vollmondscheine von der Luder- 
hütte kommend die an die Wüste grenzenden Kulturfelder 
(Weizen und Gerste) auf dem Rückritt nach Luxor passierte. 
Auf unserem 60-tägigen Wüstenmarsche von Wadi-Halfa nach 
Charthum und bei der Durchquerung der Bajuda-Steppe ist mir 
diese Nachtschwalbe seltsamerweise nirgends begegnet. 

Dagegen habe ich im Aegyptischen Sudan in Dabeka am 
Bähr el Abiad, am 25. 3. 1910 ein adultes Q' und am 16. 2. 1913 
in Bondugir — ebenfalls am Bähr el Abiad — zwei Q'Q1, welche 
sich zusammenhielten, geschossen. Diese drei Vögel deckten sich 
genau mit den vier in Nubien geschossenen Stücken. 

Die ägyptische Nachtschwalbe ist durch das viel dunklere 
grausandfarbene, wie mit Silberpuder durchsetzte Gefieder leicht 
und sicher von der Nordwestafrikanischen Wüstennachtschwalbe, 
welche v. Erlanger im Jahre 1899 J. f. Orn. 1899 pag. 525 auf 
Grund des viel lichteren, gelblich sandfarbenen Kolorits als Capr. 
saharae abgetrennt hat, zu unterscheiden. Ich stimme dieser 
wohlbegründeten Abtrennung umsomehr zu, als ich in den beiden 
Vögeln eine jener Parallelen erblieke, welche der Nordwesten 
gegenüber dem Nordosten Afrikas einzuhalten beliebt. Dieselbe 
Farbennüancjerung findet sich z. B. bei Sylvia nana, Hempr. u. 
Ehrbg. (Osten) und Sylvia deserti, Loche (Westen) vor, sowie 
bei Scotocerca inquieta, Kretschm. (Osten) und Scotocerca saharae, 
Loche (Westen). Diese Farbennüancierung ist so ausgesprochen 
und so deutlich, dafs ich diese vicariierenden Formen, um mit 
Middendorff zu reden, als geographisch begründete und wohl 
ausgeprägte Arten (Spezies) ansehe und deshalb auch nicht an- 
stehe, dieselben binär zu benennen und nicht ternär, wie es die 
meisten heutigen Ornithologen tun. Der Unterschied zwischen 
der binären und ternären Nomenklatur liegt eben einzig und 


438 A; Koenig: 


allein in der subjektiven Auffassung der Arten und Unterarten, 
die schwerlich jemals eine objektive Klarlegung zeitigen wird. 
Diese beiden Nachtschwalben — so nahe sie auch miteinander 
verwandt sein mögen — stellen doch gewissermalsen zwei geo- 
graphisch begründete und wohl abgegrenzte Pole dar, von denen 
der eine die hellsandfarbigen, Wüstenstrecken des westlichen Nord- 
Afrikas, der andere die graufarbenen Steppengelände des im Osten 
gelegenen Nord-Afrika bewohnt und gleichzeitig noch weiter nach 
Asien (Turkestan und Kaspisee) vordringt — unstreitig aus einer 
Art hervorgegangen und doch genügend modifiziert, um sie spe- 
zifisch zu sondern und artlich aufzufassen. Dafs beide Arten 
sich in Aegypten berühren, möchte ich bezweifeln, obschon sich 
englische Ornithologen dahin aussprechen, hell- und dunkelfarbige 
Stücke in Aegypten angetroffen zu haben. Die Angaben Shelleys, 
Birds of Egypt. pag. 175, dafs ihm vom Gebel Abu-Fedah ein 
blasseres 9‘ vorgelegen habe, als die 4 von ihm erbeuteten Stücke 
aus dem Fäyüm (alle 4 ebenfalls S'C') möchte ich dahin deuten, 
dafs das hellere Iudividuum ein noch im Jugendkleide stehender 
Vogel war, während die dunkelen Stücke die zu geschlechtsreifen 
herangewachsenen und völlig vermauserten Altersvögel sind. Die 
beigegebene Tafel VIII läfst auch in dem helleren Stücke m. A. 
nach einen jungen Vogel erkennen in dem für diese Vogelgattung 
so charakteristischen Jugendgefieder. Auch S. Stafford Allen 
spricht sich in seinen „Remarks on Dr. A. Leith-Adams 
Notes and Observations.on the Birds of Egyptland Nubia“, Ibis 
1864 pag. 236 dahin aus, dafs er zwei verschiedene Varietäten 
beobachtet habe, von denen die eine viel dunkeler als die andere 
gewesen wäre. Es ist sehr zu bedauern, dals diese Angaben auf 
Grund des erlangten Materials an Ort und Stelle nicht genauer 
nachgeprüft wurden, um die Frage zu entscheiden, ob die Ver- 
schiedenheit der Färbung nur in der Altersstufe beruht oder 
tatsächlich differenziert ist, so dals zwei verschiedene Spezies oder 
Subspezies nebeneinander vorkommend angenommen werden 
müssen. Hierbei gebe ich zu bedenken, dafs sich in Aegypten 
eine ganze Reihe von Vögeln in ihrer Fortpflanzung durchaus 
nicht fest an eine bestimmte Jahreszeit bindet, sich vielmehr 
dieselbe je nach der Lage und Gelegenheit erwählt, sodafs man 
Vögel zu allen Jahreszeiten sich fortpflanzend antreffen kann. 
So hatte, um hier nur ein Beispiel anzuführen, Upupa epops 
Ende Januar in Assuan bereits grolse, flügge Junge — mulfste 
also im November—Dezember mit der Eierablage begonnen 
haben, während durchschnittlich im oberen Aegypten der Wiede- 
hopf vor März—April nicht zur Fortpflanzung schreitet. Im 
Sommer bei der Nilschwelle, die eine reiche Entfaltung des 
Insektenlebens mit sich bringt, vermute ich viele Vögel zum 
Liebesleben angeregt und erwacht und halte es für höchstwahr- 
scheinlich, dafs sich auch die aegyptische Nachtschwalbe an eine 
gewisse Jahreszeit in ihrer Fortpflanzung keineswegs bindet, viel- 


Die Sperrschnäbler (Fissvrostres) Aegyptens. 459 


mehr nach den gegebenen örtlichen Verhältnissen dazu schreitet. 
Daher mag es kommen, dafs junge und alte Vögel nebeneinander 
auftreten -und in den verschiedenen Alterskleidern zu irrigen 
Schlüssen Veranlassung geben. Natürlich ist aber vor der Hand 
auch meinerseits ebensowenig der Beweis meiner Annahme er- 
bracht, als ich ihn bei der gegenseitigen Auffassung in dem Aus- 
spruche der beiden englischen Ornithologen bestätigt sehe. Hier 
kann eben nur eine vorurteilsfreie, korrekte Beobachtung und die 
an Ort und Stelle vorgenommene Zergliederung den erwünschten 
Aufschlufs bringen; nur möchte ich hier noch einmal ganz ent- 
schieden Stellung nehmen gegen die Ansicht, dafs in Aegypten 
neben dem typisch echten Caprimulgus aegyptius auch der blals- 
farbene Vogel der Atlasländer = Caprimulgus saharae, Erl. vor- 
kommt. Dafür liegt das östliche Gebiet geographisch schon viel 
zu weit entfernt von dem eine Modification begründenden, nord- 
westlich-afrikanischen. 

Heuglin, der sich über die vorliegende Art biologisch 
eingehend äufsert und sehr bemerkenswerte Daten bringt, glaubt 
sich mit A. Brehm in Widerspruch setzen zu müssen, wenn 
dieser behauptet, dafs die Nordost-Afrikanischen Ziegenmelker 
nicht wandern. Im April und Mai sowie im September ist 
Heuglin, ganzen Flügen dieser Art in Unter- Aegypten 
begegnet, wo sie sonst nicht vorzukommen pflegt. Im Hoch- 
sommer dagegen hat dieser Forscher den ägyptischen Ziegen- 
melker in Nubien, namentlich auf den Sandinseln der Provinz 
Döngolah, oft in grofser Menge angetroffen und zwar im Juli und 
August in der Fortpflanzung begriffen. 

Anscheinend hält sich diese Vogelart auf ihren Wande- 
rungen und Zügen nach den Geschlechtern gesondert zusammen. 
So hat Shelley im Fäyüm vier zusammenhaltende J'g' ge- 
schossen, während Heuglin berichtet, dafs er einmal aus einem 
Fluge von mehr als 50 Stück dieser Vögel 6 Individuen geschossen 
habe, die alle QQ waren. Auch die von mir erlegten beiden 
Vögel bei Bondugir am Bahr el Abiad waren, obschon ich sie 
anfänglich für ein angegattetes Pärchen hielt, 9'0. Noch be- 
merkenswerter ist aber mein Erlebnis mit dem Wüstenziegen- 
melker in der Nähe von Biscra am 26. April 1892, wo ich ihrer 
5 Stück zusammentraf, die ich sämtlich erlegte und die lauter 
og“ waren (v. J. f. Orn. 1895, pag. 180). 

Ich habe diesen schönen wüstenfarbigen Ziegenmelker in 
Ober-Aegypten nicht häufig angetroffen und mich immer sehr 
gefreut, wenn mich der Zufall mit ihm zusammenführte. Denn 
als einen Zufall bezeichne ich es, wenn dieser wunderbare Vogel 
plötzlich dicht vor den Fülsen des Forschers vom Boden auf- 
fliegt, um sich nach einigen schwankenden Flügelschlägen bald 
wieder auf den Boden fallen zu lassen, wo er sich demselben 
so vortrefflich anzupassen weils, dafs ihn selbst das scharfe Auge 
des Jägers nicht aufzufinden vermag, bis ihn der menschliche 


440 A. Koenig: 


Fufs wieder nahezu berührt und den seltsamen Vogel nochmals 
zum Aufstehen bringt. Unschwer fällt er einem dann zur Beute. 

Anders ist es in der Dämmerung. Die Sonne ist versunken: 
purpurrot färbt sie die hellen Federwolken im Westen. Schon 
aber steht die erste Mondsichel am Himmel und ergiefst ihr 
fahles, flimmerndes Silberlicht über die Berge des Niltales, sich 
selbst im göttlichen Strome wiederspiegelnd. Wie oft bin ich 
gerade um diese Zeit mit geschultertem Gewehr an der Seite 
meiner treuen Lebensgefährtin am Nil entlang geschritten, um 
gemeinsam die wonnige Stunde der sich herabsenkenden Abend- 
ruhe zu geniefsen! Jetzt ist auch die Zeit für unseren Vogel 
gekommen. Während die Tagesvögel ihre Ruheplätze aufsuchen 
und stille werden, kommt er geisterhaften Fluges heran, klappt 
mit den Flügeln und gleitet dann einem Schattenbilde vergleichbar 
über das niedrige, in reifen Ähren strotzende Gerstenfeld. Eben 
nur als Silhouette sichtbar, kommt er jetzt nahe an uns heran, 
um gleich darauf wieder ganz zu entschwinden. Mehrfach schon 
flog das Gewehr an die Backe, aber das Korn auf demselben 
konnte die Umrisse des Vogels nicht fassen, so schnell glitt er 
wieder im Dämmerlichte von dannen. Scharfen Auges halten 
wir Umschau nach dem flüchtigen Gesellen. Da sehen wir ihn 
wieder über den Palmenkronen sich wiegen und sich dann schnell 
wieder auf die Felder herabsenken. Jetzt fasse ich ihn sicher: 
eine Feuergarbe entströmt dem Gewehre und donnernd löst sich 
der Schuls, grollend und vielfach wiederhallend in den nahen 
Bergen. Ich weils es, dafs ich den Vogel getroffen habe und 
stürme auf die Stelle hin, wo ich ihn liegend vermute. Aber 
ich finde den ersehnten Vogel nicht, so fleißsig ich auch die ver- 
meintliche Stelle nach ihm absuche. Wieder und wieder lasse 
ich meine Augen durch den Halmenwald schweifen, ohne ihn zu 
finden, und schon überkommen mich Zweifel, ob ich den flüchtigen 
Gesellen auch wirklich getroffen habe, als die Gattin sich bückt 
und den Vogel an der Schwinge emporhält in sichtlicher Freude 
über den glücklichen Fund. 

Gar zu gern habe ich diese Jagd so betrieben, oft, gar oft 
aber mich nur mit einem einzigen flüchtigen Anblick des herr- 
lichen Geschöpfes begnügen müssen, ohne den Schufs auf ihn 
abgeben zu können. 

Ich selbst war nicht so glücklich, die Eier des ägyptischen 
Ziegenmelkers zu finden; dagegen verdanke ich der besonderen 
Güte des mir befreundeten Herrn Dr. W. Innes-Bey in 
Cairo ein Zweier-Gelege, welches derselbe im Fäyüm persönlich 
gefunden hat. 

2er Gelege leg. Dr. Innes-Bey, Wadi de Deir el Beda 
(Fayum) 7. VI. 1902 (nid & terre sous un bousson). 

Die im Anfang der Bebrütung stehenden Eier sind auf 
gelblichweilsem Grunde über und über grau und fahllehmbraun 
gewölkt, sodals eine im Ganzen verschleierte, trüb graubraune 


Die Sperrschnäbler (‚Fissirostres) Aegyptens. 441 


Färbung zu Tage tritt mit einem irreleitenden Stich ins Asch- 
bläuliche. Die Eier sind grofs, weniger walzenförmig als dick- 
bäuchig eiförmig, wie poliert mit ziemlich starkem Schalenglanze; 
auch unter der Lupe besehen stellen sie sich sehr glattschalig 
dar mit vereinzelten nadelstichartigen Vertiefungen und einigen 
körnigen Erhebungen. Die Eier sind eine Nüance dunkler ge- 
wölkt als die von mir in Tunis und Algier gesammelten beiden 
Eier von Caprimulgus saharae, Erl. 
8) 3,3 cm X 2,3 cm, b) 3,2 cm X 2,2 cm 
0,45 gr g 0,55 gr 

Längen- und Breitenmafse decken sich mit den beiden Eiern 
von Capr. saharae; die Schalengewichte sind jedoch bei letzteren 
um ein geringeres grölser. 

Heuglin sagt: „Das Nest besteht in einer kleinen Ver- 
tiefung dicht neben Halfaschöpfen oder unter Akazienbüschen. 
Ich fand darin 2 Eier; kleiner, gelblich und mehr ockergelblich 
angeflogen, als die des europäischen Ziegenmelkers, licht asch- 
bläulich und braungelblich gewölkt. 121/,'' lang und fast 9 dick. 
Die Alten sitzen zuweilen sehr fest auf der Brut und laufen auf- 
gescheucht nur wenige Schritte weit weg.‘ 


Es ist natürlich ein Wagnis zu behaupten, dafs im weiten 
Aegyptenlande aufser den beiden vorgenannten Arten keine 
weiteren vorkommen. Eingehenden neueren Forschungen bleibt 
es vorbehalten, die Arten dieser umfassenden Familie an Zahl 
zu erweitern. Für durchaus nicht unwahrscheinlich halte ich es, 
dafs im Etbai-Gebiete, der weit ausgedehnten Länderstrecke 
zwischen Nil und Rotem Meere, den wechselnden Wohnsteppen 
der nomadisierenden Bischarin und Beni-Amer mit den vielen 
Bergkegeln und den durchfurchten trockenen Tälern (Wadis) 
der nubische Ziegenmelker Caprimulgus nubicus, Licht. oder 
auch der in Palästina von Tristram aufgefundene und von 
ihm benannte Caprimulgus tamaricis entdeckt wird. Auch halte 
ich es nicht für ausgeschlossen, dafs in den mit dem sogen. Aeg. 
Halfagras (Alopecurus cynosuroides) bestandenen Weideflächen 
der Prachtziegenmelker (Capr. eximius, Temm.) angetroffen werden 
kann, welche Art, eben so selten als hervorragend schön, wir 
eine Tagereise südlich von Charthum am Bähr el Abiad zu er- 
legen das Glück hatten; ja selbst die einzigartige Nachtschwalbe 
mit der Schleppe (Scotornis climacurus) kann wohl in den Sommer- 
monaten bis zum Wendekreise des Krebses heruntergehen oder 
doch als Irrgast in dem Bezirke von Wadi-Halfa angetroffen 
werden. Natürlich sind das nur Hinweise und Vermutungen, 
welche ich auch nur als solche aufgefalst zu haben wünsche. 
Sicher ist das eine, dals in dem weiten noch wenig durch- 
forschten Gebiete östlich vom Niltale eben sowohl, wie westlich 
in der Libyschen Wüste noch manche ornithologische Neuigkeit 
der Entdeckung harrt, ja, ich bin fest davon überzeugt, dafs 


442 A. Koenig: 


gerade das Etbai-Gebiet noch grofse ornithologische Über- 
raschungen zeitigen wird. Vor der Hand mufs sich allerdings 
die Avifauna Aegyptiaca mit den beiden Arten Caprimulgus 
europaeus und aegyptius begnügen. 


Die Familie der Segler (Cypselidae) wird durch zwei 
Gattungen mit zusammen 3 Arten in Aegypten vertreten, 


Oypselus,!) Illiger. 
Prodrom. Mamm. et Av. pag. 280, 1811. 
Segler, 


1) Oypselus ist latinisiert aus dem Griechischen xveAog, 6 hervor- 
gegangen (Arist. Hist. Animal. IX, 30), aus dem Wort xvuwe&n, 7 = 
die Höhle gebildet und dem von Aristoteles im gleichen Abschnitt ge- 
brauchten Diminutivum xvweiis, idos, 7 — die kleine, enge Höhle — 
mithin der Bewohner dieser Erdhöhlen — hier also die in jenen Höhlen 
hausende Schwalbe (Segler). 

Nach der Übersetzung von Aubert und Wimmer lautet der 
Abschnitt folgendermafsen: „Die Fufslosen (oi d’«modss), welche einige 
Kypseloi nennen (ovg xaAoücı Tıvsg xuıy&Aovg) sind, wie früher erwähnt, 
den Schwalben ähnlich. Denn sie lassen sich fast nur durch die be- 
fiederten Schienbeine von den Schwalben unterscheiden. Diese nisten in 
langen (geräumigen?) aus Lehm verfertigten Zellen (6v xuwesiioıw &cs 
nnkov * menioouevoug woxguic), welche einen nur eben genügenden Ein- 
gang haben. Sie legt ihr Nest an bedeckten Stellen unter Felsen und 
Höhlen an, sodafs es vor Tieren und Menschen verborgen bleibt. 

* un).0g, 6 — der Thon, Lehm, womit der Töpfer und Maurer arbeitet. 
In diesem Sinne von Aristoteles jedenfalls auf den Speichel (Drüsensekret) 
des Vogels bezogen, der die Nester zusammenkittet, fertigt wie der Töpfer. 

Aus dieser ganz hervorragend klaren und präzisen Beschreibung 
des „Vaters der Naturgeschichte“ ersieht man die klassisch begründete, 
unabweislich richtige Wahl des von Illiger zu wissenschaftlichem 
Range erhobenen Genusnamen, an dem zu deuteln und rütteln m. A. nach 
geradezu ein Frevel ist. Wenn einem Namen die Priorität zusteht, so ist 
es der bereits von Aristoteles und Plinius (Hist. Anim. Nat. 10, 
114) für diese Vogelgattung erwähnte Genusname. Die Namen Apus, 
Scopoli 1777, Micropus apud Wolf 1810 sowie Brachypns apud Meyer 
1815, die aufserdem z. T. präokkupiert bei anderen Tierklassen sind, 
und daher in ihrer Doppelsinnigkeit verwirrend wirken müssen, können 
höchstens als Synonym gelten, wären aber am besten wegen ihrer Un- 
Klarheit als für die Wissenschaft unbrauchbar — gänzlich und ein für 
allemal zu beseitigen. 

In Caroli Illigeri Prodromus Systematis Mammalium et Avium, 
Berolini 1811 steht folgende Note: „Nomina Apus, Micropus terminis- 
&eographicis reddenda sunt, quam ob causam nomen Aristotelicum Cypselus 
quod de nidis in foraminibus absconditis deductum videtur, generi restitui.‘“ 

Der Verfasser. 


Die Sperrschnäbler (Frssirostres) Aegyptens. 443 


Diagnose der Gattung: Schnabel klein, kurz und schwach, 
an der Spitze leicht gebogen, an der Basis breit, ein Dreieck 
darstellend, bis tief unter die Augen gespalten, dadurch einen 
weiten Rachen bildend; der Unterschnabelrand vor der Spitze 
eingezogen. 

Nasenlöcher dicht an der befiederten Schnabelwurzel liegend, 
nn eiförmig, durch eine häutige vorstehende Wand halb 
geteilt. 

Zunge flach, dreieckig, Spitze geteilt, am Grunde gezahnt. 


Fülse sehr klein, aber fest und stämmig; alle 4 Zehen nach 
vorn gerichtet mit auffallend starken sichelförmig gekrümmten 
nadelscharfspitzeen und scharfrandigen Krallen versehen — 
Klammerfüfse — Pedes adhamantes — wie sie Illiger nannte. 

Lauf kurz und befiedert. 


Die etwas versteckt in den Bauchfedern liegenden und vom 
lebenden Vogel stark angezogenen Fülse mögen im Altertum 
den Glauben erweckt haben, als ermangele der meist nur im 
Luftmeere sichtbare Vogel der Fulsorgane, daher der von Linn& 
gewählte Name Apus. 


Flügel aufserordentlich lang mit sehr langen, harten, aber 
doch biegsamen, leicht säbelförmig gebogenen grofsen Schwung- 
federn, von welchen die 1. und 2. nahezu gleich lang sind, die 
3. ein wenig kürzer; die anderen in der Länge stufenförmig 
stark nachlassend. Die Handschwingen haben starke elastische 
Schäfte und sind alle wohl entwickelt. Die Armschwingen da- 
gegen sind sehr kurz und schwach. Am Skelett fällt der sehr 
kurze Oberarm auf. Schwanz 10-federig, gabelförmig tief aus- 
geschnitten, nicht lang, von den in Ruhe liegenden Flügeln stets 
weit überragt. 

Die zu dieser Gattung gehörigen Vögel sind ausgezeichnet 
durch ganz aufserordentliche Flugwerkzeuge, während Fülse und 
Schnabel reduziert erscheinen. Der Kopf ist grofs und platt; 
die stark hervortretenden grofsen Augen liegen in einer muschel- 
artigen Vertiefung und sind am vorderen Winkel mit einer Reihe 
steifer bürstenartiger Härchen, die sich dunkelschwarz-sammet- 
artig abhebt, besetzt. Das Kleingefieder ist im Ganzen hart und 
spröde, knapp anliegend. 

Die Gesamtfärbung besteht in einem düsteren Schwarz 
oder einem rauchfahlen Graubraun, wobei Kehle, Unterseite und 
Bürzel oft weils gefärbt erscheinen. 

Die zu gewaltigen Fliegern ausgebildeten Vögel sind wahre 
Luftbewohner, die sich an hohen Felsenrändern klammern, aber 
niemals in gesundem (normalen) Zustande auf die Erde herab- 
kommen. Fast alle Funktionen werden in der Luft versehen. 

Die Vertreter dieser ungefähr 50 Arten zählenden Gattung 
verbreiten sich über die ganze Erde mit Ausnahme der Polar- 
gegenden und der Neuseeländischen Subregion. 


444 A. Koenig: 


Für Aegypten kommen zwei, möglicherweise drei gute 
Arten in Betracht. 


48. Cypselus melba,!) (L.). 1766. 


= [Hirundo Melba, Linn Syst. Nat. I pag. 345, 1766]. 
Hirundo fusca, gula abdomineque albis. 
Hirundo riparia maxima, Edw. Av. 
Hirundo maior, hispanica, Briss. Av. 
Habitat ad fretum Herculeum. 
Diagnosis apud Linnaeum, 1. c. 


Alpensegler. 


Französisch: Martinet ä& ventre blanc. 
Englisch: White-Bellied Swift. 
Arabisch: unbekannt. 


Die ganze Oberseite bis auf die Schwingen mausgrau; der 
Scheitel etwas heller angeflogen; die sichelförmig gebogenen, 
überaus langen und mit straffen Kielen versehenen Schwingen 
sowie der tiefgegabelte Schwanz dunkler, im Leben einen deut- 
lichen erzgrünen Metallschimmer zeigend, der sich auch noch im 
Tode hält. 

Kinn und Kehle weils, ebenso Brust, Bauch und After- 
gegend. Auf der Oberseite zieht sich ein mausgraues Band hin, 
welches beiderseits den Raum zwischen Schnabelwurzel und 
Schulter einnehmend, also von der Dorsalseite auslaufend, auf 
der Mitte der Brust sich bandartig verschmälert. Frisch ver- 
mauserte, im schönsten Hochzeitskleide stehende Vögel zeigen 
zarte, lichtbraune Federränder an dem Kleingefieder ebenso, wie 
an Schwingen und Steuerfedern, während die weifsen Federn 
einen dunkelgrauen Schaftstrich aufweisen. 

Beim weiteren Vorrücken der Jahreszeit verschwinden jedoch 
die durch Abreibung hinfällig werdenden Federränder; auch treten 
dann die dunklen Schaftstriche auf den weilsen Federn der Unter- 
seite zurück. 

Die jungen Vögel gleichen den alten, sind aber stets durch 
die hellen Säume an allen Federn — im Besonderen an den 
Flügeldeckfedern des Buges — und die noch im Ganzen un- 
bestimmte graue Färbung von den Altersvögeln recht wohl zu 
unterscheiden. 


!) Der Name wmelba ist barbarischen Ursprungs und soll von 
Albertus Magnus aus dem deutschen „Mew“ gebildet sein. Gesner 
in de avibus schreibt: „Larus est avis marina, quam nos melbam vocamus“, 

Die Begriffe „Möwe“ und „Melba“ sind hier allerdings unbegreiflich 
zusammengebracht. Der Verfasser. 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 445 


‚ Die Länge. des ganzen Vogels beträgt etwa 22 cm; die 
rg 55—56 cm; die Schwingenlänge 20 cm; die Schwanzlänge 
—9 cm. 

Iris umbrabraun; Zehen bräunlich fleischfarben; Krallen und 
Schnabel hornschwarz. 

Die Beschreibung ist nach Nordwest-Afrikanischen Stücken, 
welche ich in Tunis erlegt habe, gemacht. Die Vögel von dort 
sind in ihrem Gesamtkolorit als ausgesprochen mausgrau zu be- 
zeichnen und heben sich nicht unwesentlich von Süd-Europäischen 
Stücken (Insel Capri) ab, welche durchweg eine Stufe dunkeler 
gefärbt erscheinen. Ich weise darauf hin, ohne jedoch für eine 
Absonderung einzutreten, da dafür das vorliegende Material mir 
noch nicht ausreichend genug erscheint. Bedauerlicherweise 
liegen keinerlei Stücke aus Aegypten vor, sind auch — soweit 
ich unterrichtet bin — noch von keinem Ornithologen dort 
gesammelt. Die Alpensegler dürften aber wohl eine gewisse 
Parallelerscheinung zum Turmsegler bilden, der im nördlichen 
Europa die dunkelschwarze Form apus, L. im Gegensatz zu der 
am Mittelmeerbecken vorkommenden, blassen Form murinus, 
Brehm = pallidus, Shelley hervorbringt. Der Vogel aus Tunis 
ist von Tschusi als Apus melba tuneti zu einer neuen Sub- 
spezies erhoben worden (v. Orn. Jahrb. IV pag. 123). Der Autor 
gibt auch die Beschreibung dazu. Anscheinend ist aber doch 
diese Uuterart als nicht stichhaltig genug fallen gelassen worden. 
Hartert, die Vögel der paläarkt. Fauna pag. 834 (Heft VII 
Band II) fafst die Tschusische Subspezies als ein Synonym zu 
melba, zieht sie daher als solche wieder ein. 


Heuglin, welcher eine beträchtliche Zahl von Alpenseglern 
in den Gala-Ländern eingesammelt hat, die gegen seinen Willen 
in Europa verzettelt wurde, was sehr zu bedauern ist, bemerkt 
nur von diesen Vögeln, dafs er die im Herbst und Frühjahr an 
den Felsgebirgen Aegyptens vorkommenden Alpensegler für Zug- 
vögel hält. Einen Vogel hat also auch er nicht in Aegypten er- 
beutet ebensowenig wie Alfred Brehm, Vierthaler, 
Dr. Hartmannu. A. 

Shelley gibt nur die Aussagen Heuglins flüchtig wieder. 


Ich selbst habe den Alpensegler in Aegypten, wenn auch 
nicht geschossen, so doch bestimmt gesehen und beobachtet. 
Dies war wiederholt der Fall auf den Bergen des Niltales, wo ich 
die Art in hoher Luft mit Oypselus murinus zusammen deutlich 
erkannte und ihren Flugspielen lange Zeit zusah. Leider habe 
ich mir die Tage der Beobachtung nicht notiert, es mufs aber im 
März des Jahres 1899 gewesen sein. 


49. Cypselus murinus, Chr. L. u. Alfr. Brehm. 1855. 


In „Chr. L. Brehm, der vollständige Vogelfang, Weimar 1855“, 
== ÜOypselus pallidus, Shelley, Ibis 1870. 


446 A. Kosnig: 


Mäusegrau mit weilsem Kinn, verfliegt sich sehr selten aus 
Nord-Afrika nach Süd-Europa. 6!/,“ lang. Chr. L. Br. 1. c. pag. 46. 
(Der Typus soll nach Hartert aus Siut vorliegen.) 


Mausgrauer oder Fahler Segler. 


Französisch: Martinet päle de muraille. 
Englisch: Pallid Swift. 
Arabisch: Unbekannt. 


Die ganze Oberseite ist fahl mausgrau, auf dem Rücken 
und am Flügelbuge ins Dunkelbräunliche übergehend, auf der 
Stirne dagegen mehr abblassend und heller werdend. Kehle rein- 
weils, ein viel grölseres Feld einnehmend, als bei apus, L. 

Die frisch vermauserten Schwingen sind dunkelbraungrau 
mit einem sehr zarten erzgrünen Metallschimmer leicht über- 
flogen. Sie sind lang, starkschäftig und sichelartig gebogen. 

Während bei typischen apus-Stücken die 1. Schwinge durch- 
weg um einen cm kürzer zu sein pflegt als die 2., welche die 
längste ist, ist die 1. Schwinge bei murinus nicht nur fast immer 
gleich lang mit der 2., sondern überragt noch diese in der Länge 
in den meisten Fällen. 


Dieses von Hartert in „die Vögel der paläarkt. Fauna“ 
(Heft VII, Bd. II, 1 pag. 839) erwähnte Merkmal habe ich an den 
in meiner Sammlung befindlichen Stücken gewissenhaft nach- 
geprüft und es durchweg als richtig bestätigt gefunden. 

Durch dieses Unterscheidungsmerkmal allein dürfte die vor- 
stehende Art von der in Europa vorkommenden Turmschwalbe 
hinlänglich gekennzeichnet und spezifizirt sein. Im Übrigen unter- 
scheidet sie die hellgraue Färbung schon auf den ersten Blick 
von dem rauchbraunschwarzen — also dunkelen — europäischen 
Vogel (Cypselus apus, L. 1766). 

Der aus 10 Federn bestehende Schwanz ist nicht so tief 
gegabelt wie bei apus. 

Die Brust- und Bauchfedern tragen einen leichten bronze- 
artigen Schimmer; sie erscheinen durch die vielfachen weifslichen 
Federränder leicht gewellt; auch die grolsen Flügeldeckfedern 
tragen licht gerandete Federkantensäume. Iris dunkelbraun; 
Zehen bräunlichfieischfarben; Schnabel und Krallen schwarz. 
Flügellänge durchweg 16 cm, während sie bei apus mindestens 
17 cm zu betragen pflegt. Im Übrigen dürften die Größsenver- 
hältnisse beider Arten ziemlich übereinstimmen. 


Der fahle Segler ist in Aegypten eine sehr häufige Er- 
scheinung und dürfte wohl nirgends vermifst werden. Ich habe 
ihn in den eigentlichen Wintermonaten Dezember bis Januar 
ebenso häufig gesehen als im Frübjahr und bezweifele es daher, 
dafs er für Aegypten als Zugvogel zu gelten hat. Dafs eine 
gröfsere Anzahl dieser Vögel im Niltale ab und zu wandert, will 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Asgyptens. 447 


ich selbstredend nicht ableugnen, mufs aber andererseits auf 
Grund meiner Beobachtungen darauf bestehen, dafs diese Art 
nicht als ausgesprochener Zugvogel für Aegypten aufgefalst 
werden darf. Am 13. Februar 1897 habe ich in Ober-Aegypten 
bei Bellianah einen Q'-Vogel erlegt, der bereits hochgeschwollene 
Testikel zeigte, mithin schon voll im Zeichen der Fortpflanzung 
stand. Als ich am 22. Dezember 1896 meinen ersten Jagdausflug 
in die Umgebung Kairos und zwar an die Pyramiden von Ghizeh 
unternahm, habe ich nach meinen sofort niedergeschriebenen 
Tagebuchaufzeichnungen viele Segler wahrgenommen. Alle Segler 
aber, die ich in Aegypten sah und beobachtete, gehörten der vor- 
stehend beschriebenen mausgrauen Art an, einen echten apus 
habe ich nirgends bemerkt. Nun unterliegt es wohl keinem 
Zweifel, dafs auch der rauchschwarze Mauersegler Aegypten zur 
Zugzeit berührt und daselbst längeren oder kürzeren Aufenthalt 
nimmt. Bestimmt nachgewiesen ist diese unsere europäische 
Art für Aegypten bis jetzt noch nicht, weshalb ich ihn auch nicht 
ohne weiteres in die Liste der Aegyptischen Vögel aufnehmen 
kann. Heuglin (Orn. N. O. Afrikas I pag. 142) hält die 
Mauersegler Europas und Afrikas nur für eine Art (apus, L.) ob- 
gleich er hinzufügt, dafs einzelne Individuen bezüglich der Ver- 
hältnisse von Schwingen und Steuerfedern und in Färbung nicht 
wenig abweichen, Er spricht auch deutlich von der vorstehenden 
Art, die er als Varietät auffafst und die er im südlichen Nubien 
beobachtet hat. Der hervorragende Forscher hält den Mauer- 
segler teilweise für einen Standvogel in N. Ost-Afrika, da er ihn 
nach seinen Notizen noch Ende Mai oder im Juli dort angetroffen 
habe, bezweifelt aber, dafs die zahlreich als Wintergäste im 
Laufe des August sich einstellenden Mauersegler in Aegypten 
überwintern. Dieser Hinweis Heuglins ist von aufserordentlich 
grofser Wichtigkeit. Er würde damit die eigentlichen Zugvögel 
Europas treffen, die auch meiner Ansicht nach nur ausgesprochene 
Durchzugsvögel für Aegypten sein können und mit Rauch- und 
Mehlschwalben dem Innern Afrikas zustreben, bis sie wieder die 
Frühjahrswinde gen Europa treiben. 

Ganz anders verhält es sich aber mit dem mausgrauen . 
Segler, der in Aegypten als sedentär gelten kann. Diese Art 
wird wohl seinem Hauptbestande nach jahraus jahrein in Aegypten 
verweilen und überhaupt keine Veranlassung haben, jenes glück- 
liche Land zu verlassen. 

Über allen Gebirgen des Niltales, über vereinzelten Felsen- 
kegeln, über gröfseren Städten und kleineren Dörfern Aegyptens, 
deren schlanke Minarets er umkreist, gewahrt man den fahlen 
Segler; selten einzeln und in Paaren, zumeist in gröfseren Gesell- 
schaften im klaren Ather sich wiegend und sich in der sonnen- 
durchwärmten Luft badend. Dabei ist es mir aufgefallen, dafs 
er nicht so hastig und unstät im Fluge erschien, wie sein dunkeler 
Vetter Europas — und auch nicht den durchgreifenden heiseren 


448 A. Koenig: 


Schrei desselben vernehmen liefs. Seine Stimme schien mir, so 
oft ich sie hörte, gemäfsigter und gemilderter zu sein und im 
Einklange seines viel ruhigeren Verhaltens in hoher Luft zu 
stehen. Dennoch ist er ein ebenso gewandter als geradezu voll- 
endeter Meister des Fluges, dem man immer wieder zuzusehen 
nicht müde werden kann. 

In den hohen Felsengraten aller grölseren Gebirgsstöcke 
des Niltales ist er Brutvogel, doch liegen die Brutplätze immer 
kaum erreichbar für den menschlichen Fuf[s an den abschüssigsten 
Felsenwänden in einem an sich schon sehr morschen und ab- 
bröckelnden Gesteine. Aus diesem Grunde konnte auch ich nicht 
in den Besitz seiner Eier gelangen. 


Tachornis,!) Gosse. 1847. 
B. Jamaica pag. 58, tab. 9. 


Zwergsegler. 


Diagnose der Gattung: Zehen in zwei gegeneinander ge- 
wendeten Paaren geordnet, die beiden äufseren Zehen etwas nach 
innen, die beiden inneren etwas nach aufsen gewendet (Reichenow, 
die Vögel Afrikas II. Band, pag. 383). 

Der aus 10 Federn bestehende Schwanz ist tief gegabelt 
nach der Mitte zu stark stufenförmig abfallend. Die beiden 
äufseren Federn, am Grunde ziemlich breit, laufen am Ende 
fein spielsartig aus. 

Lauf befiedert, Zehen mit starken Krallen versehen, un- 
befiedert. Die Vertreter dieser Gattung sind kleine Vögel und 
ausschliefslich Palmenbewohner, wozu sie ihr eigentümlicher von 
der Gattung Oypselus abweichender Fufsbau befähigt. Sie legen 
ihre Nester in die riefigen Vertiefungen der fächerartigen Palmen- 
blätter an. Die aus 7 Arten bestehende Gattung bewohnt das 
tropische Afrika bis zum Kap der Guten Hoffnung, Madagaskar, 
Indo-Malayische Region und West-Indien. 


50. Tachornis parva, (Licht.) 1823. 


= [Cypselus parvus, Lichtenstein, Verz. der Doubl. des zoo- 
logischen Museums pag. 57, 1823.] 

C. totus murinus, gutture albicante, cauda forficata rectri- 
cibus extimis longissimis. Longit. ad apicem rectr. interm. 4“ 
extimarum ultra 6“. 


Diagnosis apud Lichtenstein 1. c. 


i) Der Name ist gebildet aus dem Griechischen tayvs, ela, U Ad« 
jeet. = schnell, rasch, eilig; Taxog, &05, zo Subst. — die Schnelligkeit, 
Geschwindigkeit und ögvig, devidos, 7 — der Vogel — also; Eilvogel, 
Schnellvogel (wegen seines rasenden Fluges). 


Die Sperrschnäbler (Fissirosires) Asgyptens. 449 


Zwergsegler. 


Der kleine Vogel ist von einem zarten, mausgrauen Farben- 
tone überflogen; Oberseite dunkler, Unterseite heller nüaneiert. 
Kinn, Keble und Vorderbrust weifslich. Flügel dunkelbraungrau 
mit ganz schwachem grünlichem Schimmer. 

Schnabel winzig klein, an der Spitze leicht übergebogen. 
Schnabelgrund dreieckig, breit werdend und dadurch einen 
grolsen Rachen bildend. 

Flügellänge: 13—13,2 cm. Wenn die Schwanzspiefse völlig 
ausgewachsen sind, so überragen sie die zusammengelegten Flügel 
bis um 1 cm. 

Die Länge des ganzen Vogels beträgt etwa 16 cm. 


Diesen wunderbaren, kleinen Segler, der ein echtes Kind 
des tropischen Afrikas ist, überweise ich nur mit Widerstreben 
und durchaus nicht voll überzeugt der Avifauna Aegyptens. Ich 
befinde mich da mit Alfred Brehm!) einer Meinung, indem 
auch dieser die Vogelwelt Aegyptens gewils sehr gut kennende 
Forscher das Vorkommen des Zwergseglers in Aegypten stark 
bezweifelt und die Angabe Heuglins, dafs dieser Vogel schon im 
südlichen Aegypten Standvogel sei, mit der seinigen nicht in Ein- 
klang zu bringen vermag. Wenn aber andererseits ein so hervor- 
ragender Ornithologe wie Heuglin ausdrücklich sagt, dafs der 
Zwergsegler Standvogel im südlichen Aegypten ist und seine dies- 
bezügliche Angabe dahin präzisiert, dals er die Nester dieses 
Vogels zwischen den Monaten Mai und August bei Wadi Halfa 
gefunden habe, dann mülste doch wohl jeder Zweifel für beseitigt 
gelten, es sei denn dafs man der Überzeugung wäre, dafs hier 
ein offenbarer Irrtum in der Angabe vorliegt. Da ich aber den 
Beweis hierfür nicht erbringen kann, im Übrigen die Fauna 
Aegyptens südlich des Wendekreises des Krebses in den Sommer- 
monaten bei dem steigenden Hochwasser naturgemäls wesentlichen 
Veränderungen unterworfen ist, so müssen wir den Zwergsegler in die 
Liste der ägyptischen Vögel aufnehmen. Nur dagegen möchte 
ich ausdrücklich Stellung nehmen, dafs dieser Vogel zu den Stand- 
vögeln Aegyptens gerechnet werden soll; er ist mir in Wadi- 
Halfa und weit darüber hinaus — im ganzen Batn el Hagar und 
bis Döngola hinein — nicht zur Beobachtung gekommen, obschon 
esin diesen weiten Länderstrichen keineswegs an vereinzelten, sowie 
kleine Bestände bildenden Dom- oder Dumpalmen (Hyphaene 
thebaica) fehlt. Erst bei Ambigöl (Ambuköl) genau auf dem 
18. Breitengrade, wo der Nil die Biegung aufwärts nach Norden 
macht, habe ich die ersten dieser Segler angetroffen, wie ich 
unterm 20. Februar aus meinem Tagebuch ersehe. Dort heifst 
es wörtlich: „Ich schofs an einer grofsen Dompalme die drei 
ersten Uypselus parvus, reizende mausgraue Segler“. Unter dem 


1) Brehms Tierleben II. Auflage Vögel, Band 2, pag. 403. 
Journ, 1. On. LXVII, Jahrg. Oktober 1919, 30 


450 A. Koenig: 


21. Februar bemerke ich : „Uypselus parvus mehrt sich zusehends“. 
Da ich beständig in freudiger und spannender Erwartung des zu 
entdeckenden, mir neuen Vögelchens war, habe ich stets die auf- 
tretenden Dompalmen mit meinen Augen scharf fixiert, trotzdem 
aber diesen Segler vor der bezeichneten Stelle nirgends wahr- 
genommen. Ausdrücklich betone ich aber hier noch einmal, dafs 
die Sommermonate in der ganzen Provinz Döngola und darüber 
nördlich hinaus ein verändertes Bild hervorrufen können, sodafs diese 
Art auch dort brütend angetroffen werden mag. Um die Fauna 
eines Landes gründlich kennen zu lernen, mufs man jahraus — 
jahrein das betr. Gebiet unter eine gewissenhafte, äufserst sorg- 
fältige Beobachtungskontrolle stellen und kann auf Grund einer 
kurzspannigen Beobachtungszeit durchaus kein abschliefsendes 
Urteil fällen. So bin ich fest davon überzeugt, dafs der zweite 
oder groflse Katarrakt bei Wadi Halfa z. Zt. der Nilschwelle 
manche Vogelart beherbergt, die aus dem Tropengebiet gewisser- 
mafsen mit fortgerissen, bis dorthin geführt wurde Auch nach 
den Jahren selbst mag die Einwanderung der Vögel in eine 
nördlich vorgeschobene Gegend verschieden sein. Hierauf be- 
züglich möchte ich eine Tagebuchnotiz unter dem 19. Februar 
1903 wiedergeben. In den Strauchakazien (Ssellem) der Ein- 
geborenen — (Acacia Ehrenbergiana), welche schon einen deut- 
lichen Begriff vom afrikanischen Buschwalde geben, fand ich eine 
Menge alter‘ Nester, die im Sommer höchstwahrscheinlich von 
Glanzstaaren (Lamprocolius aeneus oder auch Lamprotornis) ge- 
baut wurden. Sie standen gesellschaftlich errichtet und leicht 
erreichbar. Sie schienen mir überdacht zu sein nach 
Elsternart. Im Sommer mufs hier also doch noch ein ganz 
anderes Leben mit erhöhter Vogelpracht herrschen.?) 

Vom 18. Breitengrade ab wird man dem Zwergsegler nahezu 
überall begegnen, wo die Dom- oder Dumpalme (Hyphaene the- 
baica, L.) vorkommt, mag dies nun in einzelnen grofsen Bäumen 
oder in zusammenhängenden Beständen der Fall sein. Weiter 
südlich am Weifsen Nil, wo die unvergleichlich schöne Dol&bpalme 
(Borasssus flabelliformis) auftritt, wird man diesen kleinen Segler 
erst recht nicht vermissen. Zur Brutzeit werden einzelne Bäume, — 
einem Bienenschwarme gleich — von diesen Vögeln umflogen. 
Bei Taufikfa (nördlich der Einmündungsstelle des Ssöbät in den 
Bahr el Abiad) treten dem Reisenden die glattstämmigen und 
hochgewachsenen Dol&bpalmen sowohl östlich wie westlich des 
Weilsen Flusses in gröfseren, zusammenhängenden Beständen von 


1) Als ich darüber mit Butler, dem gründlichen Vogelkenner im 
Aeg. Sudan sprach, meinte dieser, dafs die auch von ihm in der Gegend 
zwischen Döngola und Atbara massenhaft beobachteten alten Nester der 
Glanzstare von einer vor vielen Jahren erfolgten Invasion dieser Vögel 
herrübrten, keineswegs aber als alljährlich wiederkehrende Neuerscheinungen 
anzusehen seien, Der Verfasser. 


Be 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 451 


den Eingeborenen Abu Doleb genannt, entgegen; auch in Taufikfa 
selbst stehen einzelne dieser majestätischen Palmen und begleiten 
den am Flusse entlang führenden Weg, eine wunderbare Galerie 
bildend. Diese Döl&bpalmen werden, wo immer sie auftreten, 
die Veranlassung zu gemeinsamen Wohnstätten für einige Vögel, 
die sich so an sie binden, dafs man sie ausschliefslich nur in 
deren Umgebung gewahrt. Hierzu gehören die reizenden elster- 
artigen Oryptorhina afra sowie die prachtvollen Guinea-Tauben 
(Columba guinea); ferner die Zwergsegler und die wundervollen 
stolzen Rotnackenfalken (Falco ruficollis), die sich in rasendem 
Fluge nahezu stündlich ihre Mahlzeiten aus der übergrofsen Fülle 
der Zwergsegler holen und sozusagen ausschliefslich von ihnen 
leben. Aufser diesen vier markanten Vogelgestalten treten zur 
Brutzeit auch noch zahlreiche andere Vertreter aus dem Reiche 
der Luftbewohner im Bereiche dieser ‘königlichen Palmen auf, 
gleichsam als wülsten sie, dafs sie die glatten und hohen, nahezu 
unersteiglichen Stämme vor menschlichen und tierischen Anfällen 
schützten. Sie einzeln aufzuführen, mufs ich mir hier versagen, 
da diese Schilderung nicht in den Rahmen der vorliegenden Arbeit 
gehört. Dagegen müssen wir uns des Zwergseglers wegen mit 
den Dölebpalmen selbst ein wenig näher befassen. Die unteren, 
bereits nicht mehr in Vegetation befindlichen riesigen Blatt- 
fächer hängen, an einem langen Stiele sitzend, vom Stamme ab- 
wärts herab und liegen regellos übereinander. Wenn der Wind 
in sie hineinfährt, schieben sie sich mit weit hörbarem, knarrend 
rasselndem Geräusche hin und her und hüllen sich in den die tiefen 
Blattriefen ausfüllenden Staub, der einer Sandwolke gleicht, die der 
Sämüm in der gluthauchenden Sähara in die Luft treibt. 
Diese halb erstorbenen, gewaltigen Blattfächer, zäh und stark in 
sich, unzerreifsbar fest mit dem Stiele verbunden und dieser 
wieder wie angeschmiedet unterhalb der Krone dem glatten, 
hoben Stamme ansitzend, — sind die Brutplätze des Zwergseglers. 
In den faltigen Riefen dieser Blätter baut unser Vögelchen sein 
Nest. Einem Polster vergleichbar, aus weichdunigen Vogelfedern 
bestehend, hat der kleine Künstler die aus der Luft aufgefangenen 
Materialien mit seinem Speichel zusammengefügt, dals sie kein 
noch so starker Angriff der dahin fahrenden Windsbraut zu 
zerstören vermag. Die beiden Eier auf dieser Unterlage, dem 
Gesetze der Schwere und der auf schiefer Ebene rollenden 
Kraft folgend, würden bei den Schwankungen der Blattfächer 
dem Neste entgleiten und so unrettbar dem Verderben anheim 
fallen, wenn unser Vögelchen nicht auch dafür Rat wüfste. Es 
hat die Eier an einem ihrer Pole an das weiche Federmaterial 
des Nestes angeleimt mit der Flüssigkeit seines klebrigen Speichel- 
sekretes. Und nicht nur die Eier, sondern auch die ausgeschlüpften, 
nach Nahrung raketenartig emporschnellenden Jungen werden an 
der diesem Stadium eigenen, unförmlichen, nackten Bauchhaut 
mit dem Nestmaterial durch den klebrigen Stoff verbunden, sodafs 


30* 


452 A. Koenig: 


sie weder rutschen, noch aus dem Neste herausfallen können, 
wahrlich — eine Einrichtung und Anpassung an die gegebenen 
Verhältnisse, die den Geist der Schöpfung in seiner zweckmälsigen Be- 
tätigung der Kräfte im Haushalte der Natur nicht genug 
menschlich anstaunen und bewundern lassen kann! 

Der erste Forscher, der uns über die Naturgeschichte dieses 
Vögelchens Aufklärung gebracht hat, ist Alfred Brehm ge- 
wesen. Seine höchstbemerkenswerten Ausführungen darüber finden 
sich in einem von ihm gehaltenen Vortrage, betitelt „zur Fort- 
pflanzungsgeschichte einiger Vögel Nord-Ost-Afrikas* auf der 
VII. Jahresversammlung der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft 
in Halberstadt. Cab. J. f. Orn. 1853, Extraheft pag. 93 und ff. 
Auch in seinem, die ganze Welt umfassenden Monumentalwerke: 
Tierleben II. Auflage Vögel I, pag. 404 hat er als vollendeter 
Meister der Feder seine höchst wertvolle Beobachtung an diesem 
Vogel niedergelegt. 

Heuglin, O.N. O. Afrikas I, pag. 145 bestätigt die von 
Brehm gemachte Beobachtung in vollem Umfange durch die 
seinerseits festgestellten Wahrnehmungen und krönt damit ge- 
wissermafsen die überaus wertvolle Errungenschaft im Buche 
unserer Allmutter Natur. 

Shelley (B. of Egypt.) bezieht sich nur auf Heuglins 
Bemerkungen über das Vorkommen des Zwergseglers in Aegypten. 

Die grofse Anzahl von Zwergseglern um eine ihnen zusagende 
Dölebpalme spottet jeglicher Schätzung. Fast. in jedem Fächer- 
blatte kann man dann ihre Nester finden. Ich kann ihre Menge 
wirklich nur mit einem Bienenschwarme vergleichen, der laut 
lärmend und schwirrend den Brutbaum umgibt. 

Es ist mir geglückt, bei Taufikfa, wo die Döl&bpalmen erst 
mittelhohe Bäume waren und die Untersuchung der herab- 
hängenden Blätter möglich machten, einige Nester mit Eiern 
und jungen Vögeln einzusammeln, deren Beschreibung ich in 
Folgendem gebe. 

Das Nestmaterial besteht anscheinend ausschliefslich aus 
weichen Dunenfedern. Es fällt dabei auf, dafs letztere vorwiegend 
von weilser Farbe sind, weshalb auch die von Alfr. Brehm 
gegebene Bemerkung erklärlich wird, dafs er auf den Blättern 
der Dumpalme kleine weifse Punkte gewahrte, welche von dem 
Dunkelgrün der Fächerpalmen abstachen, die ihn veranlalsten, 
die Sache näher zu untersuchen. A. Brehm erstieg nun den 
Baum und fand zu seiner Überraschung, dafs jene Blätter die 
Niststätten, die erwähnten weilsen Punkte aber die Nester des 
Zwergseglers waren. 

Die von mir gefundenen Nester in den Borassus-Palmen 
waren sämtlich in die durch die hervorstehenden Blattriefen 
hervorgerufenen Vertiefungen eingebaut und so fest verkittet, 
dafs die das Nestmaterial angreifenden menschlichen Finger 
Gewalt anwenden mufsten, um das an sich zart gebaute Nestchen 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 458 


aus den Blattriefen hervorzulangen. Das Nest ist dementsprechend 
auch stets länger als breit, milst 8-13 cm in der Länge und 
nur 4—6 cm in der Breite. 

Die sieben von mir eigenhändig gesammelten Nester habe 
ich aus den Blattriefen herausgerissen und bedaure es heute 
sehr, dafs ich nicht ein ganzes Blatt der Borassus-Palme, das 
allerdings einen riesigen Umfang aufweist mitgebracht habe, welches 
den Einbau des Nestes am besten gezeigt hätte. Die in Cab. 
J. f. Orn. 1853 auf Tafel IV 2 und 3 zur Wiedergabe gelangten 
Abbildungen des Nestes des Zwergseglers entsprechen nicht 
meinen Wahrnehmungen dieses Gegenstandes bei den Borassus- 
Palmen. Die Nester stellen vielmehr dort nach meinen ge- 
wonnenen Eindrücken nicht rundlich geformte Gebilde, vielmehr 
länglich gestaltete, den Blattriefen sich anpassende Hohlkehlen 
oder rinnenartig vertiefte Federpolster dar. 

Wenn ich die riesigen Blätter dieser Palme gewaltsam aus- 
einander bog, flog mir der brütende Vogel wohl unter den Händen 
durch, während andere Brutvögel dieser Art unbekümmert um 
mein Tun und Treiben vor meinen Augen in das Blattgewirr ein- 
flogen. Einmal habe ich auch einen Vogel auf dem Neste sitzen 
sehen, was mit ausgebreiteten Flügeln der Fall war. 


Beschreibung einiger Nester und Eier. 


I. Nest mit 2er Gelege (frisch) 
leg. A. Koenig in Taufıkia 24. 3. 1910 in Borassus 
flabelliformis. 


Das Nest ist aus grauen Haushuhnfedern und weilsen Tauben- 
federn sehr weich und zart ausgebaut. Der Längsdurchmesser 
beträgt 9 cm; der Breitedurchmesser 5 cm. 

Die im Neste an einem ihrer Pole angeleimt gewesenen 
Eier stehen durchaus in der für diese Gattung charakteristischen 
Form und Färbung. Sie sind walzenförmig, ungemein fein ge- 
adert und gewellt, mit geringen, grübchenartigen Vertiefungen 
und nadelstichartigen Poren versehen. Die weilse Schalenfarbe 
zeigt einen mälsig matten Glanz. . 


1,8 cm X 122 cm | b) 18cm X 12 cm 
# 0,05 gr. ’ 0,05 er. | 


II. Nest mit 1 Ei (defekt), das faulgebrütet im Neste lag, 
während das zweite Ei (bebrütet) beim Entleeren sprang. 
leg. A. Koenig, Taufikia, 24. III. 1910 in Borassus 
flabelliformis. 


Das Nest ist ebenfalls aus meist weilsen und grauen Federn 
zusammengesetzt und mifst im Längsdurchmesser 5 cm; an der 
Stelle, wo sich die angeklebten Eier befanden, ist es napfförmig 
ausgehöhlt. 


454 A. Koenig: 


Das leider am spitzen Pol defekte Eichen ist auffallend 
langgestreckt und milst: 
2cm X 1,2cm 
0,05 gr. 
III. Nest mit 1 Ei. 
leg. A. Koenig, Taufikia, 24. III. 1910 in .Borassus 
flabelliformis. 

Nest aus weichen Dunenfedern, mehr in grauer Farbe vor- 
herrschend gebaut und an der Basis vermittelst des Speichel- 
sekretes verklebt. 

Die beiden Eier waren angeleimt, ein Ei zersprang beim 
Ausblasen, das andere konnte wegen starker Bebrütung nicht 
entleert werden. 

Es mifst 1,9 cm X 1,2 cm. 


IV’ Nest mit 2 (vertrockneten) Dunenjungen. 


leg. A. Koenig, Taufikia, 24. III. 1910 in Borassus 
flabelliformis. 

Das Nest ist an der Unterseite zu einem Gefüge verklebt, 
die Nestmulde mit mehr grauen, als weilsen- Dunenfedern aus- 
gepolstert. Die darin befindlichen Dunenjungen waren mit der 
nackten Bauchseite am Neste angeleimt. Sie erscheinen grau- 
schwarz mit fleckig über den Körper zerstreuten, gelblichweilsen 
Erstlingsdunen durchsetzt. 


Als ich das Nest in meiner Hand hielt, wurde ich aufser- 
ordentlich überrascht durch den Anblick, welchen mir die ge- 
füttert sein wollenden Jungen darboten. Sie schnellten gleich- 
zeitig beide in die Höhe und vergrölserten ihren Durchmesser 
wohl um das 7 fache ihres Körpers, indem sie gleich steilaufge- 
richteten Stöcken spindelförmig dünn die ganze Leibesmaterie in 
die Länge resp. in die Höhe zogen. Ich konnte diese höchst 
überraschende Erscheinung nur mit einem jener bekannten Kinder- 
spielzeuge (Vexierkasten) vergleichen, wo der in Spiralen zu- 
sammengehaltene Körper des Bajazzo, Nufsknackers oder dergl. 
durch das Abziehen des Deckels plötzlich in die Höhe schnellt 
und das Kinderauge durch die ungeahnte, sich so jäh voll- 
ziehende Erscheinung ebenso überrascht, als verblüfft. 

Alle Nesthocker können sich ja bekanntlich in dem Momente, 
wo sie von den Alten gefüttert werden, in unheimlicher Weise in 
die Höhe recken, sodafs der dicke Kopf mit dem weit geöffneten, 
atzungheischenden Rachen wie ein Handknopf an einem Spazier- 
stock en miniature aussieht; aber noch bei keinem Nestvogel 
habe ich bisher diesen zum Ausdruck gebrachten Vergleich in 
so krasser Weise veranschaulicht gesehen, wie bei den am Neste 
angeleimten Dunenjungen des Zwergseglers. 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. Abb 


Die Familie der Schwalben (Hirundinidae) wird in Aegypten 
durch vier Gattungen mit zusammen 7 Arten vertreten, 


Hirundo,!) L. 1766. 
Syst. Nat. I, pag. 543. 


Rostrum minimum, incurvum, subulatum, basi depressum. 
Rictus capite amplius. 
Diagnosis apud Linnaeum |, c. 


Edelschwalbe. 


Diagnose der Gattung: Schnabel kurz und platt, an der 
Basis breit dreieckig, bis unter die Augen gespalten, dadurch 
einen weiten Rachen bildend; die Spitze des Oberschnabels 
leicht eingekerbt und ein wenig über den Unterschnabel gebogen. 

Die Nasenlöcher sind nahe an der Stirne und sind von 
länglich nierenförmiger Gestalt, teilweise von einem glatten Haut- 
rande verschlossen. 

Zunge ganz flach, dreieckig, an der Spitze geteilt, am 
Grunde gezähnelt. Augen lebhaft hervorstechend, in einer muschel- 
artigen Vertiefung — ähnlich wie bei den Seglern — liegend. 

Füfse klein, schwach; ebenso die Zehen; die äufsere Zehe 
ist mit der mittleren fast bis zum ersten Gelenke verwachsen; 
Krallen schwach und dünn, sehr zart und fein; Lauf unbe- 
fiedert, nackt. 

Flügel im Verhältnis zum Körper sehr lang, schmal und 
spitz; die Primärschwingen mit steifen Federschäften; die Se- 
kundärschwingen weicher, viel kürzer und abgerundeter; die 
1. Handschwinge ist die längste. 

Schwanz lang, gabelförmig ausgeschnitten und mit sehr 
langen Aufsenfedern (Spiefsen) versehen, immer aus 12 Federn 
bestehend und weit über die zusammengelegten Flügel hervor- 
ragend. 

; Alle hierhin gehörigen Vögel sind schmalgebaute, zierliche 
Geschöpfe, mit verhältnismälsig grolsem Kopfe und starker Vorder- 
brust. Das kleine, oberseits meist stahlblau glänzende Gefieder 
wird knapp anliegend getragen; Brust und Bauchfedern sind 
lockerer, der Stahlglanz auf den Federn liegt oberseits, während 
die Federn in der Tiefe lichtgrau und weifslich gefärbt sind. 
Die Hauptfarben des Gefieders sind weils, schwarz und ein ge- 
sättigtes Braunrot, letzteres zumeist an Stirn und Kehle. 

Zu dieser sehr gut gekennzeichneten und in sich abge- 
schlossenen Gattung, welche die Edelschwalben begreift, ge- 
hören die typischen Schwalben mit tief ausgeschnittenem (ge- 
gabeltem) Schwanze und mit meist stark verlängerten seitlichen 


1) hirundo, dinis f. = die Schwalbe, aus dem klassischen Latein 
bei Plinius, Hist. Nat., Vergil u. A. 


456 A. Koenig: 


Steuerfedern, welche wegen der feinauslaufenden Enden der an 
der Innenfahne eine Ausbuchtung zeigenden beiden Aufsenfedern 
Spie[se genannt werden. 

Die nahezu über die ganze Welt verbreiteten Vertreter 
dieser Gattung zählen ungefähr 40 Arten. Für Aegypten kommen 
nach unserer jetzigen Erfahrung 3 gute Arten in Betracht. 


5l. Hirundo rustica,!) L. 1766. 
Syst. Nat. I, pag. 343. 

Hirundo rectriecibus exceptis duabus- intermediis, macula 
alba notatis. 

Habitat in Europa domibus intra tectum, unaque cum 
urbica autumno demergitur, vereque emergit; dum volitat juxta 
terram s. aquam pluvias praesagit. 

Hirundo domestica?) apud Gesner, Aldrov. Bill, Brisson 
et alios. 

Diagnosis apud Linnaeum |. c. 


Rauchschwalbe; Landschwalbe. 


Französisch: Hirondelle de cheminee. 
Englisch: Barn Swallow; Chimney-Swallow. 


Arabisch: Asfür el Gännah = Vogel des Paradieses. 
(Kollektivname für alle Schwalben.) 


GanzeOberseite tiefschwarz,stahlblau übergossen. Schwingen 
und Steuerfedern schwarz mit erzgrünem Glanze durchsetzt. Stirn 
und Vorderkehle gesättigt rotbraun. Ein breites, stahlblau über- 
hauchtes mit rotbraunen Federchen durchsetztes Kropfband be- 
grenzt die rotbraune Kehle und die gelblichweilse Unterseite, 
welche oft einen rötlich-isabellfarbigen Anflug trägt. 

After- und Unterschwanzdeckfedern mit aufgetragener schön 
rostroter Färbung. Unterflügeldecken mit der Färbung der Brust 
übereinstimmend, meist leicht rötlich-isabellfarben überflogen auf 
stets weilsem Untergrunde. 

Von den Steuerfedern ist das mittlere Paar einfarbig schwarz 
mit erzgrünem Schimmer durchsetzt. Die übrigen Federn tragen 
an der Innenfahne einen grofsen, runden weilsen Fleck, der 
nach dem äufseren Paare zu länglicher und schräg gestellt ist. 

Iris dunkelbraun, Schnabel schwarz, Fülse dunkelrotbraun. 
Flügellänge etwa 12—12,5 cm. 

Es ist zu bemerken, dafs der prachtvolle stahlblaue Glanz 
den Frühjahrsvögeln im Hochzeitskleide — im Besonderen den 


1) rustieus, a, um Adject. = zum Land gehörig im Gegensatz zu 
urbanus — städtisch. 
?2) Artlich im ausgesprochenen Gegensatz zu Linnss Begrifis- 
auffassung sich befindend (wahrscheinlich konfundiert). 
Der Verfasser. 


"10: Ka a Ve ee ee er act, 


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Yun Ye A a 


a ee ee tee re 


Die Sperrschnäbler (Frssirostres) Aegyptens. 457 


geschlechtsreifen JO‘ zukommt; im Laufe des Sommers verblafst 
dieser intensive Glanz mehr und mehr und ist bei den jungen 
Vögeln überhaupt nicht vorhanden, höchstens schwach angedeutet. 
Die Mauser setzt bei den in Europa brütenden Vögeln im August 
ein, wird aber in den Winterquartieren erst vollständig erledigt. 


Die Rauchschwalbe ist in Aegypten ein häufiger Durchzugs- 
vogel. Der scharfsichtige Beobachter wird unseren Vogel sofort 
an der hellen, weifsen Unterseite unfehlbar von dem dort an- 
sässigen, jahraus jahrein stets sichtbaren Luftbeherrscher unter- 
scheiden und leicht feststellen können. Man sieht den flüchtigen 
Gesellen über die reifenden Aehrenfelder hastigen Fluges dahineilen, 
oder über die Viehheerden am Wasser entlang gleiten, immer auf der 
Nahrungssuche begriffen und ihr eifrig obliegend. Am Verhalten 
dieser Schwalbe sieht man es- deutlich, dafs sie nur ein Gast — 
ein Fremdling in der dortigen Zone ist und ihr nicht angehört, 
denn der auf dem Zuge befindliche Vogel trägt ein ganz anderes 
Gepräge seines Gebahrens zur Schau, als der an die Scholle ge- 
bundene und beheimatete Brutvogel. 

Bei Abu Hor, dem Orte Nubiens, wo der Wendekreis des 
Krebses über den Nil geht, habe ich am 23. März 1897 die 
Rauchschwalbe auf dem Zuge beobachtet. Die hierhingehörige 
Tagebuchnotiz sagt folgendes aus: „Über dem reifenden Getreide 
wogt Hirundo rustica (typica) und Cotyle obsoleta, auch Chelidon 
urbica ist vereinzelt darunter.“ 

Verhältnismäfsig spät im Frühjahre traf ich Rauchschwalben 
noch auf dem Zuge. So gibt mein Tagebuch unter. dem 22. April 
1898 folgende Stelle wieder: „Mit einem Segelbötchen auf dem 
Kanal gefahren bis zur ersten Eisenbahnstation Raz el Ech, — 
14 Kilometer von Port Said — Hirundo rustica massenhaft auf 
dem Zuge, auch urbica und riparia. 


Heuglin!) hat die Rauchschwalbe als Sommervogel längs 
des ganzen Roten Meeres bis zum Golf von Aden angetroffen, 
niemals jedoch in gröfseren Mengen und Gesellschaften, sondern 
meist nur einzeln und bis zu drei und vier Stück beisammen, 
sowohl um menschliche Niederlassungen, wie längs des kahlen 
unwirtlichen Strandes. 

„Zu Anfang März bis gegen Anfang Mai und zwischen 
August und Oktober erscheint sie dagegen auf dem Durchzuge 
häufig gesellschaftlich und oft gemischt mit anderen Arten längs 
des Nils und Roten Meeres, ja selbst in der eigentlichen Steppe. 
Am 15. November 1857 beobachteten wir an der Somali-Küste 
noch einen Flug wandernder Hausschwalben (scll wohl heifsen 
Rauchschwalben A. K.); ich glaube, dafs ihre Züge den Aequator 
noch nach Süden zu weit überschreiten nach Ayres bis nach 
Natal.“ 


1) Orn. NO, Afrikas I, pag. 151, 


458 A. Koenig: 


Soweit Heuglin. Seine Beobachtungen decken sich voll- 
ständig mit den meinigen. Die im Sommer gesichteten Rauch- 
schwalben am Roten Meere werden vereinzelte zurückgebliebene 
Stücke sein, die noch nicht fortpflanzungsfähig, ein zigeuner- 
artiges Leben führen, wie wir dies bei vielen in Europa be- 
heimateten Vögeln kennen. 

Shelley!) spricht sich über die Rauchschwalbe ebenfalls 
ganz in meinem Sinne aus. Er berichtet von einem noch nicht 
geschlechtsreifen Stücke, das er am 25. Februar im Delta Unter- 
Aegyptens geschossen habe, woraus er schliefst, dafs einzelne 
Vögel dieser Art das ganze Jahr über in Aegypten angetroffen 
werden können, was auch mir sehr wahrscheinlich ist und mit 
Heuglins zitierter Angabe durchaus im Einklange steht. Da- 
gegen dürfte in ganz Aegypten die Rauchschwalbe als Brutvogel 
nirgends auftreten — sie wird dort durch die ihr nahestehende, 
aber durchaus selbständige Hirundo Savignyi vollwertig ersetzt. 


52. Hirundo Savignyi,?) Stephens. 1817 
in Shaws Gen. Zool. X pag. 90 (Aegypten). 


— Hirundo cahirica, ®) Licht. 1823. Verz. d. Doubl. des 
zool. Mus. in Berlin, pag. 58. 


— Hirundo Riocourü, Sav. Systeme des Ois. de I’Egypte 
et de la Syrie (Paris 1828?) pag. 339. 


Hirundo cahirica — Deser. de l’Egypte tab. IV fig. 4. 


Affınis H. rusticae, sed abdomine toto crissoque castaneis, 
rustica paulo minor. Aeque diversa ab H. rufa, L., Gm., Lath. 
Cahira et Arsinoitis. 

Diagnosis Lichtensteinii 1. c. 

Hirundo Riocourii (pl. IV fig. 4). 

H. vertice, colli parte superiori, dorso alarum tectricibus, 
uropygio pectore caeruleis, fronte, gula, ventre, lateribus, ab- 
domine et caudae tectricibus inferioribus rufis; rectricibus apice 
nigris; remigibus fuscis, cauda valde furcata. 

Diagnosis Savignyi l. c. 


1) Birds of Egypt, pag. 120 und 121. 


2) Name zu Ehren des französ. Naturforschers Savigny (Sarv.), 
Marie, Jules, C6sar, Lölorgue de Savigny geb. zu Provins 1778, — 
begleitete die Napoleonische Expedition nach Ae-ypten, gest. als Mitglied 
der Akademie der Wissenschaften zu Paris 1851. 


8) cahiricus, a, um Adjeet. — neulateinisch, wohl gebildet aus dem 
Arabischen Mas’r el Cahira (— Hauptstadt Cairo), also cairinisch. Der 
Name ist von Lichtenstein aufgestellt worden, geb. zu Hamburg 1780, 
wurde 1811 Professor der Zoologie und 1813 Direktor des Zoologischen 
Museums in Berlin, gest. 1857 auf einer Reise von Korsör nach Kiel, 


/ 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 459 


Aegyptische Bauchschwalbe. 


Französisch: Hirondelle de Riocour. 
Englisch: Chestnut bellied Swallow. 
Arabisch: Asfür el Gännah = Vogel des Paradieses. 
(Kollektivname für alle Schwalben.) 


Oberseite genau wie bei H. rustica, also tiefschwarz, stahl- 
blau übergossen. Schwingen und Steuerfedern schwarz mit leichtem 
grünlichen Glanze überflogen, auch das Kropfband zeigt die gleiche 
dunkel-stahlblaue, mit rötlichblauem Anfluge durchsetzte Färbung. 
Der Hauptunterschied liegt in der von H. rustica durchaus ver- 
schiedenen Färbung der Unterseite, welche überall da, wo bei 
rustica weils oder gelblichweifs vorherrscht, von einer prachtvoll 
gesättigten, tief kastanienartig rotbrauuen Färbung ist. Stirn und 
Kehlfärbung tritt wohl bei weiblichen und einzelnen, noch nicht 
ganz im vollverfärbten Prachtgefieder stehenden O0" noch eine 
Nüance dunkler hervor, steht aber bei alten OO‘ mit der Brust- 
und Bauchfärbung vollständig im Einklang. Auch die Unterdeck- 
federn der Flügel sind dunkelkastanienbraun, ebenso die After- 
federn und die Unterdeckfedern des Schwanzes. 

Die runden und keilfleckenartigen weisen Stellen in den 
Schwanzfedern sind braunrötlich überflogen, am dunkelsten bei 
den inneren, weniger stark bei den äufseren Steuerfedern. 

Diese sofort und deutlich in die Augen springenden Merk- 
male, welche sich in der prägnanten Weise nur bei der in Aegypten 
vorkommenden und dort beheimateten Rauchschwalbe vorfinden, 
stempeln den dortigen Vogel nach meiner Ansicht zu einer 
durchaus selbständigen guten Art. 

Die Flügellänge ist nicht erheblich kürzer als bei rustica, 
in vielen Fällen gleichbleibend. 

Junge Vögel, die man von Mitte April ab häufig auf den 
Telegraphendrähten sitzend findet, sind naturgemäls noch nicht 
so rein in den Farben wie alte Stücke; indessen ist die Unterseite 
auch bei ersteren durchweg von einem — wenn auch ein wenig mat- 
teren, so doch gleichmälsig gesättigten kastanienartigen Rotbraun. 

Dafs alte Vögel in vorgeschrittener Jahreszeit den Glanz 
ihrer Farben verlieren, ist eine Erscheinung, welche wir bei allen 
Vögeln wiederfinden, und darf dies keineswegs als aus dem 
Rahmen des Üblichen fallend hervorgehoben werden; indessen 
vermag ich nicht die darüber gemachten Angaben nachzuprüfen, 
da mir nur Frühjahrsvögel (Februar bis Mai) zu Händen ge- 
kommen sind. In jener Zeit habe ich diese Vögel noch nicht in 
der Mauser angetroffen. 


Es dürfte keinen anderen Vogel in Aegypten geben, der so 
eng und innig mit dem Begriffe des landbebauenden Fellachen 
verknüpft und verwachsen ist, wie die vorstehende Art. Gerade 
auf dem Lande tritt uns dieses liebreizende Vögelchen entgegen, 


460 A. Koenig: 


wo immer es sein mag: Wir streifen über die Felder die von 
dem üppigen Alexandrinerklee strotzen, auf denen wir die starr 
dreinschauenden Büffel (gämüsa der Eingeborenen) angepflockt 
gewahren, die dazu berufen sind, die saftigen Kleefelder abzu- 
weiden und erblicken die dunkelbäuchige Schwalbe, wie sie die 
Büffel umfliegt, um die schwirrenden, dem Vieh so lästigen 
Fliegen wegzuschnappen; — wir gehen dem staubigen Wege nach, 
der dem Wasser haltenden Kanal entlang führt, und Sehen das 
aetherische Geschöpf über die Wasserfläche gleiten, hier und da 
den Spiegel berührend, die darauf liegende und zappelnde Kerfe 
auflesend, oder sich an einem Tropfen des köstlichen Nals 
netzend; — wir wandern auf der breiten, mit herrlichen dicht- 
kronigen Lebbach-Akazien (Albizzia Lebbek, L.) bestandenen 
Alleen, während vor und neben uns die Schwalbe pfeilartig über 
den Boden dahinjagt und sich nichts aus den ewig lärmenden, 
an Händen und Fülsen zappelnden, auf eilig hintrabenden 
Eseln sitzenden Fellachen, oder den unabsehbaren Karawanen- 
zügen der im Zeichen der Arbeit und des Transportes stehenden 
Kameele und ihrer Begleiter macht. 

Auch in der Mas’r el Cahira, wie die Araber die Haupstadt 
Kairo nennen, wird man unserm Vögelchen häufig begegnen. 
Unbekümmert um das riesige Weltgetriebe auf den Strafsen und 
öffentlichen Plätzen, sieht man den „Vogel des Paradieses“ über 
der lärmenden Menschheit dahingleiten, die Facaden der prunkt- 
haft aufgeführten Paläste nach den auch hier nie fehlenden 
Fliegen absuchen, oder auch wohl in eine der kümmerlichen 
zen über die Köpfe der darin hockenden Handwerker zu Nest 

iegen. 

Vollends zu Hause aber in des Wortes ganzer Bedeutung ist 
die dunkelbäuchige Rauchschwalbe Aegyptens in den Dörfern der 
Fellachen. Dort sieht man sie zwitschernd über den niedrigen 
Häusern sich jagen, oder auch auf dem vorspringenden Gesims 
einer verwitterten Nilschlammziegelwand sitzen, oder ganz nach 
Art unserer Rauchschwalbe ihr ansprechendes Liedchen mit 
den zerrenden und leise gurgelnden Tönen vortragen. Sie ist 
in Allem und Jedem genau die Wiedergabe unserer europäischen 
Dorfschwalbe, nur modifiziert und abgerundet durch die schon im 
Fluge sichtbare, weithin leuchtende kastanien - rotbraune 
Unterseite, wie wir sie bei keiner unserer Schwalben finden. Sie 
palst mit dieser dunklen Färbung vortrefllich in die dunkelerdige 
Landschaft ebensowohl, wie in die aus ungebrannten Nilschlamm- 
ziegeln errichteten Häuser der landbebauenden Söhne des 
Pharaonenlandes hinein; auf mich wenigstens hat dieses ungemein 
liebreizende Vögelchen stets diesen Eindruck gemacht und damit 
den ganzen Zauber der in wunderbarer Harmonie arbeitenden 
Naturkräfte ausgelöst. 

Es ist mir unbegreiflich, dafs sich viele Ornithologen da- 
gegen wehren, die aegyptische Rauchschwalbe als eine gute Art 


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| 
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Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aogyptens. 461 


anzuerkennen. Ich erinnere mich noch deutlich einer ziemlich 
heftigen Kontroverse, die ich dieserhalb mit einem Kollegen 
führte gelegentlich eines in Stuttgart auf der Jahresversammlung 
1903 der Deutschen Ornithologen gehaltenen Vortrages von 
Dr. Parrot.) Der Vortragende erwähnte die cahirische 
Rauchschwalbe und gab mir dadurch Veranlassung auf die Frage 
der Selbständigkeit dieser Art näher einzugehen. Während ich 
nun unbedingt für die Artselbständigkeit eintrat, verharrte der 
Kollege hartnäckig auf der entgegengesetzten Meinung. Der 
Streit darum wurde ziemlich lange und heftig geführt, eine Eini- 
gung jedoch nicht erzielt, da jeder fest auf seiner Meinung 
bestand und seine Ansicht vertrat. 

Es ist ja bekannt, dafs die Rauchschwalben häufig eine 
rötlich - isabellfarben angehauchte Unterseite zeigen, worauf 
Chr. L. Brehm die Art pagorum gründete. Aber dieser röt- 
liche Anflug ist anscheinend nur auf ein in gutem Futterzu- 
stande befindliches Individuum zurückzuführen und nicht auf eine 
Varietät oder gar Unterart. Ich habe vielfach gefunden, dafs 
Vögel in gesundem und übergut ernährten Zustande dort, wo 
sonst weilse Federn an Brust und Bauch vorherrschen, dieselben 
mit einem rosa-aprikosen- oder isabellfarbenen Hauch überzogen 
erscheinen lassen, während Vögel derselben Art in schlecht er- 
nährtem Zustande diese Federn durchsichtig weiß zeigen. Ganz 
besonders fällt dies z. B. bei Falco peregrinus sowie bei manchen 
entenartigen Vögeln (Somateria molissima, Mergus merganser 
u. A.) auf. Das im Körper angesammelte Fett teilt sich natur- 
gemäls dem Blute mit, welches seinerseits den erhöhten Farb- 
stoff auf die Federn überträgt. Nun ist es aber ein grofser Unter- 
schied, ob’ weilse Federn nur einen Anflug von einer rötlichen 
Isabellfarbe zeigen, oder ob eine vollständige Umfärbung der 
weilsen Federn eingetreten ist. Ersteres ist beider Breh m’schen 
sogen. Subspezies pagorum der Fall, die ich aus vorstehendem 
Grunde keineswegs anerkenne, sie vielmehr für eine individuell 
erhöhte vorübergehende Färbungsphase halte. Letzteres trifft 
voll und ganz für die aegyptische Rauchschwalbe zu. Damit 
dürfte die Auffassung gerechtfertigt erschienen, dafs wir es hier 
nicht mit einer Spielart oder Unterart, — sondern mit einer 
sogen. guten selbständigen Art zu tun haben. Der Irrtum 
Tristrams, Hirundo Savignyi in Palaestina auftreten zu lassen, 
wie er dies in seinem umfassenden Werke „The Survey of Western 
Palaestine — the Fauna and Flora 1884 pag. 60 und 61 angibt, 
ist bereits von Sharpe und Wyatt dahin richtig gestellt 
worden, dafs der in Palaestina vorkommende Vogel nicht zu 
Savignyi gehört, sondern nur eine lebhaft gefärbte Form von 


1) Niedergelegt in der Arbeit „Ornithologischoe Wahrnehmungen 
auf einer Fahrt nach Aegypten. Sonderabdruck aus dem III. Jahres- 
bericht des Ornithologischon Vereins München für 1901 und 1902. 


462 A. Koenig: 


rustica ist. Hartert hat darauf seine Subspecies Hürundo 
rustica transitiva gegründet (die Vögel der pal. Fauna, pag. 802). 

Soweit sich der landbebauende Fellache in Aegypten er- 
streckt und sefshaft macht, folgt ihm die an seine Fersen 
gebundene Schwalbe. Darüber hinaus vereinzelt sie sich nur, um 
allmählig ganz zu verschwinden. Damit können wir ibr Auftreten 
genügend präzisieren. Ihre Verbreitungslinie lälst sich vom Delta 
Unter-Aegyptens bis Karnack und Luxor in Öber-Aegypten 
ziehen. Von daab klingt sie allmählig aus, oberhalb des Schell- 
äls von Assuan bin ich ihr überhaupt nicht mehr begegnet. Man 
kann somit sagen, dafs diese Schwalbe in ganz Aegypten be- 
heimatet ist und bis zum geographisch fixierten Begriff des nörd- 
lichen Nubiens geht. 

Von grofser Wichtigkeit war es für mich, Nester und Eier 
dieser Schwalbenart einzusammeln. Da sie aber im Innern der 
Fellachenhäuser ihre Nester baut, ist es mit grolsen Schwierig- 
keiten verknüpft, dieselben zu erlangen. Denn so gutmütig der 
Fellache im Allgemeinen ist: sein Hausrecht wahrt er dem Fremd- 
ling gegenüber unter allen Umständen. Mit Argusaugen bewaeht 
er seinen Harem und wehe dem Christen, der es wagen würde 
in seine intimen Gemächer einzudringen. Im ersten Jahre ver- 
mochte ich aus diesem Grunde nicht meinen Sammeleifer zu be- 
friedigen, aber im zweiten Jahre unserer Dahabiyenfahrt (1899) liefs 
ich nicht nach, bis ich in den Besitz der Nester und Eier dieses 
Vogels kam. Unweit Nagh-Hamadi gelang es mir, einem meinen 
Worten zugänglichen Fellachen meine diesbezüglichen Wünscheklar 
zumachen und zu verdolmetschen. Dieser führte mich in seine 
Wohnung, wo eine Schwalbe ihr Nest an einem Dachsparren gebaut 
hatte, welches ich nun vorsichtig vor seinen Augen herunternahm. 
Nachdem ich noch zwei weitere Nester behutsam herunterholte, 
bedeutete ich dem Fellachen, dafs ich gerne noch mehr davon 
haben würde. Alsbald brachte der Biedere mit mehreren seiner 
Verwandtschaft noch einige der mir sehr erwünschten Nester 
und Eier dieser Schwalbe herbei, deren Beschreibung ich in 
Folgendem gebe. 

I. Nest mit 4er Gelege, 

leg. A. Koenig in einem Fellachenhause unweit Nagh- 
Hamadi 20. II. 1899. 

Das Nest, aus feuchten Klümpchen des Nilschlammbodens 
aufgebaut und mit dem Speicheldrüsensekret der Schwalbe ver- 
kittet, stellt den vierten Teil einer Halbkugel dar, mifst in der 
Länge 17 cm, in der Breite 8 cm und in der Tiefe etwa 7 cm. 
Die äufsere Peripherie der Nestmulde ist mit feinen Würzelchen 
und Halmen, die innere mit weichen Haushuhnfedern ausgepolstert. 
Die 4 darin befindlichen Eier stellen ein volles Gelege dar, wie 
ich es in dieser starken Anzahl nicht weiter vorgefunden habe, 
da die vier mir vorliegenden anderen Nester immer nur je 2 Eier 
enthielten. Sie sind nach Anlage und Form denen unserer Rauch- 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 463 


schwalbe täuschend ähnlich, eiförmig gestreckt, auf hellweilsem 
Grunde überaus fein ziegelrot gefleckt und getippelt mit den 
für die Rauchschwalbe charakteristischen vereinzelt eingestreuten 
aschfarbenen Flecken. Das Schalengefüge ist-unter der Lupe 
besehen ziemlich rissig und porig. 


a) 1,8 cm X 1,3 cm b) 2 cm X 1,3 cm, 


0,05 gr ; 0,05 gr ) 
c) 1,8 cm X 1,3 cm , d) 1,8 cm X 1,3 cm 
0,05 gr ; 0,05 gr ? 


II. Nest mit Gelege, | 

leg. A. Koenig, Fellachendorf bei Nagh-Hamadi, 20. II. 1899. 

Das ebenfalls aus feuchter Nilschlammerde klümpchenweise 
aufgebaute Nest ist mit dem Speichel der Schwalbe fest zu- 
sammengekittet. Die äufsere Peripherie der Nestmulde ist mit 
Strohhalmen ausgelegt, die innere mit weilsen Dunenfedern vom 
Haushuhn weich gepolstert. Der Längsdurchmesser beträgt 18 cm. 
Der Breitedurchmesser 9 cm, die Tiefe 7 cm. Die beiden Eier 
sind gröber gefleckt, als wie die unter I beschriebenen, länglich ei- 
förmig gestreckt, im Übrigen mit den ganz im Charakter der 
Art stehenden Merkmalen. 

2 ae. 1,2: 005 OICHM BADEN, 
0,05 gr ? 
III. Nest mit 2 er Gelege, 

leg. A. Koenig, Fellachendorf bei Nagh-Hamadi, 20. Il. 1899. 

Das gröfste und schönste Nest, gleichfalls aus feuchtem 
Nilschlammboden aufgebaut und mit dem Speichel der Schwalbe 
fest zusammengefügt. Das den vierten Teil einer Halbkugel dar- 
stellende Nest hat 20 cm Längsdurchmesser, 10 cm Breitendurch- 
messer und mindestens 8 cm Tiefendurchmesser. Die äulsere 
Peripherie der Nestmulde ist reich mit Bast und zerschlissenen 
Strohhalmen ausgelegt, die innere Nestmulde mit Dunenfedern 
weich ausgepolstert, vorherrschend sind weifse Dunen- und 
Konturfedern. 

Die beiden Eier sind auf mattweilsem Grunde besonders 
reichlich am stumpfen Pole gefleckt und getippelt und zeigen 
neben dunkelrotbraunen Flecken und Spritzen die für diese Art 
charakteristischen aschfarbenen Flecken; sie sind in der Anlage 
bauchiger, nicht so lang gestreckt wie die unter II beschriebenen. 

a) 18cm X 13cm, b) 1,8 cm X 1,3 cm 

0,05 gr 1 0,08 gr 

So fest das im feuchten Zustande herbeigetragene Boden- 
material des Nestes zu sein scheint, so spröde und brüchig ist 
es an sich. Die drei von mir persönlich mit der Messerschneide 
auf’s Sorgfältigste abgehobenen Nester sind nahezu vollständig 
unversehrt geblieben, während die beiden mir zugetragenen Nester 
nur in der Nestmulde vorliegen, da bei der nicht sachgemälsen 


2 cm xX 1,3 cm (nicht ganz) 


9 0,07 gr 


464 A. Koenig: 


Abhebung das zusammengekittete Bodenmaterial vielstückig zer- 
brach. Es ist bemerkenswert, dafs der eigenartige, für Aegyptens 
Landeskinder so charakteristische Geruch, der die ganze dortige 
Atmosphäre erfüllt, diesen Nestern noch jetzt nach zwanzig Jahren 
anhaftet. 

Nach dem mir vorliegenden Material vermag ich nicht zu 
sagen, aus welcher Anzahl das Normalgelege besteht; auffallend 
ist es immerhin, dafs vier Nester nur 2 Eier enthielten, die 
stellenweise ein volles Gelege ausmachten, da sie bebrütet waren, 
während nur in einem Neste ein 4 er Gelege sich vorfand. In 
einem Falle lag nur ein Ei im Neste, welches vor meinen Augen 
vom Dachsparren herabgeholt wurde und auf welchem die beiden 
alten Vögel brütend salsen. Dieses Ei auf weilsem Grunde grob 
dunkelrotbraun und aschfarben gefleckt, ist auffallend kurz 

1,1 cm X 1,4 cm 

‚07 gr - 

Während dieses Ei aus dem Typus der schön eiförmig gestalteten 

Eier herausfällt, wahren 13 mir zugetragene Einzeleier durchaus 
die vorgeschriebenen Merkmale dieser Art. 


und dickbäuchig, nahezu sphärisch und milst 


53. Hirundo rufula,!) Temm. 1835. 
Man. d’Ornith. 2 Ed. IlI pag. 298. 


Alpenschwalbe. 
Französisch: Hirondelle rousseline. 
Englisch: Red-rumped Swallow. 
Arabisch: nicht besonders bezeichnet. 


Kopfplatte dunkel, stahlblau glänzend, von einem lebhaft 
zimtrotbraunen Nackenbande umgeben, der unter den Augen 
seitlich am Halse breiter wird. Ein feiner Superciliarstreifen 
dunkelrotbraun. Hinterhals und Rücken sowie obere Flügeldeck- 
federn glänzend schwarzblau, auf dem Oberrücken zu einzelnen 
hellen Strichen sich formierend. In der Tiefe und im Uhnter- 
Erunde sind die oberseits dunkelblau erscheinenden Rückenfedern 
weils. 

Schwingen schwarzbraun mit zartem grünen Schimmer. 
Bürzel lebhaft zimmtbraun, Oberschwanzdeckfedern rahmfarben, 
deren längere, auf den Schwanz sich erstreckende schwarzblau 
sind und mit der Rückenfärbung harmonieren. 

Steuerfedern mattschwarz mit leichtem Stahlglanz über- 
gossen, das innere Paar stahlblau glänzend. Die beiden äußeren 
Schwanzfedern sind zu langen ausgezogenen Spielsen gestaltet 
und tragen an ihrer Basis einen lichtgrau schimmernden Keilfleck. 


1) rufulus, a, um Adject. (Deminuti vum von rufus a, um) = 


fuchsrötlieh, rotköpfig — bei dieser Art auf den Hinterkopf und Nacken 
sich beziehend. 


- A. 


a et Fe Te Ai A Sr a TE ie mn he 


Pr 


a ee ee Le ehe 


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Ps 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 465 


Kehle, Brust und ganze Unterseite mattrostgelb mit mehr 
oder weniger deutlichen dunkelen Schaftstrichen. Unterdeck- 
federn strohgelb. Unterschwanzdeckfedern stahlblau leuchtend. 


Junge Vögel sind leicht an den hellbraunen Federsäumen 
kenntlich, die namentlich auf dem Schulterfittich und den Ober- 
flügeldeckfedern deutlich in die Erscheinung treten. Im Übrigen 
erweist sich das Gesamtgefieder noch nicht in der ausdrucksvollen 
Pracht der alten geschlechtsreifen Stücke. 

Iris dunkelbraun. Der an sich klein erscheinende schwarze 
Schnabel ist stark dreieckig und kräftig gebaut und bildet, ge- 
sperrt, einen weiten Rachen. Füfse dunkelbraun mit längeren 
Zehen und kräftigeren Krallen als bei der Rauchschwalbe. 

Die an 2 frischgeschossenen Vögeln genommenen Malse 
waren folgende: 


a) Q' ad., leg. A. Koenig bei Abu Hor (Nubien) 23. 3. 1897. 
Länge: 19 cm; Breite: 29 cm; Flügellänge: 12,4 cm; Brust- 
weite: 5 cm; Schwanzlänge: 10,5 cm. 

b) Q ad., leg. A. Koenig bei Abu Hor (Nubien) 23. 3. 1897. 
Länge: 19 cm; Breite: 29 cm; Flügellänge: 11,7 cm; Brust- 
weite: 5 cm; Schwanzlänge: 10 cm. 


Nur ein einziges Mal bin ich dieser hervorragend schönen 
Schwalbe begegnet und zwar an der Stelle in Nubien, wo der 
Wendekreis des Krebses über den Nil geht: bei Abu Hor am 
23. März 1899. Ich erkannte sie sofort an dem schönen, weithin 
leuchtenden, zimmtrotbraunen Nackenbande, das bei dem 
fliegenden Vogel ganz besonders in die Augen fällt. Es war ein 
windiger Tag, weshalb wir mit unserer talwärts fahrenden ab- 
getakelten Dahabiye an Land gehen mufsten. Der um diese 
Jahreszeit sozusagen auf der Tagesordnung stehende Nordwind 
(bächari) wird den nilwärts fahrenden Dahabiyen zu einem grofsen 
Hemmnis in der Fahrt, die stellenweise, wenn der Wind über 
die normale Stärke hinaus geht, unausführbar wird. Mir war 
aber stets jeder Aufenthalt recht, weil ich mich dann gleich mit 
geschultertem Gewehr an’s Land begab und die Gegend nach 
allem, was da kreucht und fleucht, absuchte. Immer sah und 
fand ich etwas, das mein Interesse in Anspruch nahm, aber heute 
waren mir besondere Überraschungen vorbehalten. Die Bienen- 
fresser, jene lichtvollen und herrlichen Vogelgestalten, die jeden 
Menschen bei ihrem Anblick begeistern und hinreifsen müssen, 
waren eingerückt. Ich hörte ihre unverkennbaren, gurgelnden 
Locktöne und sah sie gleich darauf in gleitendem Fluge über 
mich wegziehen. Es war alles Merops aegyptius; M. apiaster 
war nicht dazwischen. Ich schofs von den herrlichen, mir so 
wertvollen Vögeln soviel ich nur kriegen konnte und hatte bald 
ein Dutzend von ihnen erlegt. Während ich mich noch so ganz 
dem Genusse der Beobachtung dieser göttlichen Geschöpfe hin- 

Journ. £, Orn, LXVII, Jahrg. Oktober 1919, 31 


. 


466 | A. Koenig: 


gab, fiel mein Blick auf die über die reifenden Gerstenfelder 
dahingleitenden Schwalben, unter denen ich zu meiner freudigen 
Überraschung die Alpenschwalbe erblickte. Von jeher ein grofses 
Wunschobjekt für meine Sammlung bildend, fasse ich die mit 
unserer europäischen Rauchschwalbe gemeinsam dahinjagende 
Alpenschwalbe fest ins Auge und erlege sie. Wie grols aber 
war mein Erstaunen, als sich bald darauf eine zweite, dritte, vierte 
u. s. w. ihrer Art zeigte, die ich alle zu Fall brachte, bis ich 
acht Stück dieser hervorragend schönen Art vor mir liegen hatte. 
Alle Exemplare wurden sorgfältig abgebalgt und so der Wissen- 
schaft erhalten; heute schmücken sie, z. T. schön aufgestellt, 
meine Sammlung. 


An Ort und Stelle, wo ich diese schöne Schwalbe erlegte, 
war ich der Meinung, es bei ihr nur mit einer Durchzugs- 
erscheinung zu tun zu haben, bin aber heute doch anderer 
Ansicht. Die an dieser Stelle schroff aufsteigenden Berg- 
wände scheinen mir durchaus nicht unpassend für die Anlage der 
Nester dieser Schwalbenart zu sein; jedenfalls war es mehr wie 
auffallend, dafs gerade an dieser Stelle die Alpenschwalbe von 
mir in verhältnismäfsig vielen Einzelexemplaren gesichtet wurde. 
Andererorts bin ich ihr in ganz Aegypten nicht begegnet. 


Alfred Brehm hat die Alpenschwalbe, die er sehr selten 
nennt, an der alten Feste Ibrihm in Nubien und aufserdem nur 
noch ein einziges Mal in Aegypten beobachtet und zwar in 
Gesellschaft unserer Rauchschwalbe. Unweit der angegebenen 
Lokalität hat sie auch Heuglin bei Der angetroffen. 


Shelley berichtet über ein Paar, welches er gegen Ende 
März über einem Sumpfe bei Damiette fliegend beobachtet hat, 
wovon er am 30. März einen Vogel schofls. Dieses von Shelley 
erwähnte Paar hat sich offenbar auf dem Zuge befunden, da die 
für diese Art zum Brüten nötigen Bergwände im Delta vollständig 
fehlen. Dagegen möchte ich noch einmal betonen, dafs ich die 
Alpenschwalbe in Nubien brütend vermute. Sonst bin ich dieser 
ausgezeichneten Art nur noch in Palästina begegnet. Als meine 
Frau und ich im Jahr 1898 nach Durchquerung der Sinaihalb- 
insel das Wadi Hebron vor Jerusalem durchritten, gewahrte ich 
Alpenschwalben an den Hängen der schroffen Bergwände fliegen, 
wo sie offenbar brüten wollten. 


In Palästina ist die vorstehende Schwalbenart mehrfach 
brütend bestätigt worden, so von Tristram, Padre 
Ernesto Schmitz u. A. Für Griechenland ist sie gleich- 
falls von Krüper als Brutvogel festgestellt worden. Ihre an 
schroffen Felswänden retortenförmig angeklebten und gebauten 
Nester nehmen eine Sonderstellung in der Gattung Hirundo ein. 
Die Eier sind einfarbig weils. 


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Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 46% 


Chelidon,!) Boie 1822. Isis, pag. 550. 
Flaumfufs-Schwalbe. 

Diagnose der Gattung: Schnabel klein und kurz, aber 
ziemlich kräftig mit leicht gebogener, am Grunde erhabener 
Firste. Der weitaufsperrbare Rachen wird von stark muskeligen 
Mandibeln gebildet. 

l. Schwinge die längste. 

Schwanz leicht gegabelt; äufsere Steuerfeder bei keiner Art 
spielsartig verlängert. 

Läufe und Zehen befiedert; Lauf (Tarsus) länger als die 
Mittelzehe. 

Von den sechs bekannten, meist paläarktischen Arten kommt 
für Aegypten di@ in ganz Europa beheimatete und dort sich fort- 
pflanzende Art Ch. urbica als Zugvogel in Betracht. 


54. Chelidon urbica,?) L. 1766. 
[>= Hirundo urbica Linne, Syst. Nat. I, pag. 344, 1766.] 
H. rectricibus immaculatis, dorso nigro caerulescente toto 
subtus alba. 
Habitat in Europa, extra domorum parietes sub tecto, redit 
die 1 frondescentiae®): venit venit Hirundo*) pulchra en 
adducens et pulchros annos. 


1) Aus dem klassischen Griechisch ysAıdılw, dovos, 7 — die 
Schwalbe — bei Hes. Her. Aesch; damit zusammenhängend das Verbum 
yslıdoviiw — zwitschern wie die Schwalben. 

Dieser von Boie (l. c.) klipp und klar für unsere Stadt- und 
Mehlschwalbe (urbica) aufgestellte Genusname ist m. A. nach beizube- 
halten und nicht zu verwerfen. | 

Dafs in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts die altklassischen, 
dasselbe besagende Namen Hirundo und Chelidon für die Rauchschwalbe 
(rustica) vielfach wechselseitig gebraucht wurden, berechtigt uns durchaus 
nicht, eine in späterer Zeit vorgenommene Scheidung dieser beiden Namen 
über Bord zu werfen. Ich stehe daher mit den englischen Ornithologen 
(Sharpe, Wyatt, Dresser) auf demselben Standpunkte und finde 
es überflüssig, einen neuen Namen (Chelidonaria, Reichw. 1889) anstelle 
des guten, alten Namens zu substituieren. Der Verfasser. 

2) urbicus, a, um Adject. — von urbs, bis = die Stadt gebildet — 
also zur Stadt gehörig, städtisch. 

8) primo frondescentiae — am Tage der ersten Laubwerdung. 

; 4) „venit, venit hirundo“. Diese Worte sind auf ein sehr hübsches 
Schwalbenliedchen zurückzuführen, wie mir mein verehrter Freund Geheimrat 
F. Marx, Prof. ord. der klassischen Philologie an der Universität Bonn 
mitzuteilen die Güte hatte, das bei Athenaeus im VIII. Buche pag. 360 
zu lesen ist. Es gibt auch eine bildliche Darstellung dieses Poöms, auf 
welcher ein Jüngling auf die vorbeifliegende Schwalbe mit der Hand hin- 
weist, ein anderer die Tatsache bekräftigt (bewahrheitet) und ein dritter 
die Verheifsung des nun kommenden Frühlings ausspricht. 
31* 


468 A. Koenig: 


Nidificat mox; saepe fringilla domestica occupat nidum 
confectum, at hirundo convocatis sociis, dum aliae custodiunt 
hostem captivum, aliae argillam adducunt, introitum, arcte claudit 
avolat relicto hoste suffocato. 

Hirundo agrestis s. rustica!) apud Gesner, Aldrov, Will, 
A. Frisch. 

Diagnosis apud Linnaeum |. c. 


Stadt-, Haus- oder Mehlschwalbe. 


Französisch: Hirondelle de fenötre. 

Englisch: White-rumped Swallow, Martin. 

Arabisch: Asfür el Gännah = Vogel des Paradieses. 
(Kollektivbegriff für alle Schwalben.) 


Kopf, Hals und Rücken glänzend blauschwarz. Die sehr 
lockeren Federn auf dem Rücken sind an der Basis weils, nur 
die Spitzen dunkel. Durch Verschiebung der Federn tritt daher 
oft das Weils zu Tage. Der ganze Bürzel ist weils, zuweilen 
mit feinen dunkelen Schaftstrichen versehen. Obere Schwanz- 
deckfedern oberseits weils, die unteren an Länge die ersten über- 
treffend, blauschwarz. 

Schwingen und Steuerfedernrauchschwarz mit ganz schwachem, 
grünlicem Schimmer. Schwanz gabelförmig ausgeschnitten. 
Ganze Unterseite, auch die Unterdeckfedern zart weils. 

Länge etwa 14 cm. Flügellänge: 10,5 cm. Iris dunkelbraun; 
Lauf und Zehen weils befiedert. Nägel weifslich, hell hornfarben; 
Schnabel schwarz. 

Junge Vögel tragen oberseits ein dunkelgraubraunes Gefieder 
mit nur angedeutetem Metallglanz. 

Die Federn des Schulterfittichs (parapterum) tragen ausge- 
sprochene weilse Säume, die bei alten Vögeln nahezu verschwinden. 
Kehle und Kropf sowie die Wangenseiten sind grau überflogen. 


Die Stadt- oder Hausschwalbe ist bis jetzt für Aegypten 
nur als Durchzugsvogel nachgewiesen. Ich habe sie wiederholt 
in Unter-Aegypten sowohl, wie in Ober-Aegypten und Nubien auf 
dem Zuge mit Rauch- und Uferschwalben zusammen angetroffen. 

Brehm, Heuglin und Shelley erwähnen die Haus- 
schwalbe ebenfalls nur als Durchzugsvogel für Aegypten. Immerhin 
ist es nicht ausgeschlossen, dafs sie sich an ihnen zusagenden 
Häusern in gröfseren Städten z. B. Alexandrien ansiedeln kann. 
Ein von mir bei Cairo am 20. April 1910 erlegtes Exemplar 
zeigte keine Verschiedenheit von europäischen Stücken. 


3) Begrifflicherseits wahrscheinlich confundirt mit Hirundo ru- 
stica, L. 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 469 


Clivicola,!) Forster. 1817. 


Syn. Cat. Brit. Birds pag. 55. 
= Cotile,?2) Boie 1822, Isis, I. Band, pag. 550. 


Minierschwalbe. 

Diagnose der Gattung: Schnabel verhältnismälsig lang, sehr 
fein, flach und seitlich stark zusammengedrückt, an der Basis 
breit- -dreieckig, beim Aufsperren einen weiten Rachen bildend, 

Nasenlöcher frei vor dem Stirngefieder liegend. 

Schwanz leicht gegabelt, einfarbig und stets ungefleckt; 
Flügel lang und spitz, den Schwanz nur wenig überragend; 
1. Schwinge die längste. 

Füfse im Ganzen zart und schwach mit seitlich zusammen- 
gedrückten Läufen und nur schwächlichen Zehen, die mit ziemlich 
langen, dünnen Krallen versehen sind. Mittlere und äulfsere 
Zehe am Grunde verbunden. Charakteristisch für die Gattung 
ist ein kleiner. Haarbüschel am hinteren (unteren) Ende des 
Laufes im Gelenke des Zehenansatzes. Lauf und Zehen sonst 
nackt. 

Das Gefieder ist weich und locker, unscheinbar gefärbt, 
meist graubraun auf der Oberseite und weifs auf der Unterseite. 

Die Vertreter dieser Gattung pflanzen sich in Erdröhren 
fort, die sie alljährlich an Flufsuferwänden, in Sandgruben und 
Erdwällen selbst zu graben pflegen. Man kennt ungefähr ein 
Dutzend Arten, welche sich auf Europa, ganz Afrika, Nord-Asien 
und Amerika verteilen; für das eigentliche Aegypten kommen, 
soweit wir bis jetzt unterrichtet sind, 2 Arten in Betracht. 


55. Clivicola riparia,®) L. 1766. 
— [Hirunda riparia, Linn Syst. Nat. I. pag. 344 — 1766.] 
H. cinerea, gula abdomineque albis. 
Habitat in Europa collibus arenosis abruptis, foramine ser- 
pentino. 
Diagnosis apud Linnaeum |. c. 


1) Olivicola, ae, F. ist die Göttin der Auf- und Niedergänge an 
den Hügeln Roms. 

2) Der Name Cotile, der ebenso richtig auch Ootyle geschrieben 
wird, ist herzuleiten aus dem Griechischen ori, n = Die Höhlung, 
alles Hohle „mär de, zo x0iRov xoriAnv &xdAovv ori naAaioi“ Apollodos 
bei Ath. XI, 479a. 

Der von Boie zuerst aufgestellte Name ist für diese Gattung ge- 
wäblt worden, um die Gewobnheit der zugehörigen Arten, in selbstgegrabenen 
Erdhöhlungen zu nisten, mit dem Begriffe dieser Schwalbe eng zu ver- 
knüpfen. Der Verfasser. 

8) riparius, a, um Adject. (von ripa, ae — Ufer) = am Ufer be- 
findlich — also Uferschwalbe (hirundo) — so gebraucht von Plinius 
80, 83, 


470 A. Koenig: 


Uferschwalbe. 


Französisch: Hirondelle de rivage. 
Englisch: Sand-Martin. , 
Arabisch: Asfür el Gännah —= Vogel des Paradieses. 


Bei alten Vögeln ist die ganze Oberseite von einem erdfarbigen 
Braun. Handschwingeu schwarzbraun, Arm- und Scapular- 
schwingen heller gefärbt und meist zart gelblichweils gesäumt. 

Schwanz nicht so dunkelbraun wie die Handschwingen, 
leicht gegabelt, ungefleckt, im frisch vermauserten Zustande an 
den Aufsenfahnen besonders auffallend am ersten Paare lichthell 
gesäumt. 

Kinn, Kehle und Halsseiten weils, ebenso Brust und Bauch; 
die weilse Ventralseite wird durchbrochen von einem ziemlich 
breiten dunkelgrauen Halsbande, welches sich auf die Brustseiten 
und Achselfedern erstreckt. Unterflügeldeckfedern bräunlich grau. 

Iris braun, Schnabel schwarz, Füfse dunkelbraun. 

Junge Vögel tragen ein weicheres mit vielem Braun durch- 
setztes Erstlingsfederkleid und sind an den hellbraunen Feder- 
säumen von alten Vögeln leicht zu unterscheiden. 

Flügellänge durchweg über 10 cm, meist 10,5 cm, aber 
auch 11 cm und darüber hinaus. 


Die europäische Uferschwalbe ist in Aegypten ein eben- 
solcher Durchzugsvogel wie es Hirundo rustica und Chelidon 
urbica dort sind. Ich gewahrte sie mit diesen Arten gemischt 
über die Felder fliegend in der eigentlichen Zugzeit (April) und 
bedauere nur, dafs ich die Gelegenheit versäumte, einige Exem- 
plare, welche bestimmt auf dem Durchzuge waren, zu erlegen. 
Doch habe ich echte riparia am Bähr el Abiad geschossen un- 
weit des No-Sees, also im Aegyptischen Sudan und zwar am 
: 97. Februar 1913. Dieses Stück hat eine Flügellänge von 10,1 cm 
und gehört demnach unstreitig zur europäischen Form. 
Während Heuglin in seiner Orn. N. O. Afrikas pag. 165 und 
166 die europäische Uferschwalbe von der in Aegypten seden- 
tären (kleineren) Minierschwalbe klar und deutlich unterscheidet, 
sind sich Alfred Brehm ebensowohl wie Shelley über die 
Artverschiedenheit der aegyptischen Uferschwalbe nicht klar. 
Brehm meint offenbar die in Aegypten beheimatete Uferschwalbe, 
wenn er von der Nord-Ost-Afrikanischen Uferschwalbe spricht, 
deren Bestimmungsname ihm nicht klar sei, dafs sie zu Tau- 
senden vereinigt an steilen und schlammigen Ufern des Stromes 
ihre Wohnungen bezieht, Aegypten aber verläfst, um längs des 
Nils noch südlicher zu gehen. Shelley dagegen lälst unsere 
europäische Uferschwalbe in Aegypten brüten und bezieht 
sich unter Cofyle minor, Cab. nur aufdie Angaben von Heuglin. 
Indem von Shelley zu minor uud riparia auch noch palustris 
und paludicola herangezogen werden, bleibt die für die Ornis Ae- 
gyptens hochwichtige Frage von Shelleys Seite ungeklärt. 


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Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 471 


Nach meinen Beobachtungen kommt Clivicola riparia für Aegypten 
als Brutvogel überhaupt nicht in Betracht; sie ist nur Durch- 
zugsvogel in Aegypten und räumt den Brutplatz an den Nilufern 
der kleineren Ausgabe ihrer Art ein, die indessen durch ihre 
durchweg geringeren Malse genügend modifiziert erscheint, um sie 
als selbständige Art anzusprechen. 


56. Olivilola Shelleyi,t) (Sharpe) 1885. 


= [Cotile shelleyi Sharpe, Catal. Br. B. X, pag. 100—1855.] 
Subspecies zu riparia. 


Shelleys oder Aegyptische Uferschwalbe. 


Französisch: Hirondelle de rivage &gyptienne. 

Englisch: Shelleys Sand Martin. 

Arabisch: Asfür el Gännah = Vogel des Paradieses. (All- 
gemeiner Name für alle Schwalben.) 


Eine Miniaturausgabe unserer europäischen Uferschwalbe 
mit fahlerer Oberseite, schmälerer Kropfbinde und weniger tief 
gegabeltem Schwanze. Die Flügellänge schwankt meistens zwischen 
9—9,5 cm — bleibt aber immer unter 10 cm. 

Die an frisch geschossenen Vögeln genommenen Mafse waren 
folgende: 

a) 9, leg. A. Koenig bei Wasta (oberhalb Cairo) am 30. I. 1897. 
Länge: 11 cm; Breite: 23 cm; Brustweite: 3,5 cm; Flügel- 
länge: 9,3 cm; Lauf: 1 cm; Schwanz: 4,4 cm; Schnabel- 
länge: 1 cm. 

b) 9‘, leg. A. Koenig bei Wasta (oberhalb Cairo) am 30. I. 1897. 
Länge: 11 cm; Breite: 23 cm; Brustweite: 3,5 cm; Flügel- 
länge: 9,4 cm; Schwanz: 4,4 cm. 

Die in Aegypten heimatende Uferschwalbe ist nichts anderes 
als eine kleinere Ausgabe unseres europäischen Vogels in Gestalt 
und Form, in Sein und Wesen; aber dennoch genügend abge- 
grenzt und modifiziert, um sie als eigene Art anzusprechen. Der 
Name mufs unbedingt Ckvicola Shelleyi, Sharpe 1885 heilsen, 
denn alle Ausgrabungen früherer Namen beziehen sich keines- 
wegs auf die in Aegypten sedentäre Uferschwalbe. Da ist zuerst 
der Name Coiyle littoralis, Licht. in Nomencl. Mus. Berol. pag. 61 
aus dem Jahre 1854 als nomen nudum zu verwerfen. Ganz 
falsch ist es aber, den Namen Cotyle littoralis, Heuglin 1869 an- 
zuwenden. Denn wo in aller Welt, frage ich hiermit, hat 
Heuglin den Namen ktioralis für diese Art angewandt? In 
seiner Orn. NO. Afrikas 1869, pag. 166 führt Heuglin unter 


1) Zu Ehren des englischen Ornithologen Captain G. E. Shelley, 
Verfasser des „Handbook of the Birds of Egypt; Birds of Africa; Mono- 
graphie of the Sun-Birds“ etc. von P, Bowdler Sharpe genannt. 


472 A. Koenig: 


Cotyle minor, Cab. den Namen Cotyle littoralis, Pr. Württbg. (nec 
Mus. Berol.) als ein Synonym zu ersterem auf. Klipp und klar 
sagt er dann weiter in seiner Beschreibung, dafs sich diese 
Uferschwalbe von der europäischen durch hellrauchfar- 
benen Vorderhals und durch Mangel des dunklen 
Halsbandes auszeichnet. Damit ist Cofyle minor, Cab. deut- 
lich und fraglos diagnostiziert. Wie kommt aber nun Hartert 
dazu, den Namen Cotyle littoralis auf Heuglin zurückzuführen, 
wie in seinem grofsen Werke: Die Vögel der paläarkt. Fauna 
pag. 812 unter 1234 zu lesen ist? Hartert hat also ofienbar 
etwas angenommen, was garnicht zu Recht besteht. Der Irrtum 
ist auch bereits von A. Reichenow in seinem monumentalen 
Werke: Die Vögel Afrikas II. Band pag. 394 (1902—1903) be- 
gangen worden, indem er Cotyle littoralis unter dem Autornamen 
Hemprich und Ehrenberg in Klammern aufführt und 
diesen Namen mit der ersten Beschreibung Heuglins zu- 
sammenbringt und auf die vorliegende ägyptische Art deutet. 
Als Fundort gibt Reichenow die Insel Argo!) in Nubien 
an, wo sShelleyi garnicht mehr vorkommt, vielmehr die von 
Cabanis aufgestellte Art minor. Der Name minor mag eben 
zu dieser Verwechselung den Grund gegeben haben, wozu noch 
der Umstand hinzutritt, dafs Heuglin unter minor, Cab. die 
fraglos auf Shelley; zu beziehenden Niststellen in Aegypten und 
Nubien angibt, — demnach eine heillose Konfusion! 

Es steht somit fraglos fest, dafs für die ägyptische Ufer- 
schwalbe einzig und allein der von Sharpe aufgestellte Name 
Shelleyi in Anwendung gebracht werden darf; alle vorweg- 
genommenen Benennungen, die sich auf unseren Vogel etwa be- 
ziehen könnten, sind unklar, und verquicken offenbar andere 
südlicher vorkommende Arten, sind daher als unbestimmt und 
den fraglichen Gegenstand verwirrend, zu eliminieren. 


Allen Reisenden ist die kleine ägyptische Uferschwalbe auf- 
gefallen. Schon Plinius tut ihrer Erwähnung (Hist. Nat. X, 
94) und berichtet uns darüber Folgendes: „In der Mündung des 
Nils bei Heraclia in Aegypten bauen die Schwalben Nest an Nest 
und setzen dadurch den Überschwemmungen des Stromes einen 
undurchdringlichen Wall entgegen von fast einem Stadium Länge, 
welchen Menschenhand kaum zu Stande bringen würde. In eben 
diesem Aegypten liegt neben der Stadt Koptos?) eine der Isis 
geheiligte Insel, welche von den Schwalben mit vieler Mühe be- 


1) Die Insel Argo liegt in der Provinz Dongola auf 19030’, wes- 
halb sich auch wohl Hartert verleiten liefs „Dongola“ unter Heu g- 
lins Rezitat zu setzen, während wir bei Heuglin diese Angabe 
überhaupt nicht finden. ) 

2) Der heutige arabische Flecken Kuft auf der rechten Nilseite 
gegenüber von Balläs — 20 Kilom, südlich von Kene gelegen. 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 473 


festigt wird. Damit der Nil sie nicht benage, bekleben sie mit 
dem Einsetzen des Frühlings die Stirnseite der Insel durch Spreu 
und Stroh und setzen ihre Arbeit drei Tage und Nächte hinter- 
einander mit solchem Eifer fort, dafs viele an Erschöpfung sterben. 
Mit jedem Jahre steht jenen dieselbe Arbeit bevor.‘ t) 

Im Pseudoplutarch über die Flüsse Kap. XVI, 8 2 steht 
folgende, ebenfalls hierhin gehörige Stelle: „Im Nil werden auch 
andere Steine erzeugt, welche Kollotes (Leimsteine)?) genannt 
werden. Diese sammeln die Schwalben beim Steigen des Nils 
und bauen eine Mauer, die die Schwalbenmauer heifst, die den 
Schwall des Wassers aufhält und nicht zuläfst, dafs das Land 
durch Überschwemmung geschädigt werde so wie es erzählt (be- 
richtet) Thrasyllos in der Aegyptiaca“. — 

Was uns Plinius über die Arbeit derSchwalben auf der der Isis 
geheiligten Insel unweit der Stadt Koptos erzählt, ist eine Begeben- 
beit, die sich heutzutage an den Alluvialwänden des Nils nahezu 
überall abspielt. Es ist unschwer einzusehen, dafs den Alten beim 
Anblick auf die unermüdliche Arbeit der Vögel an den hohen Nil- 
wällen die Vorstellung vorgeschwebt hat, dafs die Schwalben durch 
das Hinzutragen der Niststoffe diese Wälle befestigten, während sie 
sie tatsächlich durch ihre Minierarbeit lockern und dem Verfall 
anheimgeben. 

Auf den Grabdenkmälern der alten Aegypter sehen wir die 
Uferschwalbe deutlich erkennbar unzählige Male eingemeilselt und 
wiedergegeben. Bis in die neueste Zeit hinein finden wir ihrer 
Erwähnung getan; keinem Reisenden im Pharaonenlande wird sie 
entgehen. So klein und unscheinbar sieauch ist: siedrängtsich einem 
durch ihre grofse Anzahl an den alluvialen Uferwänden des gött- 
lichen Nilstromes mit Gewalt auf. Zu Tausenden und Aber- 
tausenden bezieht sie ihre Kolonien und verwirrt durch ihre 
Massenhaftigkeit die menschlichen Sinne. Alle unsere Forscher, 
denen wir so viel Aufklärung und Belehrung über die sonnigen 
Pharaonenlande zu verdanken haben, sprechen von dieser Schwalbe. 
Da ist einAlfred Brehm, der sich in seinen Berichten über 
die Vögel Aegyptens eingehend mit ihr beschäftigt, da ein 
Heuglin,Hartmann,Vierthaler u.A. Alle erwähnen 
sie voll Staunen und Bewunderung, alle geben auch mehr oder 
weniger ihrer Meinung Ausdruck, dafs sie kleiner und gewandter 
erscheint im Fluge, als die bekannte europäische Uferschwalbe, 
zierlicher vielleicht und auch ein wenig abändernd im sonst so 
bescheidenen Federkleide. Aber mit dieser Beschreibung hat es 


1) Den Hinweis auf diese Stelle sowie die Übersetzung verdanke 
ich der Güte meines hochverehrten Freundes F. Marx, in Bonn, des- 
gleichen die im Anschlufs daran erwähnte Stelle im Pseudoplutarch. 

2) Das deutet eigentlich auf andere Schwalbengattungen hin, deren 
Weibchen die Nester vermittels ihres Speichels leimen (Hirundo, Biblis, 


Oypselus). 


474 A: Koenig: 


denn auch sein Bewenden: Aegyptens Sonne zaubert eben zu 
viele andere Vogelgestalten hervor, an denen das wonnetrunkene 
Auge hängt und den Menschen zur Begeisterung fortreilst. Und 
wie es einem Brehm, Heuglin und Shelley ergangen ist, 
ist es auch mir ergangen. Beim ersten Anblick dieser Ufer- 
schwalbe wulste ich, dafs ich etwas anderes als den europäischen 
Vogel vor mir hatte, ohne mich unverweilt so gründlich und 
eingehend mit ihm zu beschäftigen, wie es meine Pflicht gewesen 
wäre. 

Mein Tagebuch unter dem 30. Januar 1897 gibt folgende 
Stelle wieder: „Ich sehe eine weifsbäuchige Uferschwalbe, die 
ich erlege. Wie ich sie aufhebe, bin ich über ihre geringe Grölse 
erstaunt. Coiyle riparia ist es gewifs nicht, vielleicht die von 
AlfredBrehm für die Tropen aufgeführte Ootyle paludibula?“ 

Zur Zeit, wenn der göttliche Nilstrom seine Wasser abgeebbt 
hat und sie in seinem alten Bett dahinwälzt, erheben sich zu 
beiden Seiten seines Laufes starre, hohe Uferwände. Sie bilden 
die Ablagerungen des Nilschlammbodens, welche des Flusses Fluten 
trüben, wenn er, gespeist von den riesigen Niederschlägen der 
Tropen, hochangeschwollen dahinfährt. Hier und da mag auch 
wohl eine solche Erdwand, welche sich durch jahrelange Auf- 
schichtung herausgebildet hat, von der Kraft des Stromes unter- 
spült und mitfortgerissen werden. Immer aber ist der Nilgott 
bestrebt, seine hohen Ufer zu erhalten und sie durch neue Zu- 
taten zn verstärken und zu vergröfsern. Diese steilen Uferwände 
nun werden von vielen Vögeln zu Niststätten auserkoren und zu 
solchen hergerichtet. Alle Miniervögel ergreifen davon Besitz. 
Der graue Eisvogel (Üeryle rudis) gräbt meterlange Gänge in 
dieses feste Erdgefüge; Bienenfresser und Uferschwalben gründen 
hier ihre nach Tausenden von Einzelwesen zählenden Kolonien. 
Ueberall in den tiefen Rissen hat sich der lebhaft gefärbte aegyp- 
tische Haussperling angesiedelt und beherscht dort sein Reich mit 
der hm angeborenen, selbstbewufsten Rücksichtslosigkeit. Zwischen 
den Schollen und tieferen Erdspalten finden wir auch wohl die 
Nester vom Wüstentrompeter (Bucanetes yithagineus) oder wohl 
auch die Brutstätten des weilsteilsigen Rennschmätzers (Dromo- 
laea leucopygia). Sind die Wände besonders steil und hoch, so 
begegnet man dort mitunter gröfseren Vetretern aus dem 
Vogelgeschlechte: Turmfalken, Schleiereulen und Steinkäuzen. 
Vor den engen Ritzen und Fugen aber sonnen sich die hübsch- 
gestreiften, echt aegyptischen Eidechsen (Mabuia quinquetaeniata) 
oder der walzenförmige, aalglatte Gongylus ocellatus. Auch Schlan- 
gen und Mäuse sieht man in den klaffenden Erdspalten verschwin- 
den, — kurz es lebt und webt an diesen Erdwänden von Allem, 
was da kreucht und fleucht unter der glücklichen Sonne Aegyptens, 
ein Jeder nach seinem Recht und seinem Anspruch, einen ebenso 
grofsartigen wie staunenerregenden Lebensstock für FR 
Einzelwesen, bildend, 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aogyptens, 475 


Darunter nehmen die Uferschwalben eine besonders hervor- 
ragende Stellung ein. Brutkolonien, welche nach Hunderten von 
Brutpaaren zählen, gewahrt man häufig, an besonders günstigen 
Stellen bis zu Tausenden von Individuen anwachsend. Einem 
grofsen Siebe gleich stellen sich die Uferwände dar, wo das 
emsige Getriebe dieser unermüdlich zu- und abflutenden Vögel 
vor ihren selbstgegrabenen Niströhren die menschlichen Sinne 
geradezu verwirrt. Das ist ein Hin- und Herwogen, ein Rütteln 
und Überschlagen in der Luft, ein Einschlüpfen in die Neströhren 
und ein beständiges Arbeiten, sodafs der zu feinem Staub ver- 
arbeitete Erdmulm fortwährend aus den Röhren herniederrieselt 
und sich allmählich wie unter einem Siebe am Grunde wallartig 
auflagert. Ab und zu vernimmt man auch einen leise wispernden 
Ton der wie „tyri“ klingt oder auch ein zartes in Doppeltönen 
sich aneinandereihendes Zwitschern. Dies sind aber Ausnahmen 
von der Regel, die meistens nur dann in die Erscheinung treten, 
wenn Störenfriede das emsige Getriebe der kleinen emsigen Ge- 
schöpfe unliebsam beeinflussen. Die zu bewältigende Arbeit ist 
auch zu grofßs, das Graben der Röhren mit den schwachen zier- 
lichen Füfschen und das damit verbundene Herausschaffen des 
Erdreichs zu mühsam, um noch Zeit zu finden, dazwischen zu 
singen und Kurzweil zu treiben. Der grenzenlose Eifer beschleu- 
nigt die riesige Arbeit in wahrhaft staunenswert rascher Weise. 
Eben bezogene Uferwände gleichen bereits nach einigen Tagen dem 
fertig gestellten Bilde eines grofsen Siebes, — wahrlich die Wie- 
dergabe einer Herkules-Arbeit durch die Gestalt eines schwachen, 
zierlichen Vogelkörpers, der die Energie in einer beispiellosen 
Weise kulminiert. 

Welche Einflüsse es sind, die in Aegypten sedentäre Ufer- 
schwalbe kleiner und schwächlicher zu gestalten, als die euro- 
päische, entzieht sich vorläufig unserer Beurteilung. Ich möchte 
nur bemerken, dafs ich die aegyptische Uferschwalbe ausschliefslich 
in den alluvialen Ablagerungen des Nilschlammbodens nistend 
gefunden habe, nicht aber an Bergwänden und in Sandgruben. 
Von Kairo an aufwärts wird man diesem lieblichen Vögelchen 
überall im Bereiche des Nilstromes begegnen. Dort, wo das 
nubische Sandsteingeschiebe auftritt und den Flufs in seine 
nackten Wände nimmt, verschwindet diese Schwalbe gleichsam 
naturgemäfs von der Bildfläche Sie ist ein ausgesprochenes 
Kind des Nilschlammbodens und zwar im eigentlichen Aegypten- 
lande selbst. Darüber hinaus geht sie anscheinend nicht und 
wird bereits in Döngola von der graukehligen, eines Kropf- oder 
Brustbandes ermangelnden, ganz anderen Art minor, Cab. ersetzt. 
Immerhin gehören zur Klärung der Verbreitungsfrage dieser 
Schwalbe noch viel eingehendere und gründlichere Beobachtungen, 
als sie bis jetzt angestellt worden sind. 

Ich habe ein Exemplar auf der asiatischen Seite in der grolsen, 
weiten Markha-Ebene am Fulse des sich von dort erhebenden 


476 A. Koenlg: 


Sinaigebirges am 9. März 1898 geschossen. Das will aber wenig 
besagen, da dieser Vogel offenbar dort auf der Wanderung herum- 
streifend begriffen war; ebenso werden auch natürlich in 
Nubien vereinzelte Individuen dieser Art angetroffen werden 
können. Die angegebene Verbreitungsgrenze einer Vogelart ist in 
den meisten Fällen nur relativ, aber nicht absolut zu verstehen. 

Aus dem von mir gesammelten, umfangreichen Nester- und 
Eiermaterial greife ich Folgendes heraus: 


I. Nest mit 4er Gelege. 
leg. A. Koenig, gegraben aus Niluferwand unterhalb 
Bellianah 12. IV. 1897. 

Die Neströhre, welche ich auf mindestens 60—70 cm 
Länge schätze, führte am Ende zu einer muldenförmigen Er- 
weiterung, in welcher fest an die Wände angepafst, das Nest 
eingefügt war. Die Nestmaterialien sind sehr locker aufgetragen, 
sodafs das Nest nur mit grofser Sorgfalt zusammengehalten 
werden konnte. Es sind meistens locker aufeinandergeschichtete, 
stark verwitterte Stroh- und Basthalme. Die Nestmulde ist mit 
vereinzelten, weichen, weifsfarbigen Dunenfedern ausgelegt. Das 
ganze Nest ist bei weitem nicht so fest zusammengefügt, wie bei 
unserer europäischen Uferschwalbe und bedeutend kleiner im Um- 
fange. Es beträgt im Durchmesser 9 cm. 

Die Eier sind klein, nicht sehr zartschalig, von einer ge- 
drungenen, am stumpfen Pole ziemlich bauchigen, spitz abfallenden 
Form; im frischen Zustande schimmerte der gelbe Dotter apri- 
kosenfarbig durch; im entleerten Zustande sind sie stumpfweils. 

N 1,7cm X 1,3 cm, b) 1,5 cm (voll) X 1,3 cm (nicht ganz), 

Ps Nr 0,05 gr $ 

c) 1,7 cm X 1,3 cm (nicht ganz), d) 1,7 cm X 1,25 cm 

0,05 gr f 0,05 gr 
ll. Nest mit 3er Gelege (Eier frisch). 
leg. A. Koenig, gegraben in Niluferwand unterhalb 
Bellianah, 12. IV. 1897. 

Das Nest ist aus Quecken und verwitterten Strohhalmen 
lockerschichtig gebaut, die Nestmulde mit vereinzelten weilsen 
Dunenfedern ausgelegt. 

Der Durchmesser dürfte 9 cm betragen. Die Eier sind 
von gestreckterer, gefälligerer;Eiform als die unter I beschriebenen; 
unter der Lupe besehen, wulstartig überzogen und nicht sehr 
zartschalig, stumpfweils und wenig glänzend. 

a) 1,9 cm X 1,25 cm, b) 1,8 cm X 1,25 cm, 

0,05 gr i 0,05 gr h 
c) 1,8 cm X 1,2 cm 
0,05 gr 


N N 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 477 


III. 4er Gelege (frisch). 
leg. A. Koenig, gegraben in Niluferwand bei Assiut, 
23. IV. 1899. 

Die schwachglänzenden Eier sind von übereinstimmend ge- 
drungener, am stumpfen Pole bauchiger Gestalt und fallen zum 
spitzen Pole sich zuspitzend ab. Farbe reinweils. 

1,6 cm X 1,2 cm, 1,6 cm X 1,2 cm, 


2) 005g n 0,050 
e) 1,600 X: 2 cm, d) 1.6 Cm; 3%. 1,2 cm 
0,05 gr : 0,05 gr 


Während die Nester unserer europäischen Uferschwalbe an- 
scheinend durchweg umfangreicher in der Peripherie und somit 
gröfser im Durchmesser sind, die Nestmulde auch sorgfältiger 
mit Vogelfedern ausgelegt ist, wie die Nester der ägyptischen 
Uferschwalbe, weisen die Eier beider Arten keine wesentlichen 
Verschiedenheiten auf. 

Mit 1,6 cm im Längsdurchmesser sind die Eier der ägyp- 
tischen Uferschwalbe um 1 mm kleiner, erreichen aber zumeist 
die Mafse des europäischen Vogels. Das Schalengewicht ist bei 
Letzterem durchschnittlich um 2 mgr. stärker. 

Im Allgemeinen sind die Eier klein, meist bauchig, aber 
auch länglich oval und nicht so zartschalig wie bei Hirundo 
Savignyi und Biblis obsoleta. Der strohgelbe Dotter schimmert 
rosafarben durch das Ei und gibt ihm einen zarten, aprikosen- 
farbigen Hauch; ausgeblasen erscheinen die Eischalen stumpfweils. 

Das volle Gelege besteht aus 3 und 4 Eiern; ein 5 er Gelege, — 
die normale Zahl unserer europäischen Uferschwalbe, — habe ich 
nicht gefunden. 


Biblis,!) Lesson. 1837. 


Compl. Buff. VIII, pag. 495. 
— Piyonoprogne, ?) Reichenb. 1850 Syst. Av. tab. XXX VI Fig.6. 


1) Vermutlich aus dem Griechischen ßuPßAfs, ödog, 7, zurückzuführen 
auf AıßAdov oder Bußiiov, ro — Papier aus Byblusbast von der Papyrus- 
staude (Oyperus Papyrus, L.), auch Stricke undanderes daraus Verfertigtes. 
Möglich, dafs dem Namengeber bei Schaffung dieses Namens das mit 
Speichel zusammengefügte, aus feinen Sand- und Schlammteilchen be- 
stehende Nestmaterial dieser Vogelgattung vorgeschwebt hat, das der 
Farbe nach dem grauen Pflanzenpapier täuschend ähnlich sieht. 

2) Dieser Name ist viel besser und leichter zu deuten. Er setzt 
sich aus dem griechischen Zeitwort zzUw = spucken, ausspeien und 
Procne auch Progne geschrieben (griechisch z00%»7) zusammen. 

Procne ist der Name für die Tochter des Pandion, Schwester der 
Philomela und Gemahlin des Tereus, welche in eine Schwalbe verwandelt 
wurde. Ov. Met. 6, 440; das Wort wird aber auch für Schwalbe selbst 
gebraucht von Vergil und Ovid. Ptyonoprogne würde demnach übersetzt 
heifsen: Spuckschwalbe — auf die durch den Speichel der Schwalbe 
zusammengefügten Nester sehr wohl verwendbar. 


478 ‘A. Koönig: 


Felsenschwalbe. 


Diagnose der Gattung: Gefieder überaus weich und zart- 
flockig. Schnabel mit aufgeworfenen, umgebogenen$Rändern, an 
der Basis breit dreieckig sich sehr weit sperrend und einen 
grofsen Rachen bildend. Die Schnabelspitze ist vorne leicht ein- 
gekerbt und greift ein wenig über den Unterschnabel herüber. 
Nasenlöcher vor der befiederten Stirn liegend. 

Die Schwingen überragen das Schwanzende stets um ein 
bedeutendes mehr, wie bei Clivicola. 1. Schwinge ist die längste 

Lauf und Fülse nackt, ohne Federbüschelam unteren 
Laufgelenk, schwach und zart geformt. 


Schwanz sehr leicht ausgeschnitten, kaum gegabelt und stets 
weils gefleckt. Die Vertreter dieser vorzüglich in sich ab- 
geschlossenen, von Olivicola (Cotile) durchaus differenzierten 
Gattung bauen ihre Nester vermittels ihres Speichelsekretes an 
vor Niederschlägen geschützten Felsenwänden und bevorzugen 
bergige Gegenden zu ihrem Aufenthalt. 

Die wenigen bekannten Arten verteilen sich auf Europa, 
Nord-Afrika und Asien; in Aegypten heimatet eine Art. 


57. Biblis obsoleta,!) Cab. 1850. 


— [Cotile obsoleta, Cabanis Mus. Hein. I pag. 50 — 1850.] 
= Üotile cahirica,2) A. Brehm 18552J. f. Orn. 1853, pag. 452. 


Fahle Felsenschwalbe. 


Französisch: Hirondelle päle de rocher. 

Englisch: Pale Crag Martin. 

Arabisch: Asfür el Gännah = Vogel des Paradieses. 
(Kollektivbegriff für alle Schwalben.) 


„Der Cotyle rupestris Boie, äufserst ähnlich aber merklich 
kleiner und in der Färbung heller, verblichener. Die Unterseite 
ist vom Kinn bis über die Brust hinab fast reinweils, da die 
dunkelgrauen Striche oder Flecke am Kinn und dem oberen Teile 
der Kehle gänzlich fehlen und der rostgelbliche Anflug sich nur 
schwach zeigt oder mehr oder weniger gänzlich fehlt. Hierdurch 
erscheint auch die Färbung des Bauches und Afters mehr mit 
der Oberseite übereinstimmend; die weißsen Flecke an den 
Schwanzfedern sind kleiner. Ganze Länge 51/,“; Flügel etwa 
4.1/. ”- ‚Schwanz. 2°. 

Beschreibung von Cabanis, 1. c. 


1) obsoletus, a, um Adject. (vom Verbum obsolesco, l&vi, &re — 
unschimmer machen, abnutzen) —= unschimmer, unscheinbar, abgenutzt, 
abgetragen, hohl. 


3) cahiricus, a, um Adject. — Kairinisch. 


N 


v en ee Le 


ie ee Se ee ee ee ee 


Die Sperrschnäbler (Fissiröstres) Aegyptens. 479 


Der hervorragend zutreffende Artname obsoleta kennzeichnet 
diese Schwalbe sofort äufserlich. Die ganze Oberseite ist von 
einem fahlen, aschfarbenen Grau, am hellsten ausgeprägt ist 
diese verblichen aussehende Aschfarbe auf dem Bürzel und den 
Oberschwanzdeckfedern, auf dem Rücken nach aufwärts zu ver- 
dunkelt sie sich allmählich und wird auf dem Kopfe am dunkel- 
sten, dort etwa an die Färbung von Sylvia curruca erinnernd. 
Der innere Winkel zwischen Auge und Schnabel pflegt am dun- 
kelsten zu sein. Die langen Handschwingen haben schön glänzende 
schwarzbraune Schäfte und sind in der Färbung einen ganzen 
Ton dunkler gehalten als die Rückenseite. Die Ränder der 
Aufsenfahnen sind ungemein zart grau gesäumt und mit einem 
grünlichen Dufte leicht überhaucht. Armschwingen und Schulter- 
fittich stimmen mit der fahlen Rückenfärbung überein. 

Der aus 12 Federn gebildete Schwanz ist in der Mitte nur 
ganz leicht eingekerbt und verdient kaum die Bezeichnung 
schwalbenartig ausgeschnitten. Das äufsere Schwanzfedernpaar 
ist meistens ungefleckt, trägt aber ausnahmsweise einen kleinen 
rundlichweifsen Fleck im unteren Drittel der Innenfahne; ebenso 
ist das mittlere Schwanzfederpaar einfarbig grau, welches sich 
dachziegelartig deckend über die anderen Schwanzfedern her- 
überlegt. Alle übrigen Schwanzfedern tragen grofse mondförmige 
weilse Flecken, welche nach innen zu an Umfang zunehmen. 
- Die Flügelspitzen überragen stets den Schwanz. 

Kinn, Kehle und Brust sind weils mit einem Einschufs von 
leichter, bräunlichroter Ockerfärbung, die mitunter vorherrschen 
kann, während sie bei anderen Exemplaren zurücktritt und der 
hellweifsen Färbung Platz macht. 

Die Kehle ist im ausgesprochenen Gegen- 
satz zu rupestris stets ungestrichelt. Bauchseite und 
Weichen braungrau überflogen, desgleichen die Unterseite der 
Flügel. Untere Flügeldeckfedern dunkelgrau, die am Aufsenrande 
(untere Axillaren) deutlich hellgrau gesäumt. After und Unter- 
schwanzdeckfedern braungrau. 

So sehr die Gesamtfärbung, namentlich die der Oberseite, den 
Eindruck von abgeblafstem und abgeriebenem Gefieder auch 
hervorrufen mag, ist dies bei genauerer Betrachtung keineswegs 
der Fall. Die Färbung dieses Vogels ist in höchster UÜberein- 
stimmung mit der Berggegend, in welcher er lebt, eine An- 
passungserscheinung im vollendetsten Sinne des Wortes. Nur auf 
unsere menschlichen Augen macht das unscheinbare aschgraue 
Kolorit des Federkleides einen farblosen, abgenutzten und ab- 
geriebenen Eindruck: in Wirklichkeit ist es eine zur höchsten 
Vollendung sich herausgebildet habende Färbungserscheinung. 

Die im Januar von mir erlegten Vögel in ganz frischem 
Gefieder zeigten wenig oder fast gar keinen Unterschied im 
Färbungstone gegenüber den in vorgerückter Jahreszeit erlegten 
Stücken. Dagegen scheinen mir die von Schrader im Sinai 


480 A. Koenig: 
gegen Ende Juli erlegten Vögel auf der Oberseite einen deutlich 
erkennbaren Anflug von helllehmfarbiger Beimischung zu haben, 
wasich aber daraufzurückführe, dafsesVögel im Jugendgefiedersind. 
Iris dunkelbraun; Schnabel schwarz; Fülse zart und schwach, 
bräunlich. 
Ein von mir am Mokhatamgebirge am 10. Januar 1897 er- 
legter Vogel wies folgende Mafse auf: Länge: 12,5 cm; Breite: 
29 cm; Flügellänge: 12 cm; Brustweite: 4 cm; Schwanz: 5 cm. 


Die fahle Felsenschwalbe ist eine ebenso hervorragende als 
würdige Vertreterin der Ornis Aegyptens. Sie palst in das Ton- 
gemälde hinein wie die wunderbaren Knäufe auf die Säulen und 
Pylonen der alten Tempel, oder die auf ihnen wiedergegebene 
Lotosblume aus der längst entschwundenen Zeit in das noch 
heutige alte Aegypten. Nicht in farbenprächtiger Umgebung 
wurde sie geboren, nicht im saftstrotzenden Grün der durch das 
göttliche Nilwasser befruchteten und besamten Ackerscholle, nicht 
in den elenden Dörfern der Fellachen, auch nicht in dem un- 
ruhigen Getriebe der grofsen Städte: sie ist ein unscheinbares 
Kind der entlegenen Berge und der mit ihr zusammenhängenden 
Wüsten und Einöden. Wer jemals das über dem Weichbilde 
der Stadt Cairo thronende, aus Nummulitenkalk bestehende 
Mokhatam-Gebirge besucht und über und über bestaubt dort 
seine Quergänge gemacht hat: der wird es begreifen, wie diese 
Schwalbe in das dortige Gemälde hinein pafst. Die Berge haben 
sie geboren und halten sie nun fest mit der ganzen Gewalt ihrer 
mystischen Kräte. Und dahinein gehört sie, dahinein palst sie. 
Wenn die Gluthitze über den Kalkwänden brütet, badet sie sich 
im Äther und trotzt den sengenden Sonnenstrahlen; gleiten sie 
doch an ihrem unscheinbaren grauen Federkleide ab, wie die 
Wassertropfen vom Oltuche oder von den steilaufstrebenden Lotos- 
blättern. Wenn aber die Sonne ihr Tagewerk da oben vollbracht 
hat und zur Rüste geht, übergiefst sie die weilsen Kalkfelsen 
mit ihrem Purpurglanze, dafs sie wie Rosenwangen erglühen und 
jeden Beschauer sprachlos vor Staunen und Bewunderung machen. 
Dann reflektieren auch auf dem nimmermüden Vögelchen dieselben 
Strahlen und lassen es in einem ebenso zauberhaften rosaroten 
Lichtscheine erstehen. Wenn man dann des Abends auf der 
Zitadelle der grofsen Moschee steht und auf die stattliche Reihe 
der kuppelförmigen Mameluckengräber blickt, kann man dieses 
einzigartige Schauspiel wiederholt ganiefsen. Nur kurze Zeit 
zwar gewährt uns die Stellung der Sonne dieses Phänomen — 
und doch so wunderbar und farbenreich im Momente, wo sie ihre 
letzten Grüfse beim Untertauchen hinter den Pyramiden von 
Ghizeh dem Gebirgszuge des Mokhatam hinübersendet. Dann 
wandeln sich die noch eben glutrot ausgesehen habenden Grab- 
stätten der alten Aegypter-Könige zu bläulich lilafarbenen 
Monumenten um, werden dunkeler und dunkeler, um sich kurze 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aogyptens. 481 


Zeit darauf wieder in alter Weise hell und scharf vom Horizonte 
abzuheben. Nun verschwindet aber auch die liebliche Schwalbe 
aus der Luft. Die vorgeschrittene Zeit nötigt sie, ihre Schlaf- 
stätte an der rissigen Bergeswand aufzusuchen; mit sanftem 
Gleiten und Schwimmen in der Luft, deren wunderbaren Bögen 
unsere Augen eben noch wonnetrunken gefolgt sind, entschwindet 
sie uns und macht nun dem Heere der unruhig flatternden, hastig 
uns umfliegenden Fledermäuse Platz: jene ein getreues Bild der 
alles durchdringenden, wahrheitliebenden, zur Freiheit des Handelns 
erweckenden Sonne, — diese das Ebenbild der Nacht mit 
ihrem die Ungewifsheit deckenden und verkörpernden Begriffen. 

In der ganzen Bergwüste vom unteren Aegypten an bis 
weit hinauf nach Nubien wird man dieser Felsenschwalbe be- 
gegnen. Sie fehlt nirgends, wo es Höhenzüge gibt und tritt 
dort überall paarweise zur Brutzeit auf. Mit besonderer Vorliebe 
folgt sie auch dem nubischen Sandsteingeschiebe, das sich dicht 
an die Ufer des Nils drängt. Dort umfliegt sie jahraus, jahrein 
die nackten Hänge und gründet unter überhängenden Felsen 
oder im Innern der Heiligen- oder Schechgräber ihr kunstvoll 
zusammengefügtes, weich ausgepolstertes Nest. Sie ist ein aus- 
gesprochener Standvogel in ganz Aegypten und springt auch wahr- 
scheinlich als ebensolcher nach Asien über. In den Tälern des 
Sinaigebirges, wo ich sie selbst beoachtet und gesammelt habe, 
heimatet die Schwalbe ebenso wie in Aegypten. Bis Wadi-Halfa 
ist sie überall anzutreffen, anch darüber hinaus, namentlich im 
„Batn el Hägär, dem Bauche der Steine,‘ wie der Araber den 
grolsen wüstensteinigen Komplex aufwärts vom II. oder grofsen 
Schälläl bei Wadi-Halfa nennt, selbst darüber hinaus noch in 
der Provinz Döngola. Von da ab scheint sie allerdings all- 
mählich in der Verbreitung abzunehmen, in ihrer Art zu er- 
löschen. Wenigstens erinnere ich mich nicht, sie bei Chartüm 
und weiter südlich gesehen zu haben. 

Von allen Ornithologen, welche Aegypten im Dienste der 
Wissenschaft bereist haben, wird die fahle Felsenschwalbe er- 
wähnt, so von Alred Brehm, welcher sie in seinem Berichte 
über den Zug der Vögel in N. O. Afrika, Cab. J. f. Orm. 1853 
pag. 452, unter dem von ihm gegebenen Namen Cotile cahirica 
aufführt, ferner von Heuglin, Hartmann, Vierthaler, 
Shelley u. A. Heuglin berichtet (pag. 163), dafs diese 
Schwalbe in Abessinien bis in die Nähe der Eisregion geht und 
dafs er in Semien sie noch auf. 11—12,000° Meereshöhe erlegt 
habe. 

Besonders häufig ist sie in Nubien. In der Umgegend 
von Assüän fehlt sie keinem Wadi, keinem Chor. Sie drückt 
den zauberhaft schönen Stromschnellen mit den vielen von der 
Sonne geglätteten und schwarz polierten, wie die dortigen 
Menschenkinder gefärbten Granitbarren ihren eigenartigen 
Stempel auf, Jedes Heiligengrab wird von ihnen umflogen, jede 


Journ, £, Orn, LXVIL, Jahrg. Oktober 1919, 32 


482 A. Koenig: 


Friedhofsstätte besucht. Mit ausgebreiteten Schwingen gleitet 
sie majestätisch im sonnenklaren Aether dahin, ohne jemals die 
Würde ihres Ausdrucks zu verlieren. Selten habe ich sie hastige 
Flügelschläge ausführen sehen, auch kaum je einen Laut von 
ihr vernommen. Auch nicht in starker Ansammlung ihres- 
gleichen wird man sie gewahren, sondern immer nur vereinzelt 
oder zu Paaren. Aber sie liebt es, sich in höhere Luftschichten 
zu erheben, wo ihr Körper durch Interferenz des Lichtes oft 
geradezu glaskörperartig hell erscheint. Wo man aber auch ihr 
begegnet: immer ist es der Ausdruck der Bescheidenheit, ge- 
paart mit der höchsten Vollendung ihrer Flugfähigkeit, welche 
dieses gar liebliche Geschöpf in unerreichter Meisterschaft der 
Anpassung an die umgebende Natur den Menschen zur Be- 
wunderung und Begeisterung fortreilsen muls. 

Ich habe es mir selbstredend sehr angelegen sein lassen, die 
Fortpflanzungsgeschichte der fahlen Felsenschwalbe zu erforschen 
und habe denn auch zu meiner Freunde genügend Gelegenheit 
gehabt, ihre Nester und Eier zu finden und einzusammeln. 

Um die Mitte Februars schreitet diese Art zur Fortpflanzung. 
Ihre Nester findet man leicht, da sie der Vogel selbst durch sein 
. harmloses Zu- und Abfliegen an der Brutstelle verrät. 

Die Nester stehen stets geschützt unter überhängenden 
Steingesimsen, in Nischen, in in Felsen gehauenen Gängen, in 
Schech- und Heiligengräbern, immer aber an Orten, die entweder 
einen natürlichen oder künstlichen Schutz gegen Regen oder 
sonstige elementare Gewalten gewähren. Das Nest selbst ist 
geradezu ein Meisterwerk von zierlichem Aufbau und künstlicher 
Herrichtung. Es wird aus dem dortigen, fast reinsandigen, nahezu 
aller fettigen Erdbestandteile entbehrenden Boden hergestellt 
und ist, obschon an sich fest mit den Speichel verkittet, doch 
so spröde und brüchig, dafs der leiseste Druck der Hand genügt, 
die Trümmer des Kunstaufbaues zwischen die Finger zu bekommen. 
Als ich die ersten Nester dieser Schwalbenart bei Assüän ge- 
funden hatte, gab ich mir jede erdenkliche Mühe, dieselben mit 
der feinen Schneide eines Federmessers von der Wand abzulesen. 
Aber ich hatte kaum den leisesten Druck darauf ausgeübt, als 
das herrliche Gebäude zwischen meinen plumpen Händen zer- 
brach, — einer prächtig aufgefüllten Schaumtorte vergleichbar, 
die nur des geringsten Anstolses bedarf, um in Bruchstücke zu- 
sammenzufallen. Es gibt Dinge in der Natur, die nicht den 
leisesten Angriff der menschlichen Hand vertragen können und 
unter ihr in Trümmer gehen müssen. Einem Spinngewebe 
gleich, wird das künstlich geformte Gebilde vernichtet, sobald 
die ihm gegenüber unproportioniert gestaltete menschliche Hand 
ein solches anzufassen wagt. Dazu gehören auch die Nester 
dieser Felsenschwalbe. 

Nachdem ich trotz gröfster Sorgfalt immer wieder nur die 
Bruchstücke des äufseren Materials in Händen hielt, und selbst 


; 
i 


Die Sperrschnäbler (Pissirostres) Aogyptens. 488 


diese bei jeder noch so geringen Erschütterung sich teilten und 
in ihre Molekel zerfielen, gab ich es schliefslich auf, die so über- 
aus empfindliche, spröde Aufsenwand des Nestes als ein zu- 
sammenhängendes Ganzes vom Felsen herabzuholen und für die 
Sammlung zu retten. Nur mit der weich ausgepolsterten Nest- 
mulde mufste ich mich begnügen. Vielleicht haben später 
andere, bedeutend sorgfältiger veranlagte Sammler mehr Glück 
mit der Abhebung dieser geradezu filigranartig angelegten Kunst- 
werke von Nestern, als ich es damit gehabt habe. 

Das Nest ist nach Form und Anlage genau so gebaut, wie 
dasjenige der Rauchschwalbe und stellt gleich dieser den vierten 
Teil einer Kugel dar. Aeufserlich erweckt sie den Eindruck 
eines wie aus grauem Pflanzenpapier hergestellten Körbchens. 
Besonders fest scheinen mir die ersten Erdkrumen an der 
steinigen Wand angeklebt zu werden, da diese sich nur mit 
äulserster Gewalt von der Steinplatte abheben lassen, in der 
Regel aber als schwer zu entfernende Fragmente haften bleiben. 
An für die Anlage der Nester besonders günstigen und dazu 
geeigneten Stellen in Felsengängen und Nischen gewahrt man 
auch eine ganze Reihe von solchen Fragmenten als Ueberbleibsel 
der alten oder noch nicht fertiggestellten, d. h. also im Stich 
gelassenen Nester. Die Herstellung der Nester mufs dem zarten 
Vögelchen eine grofse Summe von Fleifs und Arbeit auferlegen, 
da man sonst nicht so viele frisch angefangene und doch wieder 
verlassene Nester sehen würde. Wie federleicht sind die Kör- 
perchen der brütenden Vögel, die sich oft gemeinsam auf den 
gleichsam aus Schaum bestehenden Nestrand setzen, und wie leicht 
mufs das Körpergewicht der drei bis vier jungen Vögelchen sein, 
das diese schaumgeborene Schale als Wiege fest und sicher trägt. 


Beschreibung der Nester und Eier. 


I. Nestmulde mit Gelege von 3 Eiern; leg. A. Koenig in 
Chor Abu-Agjähg bei Assuan, 21. II. 1897. 

Die Nestmulde ist zunächst mit Pflanzengrannen und dünnen 
Halmen ausgelegt, dann mit weilsen und braunen Vogelfedern 
weich ausgepolstert. Der Längsdurchmesser mifst etwa 10 cm, 
der Breitedurchmesser etwa 7 cm. 

Die Eier — 3 an der Zahl — sind von gefälliger Eiform, 
zartschalig, glatt im Schalengefüge und schwach glänzend. Durch 
die Lupe besehen ist die Schale mit zahlreichen Grübchen und 
nadelstichartigen Poren durchsetzt. Der Grundton ist weils- 
rahmfarbig mit vielen stumpfrostroten Flecken und Punkten ge- 
tippelt und übersäet, die sich am stumpfen Pole kranzartig an- 
lagern. Auch die aschfarbenen, für die Rauchschwalbeneier so 
charakteristischen Flecken fehlen darunter nicht. Die zahlreichen 
Flecken erscheinen aber ein wenig matter, nicht so leuchtend 
rotbraun, wie bei Hirundo Savignyi, 

32* 


484 A. Koenig: 


1,9 cm X 1,35 cm, 1,85 cm X 1,3 cm, 


2) 0,05 gr x b) 0,05 gr } 
c) 1,85 cm X 1,3 cm 
0,05 gr 


II. Nestmulde mit Gelege von 3 Eiern, leg. A. Koenig im 
Chor Abu Agjähg bei Assüän 21. Il. 1897. 

Die guterhaltene Nestmulde ist überaus reich und weich 
mit Vogelfedern und zwar meistens von Haushübnern gepolstert. 
Sie mifst im Längsdurchmesser 10 cm, im Breitdurchmesser 7 cm. 

Die 3 länglich-oblongen Eier sind auf weifs-rahmförmigem 
Untergrunde mit stumpfrötlichbraunen Flecken, worunter auch 
aschförmige reichlich eingesprengt sind, über und über besäet, 
am stumfen Pole zu einem Fleckenkranze sich herausbildend. 


1,85 cm X 1,35 cm, 1,85 cm X 1,4 cm, 


“u 0,05 gr 2 0,07 gr 
cd) 1,9 cm X 1,3 cm 
0,07 gr 


III. Nestmulde mit Gelege von 4 Eiern; leg. A. Koenig in 
Toschke (Nubien) 16. III. 1897. 


Die sehr hübsche, kreisrund gestaltete Nestmulde ist mit 
Vogeldunenfedern sehr weich und hübsch ausgepolstert, worin 
die 4 Eier tief eingebettet liegen. Sie milst im Längsdurch- 
messer 8,5 cm.; im Breitedurchmesser 7 cm. Die Eier sind von 
gefälliger, oblonger Eiform, glattschalig und mit nadelstich- 
artigen Poren und Grübchen versehen; sie sind auf weilsrahm- 
förmigem Untergrunde stumpf rostbraun gefleckt und getippelt; 
am stumpfen Pole lagern sich grölsere Flecken ausgesprochen 
bandkranzartig an, worunter aueh die aschfarbenen Spritzen 
nicht fehlen. 


1,9cm X 1,3 cm, 1,9 cm X 1,35 cm, 


re 17 Ta 1 Tuer I 
0) 1,95 cm X 1,35 cm, d) 1,85 cm X 1,35 cm 
0,07 gr i 0,07 gr 


Die von mir in einer ganzen Reihe von Gelegen gesammelten 
Eier bewegen sich meistens in den vorstehend verzeichneten 
1,85 cm X 1,35 cm 
0,05 gr — 0,07 gr 
angeben kann. Meistens sind 3 Eier im Gelege vorhanden, aber 
auch wohl blofs 2 Stück; die Anzahl von 4 Stück habe ich nur 
einmal in einem Neste vorgefunden. 

Nur diese ausgesprochene, gute Art kommt nach dem heutigen 
Stande unserer Kenntnisse für Aegypten in Betracht. 


Malsen, sodafs man die Durchschnittsmalse mit 


Die Sperrschnäbler (Fissirostres) Aegyptens. 485 


Die in Süd-Europa und Nordwest-Afrika vorkommende, weit 
bekanntere, gröfsere und dunklere Art Biblis rupestris, (Scop.) 
ist mit absoluter Sicherheit für Aegypten bis jetzt noch nicht 
nachgewiesen worden. Die Angabe von Alfred Brehm in 
Cab. J. f. Orn. 1853 pag. 452, dafs Coiyle rupestris nur sehr selten 
in Aegypten erscheint, wird von ihm nicht durch einen einzigen 
Beleg positiv begründet; alle übrigen Forscher, darunter Heuglin 
und Shelley, bezweifeln aufs Entschiedenste das Vorkommen 
dieser Art in Aegypten, welcher Meinung ich mich vorläufig an- 
schliefsen mufs. !) 


Über die Formen von Turdus musicus. 
Von ©. Graf Zedlitz. 


Schon Hartert (V. d. p. F. p. 650/51) hebt hervor, dafs 
manche Singdrosseln auffallend graubürzlich, andere auf der 
Oberseite mehr olivenbraun seien. Da ihm sichere Brutvögel 
der grauen Form nicht vorlagen und Zugvögel beider Formen 
anscheinend ziemlich regellos bald hier bald dort vorkamen, 
konnte er sich auf Grund des damals vorliegenden Materials 
kein abschliefsendes Urteil bilden. Inzwischen habe ich in 
Schweden festgestellt, dafs dort die grauere Form nistet, also 
nun ist wenigstens das Brutgebiet derselben zum Teil be- 
kannt, und ich kann im Sinne Harterts — nicht etwa im 
Gegensatz zu ihm — das angefangene Gebäude etwas weiter 
ausbauen. Die wertvolle Arbeit von Lucanus über den Ring- 
versuch im J. f. O. 19, Heft I hat uns feruer verschiedene 
Fingerzeige für unsre systematischen Untersuchungen gegeben. 
Aus der Zeit des Durchzuges bei uns können wir mit 
aller Vorsicht doch gewisse Schlüsse auf die Lage der Brut- 
gebiete ziehen, denn je entlegener und nordischer dieselben 
sind, desto später kommt der Vogel.im Frühjahr bei uns durch. 
Ferner wissen wir jetzt, dafs der Zug nicht nur zumeist in der 
Richtung NO—SW bezw. umgekehrt, sondern auch direkt O—W 
und sogar SO—NW führen kann. Infolgedessen ist im zentralen 


1) Die Angabe J. H. Gurneys jr. in seinem Buch „Rambles of 
Naturalist in Egypt a. Other Countries, London, Jarrold and Sons‘ pag. 
154, dals eine Coiyle rupestris bei Girgeh geschossen worden sei, ist den 
Daten nach viel zu unsicher gehalten, als dafs man diese Art daraus mit 
Bestimmtheit zu erkennen vermöchte. Der Autor sagt nur, dafs das betr 
Stück einen viel dunkleren Rücken und dunklere Unterschwanzdeckfeder 
als CO, obsoleta gezeigt hätte, fügt aber gleich darauf hinzu, dafs zu 
selben Zeit einige Individuen von Ü. obsolet viel dunkler als ander 
gewesen wären und dafs diese Färbungstöne bei aegyptischen Exemplaren 
überhaupt grofser Variation unterlägen. Der Verfasser. 


436 0. Graf Zedlitz: 


Europa und im gröfsten Teil des Mittelmeergebietes, wo Vertreter 
verschiedener Formen nach einander durchwandern oder gemeinsam 
überwintern können, aus dem dort im Herbst und Winter ge- 
sammelten Material keinSchlufs auf die Herkunft zu ziehen, 
es braucht aber auch niemand stutzig zu werden, wenn er hier Unter- 
arten vermischt findet, deren Brutgebiete streng getrennt sind. 
Ferner ist z. B. im vorliegenden Falle sicher, dafs die Sing- 
drosseln aus dem Norden und Nordosten regelmälsig auf dem 
Zuge die Brutheimat der südlicheren Form in deren Anwesenheit 
passieren. Der Rückzug ersterer im Frühjahr erfolgt ziemlich 
spät mit Rücksicht auf die relativ ungünstige klimatische Lage 
der Brutreviere, also zu einer Zeit, wenn unsere deutschen Sing- 
drosseln schon längst ihre Brutstände eingenommen haben und 
fleifsig singen. Am 28. 3. 18 fand z. B. in Schwentnig am 
Zobten Durchzug zahlreicher grauer Vertreter der nordischen 
Form statt; bei schönem Wetter hielten sie sich Vormittags 
einige Stunden zur Nahrungssuche auf, blieben aber stets im 
engen Verbande, Nachmittags waren alle wieder verschwunden. 
Ein erlegtes Exemplar stimmte vollkommen mit schwedischen 


Brutvögeln überein. Ähnliche Stücke wurden mehrfach in Rossitten‘ 


im April und selbst noch Anfang Mai gesammelt. Ein graues 
Exemplar aus Juist vom 1. 5. 1899 befindet sich gleichfalls im 
Berliner Museum, ebenso eins aus Schwiebus vom April. Auf 
meine Anfrage bestätigte mir Prof. Thienemann brieflich, dafs 
sowohl grauere wie braunere Singdrosseln bei ihm durchzögen, 
und übersandte mir freundlichst sein Balgmaterial, an dem ich 
feststellen konnte, dafs zeitig im Frühjahr (März) erlegte Stücke, 
offenbar dort einheimische Vögel, deutlich zur braunen Form 
gehören, dagegen die im April gesammelten meist grau sind, 
wenn sie auch nicht ganz das Extrem der Schweden erreichen. 
Über Juist, wo die Drosseln durchziehen aber nicht brüten, 
teilte Herr Leege unterm 11. 7. 19 brieflich meinem Freunde 
v. Lucanus auf Anfrage mit, dafs zwei verschiedene Formen, 
eine „helle“ und eine „dunkle“ regelmäfsig im Frühjahr und 
Spätsommer durchkämen, in den Wäldern des Küstengürtels da- 
gegen niste nur die eine und zwar die hellere Form. Ich be- 
dauere nur, dafs hier anstelle der nicht mifsverständlicheu 
Farbenbezeichnungen „braun“ und „grau“ die Benennungen 
„hell“ und „dunkel“ gebraucht sind, da mit der Abnützung des 
Gefieders alle Singdrosseln etwas heller werden, dagegen im 
ganz frischen Kleide am dunkelsten sind. Schliefslich bezeugt 
auch Hartert, dafs in England, der Brutheimat von 7. m. clarkei, 
die typische Singdrossel nicht selten auf dem Zuge erscheint, 
also auch hier treten zeitweilig 2 Unterarteu nebeneinander 
auf. In der Fufsnote bei Hartert (l. c. p. 651), welche sich mit 
der Färbung der verschiedenen Zugvögel und Wintergäste be- 
falst, scheint übrigens ein Druckfehler sich eingeschlichen zu 
haben, wenn es heilst; „es gibt auffallend graubürzliche 


Een 


12 as u ee N wet 


en 


Über die Formen von Turdus MUSICH8. 487 


Exemplare (besonders sah ich solche aus Cypern, Marokko, 
Sardinien, Persien, Erithrea), doch konnte ich nicht feststellen, ob 
sie ein gesondertes Brutgebiet bewohnen, möchte dies aber be- 
zweifeln, zumal Brutvögel aus dem Ural nicht auffallend 
grünlich sind.“ Das klingt nicht ganz logisch, entweder muls 
bei „graubürzlich“ oder bei „grünlich“ ein Druckfehler vorliegen. 
Nach meinem Befund am Material des Berl. Mus. sind Vögel aus 
dem Kaukasus, von Transkaspien und Trapezunt ausgesprochen 
graubürzlich, dagegen solche vonCypern, Marokko, Sardinien 
deutlich olivbraun auf der Oberseite, doch würde es nach 
meiner Bemerkung von oben gar nicht wunderbar sein, wenn g6- 
legentlich an denselben Stellen auch graubürzliche Wintergäste 
gefunden würden. Die erwähnten graubürzlichen Vögel aus dem 
Berl. Mus. sind teils aus dem Frühjahr und Herbst (Transkaspien), 
teils ohne Datum (Kaukasus, Trapezunt), doch deutet bei letzteren 
das nicht mehr frische Gefieder darauf hin, dafs sie zur Brut- 
zeit oder kurz vorher gesammelt sind. Es ist mit diesem 
Material immerhin noch nicht einwandsfrei erwiesen, dafs das 
Brutgebiet der grauen Form südostwärts bis zum Kaukasus und 
Transkaspien reicht. Liegt also bei Hartert kein Druckfehler 
vor und sind Brutvögel vom Ural wirklich „nicht auffallend 
grünlich‘“, dann sind sie eben grau, und das Brutgebiet dieser 
Subspezies erstreckt sich dann bis zum Ural und wohl auch 
Kaukasus; soll es aber heifsen, dafs sie „nicht auffallend 
graulich“ sind, dann handelt es sich bei den erwähnten 
Vertretern der grauen Rasse im Berl. Mus. eben doch noch um 
Durchzügler, deren Brutheimat weiter nördlich liegt. Diese Frage 
harrt also noch der Lösung. 

Zur Nomenklatur bemerke ich folgendes: Hartert nennt 
in V. d. p. F. die Singdrossel 7. philomelos, die Weindrossel 
T. musicus und vertritt die Ansicht, dafs Linnes Name „musicus“ 
in Ed. X sich auf die Weindrossel beziehe. Eine Vertauschung 
bereits eingebürgerter Namen halte ich mit vielen anderen Au- 
toren für unzulässig in jedem Falle, da der Name nicht um 
seiner selbst willen da ist, auch nicht, um Verwechselungen zu 
begünstigen, sondern um Tiere möglichst eindeutig zu bezeichnen. 
Aber auch abgesehen davon halte ich mich für berechtigt, die 
alten Namen weiter zu benutzen auf Grund der Auseinander- 
setzung von Reichenow (0. M. B. 16, p. 75/76), nach welchen 
unter „musicus“ in der Ed. X die Sing- und Weindrossel zu- 
sammengeworfen sind, ein Irrtum, der in der Ed. XII bewulst 
korrigiert wurde, indem hier das auf jede Art Bezügliche aus der 
früheren Beschreibung sorgfältig gesondert ist. Entscheidend 
ist für mich, dafs die in Ed. X angeführte Abbildung (Frisch 
av. t. 27, £.1.2) sich aufdieSingdrossel bezieht, hingegen 
in Ed. XII für die bewulst getrennte Weindrossel ein 
anderes Bild (Frisch av. t. 28) neu herangezogen wird. Ich 
bezeichne also den schwedischen Vogel als T. musicus musieus L., 


488 0. Graf Zedlitz : 


das ist die auf der Oberseite grauere Form. Trennt man 
nun die mitteleuropäischen Vögel auf Grund ihrer mehr oliv- 
braunen Oberseite ab, so müssen diese einen neuen Namen 
erhalten, denn 7. minor Brehm. kommt nicht in Betracht, da 
„minor“ durch 7. minor Gm. 1788 anticipiert ist. Auch „phelo- 
melos Br.“ kann nicht angewandt werden, da dieser Name aus- 
drücklich einem Durchzügler gegeben worden ist, welcher 
sich unter anderem durch gröfsere Mafse vom Deutschen Brut- 
vogel unterscheiden soll. Die verschiedenen Namen von A. E. 
Brehm (Verz. Sammlg. p. 5, 1866) sind nomina nuda. Ich schlage 
deshalb als neuen Namen 7. m. brehmi vor.- 

Im folgenden will ich versuchen, alles das zusammenzu- 
fassen, was für Charakterisierung und Verbreitung der einzelnen 
bisher festgestellten Formen mir wichtig erscheint. Voraus- 
schicken mufs ich, dafs ganz frische Kleider (Ende August — 
November) auf der Unterseite lebhafter gefärbt sind, es zeigt 
sich mehr Rostgelb auf Kropf, Brust und Weichen. Im Frühjahrs- 
kleide (März — Mai) haben alle Vögel weniger Gelb, doch ist 
hier die individuelle Variation recht erheblich. Junge Vögel im 
ersten Herbst sind auf der Oberseite mehr rötlich braun und 
dunkler als alte, das hebt auch Hartert hervor. Da man nun 
im Herbst einen starken Prozentsatz junger Tiere erbeutet, so 
wirkt eine Suite Herbstvögel im Kolorit des Rückens stets brauner 
als eine Serie Frühjahrsvögel. Dadurch darf man sich nicht irre 
machen lassen, ein brauner Vogel ad. wird darum im Laufe des 
Winters noch nicht grau oder umgekehrt, sondern jeder der bei- 
den Farbentöne wird durch die Abnutzung der Federn etwas 
blasser, aber braun bleibt braun und grau bleibt grau, wie es 
gar nicht anders möglich ist, da die Säume der Federn ja nicht 
anders gefärbt sind als der Mittelteil, eine Ausnahme bilden nur 
die dunklen Federspitzen der Jungvögel, welche ja auch mit 
der Zeit verschwinden. 


Turdus musicus musicus L. 


Färbung: Unterseits im ganzen eher matt, Fleckung 
mehr dunkelgrau als schwärzlich, im Frühjahr sehr wenig Gelb 
auf Kropf und Brust, oft gar keins. Oberseite im allgemeinen 
deutlich grau beim Vogel ad., was am klarsten auf dem Bürzel 
in die Erscheinung tritt, aber bei Vergleich von Serien auch 
auf dem ganzen Rücken erkennbar ist. Eine wesentliche Anderung 
durch Abnutzung findet nicht statt, selbst Stücke von Anfang 
Mai sind noch deutlich grau. Die Spitzen der Flügeldecken sehr 
hell, mehr weifslich als gelb. 

Mafse: Flig. 9'o* 115—118, 92 110—115 mm. (Schweden 
sowie Zugvögel von Rossitten, Schwiebus, Schlesien, Juist.) 

Vögel vom Kaukasus, von Transkaspien, Trapezunt und der 
Jordanebenehaben etwasgröfsere Malse: 114, 118, 121,121,122 mm, 


Über die Formen von Turdus musicus. 489 


Erweist sich dieser Unterschied als konstant und läfst sich die 
Brutheimat dieser gröfseren grauen Singdrosseln feststellen, so 
wären sie als 7. m. philomelos Br. zu bezeichnen. 


Verbreitung: Sicher Brutvogel in Schweden und wahr- 
scheinlich in Nordrufsland, im Osten vielleicht eine grölsere 
Form (philomelos). Es kommen auch unter den Zugvögeln in 
Schlesien und Rossitten vereinzelt Stücke vor, welche nicht ganz 
typisch sind, sie wären nach Stresemann!) als 7. m. musicus> 
brehmi zu bezeichnen und dürften in Rufsland zwischen den 
typischen musicus und brehmi den Übergang bilden. 


Turdus musicus brehmi Zedl. 


Färbung: Unterseite meist etwas lebhafter, die Flecke 
dunkler, der gelbe Anflug auf Kropf und Brust verschwindet auch 
im Frühjahr in der Regel nicht ganz. Oberseite zeigt einen 
olivbräunlichen Ton, der mehr oder weniger ins Grünliche 
zieht. Die Abnutzung spielt bei Veränderung der Farbe kaum 
eine Rolle, juv. im ersten Herbst oberseits mehr rotbraun und 
dunkel. Die Spitzen der Flügeldecken im frischen Gefieder rost- 
gelb, im abgenutzten immer noch blafsgelb. 


Mafse: Flig. 7 9'G' Schlesien u. Nordböhmen 111, 112, 
113, 116, 116, 118, 118, Rositten Q'O' 115, 122, 99 114, 115 
(das Q' mit dem grofsen Flügelmafs stammt vermutlich aus dem 
Osten). 5 Ex. Sachsen u. Brandenburg 113—115, Juist 117, 118, 
Frankreich 117, Sardinien 118, 118, Cypern 115, 115, 116, 119, 
120. Im Osten sind bei gleichem Färbungscharakter die Mafse 
etwas gröfser: Siebenbürgen 121, Poltawa 120, Slonim 9! 121 
(sicherer Brutvogel!), @ 118. Es ist auch hier mit einer vielleicht 
auf Grund gröfserer Mafse unterscheidbaren östlichen Form zu 
rechnen, doch bedarf es dazu erheblich reichlicheren Materials an 
sicheren Brutvögeln mit genauen Geschlechtsangaben, welche 
leider vielfach bei den mir vorliegenden fehlen. Im Durchschnitt 
sind QQ etwas kleiner, man sollte also nur J'O' und QY unter 
sich vergleichen. Alle mir vorliegenden sicheren Brutvögel aus 
Deutschland zeigen kleinere Mafse von 111—118 mm. Als Typus 
möchte ich 9° vom 2. 4. 08, Dresden, Brehm leg., bezeichen, 
Berliner Museum. 

Verbreitung: Von Frankreich bis Schlesien und Böhmen, 
Stücke aus Siebenbürgen und Rufsland anscheinend meist gröfser, 
Franzosen sind etwas rötlicher braun und nähern sich clarkei. 
Überwintert meist in den Mittelmeerländern, aber auch in England. 
Ob dort auch vielleicht die nordische Form gastweise erscheint, 
mufs erst untersucht werden. 


1) E. Stresemann „Sollen Subtilformen benannt werden? J. f.0. 19, 
p- 291—297, 


490 O. Graf Zedlitz: Über die Formen von Zurdus musicus. 


Turdus musicus clarkei Hart. 


Färbung: Unterseite dicht und lebhaft gefleckt, starker 
rostgelber Anflug auf dem Kropfe. Oberseite mehr rötlichbraun 
als grünlichbraun, besonders merklich ist der warme rotbraune 
Ton auf dem Schwanze. 

Malse: Flig. wie bei typischen brehmi. 

Verbreitung: Die englischen Inseln, vielleicht mit 
Ausnahme der Hebriden. Teils Stand-, teils Zugvögel. Das Berl. 
Mus. besitzt @ von Funchal aus dem Dezember. 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 


H. Böker. Der Herbstgesang des Buchfinken. (Abdruck aus: 
Orn. Monatsschr. XLIV No. 3.) 


W.Eckardt. Aus dem Leben des Storches. (In: Natur, 10. Jg. 
Heft 21/22, 1919.) 


K. Floericke. Zweck und Ziele der Süddeutschen Vogelwarte, 
Stuttgart 1919. 


dJ. Hortling. Ur Fäglarnas Värld. Helsingfors 1917. — 
Dasselbe 1918. 


. D. van Oort. Ornithologia Neerlandica. De Vogels van 
Nederland. Aflevering 5. 1919. 


. Ridway. The Birds of North and Middle America. Part VIIL 
Washington 1919. 


. Roberts. Some notes on Birds, and descriptions of new 
subspecies. (In: Annals Mededeling. Transvaal Mus. Vol. 
VI 1919.) 


G. Schiebel. Über die Vögel der Insel Arbe (Norddalmatien). 
1.—Ill. Teil. (Abdruck aus: Ornith. Jahrbuch 1912 Heft 3, 4, 
1914 Heft 1, 2, 1916 Heft 3—6.) 


— Die Vögel von Obertauern (Salzburg). Abdruck aus: Ornith. 
Jahrbuch 1917 Heft 3—6. 


E. Sresemann. Beiträge zur Kenntnis der Avifauna von 
Buru. (Aus den zoologischen Ergebnissen der II. Freiburger 
Molukken-Expedition.) (Abdruck aus: Novit. Zoolog. Vol. 
XXI, 1914.) 


— Notiz über Centropus rectunguis Strickl. und verwandte 
Arten. Über die europäischen Baumläufer. Beiträge zur 
Kenntnis der Gefiederverwandlungen der Vögel. I. (Abdruck 
el. Ornith. Gesellsch., Bayern XIV, Heft I, 

1 


pp 9 8 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 491 


K. Swann. A Synoptical List of the Aceipitres. Part. London 
131% 


J. Thienemann. Über das Vorkommen der Küstenseeschwalbe 
(Sterna macrura) in Ostpreufsen. — Über die Verheerungen, die 
die jetzt schon seit Wochen andauernde Kälte unter der Vogel- 
welt, besonders unter den Lachmöwen angerichtet hat. (Ab- 
druck aus: Schriften Physik. - ökonom. Gesellsch. Königsberg 
1. Pr., LV]I. Jg., 1917.) 


F. Tischler. Das Vorkommen der Reiherente (Nyroca fuli- 
gula) in Deutschland. II. Nachtrag. (Abdruck aus: Ornith. 
Monatsschr. XLIII, Nr. 10.) 


O0. Wettstein. Das Vogelleben der Donauauen bei Wien einst 
und jetzt. (In: Blätter f. Naturkunde u. Naturschutz Nieder- 
österreichs, 1919, 3. Heft. 


R. Zimmermann. Auf Bahnschutzwache in Niederwartha. 
(Abdruck aus: Ornith. Monatsschr. XLIV, Nr. 8.) 


Der Waldrapp. Mitteilungen des Deutsch-Oester. Ornitholo- 
gischen Institutes und der Vogelschutzstation Salzburg. Her- 
ausgegeb. v. E. P. Tratz. 1. Jahrg., 1919, Nr 1, 2, u. 3. 


Zeitschrift für Oologie und Ornithologie. Herausgegeb. von W. 
Rüdiger. XXIV. Jg. 1919, Nr. 1, 2/7. 


Berichtigungen: 


Seite 233 Überschrift lies 1916-1918 statt 1916—19. 

Seite 245 Zeile 8 von unten lies Mai statt März. 

Seite 251 Zeile 1 von unten lies S. c. affinis statt 8, s. 
intermedia ‚Blyth. 

Seite 252 Zeile 10 von oben lies Sitnjakowo statt Samokow, 


Namenverzeichnis. 


Aoanthis brevirostris 362. 
— cannabina 46, 187, 213, 
314, 343, 362, 
— exilip 88° 363. 
_ een 409, 411. 


— holboelli 187, 250, 362. 
341, 362. 


— linaria 187, 
— sibirica 363. 
Accentor collaris 49. 


— modularis 49, 212, 256, 


we 
— subalpinus 256. 
Accipiter nisus 34, 35, 
134, 135, 138, 141, 142) 
143, 145, 154, 155, 177, 
214, 241, 263, 296, 309, 
325, 34 g, 350. 
— wolterstorffi 296. 
Aceipitres 490. 


Acrocephalus‘ 255, 346, 
47, 348. 


— aquaticus 191, 319. 

— arundinaceus 134, 135, 
136, 198, 212, 231, 317, 
319, 421, 425. 

EZ dumetorum 346. 

— palustris 191, 212, 317, 
ne 319, 327, 346, 422) 


— schoenobaenus191,317, 
318, 319, 327, 423, "494. 

— streperus 79, 212, 317, 
, 422. 

— turdoides 255, 331. 
Aödon luseinia 239, 257, 
— megarhynchus 257. 
Aegithalos 316. 

— castaneus 327, 379. 

— caudatus 80, 145, 148, 
190, 212, 252, 296, 342, 
350, 378, 

— europaeus 219 „417,427. 

— expugnatus 418. 

— irbii 296, 

— italiae 296, 

— longicaudus 418, 

— macedonicus 252. 

— roseus 418. 


Aegithalos vagans 417. 
— vagans-rosea 417. 
Aegolius fünereus 181. 


Alauda arvensis 47, 137, 
141, 142, 144, 145, 150, 
212, 263, 315, 328, 343, 


353, 368, 412, 414. 
— cantarella 251. 
— cristata 197, 202. 


Alauda pispoletta 368. 


Alaudula pispoletta 328, 

Alca torda 161. 

Alcedo advena 184. 

— ispida 75, 87, 138, 143, 
145, 153, 184, 214, 244, 
310, 331. 

_ pallasii 348, 

Alle alle 162. 


Amadina alexanderi 300. 


— fasciata 300. 
Anas acuta 13, 14, 307, 
343. 


— boschas 12, 102, 139, 
143, 145, 146, 158, 198, 
218, 305, 306, 330, 343, 

51 


— cireia 330. 

— clypeata 330. 

— crecca 12, 59, 75, 102, 
145, 158, 330, 348, 350, 
351. 


— Islandica 168. 

— marila 167. 

a2 querquedula 102, 196, 
98, 343. 

— penelope 12, 76, 102, 
169, 264, 279, "330, 343. 

— Steleri 167. 
— strepera 120, 169, 


Anorthura troglodytes 254. 
Anser 143. 


— albifrons 122, 170, 344. 
anser141,157,240,344, 


cinereus 330. 
erythropus 170. 
fabalis 14, 102, 170. 
hyperboreus 170, 
intermedius 170. 


| Anser minor 170. 


— minutus 170. 

— platyurus 170. 

— rufescens 170. 

— ruficollis 330. 

— segetum 330. 

ar semipalmata 
16. 


Anthoscopus caspius 379.- 

— pendulinus 190, 379. 

Anthreptes hypodilus 302. 

— zambesianus 302. 

Anthus 142, 

— aquaticus144,189, 251. 

_ ee, 212, "344, 
347, 370, 410. 

— cervinus 188, 336, 370. 

— hiemalis 189, 

— littoralis 189. 

— montanellus 188. 

— palustris 188, 

— pratensis 47, 75, 80, 
141, 143, 148, "188, 212, 
315, 370. 

— spinoletta 145,149,188, 
31, 371, 409, 411. 
— stagnatilis 188, 

— trivialis 81, 134, 136, 
141, 143, 144, 148, 212) 
251, 315, 327, 343, 370. 

AD, apus 87, 141, "213, 
263, h 

= Eee d45, 

Aquila albicilla 178. 

— assimilis 178. 

— borealis 178, 179.: 

— chrysaetos 177, 242. 

— clanga 325. 

— fulva 325. 

— heliaca 177. 

— imperialis 242, 325. 

— leucocephala 178. 

— longipes 178. 

— pomarina 36, 178, 242. 
— orientalis 325. 

Archibuteo lagopus 36,53, 
62, 70, 71,264, 284, 325, 
34, 344, 349, 354, 


Ardea alba 331. 
— cinerea 32, 33, 64, 93, 
"145, 157, 175, 214, 240, 
204, 280, 308, 330, 342, 


— garzetta 331. 
— purpurea 32, 33, 64, 
111, 331. 


Ardeola rallöides 32, 33, 
64, 175 


5 i 

Ardetta minuta 330. 

Arenaria interpres 171. 

Asio accipitrinus 89, 90, 
197, 200, 228 3%. 

_ flammens 38, 353. 

— otus 38, 88, 196, 198, 
214, 243, 310, 326, 406. 

Astur” nisus 91. 

— palumbarius 34,91,203, 
9a1, 264, 282, 309. 

— schvedowi 341. 


Athene indigena 342, 353. 
— noctua 38, 88, 89, 144, 


145, 146, 153, 181, 214, 
243, 310, 326. 


Balearica gibbericeps 
398 ” 


Biblis 473, 477. 

— obsoleta 478. 

— rupestris 245, 485. 

Bombyeilla garrula 41,84, 
327, 381. 

Bonasa bonasia 175, 240. 

Bofanru stellaris 32, 95, 


Branta leucopsis 171. 
— ruficollis 171, 350. 
Bubo bubo 180, 

— Germanicus 180. 

— hungaricus 243, 
ie githagineus 


Budytes 135, 346, 
— beema 371. 


— campestris 344, 353 
371, 372, nee 


I 


— citreola 327. 

— feldegg 372. 

— flavus 134, 135, 136, 
141, 144, 145, 148, 315. 
327) 371, 372. 

_ leucocephalus ie 

Tu eplalus 250, 


— thunbergi 371. 
— werae 344, 371, 372. 
Butalis grisola 246. 


Namenverzeichnis. 


Buteö buteo 35, 91, 135, 
138, 141, 142, 143, 144, 
145, 146, 154, 177, 203, 
214, 242) 264, 282, 309, 
325, 331, 403 

_ desertorum 242. 

— eximius 331. 

— ferox 196, 325, 331. 

— murum 177. 

— vulpinus 344, 349, 


Caccabis chukar 226. 
— hwanghoensis 226, 

— saxatilis 240. 
Calamoherpe aquatical92. 
— musica 191. 

— tenuirostris 192. 

— tritiei 191. 

Calandrella brachydactyla 
328, 368. 

Calcarius lapponicus 188, 
365. 


Caprimulgus 431. 

— aegyptius 435. 

— arenicolor 435. 

— europaeus 244, 310, 
Fi 346, 348, 433, 


— eximius 44]. 

— isabellinus 435. 

— nubicus 441. 

— ruficollis 435. 

— saharae 437. 

— tamarieis 441. 

Carduelis balcanica 336. 

— carduelis 47, 81, 145, 
149, 187, 212, "249, 314, 
328, 342) 349. 

nn major 363. 

— orientalis 336, 363. 

— subcaniceps 363. 

— volgensis 363. 

Cariama 115. 

Carpodacus erythrinus 
187, 263, 328, 346, 364. 

Casarca casarca 228, 265, 
410. 


Centropus rectunguis 490, 

Cerchneis cenchris 326. 

— naumanni 242, 353. 

— tinnunculus 37, 134, 
135, 138, 141, 142, 143, 
144, 146, 154, 197, 198, 
200, 204, 214, 242, 263, 
309, 326, 343, 

— vespertina 37, 179, 198, 
202, Gr 345, 347, 350. 

Certhia 3 


493 


Ge re 

3! 

_ familiaris 189, 212,252, 
350, 373, 412, 427. 

_ macrodactyla 189, 
412. 


— rhenana 296. 

Ceryle rudis 474. 

Cettia cetti 331. 

Chaetusia gregaria 227, 

Chalcomitra fischeri 302. 

Charadrius alexandrinus 
5, 

— apricarius 101. 

— dubius 215, 343, 344, 
348, 349, 395. 
— fulvus 66, 67. 

— hiaticula 15, 264, 279, 
345. 


— morinellus 101. 

Chaulelasmus streperus 
il? 

Chelidon 467. 

— urbica 457, 467, 470. 

Chelidonaria 467. 

— urbica 245. 

Chettusia gregaria 330. 

Chionis 115. 


Chloris chloris 46, 213,249, 
264, 287, 313, 328, ’362. 

Chlorophoneus interce- 
dens 300. 

— quadricolor 300. 

Chrysomitris citrinella 
409. 


— spinus 149, 314, 349, 

354, 363. 

Ciconia alba 95. 

— ciconia 22, 23, 25, 56, 
240, 264, 266, "408, 


Cinclus 238. 

— aquaticus 193, 194, 
199, 320. 

— einclus 193, 194. 

_ melanogaster 193. 

— meridionalis 253. 

— septentrionalis 193. 

Cinnyris falkensteini 252. 

at gallicus 177,325, 


— leucopsis 177. 
Circus 241, 345. 

— aeruginosus 34, 91,146, 
155, 309, 325, 344, 
u eyaneus 141, 145, 155, 
196, 198, 343, 353. 
— macrourus 305, 343, 


494 


Circus pygargus 34, 91, 
176, 325. 

Clamator glandarius 181. 

Clangula clangula104,331. 

— glaucion 168. 

Clivicola 469, 478. 

— riparia 469. 

— Shelleyi 471. 

ne cerasorum 

— coccothraustes 46, 82, 
187, 213, 249, 313, 328, 
361. 

— nigricans 361. 


Coloeus collaris 222, 243, 
247. 

— monedula 130, 137, 
141, 142, 151, 197, 198, 
199, 200, 213, 231, 264, 
286. 

— soemmeringii 222. 

Columba guinea 451. 

— livia 155, 342. 

— oenas 34, 92, 240, 309, 
329, 343, 349. 

— palumbus 33, 141, 143, 
155, 198, 214, 241, 281, 
264, 308, 329, 349. 

Colymbus 350. 

— auritus 196, 198. 

— cristatus 263, 305, 306. 

— grisegena 393. 

— nigricans 105,305, 306, 
393. 

— nigricollis 305, 306. 

Coracias caudatus 299. 

— garrulus 184, 329, 347. 

— suahelicus 299. 

Corax littoralis 186. 


Corvus canariensis 219. 

— capellanus 221. 

— collaris 222. 

— corax 41, 42, 151, 186, 
197, 199, 215, 216, 217, 
218, 219, 247, 329, 341, 
354. 

— cornix 42, 138, 140, 
143, 144, 145, 146, 151, 
186, 213, 220, 221, 246, 
264, 265, 311, 329, 340, 
341, 355, 409. 

— corone42, 186,213, 311. 

— dardaniensis 216, 217. 

— frugilegus 43, 83, 130, 
134, 135, 137, 140, 141, 
143, 144, 145, 151, 197, 
a 311, 328, 340, 341, 


Namenverzeichnis. 


Corvus islandicus 217. 

— kaukasicus 220, 221. 

— lawrencei 215, 216, 
217, 219, 220. 

— pallescens 221. 

— ruficollis 220. 

— sardonius 221. 

— sharpii 221. 

— Soemmeringii 222, 

— subcornix 220, 221. 

— syriacus 221. 

— tingitanus 219. 

— umbrinus 219, 354. 

— valachus 220, 221,246. 

Coturnix communis 329. 

— coturnix 74, 92, 141, 
214, 240, 308, 344, 
402. 

— dactylisonans 198. 

Cotyle 469, 478. 

— cahirica 478, 481. 

littoralis 471. 

minor 470, 472, 475. 

obsoleta 457, 478. 

paludicola 470, 474, 

palustris 470. 

riparia 474. 

rupestris 478, 485. 

— shelleyi 471. 

Cractes ruthenus 358. 


Crex erex 97, 134, 135, 
139, 214, 307. 

— pratensis 197,198, 329. 

— pusilla 174. 

Cryptorhina afra 451. 

Cuculus canorus 87, 141, 
181, 197, 214, 244, 310, 
329, 345, 346, 348. 

— glandarius 181, 182, 
184. 

— macrourus 181, 182, 
184. 

Cyanistes 252, 

Cygnus bewicki 395. 

— cygnus 102, 343, 395. 

— olor 335, 394, 410. 

Cynchramus incognitus 
367. 

— ukrainae 367. 

Cypselus 442, 448, 473. 

— apus 39, 310, 329, 347, 
408, 445, 446. 

— melba 185, 444. 

— murinus 445. 

— pallidus 445. 

— parvus 448, 


Mafila acuta 330. 


Delichon urbica 39, 40, 
213, 264, 286, 311, 346. 

Dendrocopos 184, 341. 

— feliciae 106, 115. 

— hortorum 292, 294, 

— immaculatus 295. 

— ledouci 29. 

— leuconotus 329. 

— leucotos 184, 

— major 197, 199, 203, 
214, 244, 310. 

— medius 244. 

— minor 214, 292, 294. 

— pinetorum 244, 430. 

— silesiacus 292, 294. 

— syriacus 106. 

Dendromus aureicuspis 
299. 

— scriptoricauda 299. 

Dromolaea leucopygia474, 


Dryobates anglicus 295. 
— arduennus 294, 295. 
— bacmeisteri 294. 

— buturlini 294. 

— hortorum 294. 

— pinetorum 295. 
Dryocopus martius 38, 
87, 214, 245, 407. 


ee migratorius 


Emberiza aureola 366. 

— buchanani 366. 

— calandra 82, 188, 198, 
212, 368. 

— cirlus 141, 212,250,315. 

— citrinella 47, 142, 143, 
144, 146, 149, 212, 250, 
263, 314, 328, 365. 

er ogenys 341, 350, 


— hortulana 75, 82, 188, 
250, 328, 345, 366. 

— leucocephalos 365, 366. 

— luteola 366. 

— melanocephala 118, 

— miliaria 75. 

— nivalis 331. 

— pallidior 367. 

— pingnescens 188. 

— pyrrhuloides 368. 

— rustica 367. 

— schoeniclus 212, 328, 
350, 367. 

Enneoctonus collurio 246. 

Eremophila balcanica 251. 

— brandti 370. 

— flava189, 351, 354, 369, 


B 
5 
& 
“ 
« 
2 
y 


Erithacus cyanecula 76. 
194. 

— luscinia 75, 76, 141, 
194, 211, 320, 427, 

— pallidogularis 343. 

— philomela 326, 346, 348. 

— phoenicurus 52, 147, 
211, 320, 326, 345, 349, 
351, 426, 
— rubecula 52, 135, 141, 
142, 144, 146, 211, 257, 
320, 326, 350, 47. 
— svecicus 65. "343, 

— titys 52, 134, 135, 136, 
144, 145, 147, 211, 320. 

— wolfi 194. 

Erythrura 106. 

Estrilda litoris 301. 

— massaica 301. 

— minor 301. 

— nyassae 301. 

Euplectes fammiceps 231. 


Falco aesalon 155, 179, 
242, 341. 

— cherrug 179, 325, 343. 

— islandicus 179. 

— islandus 406. 

— lanarius 179, 197, 198, 
202. 

— zmerillus 197, 198, 199, 
200, 203. 

u pallidus 341, 353. 

— peregrinus 37, 90, 135, 
155, 243, 461. 

_ ruficollis 451. 

— rufipes 179. 
ler 179, 406. 
— subbuteo 75, 155, 214, 
289, 325, 345, 349, 406. 

— vosparum 178. 

Fissirostres 431. 

Francolinus clappertoni 
334. 

— grotei 334, 

— johnstoni 334. 

— tschadensis 334. 

Fratercula arctica 162. 

Fringilla alnorum 187. 

— arbustorum 187. 

— coelebs 46, 135, 142, 
143, 144, 145, 146, 149, 
213, 248, 264, 287, 290, 
305, 313, 328, 342, 349, 
350, 351, 361, 409. 

_ germanica 187. 

— montifringilla 82, 248, 
313, 350, 351, 354, 361. 


Namenverzeichnis. 


Fringilla petronia 186, 

— spiza 361. 

Fulica atra 22, 96, 145, 
157, 214, 264, 279, 305, 
307, 329, 393. 

Fuligula clangula 229. 

— cristata 331. 

— ferina 330. 

— nyroca 196. 

Fulmarus glacialis 383. 

— glupischa 385. 

— rodgersi 385. 


Gtalerida 134. 

— cristata 137, 144 145, 
150, 212, 315, 316, 328, 
369. 

— meridionalis 251. 

Gallinago 144, 145. 

— gallinago 17, 75, 98, 
134, 135, 139, 141, 143, 
156, 173, 330, 351, 398. 

— gallinula 97, 141, 144, 
156, 173, 398. 

— major 197, 198, 200. 

— media 173, 198. 

Gallinula chloropus 96, 
144, 157, 214, 305, 308, 
400, 401. 

Garrulus brandti 358. 

— glandarius 43, 135, 137, 
143, 144, 145, 152, 196, 
12, 200, 213, 247, 312, 


— sewertzowi 358. 

Gelochelidon Balthica 165. 

— nilotica 165. 

Glareola melanoptera 330. 

Glaucidium noctuum 199, 
202. 

Glaucionetta clangula 127. 

Graculusgraculus 239,247. 

Grus communis 329. 

— virgo 228, 329. 

— grus 173, 214,239, 344, 
398. 

Gypaätus barbatus 243. 

Gyps fulvus 176, 243. 


rue longipes 343, 
3 


— ostralegus 15, 96, 101, 
330. 

Haliaetus albicilla 155,325. 

Haliastur ambiguus 293, 

— girrenera 293. 

— indus 293. 

Helodromas ochropus 239, 


495 


Herodias garzetta 33, 175, 

Himantopus 397, 

— atropterus 171. 

— candidus 198, 202. 

— himantopus 171. 

Hippolais 351. 

— alticeps 191. 

— caligata 346. 

— hippolais 80, 212. 

— icterina 141, 191, 317, 

— scita344, 346, 347, 348. 

Hirundo 455, 473, 

— cahirica 458, 

— fusca 444, 

— maior 444, 

— Melba 444. 

— pagorum 461. 

— Riocourü 458. 

— riparia 86, 444, 457,469. 

— rufula 464. 

— rustica 39, 40, 85, 86, 
141, 199, 213, 245, 311, 
328, 344, 345, 346, 349, 
350, 353, 456, 459, 462, 
467, 468, 470. 

E= Savigayi 458, 483, 

— transitiva 462. 

— urbica 75, 85, 141, 467, 

Histrionicus  histrionicus 
167. 

Histrionica stelleri 167. 

Houbara macqueni 330. 

Res pelagicus 162, 


Hydrochelidon leucoptera 
166. 


— nigra 11, 105, 141, 166, 
346, 348, 49. 

Hyliota affinis 226, 

— nehrkorni 226. 

Hypolais hypolais 254, 


Irrisor erythrorhynchos 
300. 


— marwitzi 300. 
reine 141,310, 


Lagonosticta brunneiceps 
301. 


— haematocephala 301. 

— reichenowi 301. 

— rendalli 301. 

Lagopus 210. 

_ z lboe 197, 198,199, 204, 

— lagopus 175. 

— mutus 197, 198, 199, 
204, 206. 


496 


Lalage nigra 333. 

— schisticeps 333. 

— terat 333. 
Lamprocolius aeneus 450. 
Lamprotornis 450. 


Laniarius hybridus 300. 
— mossambicus 300. 
Lanius 347. 

— collurio 41, 68, 75, 8%, 
141, 213, 263, 311, 327, 
346, 348, 383, 405. 

_ excubitor 143, 144,145, 
153, 185, 213, 294, "327, 
382, 409, 

— galliae 294. | 

— homeyeri 246, 382, 

— isabellinus 383. 

— major 382, 409. 

— meridionalis 294. 

— minor 185, 197, 199, 
a 246, 397, 346, 348, 


— mollis 382. 

— przewalskii 382. 

— senator 186, 199, 200, 
311, 409, 

Laroidesargentatoides164. 

— argentatus 164. 

— argenteus 164. 

— canescens 164, 

— canus 164, 

—_ procellosus 164, 

Larus argentatus 9, 164, 
264, 275, 276, 

— cachinnans 118, 139, 
143, 145, 158, 330, 344, 
— canus 10, 135, 139, 158, 
164, 264, 377, 345, "348. 

= capistratus 164. 

— fuscus 10, 263, 264,276. 

— gelastes 118. 

— glaucus 9, 163. 

— leucopterus 163, 164. 

— marinus 9,59, 164, 277. 

— maximus "164. 

— medius 163. 

-— melanocephalus 116, 
117, 348. 

— minutus 164, 330, 345, 
349 


— ridibundus 5, 7,13, 15, 
35, 53, 57, 59, 61, 62, 
64, 105, 127, 139, 146, 
158, 164, 198, 254 268, 
343, 345, 347, 348. 

Limicola platyrincha 172. 


Limnobaenustsingtauensis 
225. 


Namenverzeichnis; 


Limnobaenus paykulli 225, 
226. 


Limosa lapponica 173. 


— limosa 16, 75, 98, 102, 


aaı, 172. 
_ melanura 324. 
— Meyeri 173. 
Linota cannabina 249. 


Locustella fluviatilis 192, 


327, 348, 425. 
— naevia 192, 212, 327, 
423, 424. 
Lophophanes 253. 
Loxia bifasciata 365. 


— curvirostra 197, 199, 


200, 249, 365 
— hordeacea 231. Ra 
— pytyopsittacus 
RR arborea 150, 212, 
251, 369. 
Lybius albigularis 299. 
— zombae 299. 
Lycos collaris 329. 
— monedula 312, 340. 
— soemmeringi 341, 353, 
356. 
— spermologus 43. 
Lyrarus tetrix 175, 240. 


Machetes pugnax 122, 
330 


Mareca penelope 240. 
Melanocorypha bimacu- 
lata 368. 
— calandra 328, 368. 
— sibirica 328, 343, 353, 
369. 
— tatarica 328. 
— yeltoniensis 341, 369. 
Mergus albellus 331, 343, 
354. 


— merganser 331, 343, 
354, 461. 


— serrator 12, 59, 331. 
Merops aogyptius 465. 


— apiaster 184, 329, 345, 
346, 349, 353, 407, 465. 


Merula alpestris 255. 

— aterrima 255. 

Metopiana peposaca X 
Netta rufina 116. 

Miliaria Germanica 188. 

— miliaria 250 

Milvus 344, 345. 

— aegyptius 299. 

— korschun 214, 404, 

— lineatus 343, 


— migrans 325, 343, 404. 


Milvus milvus 36, 90, 178, 
214, 309, 404, 424,429. 

— parasiticus 299. 

Momotus bolivianus 335. 

— ignobilis 334. 

— pilcomajensis 334. 

Monticola saxatilis 255. 

Motacilla 134, 145. 

— alba 81, 136, 141, 143, 
144, 145, 148, 197, 199, 
212, 250, 315, 327, 343, 
344, 349, 372. 

— boarula 75, 81, 189, 
212, 250, 315, 412. 

— dukhunensis 372. 

— intermedia 373. 

— lugubris 47. 

— melanocephala 228. 

— melanope 349, 373, 

— orientalis 372. 

— uralensis 349, 372. 

Museicapa albieilla 381. 

— atricapilla 41, 84, 185, 
311, 346, 348, '380, 430. 

— collaris” 185, 246, 327. 

— grisola 41, 69, 85, 141, 
213, 311, 327, 344, 346, 


— museipeta 185. 

— neumanni 300, 380. 

— parva 185, 327, 348, 
350, 381. 

_ semitorquata 380. 

— sibirica 380. 


Neophron percnopterus 
243 


Netta rufina X Metopiana 
peposaca 116. 

Nisus fringillarum 177. 
Nucifraga caryocatactes 
198, 200, 350, 358. 

_ macrorhynchos 43, 
196, 197, 210, 350, 358. 

— relieta 247. 

Numenius arquatus 16, 75, 
98, 156, 307, 330, 343, 

— phaeopus 173, 

— tenuirostris 262. 

an tengmalmi 197, 
1 

Nyctea a. 180, 

_ rg 197, 199, 


200 
_ aut ir, 200, 207. 
Nyoticorax nycticorax 31, 
32, 33, 64, 174, 


Nyrooa 35 
en ie 343, 351. 
— ferina 12, 104, 343,350. 
— fuligula 12, 104, 168, 
"305, 306, 345, 350, 491. 
— islandica 161, 168. 


— marila 104, 167, 345, 
350 


_ nyroca 104, 
— rufina 168. 


Oedicnemus crepitans 
330. 

— oedienemus 214. 

Oidemia fusca 167. 


Oriolus galbula 197, 199, 


202, 248, 327. 
_ larvatus 300. 
— oriolus 44, 141, 213, 
312, 347, 349, 360, 
_ reichenowi 300. 
— rolleti 300. 


Ortygometra parva 174, 
399. 


— porzana 197, 198, 400. 
— pusilla 400, "401. 
Otis =. 173, 329, 347, 


353 
o- tetrax 110, 123, 173, 
214, 329, 347, 353, 398. 


Otocorys alpestris 328. 
Otus pulchellus 346. 


Pandion alticeps 179, 


— haliaetus 91, 179, 325. 


Panurus biarmicus 190. 
— russicus 379. 
Parapavo 206. 


Parus ater 48, 212, 252, 


316, 350, 378. 
— borealis 378. 


— caeruleus 48, 212, 252, 
264, 288, 316, 327, 376, 


377. 

— cristatus 48, 378, 

— cyanus 342, 349, 375, 
376, 377. 

as languidus 377. 

— major 48, 80, 135, 136, 
147, 212, 252, 253, 264, 
288) 316, ”7, 341, 348, 
350, 351,3 74. 

_ mitratus 75, 253. 

— montan 253, 

eentelle 342, 349,377. 

— pallidus 377. 

— palustris 48, 141, 190, 
212, 316, 327, 


Namenverzeichnis. 


Parus pleskei 376, 
— salicarius 316. 


Passer domesticus 45,150, 
186, 213, 248, 305, 313, 


328, 341, 360. 
— italiae 134, 137, 143, 
144, 149, 150. 


— montanus 45, 46, 145, 
150, 213, 248, 305, 313, 


328, 341, 361. 
— transcaspicus 360. 
— volgensis 361. 
Eanderina nivalis 341, 


Pastor roseus 197, 202, 
248, 328, 360. 

Pavo 206, 

— ealifornicus 206. 

Pavoncella 397. 

— pugnax 16, 75, 96, 99, 
100, 172, 198, 

Pelecanus " onocrotalus 
167. 


Perdix cinerea 198, 199, 


202, 329. 

_ perdix 33, 144, 145, 
155, 214, 308, 

—_ robusta 358, 

— rubra 179. 


Pericrocotus cinereus 333. 


Periparus 252, 
Pernis apivorus 36, 74, 
90, 178, 242, 403, 


Petronia Dekronia 186,331, 
Phalacrocorax carbo 11, 


105, 111, 330, 
— minutus 330, 
— pygmaeus 11, 
— subcormoranus 111, 
119, 166. 
Phalaropus fulioarius 171. 
— lobatus 172, 348, 


Phasianus colchious 33, 
156, 214, 281, 264, 308, 


Phoenicurus titys 239. 
Ph rNee DaDEN? abietina 


an, 345, 8348, 
49, 351. 

— abietinus 254, 

— bonelli 106. 

— collybita 317, 344, 430, 

— eversmanni 344, 346, 

— rufus 141, 142, 143, 
145, 147, 212, 254, 327, 
430, 


— sibilator 50, 80, 212, 
254, 317, 326, 480, 


497 


Phyllöscopus tristis 344, 
349, 350, 351, 354, 

— trochilus 50, 212, 254, 
317, 327, 34 48, 

— viridanus 346, 347,348, 

Pica bactriana 356. 

_ Bande: 197, 198, 199, 


— Germanica 186. 

— leuconota 357. 

— leucoptera 357, 

— piea 43, 83, 137, 152, 
186, 213, 247, 312, 340, 
341, 356. 

— rustica 329. 

Picidae 87. 

Picoides alpinus 244. 

Picus canus 87, 153, 197, 
198, 199, 245. 

— major 135, 153. 

— minor 158. 

— pinetorum 245. 

— viridicanus 184, 407. 
— viridis 38, 87) 153, 
214, 310, 407, 
Pinicola enucleator 187, 

199, 202, 364, 

Pisorhina scops 199, 202. 


Platalea leucorodia 22, 
174, 331. 

Ken Hornschuchii 
1 * 

Plectropterus gambensis 
335. 


Plegadis faleinellus 22, 
64, 112, 174, 

Podiceps minor 139, 145, 
158, 330. 

— nigricollis 330. 

Poacile 253. 

— macroura 378. 

Porzana maruetta 329. 


Pratincola Ak 145. 

— indiea 3 

— rubetra52, 2, 76, 147, 
256, 320, 3 

2m rubicolg 3 76 134, 
136, 141, 142, 143, 144, 
145, 146, 147, 193, 211, 
256, 320. 

Pteridophora alberti 115. 


Pamieie humboldti 298, 
_ leucoparaeus 299, 


— nudicollis 298, 299, 
Imuz decoratus 224. 


en Fh, 226, 


498 


Pterocles gutturalis 226. 

— lichtensteini 224. 

— olivascens 226. 

— saturatior 226. 

— tanganjicae 226. 

— targius 224. 

— variegatus 224. 

Ptyonoprogne 477. 

Puffinus gravis 391. 

— heinrothi 225. 

— nativitatis 225. 

— puffinus 4. 

— tenuirostris 225. 

Pyenonotus layardi 302, 

— micrus 302, 

Pyrgita petronia 186. 

— rustica 186. 

Pyriglena 127. 

Pyrrhula cassini 364. 

— europaea 82, 187, 212, 
249, 314. 

— major 197, 200, 210. 

pyırhula 47, 187, 249, 

341, 350, 364, 410, 427. 

Pyrrhocorax alpinus 197, 
198, 199, 200. 

— pyrrhocorax 239, 359. 

Pyrrhoptera lugubris 332. 

ra angolensis 227, 
3 


— belli 227. 
— grotei 227, 300. 
— melba 227, 300. 


Ballus aquaticus 97, 141, 
143, 156, 173, 197, 198, 
200, 214, 336, 400. 

Recurvirostra avosetta 
4432 

Regulus ignicapillus 191, 
253 


— Nilsoniü 191. 

— pyrocephalus 191. 

— regulus 212, 253, 350, 
354. 

Remiza bostanjogli 379. 

— caspia 379. 

— pendulina 379. 

Rhinoptilus chalcopterus 
298. 

— obscurus 298. 
Riparia riparia 213, 311, 
328, 345, 346, 348, 353. 

Rissa tridactyla 399. 
gr gibraltariensis 


_ phoenicurus 256. 


Namenvorzeichnis. 
Rynchops flavirostris 298. 


Saxicola isabellina 326. 

— leucomela 326. 

— oenanthe 51, 75, 141, 
211, 256, 326, 343, 344, 
347, 349, 353. 

— pleschanka 341, 345, 
347, 348, 353. 

Scolopax rusticola 17, 20, 
59, 97, 141, 156, 197, 
239, 330. 

Scotocerea inquieta 437. 

— saharae 437. 

Scotornis climacurus 441. 

Serinus canarius 314. 

— hortulanus 75,81, 212. 

— madaraszi 302. 

— polonicus 127. 

— serinus 249, 314. 

— songeae 302. 

Sitta caesia 48, 212, 251, 
316, 416, 430. 

- europaea 190. 

— homeyeri 294. 

— intermedia 251. 

— sordida 190, 417. 

— uralensis 341, 351, 374. 

Somateria mollissima 461. 

— spectabilis 167, 394. 

Spatula clypeata 12, 264, 
278, 343 


Spinus spinus 249, 328. 
Squatarola squatarola 349. 
Stercorarius longicaudus 


163. 

— parasiticus 163, 391. 

— pomarinus 163. 

— skua 163, 391. 

Sterna argentacea 166. 

— argentata 165, 166. 

— cantiaca 11, 165. 

— caspia 165. 

— hirundo 11, 71, 105, 
165, 198, 264, 278, 344, 
347, 348, 349, 350. 

— macrura 11, 165, 166, 


491. 
— minuta 11, 166, 346, 
348. 
— pomarina 165. 
Stilbopsar kenricki 332, 
Streptopelia decaöcto 241. 


— risoria 241. 
Strix alba 291, 310. 


Strix guttata 38, 181, 291, 


— rhenana 291. 

Sturnus balcanicus 248. 

— ceinclus 193. 

— intermedius 342, 359, 

— menzbieri 360. 

— purpurascens 248, 

— sophiae 359. 

— tauricus 228. 

— vulgaris 44, 64, 131, 
134, 137, 141, 150, 197, 
213, 248, 263, 264, 286, 
312, 328, 349, 359. 

Sula bassana 12, 166, 


431. 
Surnia ulula 181. 
Ener Schillingii - 
16 


Sylvia 348. 

— atricapilla 50, 141, 212, 
254, 316. 326, 346, 349, 
421 


— borin 316, 317. 

— clarae 349, 

— communis 141, 316, 
317, 326, 346, 421. 

— curruca 80, 141, 212, 
Don 316, 326, 345, 346, 
47 


— deserti 437. 

— hortensis 326. 

— luscinia 194, 195. 

— nana 437. 

— nisoria 141, 326, 346, 
349, 421, 422, 

— philomela 194, 

— salicaria 192. 

— simplex 80, 212, 254, 
263 


— striata 191. 

— suecica 194. 

— sylvia 212, 254. 

Syma megarhyncha 334. 

— sellamontis 334. 

— weiskei 334. 

Syrnium aluco 38, 75, 88, 
89, 180, 243, 264, 284, 
310, 326, 407. 

— uralense 180. 

Syrrhaptes paradoxus 175, 
198, 206. 


Tachornis 448. 

— parva 448. 

Tadorna rutila 330. 

— tadorna 14, 330, 39, 
395, 410. 


re brachyoptera 
173. 

Terekia cinerea 348, 354. 
Tetrao bonasia 210. 

— tetrix 33, 197,198, 199. 
— urogallus 33, 175, 197, 
198, 199, 203, 240. 
Thallasseuscanescens 165. 
Tichodroma muraria 252. 
Tinnunculus moluccensis 


295. 

— oceidentalis 295. 

— orientalis 295. 

— tinnunculus 228. 

Totanus 348, 429. 

— fuscus 397. 

— glareola 345, 397. 

— littoreus 396. 

— maculatus 397, 

— nebularius 16, 348, 
396, 397. 

— ochropus 344, 348, 
396, 397, 398. 

— stagnatilis 96, 172,396, 
430. 

— totanus 16, 64, 75, 100, 
348, 397, 398. 

Tringa acuminata 333. 

— alpina 16, 96, 172, 197, 
350. 

— canutus 16. 


Namenverzeichnis. 


Totanus ferruginea 172, 
348 


— maculata 333. 

— minuta 96, 348, 349, 
351, 354. 

— schinzi 101. 

— temmincki 172, 348. 

Tringoideshypoleucos 100, 
141, 156, 307, 343, 
348. 

Troglodytes troglodytes 
50, 78, 136, 147, 212, 
319, 327, 350. 

Turdus 135, 145. 

— atrogularis 192. 

— Bechsteini 192. 

— brehmi 488, 489. 

— clarkei 486, 490, 

— iliacus 78, 212, 265, 
319, 351. 

— merula 51, 77, 135, 
143, 145, 146, 211, 264, 
289, 319, 326. 

— migratorius 55. 

— minor 488. 

— musicus50, 77, 78,146, 
197, 198, 199, 200, 211, 
239, 255, 319, 326, 344, 
350, 425, 430, 485. 

— philomelos 145, 255, 
487. 


499 


Turdus pilaris 51, 78, 192, 
197, 211, 255, 264, 289, 
319, 326, 342, 349, 350, 
426. 

— saxatilis 179, 

— torquatus 77, 193, 320. 

— viscivorus 5l, 78, 197, 
198, 199, 200, 211, 255, 
319, 320, 326, 343, 426. 

Turtur auritus 329. 

— turtur 34, 62, 214, 241, 
309, 346. 

Tyto alba 294. 

— guttata 294. 


Upupa epops 75, 87, 185, 
213, 244, 329, 344, 353, 
438. 

Uragus sibiricus 364. 

Uria grylle 162. 

— lomvia 162. 

— troille 4. 162. 

Urinator arcticus 162, 

— immer 162. 


Wanellus vanellus 15, 101, 
134, 135, 139, 141, 144, 
145, 157, 214, 239, 263, 
330, 343, 

— cristatus 196, 197, 198," 
200. 

! Vultur monachus 243, 


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Im Auftrage der BE 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft‘ 
herausgegeben 
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ya Dr. Ant. Reichenow, 
Geh. Regierungsrat, A eiter Direktor am Kgl. Zoologischen Museum in Berlin, 
"Generalsekret der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. }. 
Heft 1. Januar 1919. 
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| Williams & Notpato, 14  F. Vieweg, rue Richelieu 67. Lemcke & Buechner 
B Honriota ‚Street, ee laen. ! 30—32 West, 27th Street. er 


Bett ee Jahrganges (4 Hefte mit Abbildungen) 24 Rmk. praen. = 


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Inhalt des 1. Hoftes 00, 39 


1; uk und Wanderung der Vögel Europas nach den Ergebnissen 
des Ringversuchs. Von F. v. Lucanus . . 3 
2. Beiträge zur Avifauna des Münsterlandes. Il. Beobachtungen 
aus dem Jahre 1917. Von Dr. H. Reichling .. 
3. Über das Vorkommen von Kormoran, Schnatterente und A 
Limose auf den Militscher Teichen. Von O. Graf 2.0 Unkel 
4. Otis tetrax. Von O. Graf Zedlitz i 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


5. Bericht über die Septembersitzung 1918 

6. Bericht über die Jahresversammlung 1918 . . . 

7. Bericht über die Novembersitzung 1918 

8. Dem Herausgeber zugesandte Schriften . . . 2. 


Anzeigen. 


NAUMANN, J. A., Naturgeschichte der Land- und Wasser-Vägel 


des nördlichen Deutschland und angrenzenden Länder. 
1797—1805. 4 Bde. mit Atlas. Preis 1000 M. ei ; 


NAUMANN, J. A. und J. F., Naturgeschichte der Vögel Deutsch- = 
lands. 13 Bae. mit 400 kol. Kupfertafeln. 1820—1860. Pre is 
400 M. | 


Beide Werke tadellos erhalten und gut gebunden. ee 
Frau Schiller B 


Schlachtensee bei Berlin 
Heimstättenstr. 2. 3 


Palaearktische Vogelbälge für wissenschaftl. Sanaf 
ab Direktor H. "Friedrich, Grofs-Aupa (Böhmen), 
Wiesenheim. | 

Die Herren, die bisher nur ihre Feldanschrift abgege) 
haben, und die, deren Wünsche der politischen Verhäl 
wegen bisher nicht erfüllt werden konnten, werden ge 
nochmals zu schreiben. | # 


Druck von Otto Dornblüth Nachf. in Bernburg. 


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ORNITHOLOGIE, 


GEGRÜNDET VON J. CABANIS. 


Im Auftrage der 


Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 


‚herausgegeben 


von 


Prof. Dr. Ant. Reichenow, 


Geh. Regierungsrat, Zweiter Direktor am Kgl. Zoologischen Museum in Berlin, 
Generalsekretär der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. 


67. Jahrgang. April 1919. 


Leipzig 1919. 
Verlag von L. A. Kittler. 


\ London, Paris, New-York, 
Williams & Norgate, 14  F. Vieweg, rue Richelieu 67. Lemcke & Buechner hl 
Henrietta Street, Coventgarden, ' ö 30—32 West, 27th Street. _ 


9, Pi 
Preis des Jahrganges (4 Hefte mit Abbildungen) 24 Rmk. praen. 


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Inhalt den 2, Heften 0. D—— 


1. Beiträge zur Ornithologie des nördlichen Venetiens und des 
Küstenlandes. Von E. P. Tratz. 


2. Die Sammlung pommerscher : in Greifewähl: Von EB 
Koske.,).i.ni2 RN 


3. Die pleistozäne Voreifsnne. von Pilifezanto. “ Ein en a , 
Referat. Von H. Frhr. Geyr von Schweppenburg 19 
4. Ornithologische Beobachtungen aus der en östlich von TEN ü 
Reims. Von R. Gerlach. .. . As a 
5. Einige kritische Bemerkungen zu den palßarktischeni Corviden. N 
Von J. Gengler . N... 5.002 A 


Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


6. Bericht über die Dezembersitzung 1918 
. Bericht über die Januarsitzung 1919 
8. Bericht über die Februarsitzung 1919 


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9. Dem Herausgeber zugesandte Schriften . . . 


HNIN und KÜSTER, Orithologiscer Als. der ausser- 
europäischen Vögel für 50 Mark zu verkaufen. dt 
E. Albrecht, Bischofswerda Sa. rg 


Druck vom Otto Dornblüth Nachf. in Bernburg. 


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ÖORNITHOLOGIE 
: | | GEGRÜNDET VON J. CABANIS. 


Im Auftrage der 
Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 


‚herausgegeben 


& von 


Prof. Dr. Ant. Reichenow, 


Geh. Regierungsrat, Zweiter Direktor am Kgl. Zoologischen Museum in Berlin, 
Re Generalsekretär der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. 


Heft 3. 67. Jahrgang. Juli 1919. 


Leipzig 1919. | 
Verlag von L. A. Kittler. Be . 


London, Paris, New-York, A 
"Williams & Norgate, 4  F. Vieweg, rue Richelieu 67. Lemcke & Buecher |, 
rietta Street, Coventgarden. 30—82 West, 27th Street. 

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eis des Jahrganges (4 Hefte mit Abbildungen) 24 Rmk. praen. 


Inhalt des 9. Heftes 1010, 


Ornithologische Beobachtungen in der Muss - Alla - Grupp % 
1916—19. Von H. v. Boetticher.. . . 2 j 


XVII. Jahresbericht (1918) der ai Rossiklan, Von. 
Prof: Dr. J,'Thienemannı.n ... u 2 


Sollen Subtilformen benannt werden ? Von B. Ss t reseman m 


Ergänzung zu meiner Arbeit: „Zug und Wanderung der Vgell 
Europas nach den Ergebnissen des TEInERIN LACH RE Von F. 


v. Lucanus),. „,. " . air > RE 
Über einige Vögel der denietnostaeukaniacken Stäktiste, Von ar 
H. 70B ae ee > Bi: 
Ornithologische Aufzeichnungen aus Se Von R. Zi 5 
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Vogelleben von Terhomny-Jat an der unteren Waren 
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Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 


Bericht über die Aprilsitzung 1919 . . 
Bericht über die Maisitzung 1919 


Dem Herausgeber zugesandte Schriften . . . ..» 


Bruck von Otto Dornblüth Nachf. in Bernburg. 


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' ORNTTHOLOGIE 


GEGRÜNDET VON J. CABANIS. 


Im Auftrage der 


Deutschen Ornithologischen Gesellschaft 


herausgegeben 


von 


Prof. Dr. Ant. Reichenow, ; 


Geh. Regierungsrat, Zweiter Direktor am Staatl. Zoologischen Museum in Berlin, 
Generalsekretär der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. 


Heft4. 67. Jahrgang. Oktober 1919. 


ja! Leipzig 1919. 
ns Verlag von L. A. Kittler. 


London, Paris, New-York, 
Williams & Norgate, 4 F. Vieweg, rue Richelieu 67. Lemcke & Buechner 
 Henrietta Street, Coventgarden. 30—832 West, 27th Street. 
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3 Preis des Jahrganges (4 Hefte mit Abbildungen) 24 Rmk. praen. 


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Prnithologische Bibliotheken, 


einzelne gute ornitholog. Werke (auch ältere), Zeit- 


schriften und Separata-Konvolute werden stets zu “ 


guten Preisen gekauit.. Zur Zeit besonders erwünscht: 
alle Werke von Joh. Andr. und J. F. Naumann 
(auch die Hennicke’sche Neuausgabe der Vögel Mittel- 
europas) und Chr. L. Brehm. 

In den. letzten Jahren erwarb ich die zum Teil 
grossen Bibliotheken des Grafen Berlepsch, Prof. Dr. 
Finsch, Dr. ©. Parrot und andere. 


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Antiquariat für Naturwissenschaften 
München — Landwehrstr. 6. 


Ornithologische Monatsberichte Jahrg. 1897—-99 sucht “ 


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Journal für Ornithologie Jahrg. 1859 —- 95 geb. Ba. 12 M. 
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